Abendausgabe
Nr. 441 44. Jahrgang
Ausgabe B Nr. 218
= Vorwärts
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Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Sonnabend
17. September 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Feuersäulen über dem Meer.
Erdbebenkatastrophe am Schwarzen Meer .
Aus Moskau wird gemeldet, daß bei Cherson neue Erd-| worden sein sollen. 70 Personen sollen den Tod in den Wellen gestöße verspürt worden find. 40 Häuser find eingeffürzt. Die funden haben. Wie ferner gemeldet wird, soll der auf der Fahrt von Halbinsel 31jitsch auf der Krim ist im Meer verschwun- Kamschatka nach Japan befindliche japanische Dampfer Busung" den. Die Bevölkerung der nördlichen Schwarzmeertüfte flüchtete mit 900 Personen an Bord gesunken sein. Eine Bestätigung dieser landeinwärts. Nur stellenweise sind Truppen zum Schutze der ab- Meldung liegt jedoch noch nicht vor. gehenden Züge herangezogen worden. Bei Baklawa ist eine& a- ferne eingestürzt. 15 Soldaten sind unter den Trümmern begraben worden. Auch deutsche Kolonisten haben durch die Erdbeben gelitten.
Gestern früh zwischen 10 und 11 Uhr wurden in Simfero pol und Sebastopol wiederum Erdstöße verzeichnet, die geringfügige Zerstörungen verursachten. In Laspi bei Sebastopol stürzte der Eliasfelfen ab. Es wurde festgestellt, daß die während des Erdbebens über dem Wasserspiegel zwischen Sebastopol und dem kap Cufull erschienenen Feuersäulen auf einen großen Einsturz des Meeresgrundes zurückzuführen sind. Die infolge des Einsturzes hervorbrechenden Gase entzündeten sich bei ihrer Berbindung mit der Luft und bildeten vom Ufer aus sichtbare Feuerjäulen und Rauchwolfen.
Von der Insel Sachalin wird ebenfalls ein Erdbeben gemeldet, das bis zu sechs Minuten andauerte. Einzelheiten fehlen noch. Mostau, 17. September. Der deutsche Botschafter Graf Broddorff Rangau hat Tschitscherin sein Beileid aus Anlaß der Erdbebentatastrophe auf der Krim ausgesprochen.
In der Ariafebucht bei der Insel Kiuschiu hat sich ein Seebeben ereignet, bei dem 114 Schiffe gesunken bzw. schwer beschädigt
Ein gescheitertes Wagnis
und ein vernünftiger Entschluß: Die irischen Ozeanflieger brechen den Flug ab.
London, 17. September.
Die beiden Ozeanflieger, Kapitän Mac Intosh und Kommandant Fih maurice, die gestern nachmittag zum Fluge nach New York gestartet waren, find infolge ungünstiger Wetterverhältnisse in den späten Abendstunden zurüdgefehrt und in Ballybunion in der Grafschaft Kerry glatt gelandet. Die Rüdkehr der Flieger wurde offenbar durch den schweren Sturm erzwungen, der über Irland herrscht.
Die Flieger hatten zunächst die Richtung nach Galway in WestIrland eingeschlagen, das um 15,30 Uhr erreicht wurde. Von dort nahmen sie Zidzadfurs, wurden um 16 Uhr über den Aran- Inseln, etma 35 Meilen westlich von Galway und gegen 18 Uhr über Mutton gesichtet. Kurz nach 19 Uhr befand sich das Flugzeug über Carrigaholt, 55 Meilen südwestlich von Galway. Die beiden Piloten find unverletzt, die Maschine ist intatt.
Tofio, 17. September.
Gewerkschaftliche Konzentration.
Verschmelzungspläne in der Lebensmittelindustrie. Bon Friedrich Ekorn.
Seit dem Jahre 1919 ist die Anzahl der im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund vereinigten Verbände durch engeren Zusammenschluß von 52 auf 38 zurückgegangen. Bon diesen 38 Verbänden sind etwa 13 als Industrieorganisationen anzusprechen, 11 als Branchenorganisationen( weil aus der Verbindung mit einem oder mehreren verwandten Berufsverbänden entstanden) und nur noch 14 als reine Berufsverbände, denen jedoch fast durchweg auch die Hilfsarbeiter angehören, soweit solche in dem betreffenden Beruf tätig sind. Die Entwicklung ist mit diesem Stande noch längst nicht abgeschlossen. Drei Industrieverbände sind auf dem Wege zur Bildung einer einheitlichen Organisation des Verkehrsgewerbes sowie der öffentlichen Betriebe und Verwaltungen, zwei Berufsverbände betreiben den Anschluß an ihre Induſtrieorganisation und vier Verbände der Lebens- und Genußmittelindustrie stehen jetzt vor ihrem Zusammenschluß. In der Woche vom 19. bis 25. September tagen in Leipzig die Verbände der Lebensmittel und Ge= tränkearbeiter, der Nahrungs- und Genußmittelarbeiter, der Fleischer und Berufsgenossen sowie der Böttcher, Weinküfer und Hilfsarbeiter. Sie werden zunächst unter sich und dann gemeinsam über die Zusammenlegung ihrer Organisationen zu einem einheitlichen Verbande entscheiden. Für den Konzentrationsprozeß, der sich in der deutschen Gewerkschaftsbewegung vollzieht und der durch die Verhandlungen des Breslauer Gewerkschaftskongresses einen starken Impuls bekam, bedeutet diese Zusammenlegung einen großen Schritt vorwärts.
Die vier Berbände sind längst nicht mehr reine Die amerikanischen Weltflieger Brod und Schlee find an Bord des japanischen Dampfers Korea Maru" nach den Vereinigten Brauereiarbeiterverband hat sich der Berband Dampfers ,, Korea Berufsorganisationen gelernter Arbeiter. Dem früherent Staaten abgereift. der Mühlenarbeiter angeschlossen und der so zusammengejezte Verband umfaßt außer den in der Brauerei und Mühlenindustrie beschäftigten gelernten und ungelernten Arbeitern auch die Arbeiter und Arbeiterinnen in der Spritindustrie. Mit dem früheren Verbande der Bäder hat sich der Verband der Konditoren ver= schmolzen und der gemeinsame Verband hat nicht nur auch die ungelernten Arbeiter in den Brotfabriken erfaßt, sondern darüber hinaus die Arbeiter und Arbeiterinnen der gesamten Süßwarenindustrie, den Schokoladen- und Zuckerwarenfabriken und den Keksfabriken.
de Aguero y Betancourt, den finnischen Minister des Acußern Boiannaa und den tanadischen Staatsminister Dandurand. Nach Genehmigung der Tagesordnung für die neue Seffion beantragte Chamberlain die Absetzung des englischen Antrages auf era bjegung der Zahl der jährlichen Ratstagungen von vier auf drei auf die Dezembertagung. Der Rat beschloß dem entsprechend und nahm auch die Vertagung des Salamisfalles bis Dezember in Aussicht, falls die Tagesordnung die Erledigung in der jetzigen Tagung nicht mehr gestattet.
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Der Andrang am Berliner Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitsuchenden unter 150 000 gesunken, Auf dem Berliner Arbeitsmarkt haben sich nach dem Bericht des Landesarbeitsamts die Beschäftigungsverhältnisse weiter gebessert. Zahlenmäßig tritt diese Befferung allerdings nicht in so hohem Maße in Erscheinung wie in der Borwoche. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit beträgt rund 2870 Personen, so daß sich der gegenwärtige Stand auf 147 430 Personen beläuft. Der Bedarf der Landwirtschaft an Arbeitskräften zur vorübergehenden BeIn der anschließenden öffentlichen Sigung begann der Rat schäftigung in der Hackfruchternte führte zu einem erhöhten Abruf. zunächst mit der Behandlung des rumänisch ungarischen Hauptsächlich blieben an den Vermittlungsergebnissen jedoch Optantenstreitfalles, dessen Erledigung durch eine Berständigung wiederum die Metall- und Holzindustrie beteiligt. Der zwischen den zwei Parteien angestrebt wird und derzufolge der Rat gute Beschäftigungsgrad in der Konfektion hat gleichfalls weiter Rumänien auffordert, seinen aus dem ungarisch- rumänischen Schieds: angehalten. Auch das Baugewerbe bot im allgemeinen gute Beschäf- gericht zurückgezogenen Schiedsrichter wieder in das tigungen. Ein Rüdgang der Vermittlungsmöglichkeit ist im Verviel- Schiedsgericht zu entfenden. Gleichzeitig sollen beide Parteien fältigungs- und Gastwirtsgewerbe zu verzeichnen. Für faufmännische folgende drei Grundsäge bei der Behandlung von Optantenstreit und Bureauangestellte ist zwar ein erhöhter Zugang festzustellen, fällen berücksichtigen: 1. Die Bestimmungen des Schiedsvertrages von jedoch überwiegt bei den männlichen Kräften bei guter Vermittlungs- Trianon schließen keineswegs die Durchführung einer allgemeinen tätigkeit der Abgang. Bei den weiblichen Kräften ist eine Nei- Agrarreform in Rumänien unter Einschluß der ungarischen gung zur Verschlechterung vorherrschend geblieben. Durch den leb. Staatsangehörigen aus. 2. Beder im Wortlaut noch in der Anhaften Kräftebedarf der Metall- und Holzindustrie wurden auch wendung einer solchen Agrarreform darf irgendeine Rechts Ingenieure, Techniter und Wertmeister in größerer ungleichheit zwischen Ungarn und Rumänien bestehen Anzahl abgefordert.
Es waren 147 430 Personen bei den Arbeitsnachweisen eingetragen gegen 150 306 der Vorwoche. Darunter befanden sich 99 710 ( 101 715) männliche und 47 720( 48 591) weibliche Personen. Erwerbslosenunterstützung bezogen 44 588( 45 964) männliche und 17 596( 18 537) weibliche, insgesamt 62 184( 64 501) Personen. Außer dem wurden noch 22 882( 24 020) Personen durch die Erwerbslosen hilfe der Stadtgemeinde Berlin und 20 871( 21 862) Personen durch die Krisenfürsorge unterstützt. Bei Notstandsarbeiten wurden 4624 ( 4715) Personen beschäftigt.
Die Besoldungsreform. Noch keine Veröffentlichung der Vorlage. Der umfangreiche und komplizierte Text des Gesetzentwurfs zur Erhöhung der Beamtengehälter ist noch nicht fertiggestellt, fann darum noch nicht veröffentlicht werden. Die Behauptung des Bariser Matin", daß der Reparationsagent gegen die B soldungsreform protestiert habe, wird amtlich de mentiert, u. a. auch mit dem Hinweis, daß Barker Gilbert seit Wochen im Aus land ist und die Vorlage auch schon, weil sie noch nicht fertig ist, bisher nicht Lenne.
Der rumänisch- ungarische Konflikt. Der neue Rat tagt.
Genf, 17. September. In der Geheimsißung, mit der die 37. Ratstagung heute eröffnet wurde, erklärte das chinesische Ratsmitglied Wang, daß er nach dem Beispiel Dr. Stresemanns im vorigen Jahr darauf verzichte, den alphabetisch ihm zustehenden Vorsitz zu übernehmen und den bis: herigen Vorsitzenden Billegas bitte, die Tagung weiter zu leiten, er werde dann im Dezember den Vorsitz des Rates übernehmen. Sodann begrüßte der Vorsitzende die neu eingetretenen Ratsmitglieder, den tubanischen Gefandten in Berlin,
Mandatskritik.
Genf, 17. September.
Im politischen Ausschuß der Völkerbundsversammlung nahm der norwegische Delegierte Nansen zum Tätigkeitsbericht des stän digen Mandatsausschusses des Bölkerbundes Stellung. Er erbat Auskunft darüber, eine Reihe von Beschwerde schriften dem ständigen Ausschuß nicht zugegangen seien, und betonte dabei die Notwendigkeit des Petitionswesens bei der Verwaltung der Mandatsgebiete. Weiter verwies er auf den Mi- brauch der im Handel mit geistigen Getränken an Eingeborene im wachsenden Maße getrieben werde. Nansen streifte ferner andere Mandatsfragen, darunter die jüngsten Vorkommnisse in Samoa. Er plädierte zum Schluß für weiteste Deffent lichkeit der Arbeiten des Mandatsausschusses und legte Verwahrung gegen eine aus Ersparnisgründen beabsichtigte Kürzung der Beröffentlichungen ein.
Der Vertreter Neuseelands sprach die Bereitschaft aus, den Wünschen Nansens in bezug auf die Aufklärung der Zwischenfälle in Samoa zu entsprechen. Der Oberkommissar für Südafrika Smith begrüßte feinerseits den Eintritt eines deutschen mit gliedes in den Mandatsausschuß, insbesondere mit Rücksicht auf die ehemals deutschen Gebiete. Der Holländer Van Rees, Bize präsident des ständigen Mandatsausschusses, fagte die Berücksichtis gung der von Nansen ausgesprochenen Wünsche zu und gab der Hoffnung Ausdrud, daß die von Nansen erwähnten Beschwerdeschriften bereits bei der nächsten Tagung des Mandatsausschusses im Oktober vorliegen werden.
Nifischs Kometenbahn. Zwischen den sächsischen„ Altsozialisten" ist es zu heftigen Differenzen gekommen, deren Ursache die rechtsnationalistische Einstellung Nifischs bildet. Nifischs Rechtsentwicklung ist soweit gediehen, daß er in einem eigenen Blatt, dem Widerstand", der Altsozialisten hat Nifisch aufgefordert, die Berbindung zu diesem Stresemanns Berständigungspolitit befämpft. Der Landesvorstand Blatt zu lösen. Die Deutsche Tageszeitung" erblickt darin einen Sieg der Elemente in der ASPS., die eine Wiedervereinigung mit der Sozialdemokratie anstreben.
Die fortschreitende Industrialisierung auch im Fleischergewerbe brachte es mit sich, daß der Verband der Fleischer sein Organisationsgebiet auf die in den Fleischwaren und Wurstfabriten beschäftigten Hilfskräfte ausdehnte. Der Böttcherverband fann in gewissem Sinne als er feit erste Vorstufe zum Industrieverband gelten, da 42 Jahren außer den Böttchern, den Faßmachern, auch die einfüfer und deren Hilfsarbeiter umfaßt. Da zwei Drittel seiner Mitglieder in der Getränkeindustrie beschäftigt sind, liegt seine Verschmelzung mit dem Verbande der Lebensmittel- und Getränkearbeiter besonders nahe, die denn auch höchstwahrscheinlich selbst dann erfolgen wird, wenn es zu einer allgemeinen Verschmelzung der vier Verbände mider Erwarten diesmal noch nicht fommen sollte.
Es ist nicht müßig, diese Einschränkung zu machen, da sowohl im Nahrungs- und Genußmittelarbeiterverband mie auch im Lebensmittel- und Getränkearbeiterverband sich starfe Strömungen gegen die Verschmelzung bemerkbar machen. Gewiß liegt fein unmittelbarer Zwang zum Zusammenschluß dieser Verbände vor. Beide sind mit ihren 60 000 bzw. 70 000 Mitgliedern so gestellt, daß sie auch für sich weiter bestehen können. Allein die Gründe, die von den Gegnern der Verschmelzung im Laufe der seit Monaten in den Verbandsorganen geführten Diskussionen vorgebracht wurden, sind keineswegs von prinzipieller Bedeutung, sondern mehr untergeordneter, teilweise recht fleinlicher Art.
Es ist menschlich begreiflich, wenn Gewerkschaftsgenossen, die seit drei und vier Jahrzehnten ihrer Organisation an gehören, die sie mitgeschaffen und in der sie unablässig gewirkt haben, ihrem Verbande traditionell verbunden sind und nichts davon wissen wollen, daß nun ihr Verband in einer größeren Einheitsorganisation mit anderen Verbänden aufgehen foll. Sie flammern sich an Aeußerlichkeiten, berechnen, ob fie fünftig ein paar Pfennige Beitrag mehr oder weniger zu zahlen haben, ob die im Statutentwurf für die neu zu schaffende Einheitsorganisation vorgesehenen Unterſtügungen in dem einen oder anderen Falle etwas geringer sind als die bisherigen Säße ihres Verbandes und glauben sb sich dem Zuge der Entwicklung in den Weg stellen zu können.
Verschmelzung nur um der Verschmelzung willen, ohne Rücksicht darauf, ob die notwendigsten Voraussetzungen dafür gegeben sind, wäre gewiß verfehlt. Davon fann jedoch in diesem Falle die Rede nicht sein. Der Gedanke des Zufammengehens ist in den beteiligten Verbänden schon seit vielen Jahren erörtert worden, und der jetzt vorliegende Plan ist die Frucht eingehender Verhandlungen und pflichtbewußter Vorbereitungen.
Wohl weisen auch die Unternehmerorganisa. tionen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie noch eine ganze Reihe einzelner Reichsverbände auf: sieben in der Mühlenindustrie, sieben Reichsverbände der Bäckerei-,