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Nr. 454 44.Jahrgang lis 1. Beilage des Vorwärts

Vom Wert der Person

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Modellmarkt in der Akademie.

Rünstlermodell"

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wie war dieses Bort bis vor noch gar nicht langer Zeit vom Duft der Romantik, dem Zauber der Boheme ummittert. Aber die schöne Zeit goldgerahmten, zuckersüßen, verlogen- glatten Deldrud Ritsches ist vorüber, die italienische Deldrud- Ritsches Periode" ist nicht mehr die zur Reife des künstlerischen Talentes unerläßliche Bedingung, die heranwachsende Künstlergeneration Tennt diesen Typ der Modelle schon nicht mehr, und so, wie sich die Kunst aus den Fesseln einer verlogenen Romantik freigemacht hat, so haben sich ihr auch die Begriffe Modell" und Modellmarkt" gemandelt. Jede Stadt mit einer Kunstakademie hat heute ihren ,, Modellmarkt", und er ist eine verdammt nüchterne Sache, die nichts, gar nichts mit dem füß- verlogenen Klischee jener Zeit zu tun hat. Er ist glatt eine Arbeitsbörse, nur daß hier die Ware Mensch nicht nach ihrer Arbeitskraft, sondern nach der Schönheit oder Originalität ihrer Erscheinung gehandelt wird.

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Berliner Modellmarkt.

Auch Berlin hat seine Modellbörse. Alle Montag von 9-12 Tönnen sich Personen behufs ihrer Heranziehung als Modell" in der großen Halle der staatlichen Kunstgewerbeschule am Steinplat in Charlottenburg einfinden, und es wird reichlich, reichlich Gebrauch von dieser Erlaubnis gemacht. Um 10 Uhr sind schon alle Sigpläge in der Halle vergeben, wohl sechzig bis achtzig Modelle warten da, rechts die Männer, links die weiblichen Modelle, auf ihren Ent­decker. Die meisten ,, in Zivil", nur vereinzelt sucht ein Kopfmodell" durch irgendeine besondere Tracht, ein buntes Kopftuch oder eine cigenartige Frisur, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mert­würdigerweise gibt es, sowohl bei den männlichen wie bei den meib= lichen Modellen fast nur zwei Altersklassen: Die Jungen von sechzehn bis zweiundzwanzig Jahren und die Alten, die ,, Charakterföpfe"; das Alter von 30 bis 50 ist am wenigsten vertreten, denn dann ist man zum Aftmodell zu alt, zum schönen Charaktertopf" zumeist zu jung, es ist das Alter, in dem man als Modell wirklich am

Die Silberschwärme

66]

Von Rex Beach

( Nachdrud verboten

Autorisierte Uebersehung aus dem Englischen von Julia Roppel

Boyd zerknüllte den Brief in seiner Hand und warf ihn gleichgültig auf den Tisch.

Sie diftieren gut," sagte er ruhig, ich aber werde ihr die Sache erklären, wie sie wirklich ist, und sie wird

menigsten Geschäfte machen kann, und nur der, der dann einen besonderen Typ repräsentiert und ihn durch Aufmachung" unter­streicht, fann hoffen, überhaupt einen Abschluß machen zu können. Diese Aufmachung freilich will gelernt sein, aber dann lohnt sie sich. 3. B. fann eine fünfunddreißigjährige Frau an zwei Markttagen" unbeachtet im Jadettkostüm fizen am dritten findet sie, durch ein rötliches Kopftuch und eine gestickte Bluse in eine russische Bäuerin" verwandelt, gleich drei Engagements! Und das rothaarige, nicht schöne und wenig gut gebaute Mädel neben ihr weiß recht wohl, marum sie in der Halle den Hut ablegt, aber den fornblumenblauen Gummimantel anbehält....

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Kopf und Akt.

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Sonntag, 25. September 1927

Woher fie kommen.

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Ein Notberuf ist das Modellstehen und darum sind auf dem Modellmartt auch alle Typen und alle Stände vertreten von der unterernährten fleinen Näherin bis zur momentan stellungslosen Bardame", von der alten Sozialrentnerin bis zum Dreijährigen, ter dem arbeitslosen Bater helfen soll, die sieben hungrigen Mäuler der Familie satt zu machen. Und auf der Männerseite ist es nicht anders: Da fißt der abgebaute Kaufmann neben dem arbeitslosen Transportarbeiter und der Gent " im modernen Sportanzug neben einem Stelzfuß, dessen charakteristischer Kopf vielmals als, alter Landsknecht " die Ausstellungswände zierte. Ein neuer Typ auf dem Modellmarkt ist der arbeitslose junge Proletarier aus der proletarischen Körperkulturbewegung, der, weil er zumeist ein glänzendes Körder= material darstellt, auch recht gern engagiert wird. Mit Ausnahme der alten Sozialrentner und einiger mit billiger Eleganz gekleideter junger Mädchen sehen aber alle, so bald als möglich wieder vom ,, Modellmarkt" zu verschwinden. Da war ein alter Herr, dessen durchgeistigter Kopf eine bemerkenswerte Neuerscheinung" auf dem Modellmarkte darstellte: Ein alter Journalist, der. arbeitslos geworden, mit bemerkenswertem Mut den Weg zum Modellmarkt gefunden hatte, und der auch nicht allzu lange auf dem Markt blieb: Er sitzt schon wieder auf irgendeinem Redaktionssessel, und vielleicht hat er nun schon Distanz genug zu dieser Episode seines Lebens, daß er sie zu einem leichtplaudernden Feuilleton umwandelte. Der ,, Landsknecht " aber hat auf allen gemalten Ruhm, von dem er doch nicht satt werden konnte, verzichtet und wieder den Leierkasten über die Schulter genommen; selbst der nährt seinen Mann besser... Dann war einer, der nicht herausfand: Ein früherer Offizier, Desterreicher, Aristokrat vom Scheitel bis zur Sohle; immer elegant angezogen, ein dünnes Kettchen ums Handgelent geschlungen. Er stand ,, Aft" und Kostüm" und in der Pause legte er den Damen Karten, und war durchaus angenehm davon berührt, wenn man ihm eine Schachtel Zigaretten neben die Karten schob. Jahrlang stand er Modell, der sportlich gestählte Körper hielt tadellos jede Stellung fest... bis das Reservefapital an Gesundheit, Training und Eleganz aufgebraucht war und er immer seltener als Modell genommen wurde... und dann verschwand....

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Die Mehrzahl der jungen Modelle steht Ganzaft", d. h. auf Wunsch völlig entkleidet Modell, und die alten würden es vielleicht auch recht gern wenn nur Nachfrage danach wäre. Denn Art is noch immer' ne Sache, die sich lohnt". Bekommt das Schul­modell", das in der Unterrichtsanstalt selbst arbeitet, doch schon für ,, Banzatt" 1,20 bis 1,30 m., das Kopf" oder Kostümmodell" aber nur 1 M. für die Stunde; Privatmodelle werden noch besser bezahlt: 1,20 M. für Kopf, Aktmodelle 1,50 bis 2,50 M. Freilich erreichen diesen letzten Saz nur einige ganz wenige, besonders schön ge­wachsene Menschen mit gutgepflegtem und durchtrainiertem Körper, auch wird er nur bei fürzerer Sigungsdauer gezahlt, und diese wenigen haben es selten nötig, auf den Modellmarkt zu gehen, sie haben feste Privatkundschaft". So sonderbar es flingt: Auf diesem Markt find die eigentlichen Berufsmodelle in der Minderzahl. Das ist sehr leicht erklärlich, denn es gehört heute schon ein ausgezeichmaschine, zum Lagerbuch oder zur Drehbank, und darum zeigt der netes Material" dazu, menn jemand vom Modellstehen leben will. Die hohen ,, Stundenlöhne" dürfen darüber nicht täuschen. gelingt es, an einem Tage mehr als vier Stunden zu besetzen, der Durchschnitt bringt es aber längst nicht so meit und wäre mit 16 Arbeitsstunden in der Woche schon recht zufrieden! Darum ist das Modellstehen" den meisten auch nur ein Rotbehelf, dem fie je cher je lieber gern den Rücken fehren.

Typen, die sich anbieten.

Selten

Den Jungen aber ist die Rückkehr noch leichter, und über kurz oder lang finden fast alle wieder zurück zur Schreib- oder Näh­

Modellmarkt fast alle Jahre ein anderes Gesicht und immer neue Gefichter, und vorbei sind die Zeiten, in denen nach der frommen Sage derselbe ehrwürdige Greis als Einsiedler in der thebäischen Büfte" und als Büßende Magdalene" Modell stand, meil naďte Weibspersonen die Moralität der Malschüler zu start gefährdeten.

Ein wenig geschwindelt mag das sein; aber es ist in Wirklichkeit erst etwa 25 Jahre her, daß man- unter allen möglichen Vorsichts­auch den Schülerinnen die Teilnahme an Attkursen maßregeln- gestattete und an gemischten Klassen" war damals noch gar nicht zu denken!

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Jugendausstellung verlängert!

Großer Erfolg: nahezu 100 000 Besucher.

diets des alle Erwartungen übersteigenden Interesses, das

12. August d. J. im Berliner Schloß Bellevue befindliche Ausstellung der deutschen Jugend Das junge Deutschland " in der

Deffentlichkeit findet und das sich in chin einer ständigen lleber­

füllung der großen Ausstellungsfäle des Schlosses und noch mehr der Festhalle der Ausstellung ausspricht, hat die Lei­tung beschlossen, die Ausstellung für geschlossene Gruppen bis zum 5. Oktober offenzuhalten. Für einzine Besucher muß der Eintritt allerdings aus technischen Gründen, wie vorgesehen, am heutigen Sonntag geschlossen werden.

Bisher sind bereits, ohne Einrechnung der Inhaber von Dauer­und Ehrenkarten, nahezu 100 000 Einzelbesucher in der Jugend­ausstellung gewesen. Darunter haben sich nicht nur zahlreiche Gruppen der Jugendverbände selber aus allen Teilen des Reiches, die in Sonderzügen und Gesellschaftsfahrten eine oft vielstündige Fahrt nach Berlin zum Besuch der Ausstellung nicht scheuten, be­funden, sondern auch viele Organisationen des Handels und der Industrie, der Lehrerschaft und Jugendpfleger, der Universitäten und wissenschaftlichen Institute hatten Kommissionen und Abordnungen entsandt. Nicht minder groß ist das Interesse der öffentlichen

Sie hielt inne, ihrer Stimme nicht mehr mächtig.

Boyd stand in der Tür zum Kontor. Mit wenigen| aber gehört mir, sie geht niemanden etwas an, auch Sie nicht." Worten erzählte er ihr von Herrn Waylands Drohung. ,, Glauben Sie, daß er dem Geschäft schaden kann?" fragte sie ängstlich.

" Ich fürchte, ja."

" Warum hat er sich so plötzlich gegen Sie gewandt? Und warum ist Fräulein Wayland Ihnen so böse geworden?" Ich ich weiß es nicht-"

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" Ich will wissen, warum! Ich bin Ihr Kompagnon, und " George, Sie und ich müssen jetzt fester zusammenhalten als je. Lassen Sie uns nichts voreinander verbergen."

" Das werden Sie nicht, denn Sie werden sie nicht miedersehen. Mildred hat sich mit Willis Marsh verlobt, ich habe ihre Verlobung soeben unseren Freunden an Bord der Jacht mitgeteilt."

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,, Und ich sage Ihnen, daß ich diesen Bescheid aus feinem anderen Munde als ihrem eigenen entgegennehme. Ich werde heute abend an Bord kommen."

" In dieser Sache haben Herr Marsh und ich vielleicht auch ein Wörtchen mitzureden!" rief Wayland. Ich rate Ihnen, machen Sie feinen Versuch, sich meiner Tochter zu nähern."

Und ich fage Ihnen, daß ich heute abend allein an Bord der Jacht kommen werde."

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ der Präsident des Trusts das Zimmer, von seinem Trabanten gefolgt.

26.

Als Cherry Malotte zur Fabrit fam, um ihren täglichen Besuch zu machen, sah sie, wie Willis Marsh und Herr Way­land das Kontor verließen. Sie war sehr erstaunt und eilte| durchs Hauptgebäude, um Bond zu suchen. Es herrschte noch dieselbe Geschäftigteit wie am vorhergehenden Tage, und sie fah, daß die Männer die ganze Nacht hindurchgearbeitet hatten; viele lagen in den Eden, wo sie vor Müdigkeit um gefunten waren, und schliefen. Die Chinesen führten ihre Arbeit mechanisch aus, ihre gelben Gefichter waren vor An ftrengung ganz eingefallen; und an den Tischen saß noch die felbe Mannschaft, flensend, schneidend, und der Haufen Fische neben ihnen schien niemals fleiner zu werden. Sie sah, wie einige Leute zu ihren Schlafplägen schmanften, während andere so lange im Salzwasser gestanden hatten, daß ihre Füße geschwollen waren, und sie die Stiefel aufschneiden mußten.

,, Vielleicht ist es besser, daß Sie den Zusammenhang erfahren," sagte Boyd langsam." Mildred und ihr Vater haben etwas gegen Ihre und meine Freundschaft; sie reden sich alles Mögliche ein."

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, Also, ich bin der Grund?"

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Die Angriffe find ebenso gegen mich gerichtet. Marsh hat sich nach Ihnen erkundigt und allerhand über Ihre Bergangenheit erfahren und die anderen glauben ihm, meil fie Sie ja nicht so gut fennen wie ich. Man faßt unsere Freundschaft falsch auf. Ich fann Mildred alles erflären, und werde es auch. Vielleicht kann ich auch Herrn Wayland davon überzeugen, daß er unrecht hat."

Malotte. Sie war bis in die Lippen erbleicht. Was hat Marsh von mir gefagt?" fragte Cherry

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Er hat Dinge gesagt, die ich ihn noch zwingen werde, zurückzunehmen. Marsh soll sich bei Ihnen entschuldigen." ,, Er braucht sich nicht zu entschuldigen," sagte Cherry wehmütig, denn wahrscheinlich hat er die Wahrheit ge­sprochen."

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" Die Wahrheit! Sie wissen nicht, was Sie sagen!" " Doch! Sie erwiderte trogig seinen Blid. Bußten Sie denn nicht, wer ich bin? Hat Fraser es Ihnen nicht erzählt? Ich habe im Lager der Goldgräber gewohnt und das Los der Menschen in diesem Lande geteilt. Ich mußte zu allen Mitteln greifen, um mich über Wasser zu halten. Sie kennen ja das unbarmherzige Leben hier im Norden." " Das mußte ich nicht," sagte er langsam, ich hätte nicht geglaubt-"

Haben Sie nicht auch das Leben gelebt, wie es sich Ihnen bot? Gewiß, ich habe Irrtümer begangen, aber welche Frau, die auf eigenen Füßen stehen und für ihren Unterhalt forgen muß, hat das nicht getan? Meine Vergangenheit

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,, Und warum haben Sie das alles für mich getan?" fragte Boyd.

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Wissen Sie es denn nicht?" Cherry versuchte durch Tränen zu lächeln.

" Nein!" Er schwieg.

" Das Wenige, was ich für Sie tun konnte, habe ich getan, weil ich Sie liebe."

"

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" Das tut mir leid," sagte er ,,, ich ahnte nicht-" Nein, Sie waren mit Ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Sehen Sie, ich lebte mein eigenes Leben und war leidlich zufrieden. Da famen Sie, und alles wurde anders. Lange hoffte ich, daß Sie für mich fühlen würden, was ich für Sie fühlfe. Schließlich aber merkte ich, daß ich vergeblich hoffte. Wenn ich Sie aber so ehrlich und uneigen­nüßig in Ihrer Hingabe für jene Frau sah, dann dachte ich, daß auch ich nicht weniger uneigennüßig sein wollte. Ich glaube, Boyd, ich liebe Sie auf ähnliche Weise, wie Sie Mildred lieben; denn es gibt nichts in der Welt, was ich nicht tun fönnte, um Sie glücklich zu machen."

,, Nein, nein, ich will feine Opfer mehr von Ihnen an­nehmen!" rief er heftig. Ich bin ein egoistischer Tor gewesen, Cherry, fönnen Sie mir verzeihen?"

Cherry Malotte stand eine Weile und blickte über den Fluß. Dann sagte sie: Ich habe nichts zu verzeihen, Boyd, es mar ein Traum, und jetzt sind wir alle erwacht. Leben Sie wohl." Damit mandte fie fich und ging langsam von dannen.

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Wayne Wayland fürchtete, daß Boyd seine Drohung mahr machen und abends an Bord der Grande Dame tommen würde. Auf alle Fälle wollte er darauf vorbereitet sein, denn er wünschte nicht, daß es vor den anderen Bassa­gieren zu einer Szene fommen sollte. Er überlegte die Sache mit Marsh, und dieser schlug vor, daß die Passagiere an Land fommen und bei ihm in der Fabrik speisen sollten. Wenn Mildred und ihr Bater dann allein auf der Jacht zurück­blieben, fonnte es feinen Standal geben, mochte Herr Emer­fon auch so toll sein, ihnen eine Unterredung aufzuzwingen.

,, Außerdem," sagte Herr Wayland, merde ich dem Kapi­tän sagen, daß er mit der Fut die Anker lichten soll. Je eher Mildred von hier fortkommt, um so besser. Und ich hoffe, daß Sie uns begleiten werden." ( Fortsetzung folgt.)