Gewalthaber von 1914 weniger belastet daständen, als sie es tun. Aber da die Anhänger der Farben Schwarz-Weiß-Rot in mannigfachen Selbsttäuschungen befangen find, ist die Kriegsschuldsrage für sie einer der Sturmböcke, mit denen sie gegen die Mauern der Republik anrennen. Das kann auf die Haltung der Republikaner zu dem Problem nicht ohne Einfluß fein. Zwar oerbietet uns schon die sozialistische Weltanschauung, auf einer Seite alle Ver- antwortung für ein solches Weltgeschehnis zu suchen und Deutschlands Führer allein des höllischen Feuers schuldig zu sprechen: auch in Petersburg und Paris mischten dunkle Burschen verhängnisvolle Karten. Aber vermag niemand und nichts den Berliner Machthabern von 1914 die Last ab- zunehmen, deren Größe allein durch die deutschen und öfter- reichischen Aktenveröfsentlichungen schauerlich deutlich wird, so muß unsere erste Losung ihnen gegenüber lauten: Desolidarisierung! Wir sind die Republik , sie sind die Monarchie, dazwischen liegt der 9. November! Der französischen Republik fiel es nach 1879 nicht im Traum ein, in den Anklagen deutscher Geschichtsschreiber gegen den davon- gejagten Bonaparte und seine Mamelucken eine„mo- ralische Belastung" des französischen Volks zu sehen, sondern sie handelte folgerichtig nach dem Wort des großen National- dichters Viktor Hugo:„Stammt dieser Krieg von uns? Das Kaiserreich hat ihn gewollt, das Kaiserreich hat ihn ge- macht. Das Kaiserreich ist tot. Gut so! Wir haben mit diesem Kadaver nichts zu schaffen." Wann kommt der deutsche Minister, der auf Anschuldi- gungen gegen das Kaiserreich die stolze Antwort gibt: „Wir haben mit diesem Leichnam nichts zu schaffen. W i r sind die Republik !" vorwärts im Jnüuftriegebiet! JmposanteKundgebungder vcstischen Sozialdemokratie.— Severin«, vor dem Ruhrproletariat. Recklinghausen . 27. September.(Eigenbericht.) Der vergangene Sonntag wurde dem Proletariat des oestischcn Landes, dem Industriegebiet zwischen Emscher und Lippe, zu einem unauslöschlichen Erlebnis. Tausende von Parteigenossen strömten aus allen Städten und Geineinden des Destes der alten Metropol« Recklinghousen zu, um dort, zu ein«r gewaltigen Mass« zusammen- geballt, unter der überragenden Führung Karl S«vcrings den Sturmmarsch in das Wahljahr 192«, das Schicksalsjahr der Republik . zu eröffnen. Um die Massen zu befördern, mußten mehrere Sonder- züge eingelegt werden. Der prächtige, geräumige städtische Saolbau tonnt« die Massen unmöglich aufnehmen. In allen Räumen, auf allen Galerien brechende Fülle von Menschen, die atemlos dem Red- ner Karl Severing lauschten. Die Kundgebung gestaltete sich zu einer wichtigen Demonstrgtion, die den ersten Höhepunkt in der glänzenden Rede Seoerings, den zweiten in einem riesigen Demonstrationszug fand. Sln der Spitze des Zuges, hinter sich die unübersehbaren Massen von Parteigenossen und Reichsbannerkomeraden, unzählige rote und schwarzrotgoldene Fahnen, marschierte Karl Severing . Neuer Wille beseelt wieder das Industrievolk. Mit der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse erlosch hier der kommunistische Spuk: die Arbeiterschaft findet zurück zur alten, bewährten Partei. W i r marschieren im Industriegebiet! Dafür war dieser Sonntag überzeugender Beweis.
Oer angesäuselte Lanügerichtsrat. Ein Beitrag zur richterlichen Objektivität. In Breslau ereignete sich dieser Tage folgender Borfall: In der elften Abendstunde betrat ein dortiges Lokal ein elegant gekleideter Herr, der sofort in lautem Tone mit antisemitischen A e u ß e- r u n g e n um sich warf. Er schimpfte in allen Tonarten auf die ..Judenpresse", rief über das ganze Lokal, daß alle Juden Betrüger seien und gebrauchte abfällige Redewendungen über republikanische Politiker und Regierungsmitglieder. Plötzlich erhob sich einer der Gäste, stellte sich als der demokratische Landtagsabge-
Die elektrischen Hasen. von Haus Dauer. In Berlin haben die ersten Windhundrennen stattgefunden— ein neuer Sport dies, der aus Amerika und England zu uns her- übergekommen ist. Es wäre wohl nicht ganz leicht, die Tiere durch Wortd und Gesten zu bestimmen, zur rechten Zeit loszurennen und in einer gewissen Richtung sich zu bewegen. Deshalb macht man sich ihren Iagdinstinkt zunutz«. Den Hunden werden Hasen voraus- geschickt— aber ach, es ist ein ungleicher Kampf, den die Verfolger zu bestehen haben. Mit ihren vier flinken Beinen stürmen sie nicht gegen andere vier Beine an. Kreatur steht nicht gegen Kreatur, die Hasen sind kein« leibhaftigen Flüchtlinge mit in Todesnot klopfendem Herzen, sondern, auf oorgezeichneter Bahn sich bewegende, kalte Moschinen, denen der elektrische Strom genügend Kraft gibt, jede erdenkliche Geschwindigkeit lebender Wesen mit einer schnelleren zu beantworten. Die Hunde werden genarrt. Sie verschwenden ihren tierischen Ehrgeiz an ein unerreichbares Ziel. Sie fegen mit ange- spanntesten Muskeln einem Irrlicht hinterher. Sie pressen die letzte Kraft aus sich heraus, aber nie winkt ihnen eine Siegeschance. Der Mensch hat einen unheimlichen Automatismu» erfunden, der alle Leidenschaft ihrer Beine und alle Inbrunst ihre» Willens verhöhnt. Sie sind die Bekenner des Tempos. Wildheit der Hetz und Urinstinkt des Laufens singt durch ihre Glieder. Aber in diesem stieren Modell de» Hasen wirkt die kaltschnäuzige Ueberlegenheit angewandter Mechanik, an der jede Hingabe zerbricht. Es ist der ewige Widerstreit zwischen heißblütiger Entflammt- heit und Präzision der Apparatur, der im hoffnungslosen Kampf lebendiger Beine gegen die tote Materie eines seiner viel tausend Ge- sichter zeigt, und gerade hier seiner brutalsten eines, wo die Unver- nunst des leidtragenden Partner» dos Verständnis der Zusammen- hinge ausschließt. Da brausen sie nun daher, die Hunde, fast schwebend im Raum. mit pendelnder Zunge, mit fliegenden Ohrlappen. Es ist Energie und Wille in ihnen, aber der eitle, der zu nichts führt. Vom ersten Sprung an sind sie geprellte Opfer eines undurchschaubaren Mecha- nismus, der gegen die in Schmerzen geborene Leistung die Gewall seiner physikalischen Formel austrumpft. Der unbelebte Stoff be- siegt die lebendige Krast, der imponierendste Lauf edler Rassehunde sinkt zur grotesken Unzulänglichkeit zusammen. ?lbcr wer möchte guten Gewissens den ohnmächtigen Ehrgeiz dieser Tiere belächeln? Sind sie nicht, wie sie in rasender l�ast und mit besessenem Ernst an eine Unerfüllbarkeit sich verschwenden, Sinnbild unsires geistigen Lebens, das der Erkenntnis seiner letzten Ursachen mit komischer Wichtigkeit nachsetzt und sie nicht zu fassen vermag, wie e» sich auch darum müht!
ordnete Hermann vor und ersuchte den Schimpfbokd um seinen Namen. Mutig lehnte der nationale Mann das ab, beschimpfte aber dafür den Landtagsabgeordneten, der notabene Inhaber der Goldenen Rettungsmedaille ist. Hermann blieb nichts weiter übrig, als den Ruhestörer polizeilich sistieren zu lassen und— siehe da— nun entpuppte sich dieser als der L a n d g e r i ch t s r a t G a l l i n, tätig am Breslauer Landgericht! Wie der amtliche preußische Pressedienst mitteilt, ist wegen der Vorgänge ein staatsanwaltliches Ermittlungsver- fahren eingeleitet. * Nach der Schilderung darf man wohl annehmen, daß Herr Landgerichtsrat Gallin sich in angetrunkenem Zustand befunden hat. Infolgedessen ist ihm die Selbstbeherrschung abhanden gekommen, die er im Amte sicherlich zu wahren pflegte. Aber gerade das inter - essierc uns: wie solch ein„objektiver Richter" sich in unverstelltem Zustande gibt. Vielleicht würde manches in politischen Prozessen gefällte Urteil begreiflicher, wenn man seine Verfasser am Abend nach der zweiten Flasche Wein kennen lernte.
die öeratungen ües Strafgesetzausschusses. Ter Ausländerparagraph mit 9 gegen 8 Stimmen bei 19 Enthaltungen angenommen. Der Strafgesetzausschuß des Reichstages setzte heut« seine Beratungen des§ 7 des Gesetzentwurfes fort. Genosse Lands- berg kritisierte, daß nach dem Entwurf ein Ausländer in Deutschland abgeurteilt werden könne, wenn er im Aus- lande eine Straftot begangen hat und in Deutschland betroffen und nicht ausgewiesen wird. Wenn das Ausland nicht bestrafe, brauche auch Deutschland nicht«inzugreifen. Wir sollten doch nicht ausländischer sein als das Zlusland. Es würde sich auch ergeben, daß Taten, die»ach dem ausländischen Recht, zum Bei- spiel wegen Verjährung, nicht verfolgt werden können oder weil ein Strafantrag notwendig sei, aber nicht gestellt werde, in Deutsch - land, wo die Verjährungsfrist vielleicht länger oder ein Strafan- trog nicht notwendig fei, verfolgt würden. Ministerialdirektor vumke erwiderte, daß Lex Gesetzesvorschlog auf österreichischen Wunsch zurückzuführen sei. Die Be- denken des Abg. Landsberg, die nicht von der Hand zu weifen feien, sollten in der Strafprozeßordnung berücksichtigt werden. Die auf Einschränkung des§ 7 gerichteten Anträge der Sozialdemokraten wurden ob g e l e h n t, es wird jedoch mit Hilfe der Sozialdemokraten und Demokraten ein dcutschnationaler An- trag angenommen, der eine Einschränkung wenigstens insofern bringt, als deutsches Recht nur angewendet werden solle, wenn die Tat sich gegen das Rechtsgut eines Deutschen richtet. 8 7 Absatz 2 des Entwurfes bestimmt, daß wenn der Ort der Tat keiner Staatsgewalt unterworfen fei, deutsches Recht an- gewendet werden könne, wenn nur die Gesetze des Reilhes die Tat mit Strafe bedrohen. Genosse Dr. Rosenfeld wandt« sich gegen diese, über das gel- tend«' Recht hinausgehende Auslegung. Nach dem Gesetzentwurf würde man in Deutschland zum Beispiel einschreiten können, wenn jemand eine Gotteslästerung in der Wüste Sahara begehe. Das Mindeste sei doch, daß nur wegen gewisser ganz schwerer Verbreihcn in Deutschland eingeschritten werden dürfe, wenn sie in Orten begangen seien, die keiner Staatsgewalt unter- warfen wären. Abg. Kahl meint, daß man hoffentlich immer so vernünftig sein werde, in solchen Fällen ein Einschreit«« zu unterlassen. Auch zu diesen Paragraphen wurden die sozialdemokratischen auf Einschränkung gerichteten Anträge abgelehnt, und nur mit Hilfe der Sozialdemokraten und Demokraten der deutschnationale Antrag angenommen, nach welchen auch Taten, die in Orten ohne Staatsgewalt begangen feien, nach deutschein Recht nur dann ver- solgbar wären, wenn sie sich gegen das Rechtsgut eines Deutschen richteten oder von eindm Deutschen verübt seien. Bei der Abstimmung über den ganzen 8 7 ergab sich das«igen-
�Sinfonie öer Taufend in Magüeburg. Ein lange gehegter Wunsch ist endlich in Erfüllung gegongen: seit Jahr und Tag möchte man in Magdeburg die Achte von Gustav M a h l e r aufführen. Aber woher in einer Provinzstadt die ungeheuren Mittel nehmen, die dazu benötigt werden? Im Stadt- theater, wo bisher die Sinfoniekonzerte veranstaltet worden sind. wäre der ganze verfügbare Raum von den Ausführenden in Anspruch genommen worden. Jetzt aber, wo die Konzertsaalfrag« durch die Erbauung der neuen Stadthalle in so glücklicher Weise gelöst worden ist, und die Deutsch « Theaterausstellung ohnehin zu außergewöhnlichen Leistungen verpflichtet, tonnte man da» alte Projekt in die Tat umsetzen. Freilich reichten die Magdeburger Kräfte nicht aus. Man mußt« den größten Teil der Chormitglieder au» Braunschweig kommen lassen. Nahezu 700 Sänger, darunter der Knabenchor, und vier von den sieben Solisten waren Braunschweiger, und sogar den Dirigenten, Generalmusikdirektor M i k o r e y, stellte Braunschweig . Das Magde- burger Städtische Orchester war durch D e s s a u e r Kräfte fast auf die doppelt« Normalstärke, nämlich aus 120 Mann, verstärkt worden. Es war also beinahe ein Braunschweiger Gastspiel. Natürlich gab es ein paar Unzulänglichkeiten. Die Vorbereitung konnte nicht so sorgfältig sein, als wenn man alle Mitwirkenden zu- sammengehabt hätte. Von den Solisten versagten der»rste Tenor, die zweite Altistin und der Bassist. Außerdem hotte man sich nicht auf die doch gewiß abendfüllende Sinfonie beschränkt, sondern „wattierte", und zwar mit dem kis-Dur-Konzert von Beethoven , dos der bedauernswert« P e m b a u r auf einem abgespielten Flügel aus- führen mußte, und— weit schlimmer— mit einem„Deutschen feier- lichen Marsch" von dem Festdirigenten, der, ein wertloser S<hmarren, in die deutsch « Hymne auslief und Anlaß wurde zu einer Zwangs- mäßigen vaterländischen Kundgebung. Von diesen Schönheitefehlern abgesehen, kam das Werk über- raschend gut heraus. Mikorey dirigierte mit unbeirrbarer Sicherheit und viel Schwung und ging, soweit die mangelnde Vorbereitung das zuließ, auf die vielen lyrischen Zartheiten liebevoll«in. Treftlich unterstützten ihn dabei die Sängerinnen Gertrud Förstel, Liesel S t u r m s e l s und Lilli N e i ß d r und der Sänger Karl K a m a n n. Die neue Stadthalle, von mehr als 3000 Personen gefüllt, bot mit ihrer sachluh reinen Architektur und ihrer ausgezeichneten Akustik«inen vortrefflichen Rahmen. Dr. HermannHieber.
Das wunder von Sounersreuth. lieber dieses zugkräftige Thema, das ein großes Publikum in die Aula des Werner-Sicmens- Realaninnasiums golockt halte, sprach der Nervenarzt Sanitotsrat Dr. Georg F l a t a u im Austrag des Deutschen M o n i st e n- b u n d e». Wer erwartet hatte, erwas grundsätzlich Neues oder Ent- scheidendes zu erfahren, dürste von dem Vortrag enttäuscht gewesen sein. Denn, wie auch ganz richtig hervorgehoben wurde, stützt sich alles, was über den Fall bisher berichtet worden ist. aus unvoll- kommene Beobachtungen, und man kann daher nichts anderes als Vermutungen aussprechen, solange die„Hysterische" nicht einer Klinik überwiesen wird, in der sie unter strengster ärztlicher Kon- trolle steht, statt unter derjenigen von Krankenschwestern und
tümliche Resultat, daß er nur mit den neun Stimmen der Deutschnationalen und Bayerischen Volkspartei gegen die acht Stimmen des Zentrums und der Kommunisten, bei zehn Stimmenthaltungen der Sozialdemokraten und Demo- traten angenommen wurde. Die Beratung dauert fort.
Ein berufsmäßiger Verleumder. An den Pranger! Genosse Otto Hörsinc; schreibt uns: Ein deutschvöltifcher Agitator namens Hasselbacher, der angeblich aus Kirchmöser (Kreis Jerichow II) stammt und sich in rein agrarischen Kreisen als„ehemaliger Landwirt", in Industrie- kreisen als„Arbeiter und ehemaliger Sozialist" aufspielt, hält es für nötig, in fast jeder seiner Versammlungen über führende Per- sonen der Republik herzuziehen und die unglaublichsten Behaup- tungcn aufzustellen. So l)at er im Juli d. I. in einer Versamm- lung in einem Magdeburger Vorort die Behauptung aufgestellt, der preußische Innenminister G r z« s i n s k i habe Photographien ge- fässcht, um den Völkischen Fememorde nachweisen zu können. Vom Reichsaußenminister Dr. Strejemann behauptet er, dieser habe verschwiegen, daß 4000 deutsche Kriegsgefangene um die Ecke ge- bracht worden find und im Anschluß an diese Bemerkung hat er den Minister auf das gröblichste beschinipft. Schließlich ist Hasselbacher auf mein« Person zu sprechen gekommen und hat unter anderem folgenden Satz gesagt: „Herr Oberpräsident Hörsing soll in Hamburg 40 000 Paar Stiesel oerschlitzt haben." Hierzu bemerke ich, daß ich es ablehne, mich mit diesem Manne, der berussmäßig verleumdet, vor Gericht herumzuschlagen. Das kann ich besonders deshalb, da jeder, der m-ich kennt, weih, daß ich noch nie im Leben Geschäfte gemacht habe, weder dort, wo ich tätig war. und ganz besonders nicht in Hamburg , wo ich außer als Handwerker, nie beschäftigt gewesen bin. Die Leichtfertigkeit, mit dep dieser Bursche mir einen Stiefelhandel unterschiebt, ist nicht zu übertreffen. Er geht offenbar von der Auffassung aus, daß seine Verleumdungen von unkritsschen Menschen für bare Münze genom- men werden. Indem ich noch einmal vor aller Oefsentlichkeit erkläre, daß ich niemals Geschäfte, wie sie mir Hasselbacher unterstellt, ge- macht habe oder an ihnen beteiligt gewesen bin, übergebe ich den Verleumder, dessen Vorgehen schließlich pathalogych zu werten ist. der öffentlichen Verachtung. Ich werde in Zukunft oll« Leute, die nicht aufhören wollen, mich mit Schmutz zu bewerfen, in dieser Weise behandeln._
Litauen verstimmt. Ueber de»„Vorwärts"-Aufsatz des Genoffen Kalmn-Riga. . Sowno, 27. September. Das offiziös« litauische Blatt.Lietuvis " äußert sich sehr ver. stimmt über die Stellungnahme führender lettischer Sozlaldemo- traten zu den litauischen Regierungsmatznahmen nach dem Tau- roggener Putsch. Di« Sozialdemokratie sei in Lettland die Regie- rungspartel, und es wirke sehr befremdend, wenn diese Par- tei nicht nur in Lettland litauische Regierungsmahnahmen scharf kritisiere, solcher» sogar einem ihrer Führer gestatte,«ine solche Kritik auch in einem sozialdemokratischen Blatt Deutschlands zu veröffentlichen. Ebenso befremdend nennt es der„Lietuois", daß ein in Riga erscheinendes litauisches Emigrantenblatt ungehindert zum bewaff- neten Ausstand in Litauen Hetzen dürfe. Neuerdings sei auch sest. gestellt worden, daß die lettischen Schaffner der Transitzüge bei der Durchkfahrt durch Litauen heimlich revolutionäre Litera. tur oerbreiten. Aus alledem zieht da» litauische Regierungsblatt den Schluß, daß über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit der baltischen Staaten doch noch ernstlich nachgedoch: werden müßte._
Das Ehrenzeichen I. klaffe erhielt Exminister Dr. Külz als „höchste vom Roten Kreuz zu vergebende Auszeichnung". Der Miß- brauch, der mit diesen Abzeichen des Roten Kreuzes getrieben tmrd, greift immer weiter!
Nonnen. Im übrigen wurde in erfreulich objektiver Weife von dem Vortragenden resümiert, wos über den Fall Therese Neumann bis- her bekannt geworden ist. Es wurden eine Menge Beispiels aus der Geschichte von acht Jahrhunderten angeführt, in den Stigmatisierte fast klischeehast die gleichen Erscheinungen aufweisen wie die Neu- mann. Man brauche weder an Wunder zu glauben, noch an Be- trug, vielmehr neigt der Redner zu der Ansicht, daß hier echte hyste- rische Erscheinungen vorliegen— seien sie nun durch Fremd- oder Eigensuggestion erzeugt— zu den uns durchaus geläufigen Krank - hettsbildern gehören— unterstützt vielleicht durch Ueber trei- bungundTeilsimulation!— Diese Erklärung erscheint vor- läufig annehmbar, bis durch«in« volle Aufklärung auch dieser Fall, wie so viele ähnliche vor ihm, zu den Akten gelegt werden wird und hoffentlich bald nur noch historisches Interesse beansprucht— als ein Dokument unserer Zeit! L. H. Reichstagung der bildenden Künstler. In der letzten Woche hat der Reichswirts chaftsverband bildender Künstler Deutschland » seine diesjährige Haupwcrsammlung abgehalten, in München , von wo vor sieben Jahren die Bewegung zur Be- gründung dieser Kesamtorganisation für Deutschland ausgegangen ist. Der Vorsitzende des Verbandes, Hoene, und der Generalsekretär Otto Marcus führten vor ollem die Verhandlungen. Man sah ihnen dies- mal mit einer gewissen Spannung entgegen, da von dem Kartell der Berliner Künstlerverbände die Anregung ausgegangen war, ein Kartell solcher Verbände im ganzen Reiche zu bilden und so dem Wirtschastsoerband einen zweiten Verband an die Seite zu stellen. Die Bertreter aller Gaue der deutschen Künstlerschast— auch Oester reich war vertreten— lehnten eine solche neue Gründung einstimmig ab. Die Gedanken, die für das Berliner Kartell von den Malern Eugen Spiro und William Wauer vertreten wurden, fanden keine Unterstützung. Die Delegation aus Berlin , die Maler Dettmann und Wollheim, der Bildhauer Bosselt , der Gartenarchitekt Kruspper, die Bildhauerin Milly Sieger waren ebenso dagegen wie die Münchener. Als da» Notwendigste bezeichnete Marcus die einheitliche Willens- bildung der Künstlerschaft: sie ist unmöglich, wenn zwei selbständige Organe da sind, eine zu teure und komplizierte Ueberorganisation. die wieder«inen neuen Oberverband bedingen würde. Um den alten Verband gegen den Einwand, er sei nur wirtschafllich, zu sichern, taufte er sich in„R e i ch s v e r b a n d bildender K ü n st l e r Deutschlands" um.— In dem Geschäftsbericht, den Marcus, erstattete, und den Anträgen dazu kamen die jetzigen Hauptsorgen der Künstler zur Besprechung. Di« Nollag« der Künstler ist mit Staatsmitteln nicht zu beheben. Di« Hauptsache ist. die Stellung der Künstler im Wirtschaftsleben zu festigen: je weniger private Sammler und Kunstfreunde in Betracht kommen, um so mehr kann die Industrie für ihren Werbedienst und das Reproduktionswesen in seinen großen Anstalten Künstler brauchen. Das Urheberrecht mehr als bisher auszunützen ist man bemüht. Daß der Schüler schon beim Kunstunterrichl auf praktische Verwendung hingewiesen wird, bleibt ratsam— das preußische Kultusministerium hat durch Marcus sine Schrift herstellen lassen:„Was muß der junge Künstler vom Wirt- schaftlichen wissen?", die an die Kunstschüler oerteilt werden soll. Die klägliche Rolle der Vertreter der freien Berufe im Reichswirt- fchaftsrat wurde betlagt. Gegen die Mißstände im Auttionswcsen