Die Feier der Rathe»»an-Stiftung.
Gestern hätte Walther Rathenau sein sechzigstes Lebensjahr vollendet. Das Kuratorium der Walther» Rathenau-Stiftung hat diesen Tag in würdiger Feier be- gangen. Sie galt einem Toten— einem großen Toten der deutschen Republik. Vor fünf Iahren haben die Kugeln fanatischer Meuchel- Mörder, die sich„national" nannten, Rathenau dahingerafft. Er wurde ermordet, weil er harte Notwendigkeiten im Dienste der staatlichen Zukunft Deutschlands vollziehen wollte. Von denen, die die Liebe zur Nation im Munde führten und ihre wahren Diener mit Haß und Mord ver- folgten. Die maßlose Hetze gegen jene Politik, die Walther Rathenau vertrat und für die er starb, ist verstummt. Die Deutschnationalen, die Träger dieser Hetze, die Schöpfer jener Atmosphäre des Hasses, die den Mord gebar, billigen heute in der Regierung der Republik die geradlinige Fortsetzung der Politik Walther Rathenaus. Keine laute Feier, kein Schwenken von Parteifahnen am Geburtstag des Märtyrers der deutschen Republik! Sein Blick war fest in die Zukunft gerichtet. Er sah die idealen Linien der Zukunft des neuen Deutschland , seine Geistigkeit erschöpfte sich nicht in steriler Verherrlichung des unter- gegangenen Reiches. Er sah, daß um der Freiheit und der Zukunft Deutschlands willen auf den Wegen der Republik vorwärtsgeschritten werden muhte, durch die Tat und im Geists. Ein Mann der deutschen Zukunft— nicht eine Gestalt der deutschen Vergangenheit. Sein Andenken lebt tief im Herzen aller Revublikaner. Wenn die letzten Schatten der Vergangenheit längst ver- funken sein werden, wird das Volk ihn noch nennen als einen der Männer, die den Dienst an der Zukunft des deutschen Volkes mit dem Opfer des Lebens besiegelten. Ihn lohnt nicht lärmende Feier, sondern die Festigung und Ausweitung des Werkes, an dem er mitgearbeitet hat. Der Toten der Republik zu gedenken— das ist würdigste Repräsentation in der Republik für die Republik . « Im Plenarsaal« be« Reichawirtschaftsrates fand gestern eine Feier der Walther-Rathenau-Stistung statt, zu der zahlreiche Vertreter der Reichs, und Staatsbehörden, des Diplomatischen Korps, der Länder. der Parlament« sowie der Kunst, der Wissenschaft und der Wirtschast erschienen waren. Besonders bemerkte man die Schwester Rothe naus und Frau Ebert. Nach einem einleitenden musikalischen Vor spiel begrüßte der Vorsitzende der Walther-Rathenau -Stistung Ministerialdirektor Dr. Brecht die Anwesenden, wobei er in kurzen Wor. ten ein Bild der Persönlichkeit Walther Rathenau » gab und schließ lich auf die Walther-Rothenau-Stiftung als Hüterin de» Erbes Wab ther Rathenaus hinweisend, mitteilte, daß der Reichspräsident einer Erweiterung des Kuratorium» zugestimmt habe und daß nunmehr noch Gerhart Hauptmann , Bernhard Dernburg , Joseph WIrth »nd Reichstagspräsident Lö b e dem Kuratorium beitreten würden. Reichskunstwart Dr. Rodslob berichtete sodann über die Stiftung im einzelnen und all« die Arbeiten, die in Vorbei reitung sind, um die Werke Walther Rathenau » zu erhalten und in seinem Sinn« fortzusetzen. Hierauf ergriff Reichskanzler Dr. Marx das Wort zu folgender Rede: Mit tiefer Bewegung gedenken wir de» großen Manne», der heute seinen(W. Geburtstag gefeiert hätte, und dessen Leben«in so jähes Ende fand. Mehr al, 5 Jahr« trennen uns schon von seinem Tode. Das ist mehr als die Zeit, die seinen Tod vom Ende de» Krieges trennte. Bon seiner Wirksamkeit im Reichskabinett an rech- nen wir einen entscheidenden Abschnitt in der deutschen Geschichte. Rathenau hatte sich vor dieser Zeit niemals beruflich der Politik g« widmet. Aber wenn wir sein Leben nachträglich ansehen, so erscheint alles, was er getan hat, wie eine große innere»nd äußere Vor- bereitung darauf, seinem Vaterlande in entscheidenden Stunden als Staatsmann große Dienste tun zu können. Alle seine Eigenschaften zusammen waren in der Stunde, wo Wirth den großen Griff tat,
ihn in die siiegierung zu ziehen, für Deutschland von ungeheurem Wert. Die Welt perstand Deutschland nicht mehr. Sie sah ein Zerr- bild. Da wurde Rothenau, indem er all« sein« Eigenjchaften und Kenntnisse zugleich in den Dienst de» Lande« stellte. Deutsch « lands großer Interpret. Aber noch mehr: zu gleicher Zeit ergriff er mit Erfolg die Ivi, ilative, mit der Verständigung auf wirtschaftlichem Gebiet einen praktischen Anfang zu machen. Sein ganzes Streben war, den guten Glauben im Verkehr zwischen Völkern und Einzelper- (orten wiederherzustellen. Eine seiner letzten öffentlichen Handlungen war es, daß er die ersten 6 Bände der Sammlung der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes der Welt übergab, dieses Werk, da» ganz in seinem Sinne bestimmt ist, durch die ehrliche Offenlegung aller Dokumente den guten Glauben wiederherzustellen. Cr wußte, daß dazu Zeit gehört, aber auch, daß hierin die Zeit für uns läuft. In all dieser Arbeit für den Frieden und die Verinnerlichung der Welt traf ihn die Kugel, wie ein Jahr vorher den Mann, der vor ihm mit seinen großen, wenn auch andersartigen Gaben die gleiche Bahn gegangen war. Wir wollen heute nicht über seinen Tod klagen. Wir wollen danken, daß er gelebt hat und ihm, wie einem Lebenden, die Huldigungen zu seinem SO. Geburtstag bringen. Sein Tod hat, wie wir jetzt all« fühlen, sein Wir» ten nicht beendet. Wenn ich da» sage, so spreche ich nicht nur von der Fortsetzung seiner Politik, von dem Fortleben seiner schriftstellerischen Werte, ich spreche vor allem davon, daß sein Tod wie die anderen gewaltsamen Ereignisse der Nachkriegsjahre dem deutschen Volk die Augen ge- öffnet hat über den furchtbaren Fluch der Blindheit und der Gewalt. So hat er es selbst im voraus gefühlt, als er am 3. Juni 1921 beim Amtsantritt seines Amtes schrieb: .Nun stehe ich vor unübersehbaren Problemen und Fragen. Der einzelne vermag in diesem großen Getriebe so gut wie nichts. E» werden Mann für Mann in den Graben springen müssen, bis er überstiegen werden kann. Gleichviel: er wird nie überstiegen werden, wenn nicht einer beginnt." Möge die heutig« schöne Erinnerungsfeier dazu beitragen, der Welt zuzurufen: Es sind der Blutopfer für«ine neu« Zeit genug. jetzt laßt die neu« Zeit anfangen. Als letzter der Redner sprach Gerhnrt Hauptmann, der in bered- ten Worten«in anschauliche, Bild Walther Rathenaus als Mensch, als Staatsmann sowie als Deutscher gab. Wallher Rathenau wor ein vollblütiger, wahrer und tiefer deutscher Patriot, wenn es s« einen gegeben hat. Lassen Sie mich allen Angriffen, die zum Ziel hatten, Walther Rathenau « Bater- landstreue zu verdächtigen, das feste, tiese und erzene Schweigen des Wissenden entgegensetzen. Wir sind hier nicht zusammengekommen, um Lobreden auf einen Toten zu hallen. Eine menschliche Empfindung erfüllt uns vielmehr, die über Lob und Tadel erhaben ist. Die großen Fragen der Menschheit werden trotz Walther Rathenau vielleicht ewig un- gelöst bleiben, wie sie trotz Kant, trotz Hegel , Schopenhauer und Nietzsche ungelöst geblieben sind. Unsere, Fehlbarieit erstreckt sich auf alle Gebiete: Religion, Wissenschast, Kunst und Politik. Unsere Fehlbarkeit also kann es nicht fein, was uns das Recht gibt, mit harten und vernichtenden Urteilen übereinander herzufallen. Die glanzvollen Eigenschaften aber, die Walther Rathenau auszeichneten und die ohne Reib zu sehen, nicht sedem leicht wurde, sind zu bekannt, al» daß es notwendig wäre, auf sie hier zurückzukommen. In Walther Rathenau waren zwei Dinge oereint, die sonst meist .getrennt vorzukommen pflegen: das praktisch organisa- torische Genie und der reine Idealist. Er beherrschte den Apparat unseres staatlichen und wirtschaftlichen Lebens, und was er suchte und glorifizierte, das war die immaterielle Seele. Es ist keine Trauerfeier, die wir hier abholten. Man soll nicht zu lange trauern, das Leben verbietet es. Es ist w e i t m e h r der Lebendige als der Tote, dem wir hier huldigen. Möge das Gute und Große seiner Natur dem Deutschen immer verständlicher werden und in sein Wesen mehr und mehr eingehen. Zum Schluß las Arthur Krausneck aus Wallher Rathenaus Schriften vor.
Klarheit über öle Preußenanleihe! Die Ncichsrcgicrung hat sofort Aufklärung zu schafien. Die Umstände, unter denen das Schicksal der preußischen Staats- anleihe auf dem amerikanischen Kapitalmarkt ungewiß bleibt, nehmen immer beunruhigendere Formen an. Die„Frankfurter Zeltung", der man ausreichende Dorsicht in der Weitergabe eventuell ungenügend verbürgter Meldungen zutrauen muß, veröffentlichte gestern einen Funkspruch, noch welchem die Preußenanleihe in Washington definitiv abgelehnt worden sei, weil sie für nichtproduktlv« Berwendungszwecke bestimmt sei. Da eine solche Stellungnahme Washingtons von jeder bisherigen Praxis abweiche. herrsche in New York der Eindruck, daß die Entscheidung durch von Berlin kommende Einflüsse hervorgerufen wurde. Diese Meldung ist dazu angetan, im höchsten Maße s e n- s a t i o n e l l zu wirken. Die Berliner Stellen sind auch offenbar bemüht, die sensationelle Wirkung der Meldung abzuschwächen. Der Amtlich« Preußisch« Pressedienst bezeichnet die Mittettung der „Frankfurter Zeitung " kategorisch als Falschmeldung und fügt hin- zu, daß nach den an zuständiger Stelle vorllegenden Informationen kein Anhalt für die endgültige Ablehnung der Preußenanleihc vor- Härchen sei. Zwischen diesen beiden einander diametral widersprechenden Feststellungen flutet eine Unzohl von Vermutungen und Kommen- taren, ohne baß irgendeine zuständige Stelle tn Deutschland dazu eine ausreichende Aufklärung geben könnte. Eine Meldung der Kon- junkturkorrespondenz spricht dunkel davon, daß in Verlin länger« Kabclmeldungen vorliegen, deren Entzifferung noch einige Stunden in Anspruch nehmen wird. Wieder heißt es darin über „gut unterrichteten Stellen" fast noch dunkler, daß man dort weder eine glatt« Ablehnung der Anleihe in Washington annehm«, noch daß die beruhigenden Nachrichten voll zutrefsen. Es ist selbstverständlich, daß die beteiligten Regierungsstellen in Deutschland sofort volle Klarheit aus Washington oder von den amerikanischen Bankiers haben könnten, wenn sie es wollten. Man muß deshalb annehmen, daß die preußische Anleih« und da- mit der preußische Staatskredit tatsächlich auf das ernsteste gefährdet sind. Es kann sich nur noch darum handeln, welche Gründe für diese Gefährdung entscheidend wa�en. In der Anleihe selbst können sie nicht liegen. Die 30 Mil- lionen Dollar sollen anerkannt produktiven Zwecken zu- geführt werden: drei Viertel de» Anleiheerlöses sollen für Zwecke der Landeskultur, Urbarmachung von Mooren, für Siedlungskredtt« und landwirtschaftliche Meliorationen verwendet werden. Das letzt« Viertel soll für Hofenbauten verwendet werden. Beide Berwendungs. zwecke sind produktiv im besten Sinne des Wortes; sie entsprechen voll den Grundsätzen, nach denen bisher die Produktivität von öffentlichen Ausländsanleihen beurteilt worden ist. Die Beratungs- stelle hat die Anleihe genehmigt. Di« Reichsbank gibt aus- drücklich bekannt, daß auch nach ihrer Ansicht die Anleihe produktiven Charakter im Sinne der Richtlinien der Beratungsstelle habe. Die Kvedltfähigkett des preußischen Staates steht außer Zweifel. Daß dennoch die amerikanische Regierung die Auflegung der Anleihe nicht genehmigt, macht auch dann den Fall zu einer Staatsangelegenheit erster Ordnung, wenn Preußen doch noch da» Geld erhielte. Denn nicht mehr um die 30 Millionen Dollar handelt es sich, sondern um die Gründe, die die amerikanische Regierung zum Zögern gebracht haben. Da die Produktivität der Anleihe nicht im Zweifel stehen kann, kann nur noch ein Ursachenkomplex in Frag« kommen, der mit dem Retchsbankpräsidenten persönlich, dem Reporationsagenten und dem R«ich»finanzministerium zusammenhängt. Di« Stellungnahme de» Reparationsagenten zur beut- schen Fimmzwirtschast ist bekannt. Er wünscht größere Sparsamkeit auf verschiedensten Wegen und könnte auch wegen der Darüber- tragung der deutschen Reparationszahlungen in» Ausland besorgt sein. C» ist nicht anzunehmen, daß er die Reparationsleistungen Deutschland « selbst durch die Belastung des preußischen Stoatsver- mögen» mit Anleihen bedroht steht, nachdem da» Vermögen der Länder neben dem des Reiches nach dem Versoiller Vertrag für die Reparationsverpflichtungen haftet. Hinsichtlich der Trarrsferfrag« trifft sich das Interesse des Reparationsagenten mit dem Interesse des Reichsbankpräsidenten, der in erster Linie Auslandsanleihen wünscht, die auch Devisen schaffen. Der Reichsbankpräsident kümmert sich von jeher in hohem Maße um die große Politik. Trotz aller Dementis ist es keineswegs ausgeschlossen, daß der Reichsbank- prässdent, der seine Antipathie gegenüber den Ländern und Gemein. den bei der Aufnahme von Auslandsanleihen deutlich genug bisher hat erkennen lassen, auf dem Wege über den Reparctionsogenten weniger durch amtliche als durch persönliche Fühlungnahme auch auf die allgemein« deutsche Finanzpolitik Einfluß zu nehmen sucht. Da das Reichsfinanzministerium ausdrücklich erklärt hat, daß es mit dem Reparationsagenten besonder« im Hinblick aus die Bestimmungen des Versoiller Vertrage» über die Preußenanleihe keine Verhandlungen geführt hat, bleibt kein« andere Vermutung. als daß die Schwierigkeiten in Washington über den Reichs- banckpräsidenten und Parker Gilbert gehen müssen. In dieser Frage muß Klarheit geschaffen werden, sofort und um jeden Preis. Sind es Berliner Stellen, gibt es Berliner Stellen, deren Wünsche in Washington gehört und beachtet worden sind? Es können viel zu große staatspolitische und volkswirtschaftliche Inter- essen hier in Mitleidenschast gezogen werden, als daß die Reiche- regierung auch nur einen Augenblick zögern durste, v o l l st e Auf. k l ä r u n g zu schaffen. Die Ausfichten gebefiert? Ein Funkspruch aus Washington sagt, daß die Aussichten für die Preußenanleihe sich innerhalb der letzten TA Stunden erheblich gebessert haben. Im State Department wurde erklärt, nach den inzwischen eingegangenen Informationen handele es sich nicht um eine solche Anleihe, gegen die die amerikanische Regierung Bedenken erheben könnte. Man wisse hier zwar nicht, wann die Anleih« aufgelegt werde, jedenfalls sei aber von amtlicher amerikanischer Seite nicht» beabsichtigt, was eine Auslegung verzögern oder vereiteln könnte. Wester ermächtigte das Bankhaus Harris Fordes u. Co. in seiner Eigenschaft als Führer des Emissionssyndikats der Preußenanleihe den Vertreter des MTB., die Gerüchte über den Abbruch der Anleiheverhandlungen zu dementieren.
Genügt es nicht? In der„Deutschen Suristenzeitung" fordert Prof. Dr. Gerland-Je na ein besonderes Gesetz zum Schutze der Richter, die er dem Reichspräsidenten (!) oder einem Mitglied der Reichsregierung strafrechtlich gleich- gestellt zu wissen wünscht.— Wegen Beleidigung des Landgerichts- direktors Bombe wurden gestern 5 Monat« Gefängnis ver- hängt. Uns scheint, daß in ihrem eigenen Chrenschutz die Richter auch ohne Spezialgesetz nicht lässig sind.
Demokratie- nicht Gewalt! Die Folgerung aus dem Wiener Julidrama. Ivleu. 29. September.(Eigenbericht.) Auf dem Verbandstag der Metallarbeiter sprach Genosse Dr. Otto Bauer Lbsr die politische Lage, wobei er sich namentlich mit dem IS. Juli und seinen Folgen beschäftigte. Er führt? aus, daß die Sozialdemokratie durch die langjährige Wirtschaftskrise politisch nicht schwächer, sondern stärker geworden sei. Das Bürgertum hatte aus Angst vor den Wahlen die Einheit?- liste beschlossen, die es sonst nirgends auf der Welt zustandegebrocht hatte. Die Folge war ein Sieg der Sozialdemokratie. Dann kam der IS. Juli Was lehren uns dies« Ereignisse? Während wir auf dem Boden der Demokratie selbst in der schwersten Krise Erfolge errungen haben, erlitten wir in dein Augenblick, wo auch nur ein kleiner Teil der Arbeiterschaft sich ver- leiten ließ, die demokratischen Machtmittel zu verlassen und an die Gewalt zu appellieren,«in« Niederlage. Nun werfen uns die Kommunisten vor. daß wir Gewalt nicht mit Gewalt beantwortet haben, sie sagen, die Internationale hätte uns beigestanden, wie sie ja auch in der Affäre Sacco und Vanzetti einmütig protestiert lzat. Es wäre gewiß ein Kamps auf Leben und Tod geworden: die Inter - nationale hätte protestieren können, aber dos hätte un» nicht mehr geholfen. Wir sinddemKampfeausgewichen. Das hat gewiß die Gegner ermutigt, und namentlich auch die faschistischen Stimmungen in der Bourgeoisie. Wir sehen die wachsende Kühnheit der besitzenden Klasse, wir sehen, daß sie sich stärker fühlt: es gibt auf der Gegenseite Kräfte, die nicht» sehnlicher wünschen, als die Ar- beiter zu Unbesonnenheiten zu verleiten und die Entscheidung auf einem Kampfboden zu provozieren, der ihnen als der günstigste erscheint. Der 24. April war der Sieg der Arbeiter, der IS. Juli mrt seinem kleinen Abweichen zur Gewalt war ein Rückschlag für den Sozialismus. Es wäre traurig, wenn wir nicht die Kunst auf- brächten, den Arbeitern diese Situation klarzumachen, ihnen klarzu- machen, daß wir uns nicht dort hin locken lassen dürfen, wo uns die Gegner hin haben wollen. Wir müssen den Arbeltern an dem Bei- spiel des IS. Juli klar mackum. daß nicht eine kleine Grupve von ein paar Hundert oder Tausend Leuten die ganz« Arbeiterklasse in einen Kampf verwickeln kann, der zu einer Schlappe für die gesamte Arbeiterschaft führen könnte. Wir werden in Zukunft auf politisckzem wie auch auf gewerk- schaftlichem Gebiete mehr Einheitlrchteit des Kampfes brauchen al» bisber. Die bürgerlichen Elemente und die Arbeiter müssen erkennen, daß die Gewalt uns nicht weiter bringt. Vor allem aber die Arbeiter müssen erkennen, daß wir in den nächsten Iahren die Gewalt nicht brauchen, sondern daß wir an Herz und Hirn der
Menschen appellieren müssen Wir sind in der Krise vorwärts marschiert. Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir jetzt, wo es wieder aufwärts geht, nicht noch mehr vorwärts kommen sollten. Der lang anhaltende Beifall des Verbandstages der größten Ge- werkschafl nach diesen Ausführungen bewies, daß die organisierte Arbeiterschaft vollkommen mit der hier gezogenen Richtschnur ein- verstanden ist._
Der Papst segnet üie Legionäre. Weil ihr Eingreifen in den Krieg die Entscheidung gebracht habe! Rom . 29. September. (Agenzia Stefan!.) Die Ansprache des P a p st e s an die Vertreter der Ainerikanischen Legion wird von dem amtlichen Organ des Heiligen Stuhls, dem „Osservatore Romano ", in folgender Fassung veröffentlicht: Der Papst sei g l ü ck l i ch. sie zu sehen»nd ihnen seinen Segen zu er- teilen. Ihre Anwesenheit erinnere a» zwei sehr bedeutende Tatsachen der Weltgeschichte, an den Weltkrieg und an die entscheidende Einmischung des ganz jungen Amerika in die Angelegenheiten der Alten Welt, nickst nur mit seinen u n- ermeßlichen Hilfsmitteln, sondern auch mit viel ver- flossenem Blut und zahlreichen geopferten Menschenleben.
Chamberlain-primo in Barcelona . Die ungelöste Tangerfrage. Pari», 29. September. (Eigenbericht.) Chamberlain hat am Donnerstag in Barcelona , da» er auf seiner Mittelmeerfahrt berührt hat. eine Besprechung mit dem spanischen Diktator Primo de Rivera gehabt, die>n Paris großes Interesse auslöst. Es wird vermutet, daß sich die Aussprache auf die noch immer ungelöste Tangerfrage bezog. Der spa- nische Diktator hat angeblich den lebhaften Wunsch, daß diese Frage mindesten» im Prinzip vor der Reis« de» spanischen Königs- paares nach Marokko Im Monat Oktober geregelt wird. Die Ver- Handlungen wegen Tanger sollen Ende Oktober in Pari» fortgesetzt werden. In französischen Kreisen betont man, daß England sich jeder Abänderung des Statuts vvn Tanger , durch die das Prinzip de» internationalen Regimes bedroht werden konnte, widersetzt.