Einzelbild herunterladen
 
Nr. 462 44.�ahrgaüg
1. Seilage ües vorwärts
5rettag, 56. Septc-nbsr 1627
Die Straßenbahner vor dem Staötparlament. Für die Mindestforderungen eine ansehnliche Mehrheit.
Die Berliner   Stadtverordnetenversammlung er- örterte gestern eine Frage, die für die Bevölkerung Berlins   zurzeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht: Die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Straßenbahner. Aus Ausschußverhandlungen über einen Antrag der Kommunisten war ein Bschluß hervorgegangen, der die Mindestforderungen der Straßenbahner unterstützte und an den Magistrat die Mahnung richtete, sich für Bewilligung dieser Forderungen einzusetzen. Gestern kam es in der Stadtverordnetensitzung nach der Bericht- erstattung des Ausschusses zu einer lebhasten Debatte, in der be- sonders die Ausführungen des sozialdemokratischen Red- ners viel beachtet wurden. Unser Genosse U r i ch trat selbstver- ständlich für Annahme des Ausschußbefchlusses ein, er betonte aber, daß Arbeitnehmer, wenn sie Forderungen durchsetzen wollen, vor allen Dingen sich aus ihre Gewerkschaft stützen müssen und daher ihre Gewerkschaft zu solchen Kämpfen stark machen sollten. Die Kommunisten, die ja in der Schwächung von Gewerkschaften schon manches geleistet haben, unterbrachen unseren Redner mit lärmenden Zurufen, weil ihnen diese Ausführungen unbequem waren. Eine beträchtliche Mehrheit, die aus den Parteien der Linken und einem Teil der Mittelparteien sich zusammensetzte, beschloß nach dem Vorschlag des Ausschusies und sprach sich hiermit für Bewilligung der Mindest- sorderungen des Straßenbahnpersonals aus. * Vor Eintritt in die Tagesordnung nahm Stadtverordneten»«!- steher Genosse Haß Anlaß, dem am 1. Oktober aus den Diensten der Stadt scheidenden unbesoldeten Stadtrat Wege, der der Deutsch  - nationalen Partei angehört, ehrende Worte des Abschieds zu sagen. Folgender Dringlichkeiksankrag der sozialdemotratischea Zratlion wurde ohne Debatte einem Ausschuh überwiesen: Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, der Magistrat wird ersucht:3n Anbetracht der Anforderungen, welche die Durch- fühnmg des Gesetzes zur Bekämpfung der Ge- schlechtskrankheiten an die Fürsorgerinnen stellt, für die gesundheitsfürsorgerische Ausbildung von Fürsorge- rinnen der Stadt Berlin   Sorge zu tragen, die ihr Fürsorge- rinnenexamen in Gruppe 2(Iugendfürsovge) oder Gruppe 3 (Wirtschaftsfürsorge) bestanden haben und für die Uebernahme der fürsorgerischcn Betreuung Geschlechtskranker geeignet sind. Diese Ausbildungsergänzung ist zu schaffen durch Halbjahrskurse an städtischen Krankenhäusern unter Miteinbeziehung der in den Mütterberatungs-, Schwangerenfürsorge-, Säuglingssllrsorge- und Geschlechtskranken-Beratimgsstellen vorliegenden Ausbildungs- Möglichkeiten. Für die erfolgreiche Absolvierung der Kurse wäre die staatliche Anerkennung für Gruppe 2(Gesundheitsfürsorge) bei den zuständigen Stellen zu erwirken." Die Kommunisten wollten auf dem.Facharbeitsnach- weis der Ga st wirtsange st eilten in der Tieckstraße aller- lei Unregelmäßigkeiten entdeckt haben, so daß sie«inen diesbezüglichen Antrag einbrachten. In der gestrigen Sitzung zogen nun die Antragsteller den Antrag zurück. Zu einem Dringlichkeits­antrag der kommunistischen   Fraktion, der dem Magistrat unterstellt, daß dieser am 1. Oktober die Notstandsaktion zugunsten der Erwerbslosen einstellen wolle und deshalb die Fortsetzung der Notstandsaktion verlangt, bemerkte Bürgermeister Scholh, daß kein Mitglied des Magistrates sich mit einer solchen Absicht getragen habe. Der Magistrat wird«ine entsprechende Vorlage der Bersamm- lung vorlegen. Nach einigen Reden der Stadtverordneten Frau Rosenlhal gab Genosse Waderholz dem Wunsch unserer Fraktion Ausdruck, die Kündigungen der Notstandsarbeiter zurückzunehmen. Zu einem weiteren Antrag« der Kommu- nisten, den städtischen Arbeitern eine einmalige Beihilfe zu gewähren und eine Neuregelung ihrer Löhne vorzunehmen. beschloß der vorberatende Ausschuß, ein« zwischentarisliche Regulierung der Löhne zu empfehlen, solange der noch
laufende Tarif eine direkte Lohnerhöhung unmöglich macht. Als angemessen wird ein« Zulage von 10 Pf. angesehen. Diesem Ausschußbeschluß traten auch die kommunisti­ schen   Mitglieder des Ausschusses bei: sie wurden aber von ihrer Fraktion desavouiert, die durch ihren Sprecher im Plenum gestern abend den ursprünglichen Antrag wieder auf- nahm, nach dem 50 M. einmalige Beihilfe und 15 Pf. Lohnerhöhung für die Stund  « gefordert wurden. Genosse Klose-Steglitz betont« namens unserer Fraktion, daß eine Lohnerhöhung angesichts der weiterschreüenden Teuerung unerläßlich erscheine, insbeson- der« deshalb, weil die Löhne der städtischen Arbeiter nicht b e s o n- d e r s hoch seien. Zu dem Wunsch der kommunistischen   Fraktion nach Gewährung einer einmaligen Beihilfe ist zu bemerken, daß die Gewerkschaften und selbst die Funktionäre solche einmaligen Rot- standsunterstühnngen ablehnen und angemessene Löhne als wichtige? ansehen. Der Forderung auf eine Lohnerhöhung von 15 Pf. steht gegenüber die von den Funktionären sanktioniert« Forderung der Gewerkschaften auf Erhöhung der Löhne um 10 Pf. Es kommt nicht darauf an, unter allen Umständen zu fordern, sondern im Rahmen des Möglichen für die städtischen Arbeiter etwas zu erreichen. In der Abstimmung blieben die Kommunisten mit ihrem wieder aufgenommenen Antrag ollein: der Ausschußbeschluß wurde dann ein st immig angenommen. Beschlossen wurde serner die Auflösung der Krankenkasse für die Be- amten und Fe stanze st ellten der Stadt Berlin   und Die Errichtung einer städtischen Srankenversicherungsansialt. Die Stadtverordnetenversammlung hatte seinerzeit mit der Links- Mehrheit beschlossen, das künstlerisch zu bemängelnde hohenzollern- Denkmal in Neukölln zu entfernen. Der Magistrat hatte mitgeteilt, daß nach der Rechtslage eine Entfernung des Denkmals nicht möglich fei. Im übrigen zeuge nach den Gutachten des städtischen Kunst- konseroators und des Kunstmalers Baluschek   das Denkmal von..guter Schulung und achtbarer künstlerischer Gesinnung des Schöpfers", dessen Arbeitehrlich und fleißig sei, allerdings Phantasie und künst- lerifches Temperament vermissen lasse". Bei der neuerlichen Be- Handlung der Frage am gestrigen Abend brachte die s o z i a l d e m o- tratische Fraktion einen Antrag ein, nach dem der Kultusminsster ersucht werden soll, die Genehmigung zur Entfernung des Denkmals zu geben. Der Antrag wurde angenommen. Der Antrag der Kommunisten, den Wilhelm- platz in Berlin   in Sacco- und Banzetti-Platz um- zubenennen, wurde abgelehnt. ver Lohnkampf öer Straßenbahner. In vorgerückter Stunde befaßte sich dann die Versammlung mit dem kommunistischen   Antrag auf Neurogelung der Löhne und der Arbeitszeit für die Straßenbahner. Stadtverordneter Deter(Komm.) begründete den Antrag eingehend. Er forderte achtstündige Arbeits- zeit einschließlich des Bereitschaftsdicnstes, eine Ruhepause von 12 Stunden zwischen zwei Diensten, eine wöchentliche Ruhepause von 36 Stunden, Feiertags- und Krankheitsbezahlung, Bezahlung eines Nachtzuschlages usw. Deter berief sich vor allem darauf, daß die städtischen Arbeiter bessere' tarifliche Arbeitsbedingungen haben. Genosse Urich betonte, daß die Arbeiter der Straßenbahn, der Hoch- bahn und der Omnibusgesellschast sich nicht der Hoffnung hingeben dürsten, daß ihre Lohn- und Arbeits- bedingungen von der Stadtverordnetenver- fammlung geregelt werden. Einzig und allein sei das Sache der wirtschaftlichen Organisationen der Verkehrsarbeiter. Jeder Tarif sieht so aus, wie das Or- ganisationsverhältnis der Arbeiter. Wenn diese Erkenntnis erst einmal Gemeingut der Verkehrsarbeiter und in diesem Falle der Straßenbahner geworden sei, würde auch die Direktion der Straßen- bchii von ihrem scharfmacherischen Standpunkt abgehen. Das haben bei den Verhandlungen und auch sonst die Kommunisten aner- kannt. Deshalb nutzt es auch nichts, wenn jetzt in der Stadtverord- netenoersammlung die Kommunisten politisch etwas herausholen wollen. Genosse Urich teilte mit, daß soeben die Funktionär« der Straßenbahner über das Vermittlungsangebot des Schlichters im Lohnkampf der Straßenbahner beraten und der zu erwartenden Stellungnahme könne die Versammlung nicht vor­greifen. Bei der Hochbahn sind die Verhandlungen mit Zustimmung des Stadtverordneten Deter(Komm.) von Freitag auf Montag vertagt worden. Urich erklärte am Schluß seiner Ausführungen,
daß die sozialdemokratische Fraktion es ablehnen müsse, die Funktion einer Gewerkschaft zu übernehmen! Nachdem Stadtverordneter Hesse (Komm.), der zugab, daß das Organisationsverhältnis bei der Straßenhahn besser sein könne, der aber andererseits meinte, daß die Stadt für die soziale Stellungnahme der Straßenbahndirektion verantwortlich sei. Vom Magistrat sprach Stadtrat Genosse Reuter. Der Aussichtsrat der Straßenbahn sei der Auffassung, daß die Rege- lung der Lohn- und Arbeitsbedingungen Sache der Gewerkschaften und der Direktion sei. Dieser Auffassung hat sich auch der Vorsitzende des Betriebsrates der Straßenbahn angeschlossen. Im übrigen sei eine Verständigung zwischen Direktion und Gewerkschaften doch noch erfolgt, wozu der Aufstchts- rat seinen Teil beigetragen habe. Den Kommunisten sagte Genosse Reuter, daß sie bei den Straßenbahnern nicht den Eindruck er- wecken sollten, als brauche man nur an der Strippe einzelner Frak- tionen ziehen, um alles zu erfüllen. Schließlich wurde mit sehr großer Mehrheit ein Beschluß des vorbereitenden Ausschusses ange- nommen, der für die Lohn- und Arbeitsbedingungen Mindestforde- rungen aufstellt, die sich auf die Arbeits- und Ruhezeit, auf die Regelung des Ueberstundenwesens, den Urlaub, die Mitwirkung der Betriebsvertretung hei Einstellungen und Entlassungen, die Be- zohlung der Krankheitstogc und anderes beziehen. Die sozialdemokratische Fraktion hat in der Stadtver- ordnetenversammlung folgenden Antrag eingebracht: Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, den Magistrat um folgende Leschlußsaflung zu ersuchen: Um die Möglichkeit zur Behebung der für die Kriegs- beschädigten besonders fühlbaren Wohnungsnot zu sör- dern. werden für Kriegsbeschädigte unter Berücksichtigung ihrer Wirtschaftslage und unter Mitwirkung der Berliner   hauptfürsorgc- stelle für Kriegsbeschädigten- und hinterbliebenensürsorge jährlich 200 Neubauwohnungen mit einem Jahresmietszuschuß von 300 M.(statt 120 M.) je Wohnung zur Verfügung gestellt.
Der Juwelenüiebstahl in üer Zrieürichstraße. Die Täter verhaftet. Großes Aufsehen erregte vor Wochen die Eiüdeckung eines Einbruches, der mit ungewöhnlicher Dreistigkeit am hellen Sonntag nachmittag bei dem Juwelier Lünser an der Ecke der Friedrich- und Mittelstraße verübt worden war. Di« Verbrecher, die zwei Mauern durchbrechen muhten, um in den Laden hineinzukommen, hatten für 60 000 M. Wert, und Schmucksachen erbeutet. Die Kriminalpolizei nahm alsbald die Ermittlungen auf und es gelang ihr nicht nur die Bande festzunehmen, sondern auch die Juwelen bis auf«inen kleinen Teil wieder herbeizuschaffen. Drei elegant gekleidet« Männer waren ge- sehen worden, als sie das Haus verließen. Die Beamten ermittelten. daß bald darauf drei Männer an der Prinz-Louis-Ferdinand-Straß» ein Auto genommen hatten und nach dem Wedding zugefahren waren. Diese erste Spur und weitere, die hinzukamen, lenkten den Verdacht auf einen 53 Jahre alten.Kaufmann" Arthur Dirks, der mit seiner Familie in der Prinz-Eugen-Straße wohnt. Während man hier weiter nachforschte, n»eldete sich bei dem bestohlenen Juwelier auf sein Zeitungsinserat, daß er die gestohlenen Sachen zurückkaufen wolle, ein Mann, der einige Kleinigkeiten anbot, die der Juwelier denn auch gegen Entgeld zurücknahm. Di« Beschreibung dieses Mannes, der natürlich feinen Namen nicht angegeben hatte, zeigte den Kommissaren, daß sie aus der richtigen Fährte waren. Denn sie paßten auf einen 38 Jahr« alten..Kausmai'.n" Paul Louis  , genanntScheibe", der mit Dirks in Verbindung stand. Als der dritte Mann wurde ein 39 Jahre alter.Kaufmann" Fritz Borries ermittelt, der am 30. Juli d. I.. aus dem Zuchthaus i.r Gollnow, wo er noch mehrere Jahre zu verbüßen hatte, entwichen war. Dirks wurde sestgenommen, leugnete aber jede Beteiligung. Eine Durchsuchung seiner Behausung förderte zunächst nichts zutage. Endlich aber fand man in einer Mehltüte, die Frau Dirks in der Küche liegen hatte, einige Kleinigkeiten. Scheibe wurde in einer Wohnung in der Neuen Königstrahe ermittelt. Auch er leugnete um so hartnäckiger, als bei ihm nichts gefunden wurde. Man konnte ihm ober nachweisen, daß er es gewesen war, dem der Juwelier einig« Sachen abgenommen hatte. Borries wurde in einem Lokal entdeckt und festgenommen. Der Urheber des Planes war Scheibe. Die Verbrecher hatten festgestellt, daß bei dem Juwelier am Sonn- tag niemand daheim war. So beschlossen sie, den Einbruch für den Sonntag nachmittag, den 18. d. M. Sie trafen sich bereits morgens
/löen oöer öie Trostlosigkeit. Bon Richard huelsenbeck  . Die Fahrt durch das Rote Meer   dauert fünf Tage, fünf Tage wird auf dem Promenadendeck davon gesprochen, warum man das Rote Meer   nicht das grüne nennt. Ein Herr meint, der Name käme davon, daß abends, wenn die untergehende Sonne auf das Meer scheine,alles rot sei". Ein anderer sagt, diese Behauptung bewiese, wie leichtsinnig die Menschen die Meinungen anderer nachsprächen. Die rot� Farbe des Roten Meeres   käme nicht von der Sonne, von einer roten Farbe könne man überhaupt unter keinen Umständen sprechen, gewisse Mikroben, ähnlich den Tierchen, die das Meeresleuchten verursachten, seien die wahre und einzige Ursache. Ich habe zu diesem Streit geschwiegen. Amüsanter war die andere Gruppe auf dem Promenadendeck, die diskutierte, ob der Berg, den man kahl und gelb aus der arabischen Ebene aufragen sah, der Sinai   sei oder nicht.Der Sinai," sagte jemand, der im Geruch hoher Bildung stand, weil er sich an den täglichen Sportübungen nicht beteiligte,ist gar kein Berg, sondern eine Mythe." that... Mythe," fragte Mr. G., der ohne einen Grund seit Beginn der Fahrt den SpitznamenDer Mädchenhändler" führte. Der Mann der Bildung erging sich in längeren Ausführungen, bis alle durch ein Geräusch aufgeschreckt wurden, Fräulein M.. die Tochter des großen Inflationsqewinnlers, ließ ihren Kino- apparatB6b6" abschnurren. Der Sinai  , wenn es der Sinai  und keine Mythe ist, wird bald im Grunewald beim Fünfuhr- tee das Interesse gepflegter Damen erwecken. Wir fanden, daß damit seine Bedeutung reichlich an- erkannt war, und wandten uns anderen Themen zu. Jemand sprach von Mekka  , der toten Pilgerstadt und von Port Sudan  , wo die Engländer einen großen Hafen bauen. Dann kam Peri in Sicht, der flache, kleine Inselkuchen, der am Ausgang des Roten Meeres   liegt. Peri ist so klein und flach, daß es auf eine Entfernung von einigen Seemeilen auffällt, wenn jemand sich aufrecht darauf bewegt. Aber das fällt niemandem ein, als einziges Zeichen menschlicher Nähe steht da eine Bretterbude, die wahrscheinlich eine Whiskykneipe ist. Die Umgebung von Aden ist das Trostloseste, was sich ein menschliches Gehirn ausdenken kann. Große, rötliche
Felsen flimmern unter einer unerbittlichen Sonne, der Sand weitet sich zur Wüste, die jeden Tropfen Feuchtigkeit gierig oerschlingt und die ärmlichen Ansiedlungen der Menschen umrieselt, bis sie knisternd vor Dürre zusammenbrechen. Ich lasse mich von einem Kahn an Land bringen, der von Eingeborenen gerudert wird. Unter den schmutzigen Turbanen rieseln dicke Schweißtropfen, sie atmen keuchxnd, ein Somalineger läßt die Zunge rot aus dem Halse hängen wie ein abgehetzter Hund. Die Araber machen einen feind- seligen und düsteren Eindruck. Ihre Augen haben ein feind- seliges Leuchten, ich denke an die Wahabiten. Auf der Prince-of-Wales-Pier stehe ich verlassen und sehe mich vergebens nach der Stadt um, die Sonne dampft auf den Steinen, wohin man sieht, verschwindet die Gegend in einer Art flimmernden Rauch. Aden besteht aus einer einzigen Straße, an dieser Straße klebt schmutziges Mauerwerk, das als Eingeborenenviertel bezeichnet wird. Zwei englische Hotels liegen an derHauptstraße". Das eine macht einen Eindruck, als ob es vor kurzer Zeit aus- gebrannt wäre, man starrt in leere Fensterhöhlen, leichenweiß gekalkte Zimmerwände stehen öde und sinnlos da. Das andere Hotel hat eine Veranda. Dieser Beranda strebe ich zu, mehrere Gäste des Dampfers sitzen hier und trinken einen Whisky. Ich sitze mit dem Dr. R.. zusammen, einem portugie- sischen Arzt, der nach Beira   fährt, und wie er mir neulich stolz erklärt hat, hundert Pfund im Monat verdient. Dafür hat er nichts zu tun, als den schwarzen Plantagenarbeitern Abführmittel zu geben, oder ihnen die von den Nilpferd- Peitschen zerfetzten Gesäße zu verbinden. Wir sind alle von der Hitze sehr mitgenommen, im Hotel hinter uns schnurren die Ventilatoren. Ein Araber drängt sich an mich heran, ich soll ihm Zigarren abkaufen. Ein Engländer, der mit uns auf dem Dampfer in der dritten Klasse fährt, warnt mich, die Zigar- ren zu kaufen. Er meint, alles, was hier in Aden gekauft oder verkauft würde, sei schlecht. Als ich den Zigarrenmann los bin, läßt sich der Eng- länder in ein Gespräch ein. Er erzählt, daß gestern in Aden seit langer Zeit Regen gefallen sei, er zeigt auf die Straßen. Ich entdecke wirklich so etwas wie feuchten Dreck, teilweise sind die Ränder der versandeten Straße noch dunkel von Feuchtigkeit....._____.______
Ich bedanke mich für die Mitteilung, die mich davor bewahrt, an einem großen Ereignis achtlos vorübergegangen zu sein. Nur wenig Reisende werden zu einer Zeit in Aden gewesen sein, in der es dort regnete. Als ich auf das Schiff zurückkomme, stellt sich mir als Kranker ein Herr namens H. vor. Er ist zuckerkrank, er will nach Iohannisburg fahren und sich behandeln lassen. Später erfahre ich, daß dieser Herr H.. der Zuckerkranke. der Hafenmeister von Aden ist. Als ich ihn zum erstenmal besuche, erklärte er mir, daß er seit drciundzwanzig Iahren in Aden ist und daß er mit vollem Gehalt pensioniert wird, wenn er fünfundzwanzig Jahre im Amte bleibt. Es fehlen ihm also noch zwei Jahre und ausgerechnet so kurze Zeit vor dem Ende überfällt ihn die Krankheit und zwingt ihn zur Aufgabe seiner Arbeit. H. flucht auf Aden und die ganze Welt, er meint, das Klima und die schreckliche Gewalt der Sonne hätten ihm diesen Streich gespielt. H.s Gesicht spricht dafür, daß er sein ganzes Leben, wenigstens die dreiundzwanzig Jahre, die er in Aden ver- bracht hat, sehr unmäßig gelebt hat. Ich bin kein Pastor, habe auch keilten Grund, jemandem Vorschriften zu machen, glaube aber, daß man, wenn man dreiundzwanzig Jahre unmäßig Whisky säuft, eine solenne Zuckerkrankheit er- werben kann. H. ist sehr unzugänglich, er wird auch während der langen Reise bis Durban  , wo er aussteigen muß, um den Zug nach Iohannisburg zu erreichen, nicht liebenswürdiger. Wenn ich mich seiner Kabine mit der Znsulinspritze nähere, höre ich, wie er eine schöne Blütenlese wortkräftiger Segel- schiffsflüche zusammenstellt.Verfluchter Kurpfuscher!" zählt er unter die harmlosen Bemerkungen, ich tue, als wenn ich nichts hörte, denn ich bemitleide ihn. Der Fall ist wirklich außerordentlich. Wenn man so lange in der Wüstensonne arbeitete, und dann durch eine Krankheit, die ebenso gut zwei Jahre später hätte auftreten können, um den Lohn seiner Arbeit gebracht werden soll, hat man eine Berechtigung, zu fluchen, obwohl ichverfluchter Kurpfuscher" als Liebkosung ein bißchen zu forsch finde. Aber macht nichts! Aden hat ihn zur Strecke gebracht, dieser Mann ist ein Opfer der Heimtücke, die aus den Gesichtern der Araber spricht, und aus der Trostlosigkeit der Sand- gebirge leuchtet. Hier wird man um sein Bestes betrogen.