willkommen sein, es wird alles tun, um die russische Kon- kurrenz an den Nilufern zu beseitigen. Rußland macht Versuche, auch in die arabischen Mandat- und Einflußgebiete Englands Irak und Hedschas einzudringen. Noch vor drei Jahren, als Hussein auf dem Königsthrone saß, hatte Moskau Agenten nach der Hedschas - Küste geschickt, ebenso Hussein eine Sondergesandtschast nach Moskau und die Sowjetregierung in seinem Kampfe gegen Jbn Saud um Hilfe ersucht. Kaum waren jedoch diese in Moskau erschienen, als die Wahabiten Jbn Sauds Hussein stürzten und ihn verjagten. Nun haben die Sowjetrussen versucht, wieder ihre Vertreter, und zwar unter dem Namen von Handelsleuten, nach Hedschas zu schicken. Jbn Saud ist jedoch gezwungen worden, sie auszuweisen. Die Sowjetpresfe erörtert die arabische Frage lebhaft, und zwar unter dem Gesichtswinkel russisch -britischer Be- Ziehungen. Offenbar hegt Moskau für diese vorderasiatischen Gebiete nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Jnter- essen. In einem Artikel versucht zum Beispiel die„Jswestija", die smnarabifchen Bestrebungen Jbn Sauds mit denjenigen König Feisals bzw. Englands in Widerspruch zu bringen. Das russische Regierungsorgan nimmt dabei den Wahabiten- führer, wie seinerzeit dessen Vorgänger Hussein, unter seinen Schutz, und versucht auch, ihn antibritisch und russen- bzw. türkenfreundlich zu stimmen. Der nahe Orient wird Zweifels - ohne und nicht erst in ferner Zukunft die Schaubühne dar- stellen, wo die alten Rivalen am heftigsten zusammenstoßen werden.
Titelunfug. Ein Plan des Herrn von Keudell. Der verdächtige Gesetzentwurf über die Regelung der Amtsbezeichnungen der Reichsbeamten ist jetzt dem Reichsrat vorgelegt worden. Der Entwurf sieht vor, daß die Amtsbezeichnungen künftig vom Reichspräsidenten geregelt wer- den. Man will also die Neuregelung der Amtsbezeichnungen dem Parlament nehmen und auf dem Verordnungswege vor- nehmen. Die faule Ausrede für dieses völlig überflüssige Beginnen lautet: es liegen zu viel einander widerstreitende Wünsche und For- derungen der Beamtenschaft zur Regelung der Amtsbezeichnun- gen vor. Merkwürdig! Es gab doch schon bisher Amtsbezeichnungen und auch Veamtenwünsche über die Regelung der Amtsbezeichnungen. Warum muß jetzt, wo im Zusammenhang mit der Besoldungsreform eine gewisse Vereinheitlichung der Beamtenbezeichnungen notwendig geworden ist, auf einmal die Regelung in die Hand des Reichs- Präsidenten gelegt werden? Dafür ist bei dem besten Willen kein halbwegs vernünftiger Grund zu entdecken— wenn nicht etwas anderes hinter dem vom deutschnationalen Reichsinnen- minister angezettelten Manöver steckt. Liegt erst einmal die Rege- lung der Amtsbezeichnungen in der Hand des Reichspräsidenten , dann ist. so rechnet Herr v. Keudell, bis zum Wiederaufleben des Titelunfugs nur ein kleiner Schritt. Man vereinheitlicht, man steigert die Amtsbezeichnungen in einzelnen Fällen solang«, bis der Titel wieder da ist. Gegen diesen faulen Zauber muß Front gemacht werden.
Wirth und üas Schulgesetz. Die Heidelberger Besprechungen und ihr Ergebnis. Mannheim , A>. September. Heber die Konferenz Dr. Wirths mit seinen Freunden in Heidelberg hat das„Neue Mannheimer Bolksblatt* von einem Teilnehmer einen Bericht erhalten, der von dem Blatt selbst als unklar bezeichnet wird. In dem Bericht heißt es u. a.: „Die Konferenz entsprang freier persönlicher Initiative und ver- folgte keineswegs den Zweck, in die Beschlüsse der zuständigen In- stanzen durch Zwischenaktionen einzugreifen. Dabei ergab sich die erfreuliche Feststellung, daß derartige Erörterungen sehr wohl
möglich und fruchtbar sind und in ihrer Westersührung geeignet, Spannungen zu lösen, die zu schweren Kon- flikten in diesen Tagen geführt haben. Die Konferenz war sich fernerhin darin einig, daß durch positive Mitarbeit an dem vorliegenden Reichsschulgesetzentwurf noch vorhandene Bedenken ausgeräumt und eine Lösung gefunden werden könne, die sowohl der religiösen Vertretung des katholischen Volksteiles wie seinen Aufgaben und der Verantwortlichkeit im Nahmen der Volks- gefamtheit gerecht wird." Das„Neue Mannheimer Dolksblatt" bezeichnet die Feststellung als wefenllich, daß Dr. Wirch und fein« Freunde sich nunmehr zu einer positiven Mitarbeit in der Schulstage bereit er- klärt haben. Es würde wohl bei Dr. Wirth selbst liegen, wieder den Weg zu den maßgebenden Stellen im Zentrum zurückzufinden. Di« sozialdemokratische„Mannheimer Volks st imme" äußert ihr besonderes Befremden über den Satz des erwähnten Be- richts, wonach die Konferenz lediglich den Zweck gehabt habe, die kritischen Stimmen— gemeint sind die von Wirth, Weißmantel und Michel— zu sichten und sie mit den grundsätzlichen politischen, pädagogischen und politisch-parlamentarischen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen._ Schtchhiiler Schätzte. Umgehung der Portoverteuerung vereitelt. Seit der Portoverteuerung ist das Porto von Deutschösterreich nach dem Reich— mit dem vertragsmäßig Portogleichheit besteht— um rund zwei Fünftel billiger als umgekehrt: deshalb sind reichs- deutsche Reklamedrucksachen vielfach von Deutschösterreich aus nach dem Reich verschickt worden. Wie die Bundespostverwaltung in Wien mitteilt, hat nun das Reichspostministerium die reichs- deutschen Postanstalten beauftragt, Drucksachensendungen, die in Deutschland hergestellt und für Empfänger in Deutschland bestimmt, aber bei österreichischen Postanstalten eingeliefert worden sind, nicht weiter zu befördern, sondern an den Aufgabeort zu- rückzusenden. Damit mache das deutsche Reichspostministerium von der Bestimmung des Artikels 4 des Schlußprotvkolls zum Weltpostoertrag von Stockholm Gebrauch, die folgendermaßen lautet: „Jedes Land kann olle ihm notwendig erscheinenden Maß- nahmen treffen, um zu verhindern, daß die Briessendungen aus seinem Gebiet über die Grenze geschafft werden, um im Aus- land bei der Post aufgegeben zu werden. Es hat insbesondere das Recht, diejenigen Sendungen, die einheimische Personen oder Geschäftshäuser im Auslande an einheimische Personen oder Ge- schäftshäuser aufgeben oder aufgeben lassen, um die niedrigere Postgebühren aus dem Auslande gegenüber dem eigenen Land« auszunutzen, mit seinen inländischen Postgebühren zu be- legen, oder an den Aufgabeort zurückzusenden. Die Art der Er- Hebung der Gebühren bleibt seiner Wahl überlassen." Die österreichischen Annahmestellen sind beauftragt, die Ausgeber derartiger in Deutschland hergestellter Drucksachensendungen auf dieses vom deutschen Reichspostministerium verfügte Beförderungs - verbot in Deutschland aufmerksam zu machen. Es ist gewiß nicht uninteressant, daß man diese ganze Geschichte von treuhändiger Verteidigung des Mchrportogewiims durch Herrn Schätzt«— erst aus Wien erfahren muß.
Justiz gegen Staat. Das bayerische Oberste Landesgericht erklärt das Äeichswappen für schutzlos. Eine Entscheidung des bayerischen Obersten Landesgerichts, die in der„Juristischen Wochenschrift" vom 24. September d. I.(Seite 2231) mitgeteilt wird, verdient die Aufmerksamkeit weiterer Kreise. Nach§ 360 Nr. 7 des Strafgesetzbuches wird bestraft, wer unbefugt die Abbildung des kaiserlichen Wappens oder von Wappen eines Bundesfürsten oder von Landeswappen gebraucht. Es ist hiernach das Reichs wappen zwar nicht ausdrücklich geschützt, dieses war aber in früherer Zeit mit dem kaiserlichen Wappen identisch, und es ist niemand auf den Gedanken verfallen, zwischen beiden Wappen einen Unterschied zu machen.
Das bayerische Oberste Landesgericht hat nun herausgefunden, daß das kaiserliche Wappen kein Reichswappen gewesen sei, und daß daher das neue Reichswappen den strafrechtlichen Schutz des alten kaiserlichen Wappens nicht genieße. Zur Begründung seiner Ansicht macht es sehr lange und sehr gelehrte Ausführun- gen, die aber nicht darüber hinwegtäuschen können, daß man die gegenteilige Ansicht juristisch genau ebensogut begründen könnte, wie dies auch in mehreren Fällen, z. B. von Lucas in der„Juristischen Rundschau" von 1923 und ebenso in dem Kommentar von Frank zum Strafgesetzbuch geschehen ist. Liest man die Ausführungen des bayerischen Urteils, so muß man unwillkürlich an die un- bewußten inneren Tatfachen denken, die den wahren Grund derartiger Entscheidungen bilden und die in der innerlichen Einstellung der Richter zum neuen Staate liegen. Es fei nur an die auch an dieser Stelle besprochene Entscheidung des Oberverwai- tungsgerichts erinnert, die eine Verordnung des preußischen Innen- Ministeriums, die den Gemeinden die Anwendung der Reichsflagge aufgab, für ungültig erklärte. Man hat sich allerdings in diesem Falle anderweit zu Helsen gewußt. Man kann aber auch das Urteil des bayerischen Obersten Landesgerichts nicht ohne weiteres hinnehmen. Wenn wirklich ein? solche Auslegung des Strafgesetzes möglich ist, muß sofort Abhilfe geschaffen werden. Man kann nicht bis zum Erlaß des neuen Straf- gefetzbuches hiermit warten. Es würde sich empfehlen, die Regelung dieser Frage durch einen besonderen Initiativantrag im Reichstag herbeizuführen._
Dolus eventualis. Er soll im neuen Strafgesetz beibehalten werden. Der Strafgesctzausschuß des Reichstags beendete gestern die Beratungen der Bestimmungen, durch welche die Begriffe Vor- s a tz und Fahrlässigkeit sestgelegt und bestimmt werden soll. was unter Oolüs eventualis zu verstehen ist. Auch von den Ver- tretern der bürgerlichen Parteien wurde die Rechtsprechung über den Dolus eventualis preisgegeben. Abg. Bell bezeichnete sowohl Las Urteil gegen Wilhelm Liebknecht , als auch das Magdeburger Urteil für falsch. Oberreichsanwalt Ebcrinayer erklärte, daß man em falsches Urteil nicht werde verinciden können, auch wenn man den Dolus eventualis ganz streich«. Auch die Richter seien Menschen, nach der Auffassung mancher Leute sogar Unmenschen.(Heiterkeit.) Die sozialdemokratischen Anträge auf Stret- chung des Dolus eventualis wurden mit den Stimmen aller bürgerlichen Parteien gegen Sozialdemokraten und Konnnu- nisten abgelehnt. Es wurde lediglich vorbehalten, eine klare und enger« Formulierung des Begrisfes Dolus eventualis später festzulegen. Die Wciterberatung wurde auf Dienstag vertagt.
De? �entrale-Prozeß. Das Reichsgericht will am Dienstag anfangen. Leipzig . 30. September.(Eigenbericht.) Der Niedner-Senat des Reichsgerichts will trotz aller Einsprüche der kommunistischen Reichstagsabgeordneten am Dienstag mit dem Prozeß gegen die K P D.- Z e n t r a le beginnen. Er glaubt, daß die angeklagten Reichstagsabgeordneten sich freiwillig stellen werden, so daß die Verhandlung kein« Unterbrechung erleidet. Es sind angeklagt wegen Vergehens nach§8 7, 8 und 9 des Republik - schutzgesstzes, Vorbereitung zum Hochverrat. Teilnahme an einer staatsfeindlichen Verbindung, Unterstützung zum Sprengstofsver- brechen ufw. die Reichstagsabgeordneten Heckert, Koenen, Remmele, Stöcker, Hoernle, Hans Pfeiffer sowie der preußische Landtagsabgeordnete Hugo E b« r l e i n, der Redakteur Rudolf Lindau , Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und' der Redakteur Georg Schumann aus Berlin . Sollte der Prozeß durchgeführt werden, so dürften wochenlang Broschüren verlesen werden, da ganze Stöße von Akten und Schriften vorliegen.
Der preußische Innenminister in der Nordmark. Der preußische Innenminister Grzesinski ist auf einer Reise durch die Nordmark Donnerstag nachmittag von Schleswig kommend in Flensburg einge- troffen, wo er vom Oberbürgermeister Dr. Todfen empfangen wurde.
Liechtenstein . von Hermann Schühinger. Das Liechtensteiner Ländchen hat ein tückischer Wettersturz mitten im Herbst— ganz außerhalb der„Saison"— zu einer mitteleuropäischen Sensation gemacht. Ausführliche Telegramme fixer Korrespondenten berichten an die Weltpresse von reißenden Strömen, die das sonst so geruhsame Tal durchfurchen, von Stein- riefen, die unter der Gewalt des Wassers bersten, von Häusern und Höfen, deren Bewohner zwangsweise„geräumt" werden müssen— und von einer schiedlich-friedlichen Pontonierkonkurrenz der öfter- reichischen und der schweizerischen Armee. Dieser Wettstreit schweize- rischer und österreichischer Pioniere auf„neutralem Boden" um kostbare Menschenleben und um wertvolles Gut ist sicherlich die freundlichste Seite der ganzen, so unheilvollen Katastrophe, die augenblicklich die Alpenländer in Atem hält. Dieses Liechtensteiner Ländchen mit seinen würdevollen, etwas verzopften Bauern, mit seinen breithüftigen und braunen Frauen ist nämlich immer noch ein oollsouveräner Staat und bildet trotz Weltkrieg und Zusammenbruch der Mittelmächte auf der europäischen Karte seinen blauen, bzw. roten Klecks! Vor dem schwäbisch- bayerischen Hochland und der Bodenseegegend baut es sich seit Jahr- Hunderten auf wie ein gigantischer Torturm, der mit dem drei- buckeligen..Dreischwesternberg" und den nach dem Rhein und der Jll herunterfallenden Schanzen den Aufstieg nach dem St. Gotthard und den Durchmarsch zum Mittelmeer verwehrt. Dieser Bergblock glüht, vom Bodensee aus betrachtet, in allen Farben, je nachdem ihn jener unbekannte Filmregisseur für seine höheren Zwecke„belichten" läßt— mal tiesblau, wenn der warme Föhn aus dem Süden über den Gotthard bläst— mal hellgrün, wenn der Oftwind von Bayern aus das Schlechtwetter zusammen- kehrt— mal kohlschwarz, wenn ein Unwetter über den See rast und weiße Kämme aus dem gischtenden Wasser schmeißt. Um diesen„Dreischwcsternberg" herum reckt sich nun breit und behäbig das Liechtensteiner Land. An den Bergen kleben einige recht hübsche aber ziemlich bescheidene Hotels und Sanatorien. zwischen den zerrissenen Hängen ducken sich die niederen Heustadel und Almen und unten im Grund im Tiefland pflanzt sich behäbig und selbstbewußt der Liechtensteiner Bauer seinen Hof in den fetten Ackergrund hinein. Die Liechtensteiner Bauern sind keine Stürmer und Dränger, keine wellpolitisch erfaßten Zeitgenossen wie ihre alemannischen Kollegen drüben in Luzern , Bern und Genf . Sie ackern und säen und ernten mst ihren harten Köpfen und breiten Nacken, ohne sich den Teufel um die Händel der Welt zu scheren, sprechen Recht über primitivste Bauernkonflikte, halten auf„Ruhe und Ordnung" mit ihren fünf Landgendarmen, schlafen behäbig mit ihren massigen Frauen, zeugen Kinder, vermehren ihr Lieh und ihr« Hof und
trinken ihren Vaduzer Wein— unbeschwert von komplizierteren europäischen Problemen, als die zwischen Mittelalter und Neuzeit politisch eingeschlafenen Ackerbürger einer Bauernsiedlung, die man in dem versteckten Winkel zwischen Oesterreich und der Schweiz ein- fach vergessen hat! Elftousend Menschen leben so, ganz für sich allein, um den Dreischwesternberg herum und erkennen als ihr geistiges Oberhaupt, als den größten Bauern und souveränen Bürgermeister ihren Fürsten an, der alle Jahre im Sommer drei bis vier Wochen in Vaduz , dem größten Dorf des Landes, residiert. Der schlägt dort „seinen Hof" auf in dem Schloß, das wie ganz Liechtenstein nach Apfelmost, Wein und Käse riecht und„regiert" zwei Wochen mit dem dreiköpfigen„Rat" und dem sünfzehnköpfigen Parlament— ein 87jähriger, gutmütiger, aber reichlich verfallener Greis, gegen den unser Hindenburg noch ein junger Springer ist. Ist die Sitzung aus, dann schreitet der aufgelöste„Reichstag" zum Dämmerschoppen durchs Dorf und grüßt die„hauptstädtische" Bevölkerung, die eben das Vieh eintreibt mit einem freundlichen: „S' Goood!" und„Grüßßi— o!" Jeder, der einmal ein paar Wochen in dem freundlichen Land- chen zu Haufe war, denkt gern daran und wünscht, daß es sich recht bald von dem Wettersturz erholt. Jeder lächelt ein bissel, wenn er an das Liechtensteiner Ländchen denkt— an Vaduz mit seinem gelbroten Wein und an den„Dreischwesternberg". An die„drei Schwestern" am Berg! Warum soll man sich nicht drei mollige, erdentwachsene Liechtensteiner Schwestern da oben vorstellen können, mit breiten Hüften und schweren Brüsten, drei Mädels, die sich da eng hintereinander mit ihren warmen Polstern auf den Berggrat setzen! Drei Schwestern als Sinnbild eines Berges und einer großen souveränen Bauerngemeinde, das zeugt doch von Humor und Witz! Wie sie meckern da oben vor Vergnügen, wenn das Rheinwasser anstatt durch sein Bett, durch Ruggelb braust und den österreichischen Pionieren die Pontons wegreißt, daß ihnen das Maul heut noch vor Schreck offen steht!
Tagung öes deutschen VerkbunÜes. Die vom 27. bis 29. September in Mannheim abgehallene Tagung des Deutschen Werkbundes wies eine große Anzahl von staatlichen und Behördenvertretern, sowie eine reiche Entsendung von Einzelpersönlichkeiten aus allen wirtschaftlichen und künstlerischen Kreisen auf. Am Mittwoch fand die Mitgliederversammlung statt, die außer den üblichen geschäftlichen Punkten«ine besonder« Bedeutung hatte durch die Beschlußfassung über die Ausstellungspläne des Deutschen Werkbundes . Danach soll im Jahre 1932 am Rhein , mit dem Mittel- punkt in Köln , eine große Ausstellung„Die neue Zeit" ge- schaffen werden, die durch Teilausstellungen in anderen rheinischen Gebieten erweitert wird. Außerdem wird eine ideelle Verbindung mit Ausstellungsplänen der Stadt Frankfurt a. M., die anläßlich des 100, Todestages Goethes verwirklicht werden sollen, augestrebt.
Es wurde beschlossen, sich an der Berliner Ausstellung des Ver- eins Bauausstellung 1930 nicht offiziell, sondern durch einige ab- geschlossene Gruppen zu beteiligen. Die der Versammlung vorgelegten Anträge berührten die im Werkbund vorhandenen Gegensätze zwischen den Bestrebungen nach der reinen Kunstform und der nach der schönen Zweckform. Die Stuttgarter Ausstellung„Die Wohnung" wurde als ein gewagtes Experiment, das nicht zu den Ideen des Werkbundes gehöre, bezeich- net. Die Aussprache über diesen Gegenstand, die sehr sachlich geführt wurde, ergab die Annahme einer Resolution auf die Eingabe Stutt- garter Möbelfabrikanten, daß der Werkbund keine Kursänderung vorgenommen habe und daß unter den Aufgaben der gestaltenden Arbeit die des Bauens und der Wohnung die wichtigsten seien. Die öffentliche Versammlung am Dienstag behandelte das Thema„Handwerk und Werkbund". Der Generalsekretäl des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages Dr. Meufch- Hannover hielt ein Referat über die Wünsche des Handwerks an den Werkbund. Es war eine prinzipielle Fixierung der Lage des Hand- werks in dem augenblicklichen Stand unserer wirtschaftlichen Ent- Wicklung. Der Vertreter erklärte seine Bereitschaft zur Mitarbeit im Werkbund, wenn dieser die Cntwicklungsbedingungen des Handwerks berücksichtige. Das Korreferat durch Museumsdirektor Dr. R i e z- l e r ging im Prinzip auf die Wünsche des Handwerkervertreters ein, wenn er sich auch in bestimmten Einzelheiten mit den Forderungen des Handwerks nicht einverstanden erklären konnte. In der Aus- spräche gab Prof. G r o p i u s eine interessante Definition des Be- griffes Handwerk, während Dr. Meusch noch einmal auf die Möglich- keit und Notwendigkeit der praktischen Gemeinschaftsarbeit zwischen Handwerk und Werkbund hinwies. Der Vorsitzende der Tagung und des Werkbundes, Dr. Bruck- mann, konnte schließlich mit Genugtuung als Ergebnis der Be- ratungen die Aufzeigung von Grundlagen feststellen, auf denen schon im nächsten Jahre gemeinsam zusammengearbeitet werden könnte. In der Hoffnung, daß Werkbund und Handwerk in dieser Zusammen- arbeit sich gegenseitig befruchten, schloß der Vorsitzende die Tagung. Die Stadt Mannheim wurde dem Ereignis durch weitgehende gesellschaftliche Veranstaltungen, die die Teilnemher in das Mann- heimer und Schwetzinger Schloß führten, gerecht.
Unser neuer Roman. Wir beginnen in der heutigen Nummer mit dem Abdruck eines Romans, der die Zustände in Rußland von 1918 bis 1922 schildert. Er stammt von einem jungen Schriftsteller, der wie Gorki unmittelbar aus dem Volke hervorgegangen ist und seine Jugend in der Unruhe, dem Elend und der Not des typischen russischen Proletariats verbracht hat. Er hat In einer kurzen Dar- stellung sein Leben selber geschildert(stehe die heutige Nummer von „Unterhallung und Wissen"). Der Roman ist von einem Anhänger und Parteigänger Sowjetruhlands geschrieben, aber da er nicht nur «in Kenner der Ding« und Menschen, sondern auch ein Dichter ist, so gibt er hier ein allseitiges Bild des Lebens, er führt uns mitten in die Kämpfe mit der Gegenrevolution, er zeigt uns die gewaltige Umschichtung, die in der' Seele des Russen, vor allem auch der russischen Frau eingetreten ist, jährt den ungeheuren Verfall vor