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Sir. 466 44. Jahrgang

Ausgabe A fr. 237

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Telegramm- Adreffe: Sozialbemotrat Berlin

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Vorwärts

Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Sonntag, den 2. Oftober 1927

Die Straßenbahner für Streik.

Streifbeginn wird von der Organisation festgesetzt.

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Boftichedkonto: Berlin 87 536 Banktonto: Bant der Arbeiter, Angeftelten und Beamten, Ballftr. 65: Distonto- Gefelichaft, Devoktentafe Sindenfte. 3.

Das Fest der Andern.

Hindenburg und die Zukunft der Republik .

Ein Wort hätte genügt, den Sput zu bannen: Ich bin Präsident der Republik und wünsche nur mit den Farben der Republik geehrt zu werden." Dieses Wort ist andermärts mit Schwarzweißrot gegen Schwarzrotgold aufgetrumpft. Die Regierung wie fonnte sie auch!- hat nichts getan, um zu verhindern, daß der Geburtstag des Präsidenten der Republit gewiffermaßen als monarchistische Familienfeier begangen wird. So als eine Art Kaisergeburts tagsfeiererfag.

Ueber den am Donnerstag gefällten Schiedsspruch, dessen| nehmen können. Die Erklärungsfrist läuft Montag früh nicht gesprochen worden. Darum wird heute in Berlin und Inhalt wir im wesentlichen bereits mitgeteilt haben, beteilig- 10 Uhr ab. ten sich von 13 030 Beschäftigten 12 141. Davon haben 11 319 für Ablehnung des Schiedsspruches, also für Streit und 822 für seine Annahme geftimmt. Der Abstimmung ferngeblieben find 889, die fast alle Urlauber und Krante find. Diese Abstimmung zeigt, daß die Erbitterung unter den Straßenbahnern feit der ersten Urabftimmung

noch gestiegen ist.

Zu diesem Abstimmungsergebnis nahmen gestern abend die Funktionäre der Straßenbahner in einer überfüllten Bersammlung im Gewerkschaftshaus Stellung, der Sektionsleiter des Verkehrsbundes, Genosse Hitler , gab in der Versammlung nochmals den Standpunkt der Organisationen bekannt, die entsprechend den gesehlichen Be­ftimmungen darauf bestehen müssen, daß der Streit nicht ihon am Sonntag früh aufgenommen wird, sondern erst nach dem Ablauf der Erklärungsfrist, da­mit die Organisationen die Führung in diefem Kampf über­

Infolge der gespannten Situation war die Diskuffion in der Bersammlung zwar manchmal stürmisch, aber dennoch durchaus fachlich. Es wurden alle Momente ernft abgewogen. Im Mittelpunkt der Debatte stand natürlich die Frage des Streitbeginns. Die Funktionäre, die für den Streif­beginn am Sonntag früh eintraten, taten dies lediglich wegen der Befürchtung, daß kurz nach dem Ablauf der Erklärungs­friff der Schiedsspruch für verbindlich erklärt würde und den Straßenbahnern und der Organisation dann die Hände gebunden seien. Der andere Teil der Funktionäre war der Auffaffung, daß der Ablauf der Erklärungsfrist erft abgewartet werden müsse, um die Organisationen nicht von der Führung der Bewegung auszufchalten. Nach einer bis fast um Mitternacht anhaltenden Debatte wurde mit knapper Mehrheit beschlossen, den Streif nicht am Sonntag früh beginnen zu laffen, sondern die weiteren An­weisungen der Organisationen abzuwarten.

Monarchistische Provokation.

Westarp stempelt Hindenburg zum Wegbereiter der Monarchie. Der Führer der stärksten Regierungspartei des Reiches, Graf Bestarp, hat die offizielle Geburtstagsfeier für den Präsidenten der Republik in Hannover bemußt, um in einer Propagandarede für die Monarchie die Kaisertreue des Präsidenten der Republik zu betonen.

Graf Westarp führte bei der Hindenburg - Feier in der Stadthalle zu Hannover unter anderem aus: ,, Wir laffen das Gedächtnis des triegerischen Ruhmes nicht erfalten, den unser Volt sich wieder und wieder zur Ver­teidigung seines Daseins, seiner Freiheit und seiner Ehre erworben hat. Untrennbar verknüpft mit der Geschichte des Heldentums der Völker ist die Geschichte der Kriegskunst und Kriegsführung. In ihr bildet ein klassisches Kapitel das, was Preußens Könige und Feldherren, was der töniglich- preußische Generalstab, von dem Großen Kurfürsten über Friedrich Wilhelm I. zu Friedrich dem Großen und seinen Generälen, von Blücher und Gneisenau über Clausewitz und Bonen zu Wilhelm I. , Moltte und Roon, über Graf Schlieffen zu Hindenburg und Ludendorff, geleistet haben.

Gewissenhafter als der in preußischer Zucht und Ordnung groß gewordene jezige Herr Reichspräsident kann niemand sich an die gefeßlichen Grenzen seiner Stellung halten, gewissenhafter aber auch niemand die so umschriebenen Pflichten erfüllen. Betannt ist, daß beispielsweise im Winter 1926/27 der unerschütterliche Widerstand des Herrn Reichspräsidenten gegen die Politi sierung der Reichswehr den entscheideden Einfluß auf die Verhandlungen über die Regierungsbildung ausübte.

Am schwersten wird ihm die Entscheidung gefallen sein, ob er um feines Gewiffens und seiner geschichtlichen Verantwortung willen den Eid auf die Verfassung leisten und an ihn gebunden die Führung der Regierung übernehmen könne. In seiner Lebens­beschreibung hatte er der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß die gegenwärtige Sturmflut wilder politischer Leidenschaften und tönender Redensarten sich wieder verlaufen werde. Dann wird aus dem ewig bewegten Meer völkischen Lebens jener Felsen wieder auftauchen, an dem sich einst die Hoffnung unserer Bäter geklam­mert hat und auf den vor fast einem halben Jahrhundert burch unsere Kraft des Baterlandes Zukunft vertrauensvoll gegründet wurde: Das deutsche Raisertum!

Der felsenfeste Charakter dieses Mannes liegt so offentndig vor alier Augen, daß niemand glauben wird, ein Hindenburg habe diese Hoffnung um die Gesinmung, auf der sie beruhte, preisgegeben. Es war vielleicht das schwerste Opfer, das er seinem Vaterlande ge­bracht hat, diesem in feiner jebigen Staatsform feinen Dienst zur Verfügung zu stellen.

Richtig ist, daß Hindenburgs, dem deutschen Reich trotz aller Staatsumwälzungen gehaltene Treue Reich und Staat start ge­festigt haben. Sie trug schon im Revolutionswinter reiche Früchte. Gleiche Berdienste um bie Erhaltung und Kräftigung von Reich und Staat weisen die zweleinhalb Jahre der Präsidentschaft auf. Wir wären die legten, sie zu verfennen: ihren Inhalt und ihre Größe wird erst die Geschichte ganz würdigen.

Aber je größer der Dant ist, den die Schwere des hierfür ge­

brachten Opfers erfordert, um so weniger ift es berechtigt, bei der Befundung dieses Dantes den Unterschied der Begriffe von Republik und Reich, von jetziger Staatsform und dem Staat als folchen zu vermischen, und wir, die wir Hindenburgs Vorbild folgend, unseren Dienst in unbedingter Hin­gabe an das Baterland fun, entnehmen daraus das fiffliche Recht, an unferm, durch die geschichtliche Ueberlieferung uns geheiligten Ideale der Staatsform festzuhalten und seiner Verwirklichung vor­3uarbeiten. Auch feinem Zukunftsideal bereitet der Monarchist allein dadurch den Weg, daß er gleich sinden burg dem Vaterland unbedingt und in jeder Lage dient. Darüber, ob die republikanische parlamentarische Staatsform die rechte ist und fich bewähren wird, gehen die Meinungen auseinander und wird die Zukunft entscheiden.

Der deutschnationale Führer hat in dieser Rede dem Bräsidenten der Republik eine Rolle und eine Gesinnung unterstellt, die unvereinbar ist mit dem Amt und mit dem Eid, der mit diesem Amt verknüpft ist. Er hat ihn den Monarchisten als Vorbild gezeigt für die Politik, die die Deutschnationalen als Regierungspartei betreiben: in der Republik und ihrer Regierung die Wiederaufrichtung der Monarchie vorzubereiten.

Diese Rede, eine Provokation aller Republikaner , geht die Regierung in ihrer Gesamtheit an. Sie muß erflären, ob sie damit einverstanden ist, daß der Führer der stärksten Regierungspartei dem Präsidenten der Republik den Stempel des Wegbereiters der Monarchie aufdrückt.

Das Schicksal der Preußenanleihe.

Noch keine Klärung.

Klärung erfahren. Das Merkwürdige ist, daß es jetzt feiner Die Frage der Preußenanleihe hat immer noch feine gewesen sein, will, der bei dem Abschluß dieser Anleihe Schwie­rigkeiten gemacht habe. So erklärt jezt auch der Reichsbank­präsident Dr. Schacht mit aller Entschiedenheit, daß er in schiedenen Pressemeldungen teine Angriffe gegen die Finanz­der Besprechung beim Reichsfinanzminister entgegen ver­politik der Länder und Gemeinden gerichtet habe. Die Reichs bank enthalte(!) sich durchaus einer solchen Kritik im einzel­nen, weise aber auf die allgemeinen Schwierig teiten hin, die durch zu hohe Auslandsverschuldung ent­ftehen müßten. Die Beflissenheit, mit der die verschiedenen beteiligten amtlichen Stellen ihre Unschuld an den so plöglich aufgetretenen Abschlußschwierigkeiten nachweisen wollen, fann nicht darüber hinwegtäuschen, daß nach übereinstimmen den amerikanischen Meldungen die Hemmungen zum Anleihe abschluß von Berlin ausgingen. Die betannte Be weisführung, daß die Breußenanleihe nicht produttiv fei, muß geradezu grotest erscheinen angesichts der Tatsache, daß seinerzeit die banerische Kirchenanleihe, die doch sicherlich nicht produktiven 3meden diente, von der Be ratungsstelle anftandslos genehmigt wurde.

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ist nun seit zweieinhalb Jahren Reichspräsident. Man darf Der taiserliche Generalfeldmarschall v. Hindenburg feststellen, daß er in dieser Zeit, abgesehen von kommunisti­chimpft worden ist. Nur eine Organisation hat es für schen Unerheblichkeiten, nur von den Bölfischen be= notwendig gehalten, ein ausdrückliches Berbot gegen die Be­teiligung an der Feier dieses 80. Geburtstags ergehen zu laffen: Das war Ludendorffs Tannenbergbund". Hindenburg und Ludendorff!

anderen Luft, uns in die Gesellschaft Ludendorffs oder Thäle Wir haben am heutigen Tage ebenjomenig wie an manns zu begeben. Ebensowenig aber in die Gesellschaft derjenigen, die mit der Person des Achtzigjährigen Gözen dienst treiben. Man tut Herrn v. Hindenburg , auf längere Sicht gesehen, feinen Gefallen, wenn man ihn neben Caesar, Napoleon und Bismard stellt. Die erstaunliche Laufbahn, die der bis dahin gänzlich unbekannte 67jährige General im Ruhe­ftande von 1914 bis 1925 zurückgelegt hat, ist feineswegs dar­auf zurückzuführen, daß er die Eigenschaften eines Säkular­menschen beseffen hätte. Immerhin Hindenburg und Ludendorff! wenn man sich erinnert, daß der eine bei der Reichspräsidentenwahl vom Frühjahr 1925 fast fünfzehn Millionen Stimmen erhalten hat, der andere nicht viel mehr als den dreißigsten Teil davon, so gibt das zu denken. Es zeigt, daß das deutsche Volt auch in seinen politisch meni­ger erleuchteten Schichten Unterschiede des Charafters zu würdigen weiß.

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Im übrigen ist die Republik so gefund, daß ihr auch die Art, wie der 80. Geburtstag ihres Präsidenten gefeiert wird, nicht schaden wird. Es ist doch ein heulender Widerspruch in sich, daß die Monarchisten so überschwänglich einen Mann feiern, der nach der demokratischen Weimarer Berfas­fun g, durch Volkswahl an die Spitze des Reiches gelangt ist. Angenommen, Hindenburg wäre wirklich der außerordentliche Mann, als den sie ihn feiern wäre dann die Richtigkeit des republikanisch- demokratischen Prin nicht gerade die Wahl dieses Mannes der beste Beweis für zips? Allerdings darf man sich von diesem Argument, das logisch durchschlagend ist, keine durchschlagende Wirkung auf die Monarchisten versprechen, weil eben Monarchismus das Gegenteil von Logit ist.

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Tatsache, daß der Generalfeldmarschall des Kaisers Präsident Aus der monarchistischen Unlogif entspringt ja auch die der Republik werden konnte. Aus ihr entspringt ebenso die Enttäuschung der monarchistischen Kreise darüber, daß diese Wahl feineswegs zu einer Erschütterung der Republik führte die sie mit ihr erstrebt hatten wie das Unbehagen, mit dem die republikanische Bevölkerung dieser eigenartigen Reichspräsidenten- Geburtstagsfeier unter den Fahnen der Monarchie gegenübersteht.

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Das Wahlergebnis vom 26. April 1925 hat die Republik nicht erschüttert, mohl aber hat es die Kräfte der äußersten Realtion innerhalb der Republik erheblich gestärkt. Die burtstagsaufmarsch wie am Spieß, sie vergessen dabei ge­Kommunisten schreien heute über den schwarzweißroten Ge­fliffentlich, wieso er möglich geworden ist.

Die Sozialdemokratie hatte zum ersten Wahlgang am 29. März den preußischen Ministerpräsidenten Otto Bra un 7,8 millionen Stimmen gegen 10,4 millionen, die auf den präsentiert. Er erhielt aber nur die fozialdemokratischen Kandidaten der Rechtsparteien, den Volksparteiler Jarres entfielen. Marg befam die 3,9 Millionen Stimmen der 3entrumswähler, Thälmann die 1,9 der Kommunisten, Hellpach , der Demokrat, Held, der Bayer, erhielten 1,5 und eine Million Stimmen. Ludendorff blieb mit einer Viertelmillion letter.

Hindenburg , der Kandidat Loebells und des Bürger­Im zweiten Wahlgang trat an die Stelle von Jarres rats. Die Sozialdemotratie tat alles, um feinen Sieg zu verhindern. Darum entschied fie fich in finngemäßer Anwendung des bei den früheren Reichs­tagswahlen bewährten Prinzips des fleineren Uebels" für Marg. Sie verzichtete auf eine eigene Randidatur im zmeiten Wahlgang, nicht weil sie etwa bei Herrn Mary be fondere Borzüge vermutete, sondern eben nur, weil sie nicht