deutschnationale Werbearbeit. Im Zeiche» Hindenburgs und im Geiste Ahlwardts. Graf W e st a r p hatte, nach«inem Bericht des»Berliner Tageblattes'", in einer deutschnationalen Fiihrertonferenz an- gekündigt, daß die Partei Hindenburgs Geburtstag zur Mitgliederwerbung benutzen werde. Parteiamtlich versuchte man diese Aeußerung zu bestreiten, obwohl der Gewährsmann des demokratischen Blattes versichern konnte, er habe sie mit eigenen Ohren gehört. Inzwischen ist der Ankündigung die Tat gefolgt. Seit Sonntag werden in Charlottenburg und sicher auch anderwärts Flugblätter verbreitet, in denen man liest: hinein in die Deutschnationale Bolkspartei, die unseren Hlndenburg aus den Schild erhob und in Zähigkeit und Treue mit dem Valer de» Vaterlandes am Wiederaufbau arbeitet! Wie diese Wiederaufbauarbeit»mit dem Vater de? Vater- landcs" betrieben wird, zeigt der übrige Inhalt des Flugblatts. Es beginnt mit dieser blendenden Entdeckung: Wir leben im Zeitalter der Zahl! Unter dem neudeutschen Parlamentarismus von heute geht Macht vor Recht. Das ist ein unzweideutiger Angriff auf den Grundgedanken der Verfassung, auf die politische Gleichberechtigung aller Staats- l'ürger. Man sehnt sich nach der Zeit, wo das Dreiklassenwahl- recht herrschte und auf Kasernen, und Schulhöfen nach Herzenslust geprügelt wurde. Das ist das»Recht", das sie wieder haben möchten! Weil der Oberbürgermeister D ö tz Lotale meidet, die sich weigern, die Reichsflagge zu zeigen, wird er als»Vorkämpfer der Gesinnungsknechtung" bezeichnet, es wird Freude darüber aus- gesprochen, daß sich»der gesunde Sinn unserer Bevölkerung gegen alle Mußbsflaggungen wehrt". Den übrigen Inhalt bilden dl« üblichen Lügen gegen die Sozialdemokratie im Reichsverbondsstil und abgestandene antisemitische Witzeleien über.„Libanontiroler" und dergleichen. Dies alles»in Zähigkeit und Treue mit dem Dater des Vater- landes, unserem hindenburg". Beigegeben sind diesem Produkt Handzettel, in denen zu deutschnationalen Versammlungen«ingeladen wird. Redner sind sämtliche deutscknationale Reichsminister: Hergt, Keudell, Schiele und Koch. Unser Kampf gegen üen Sürgerblock. Eine Kundgebung in Berlin -Wcdding. Zu gestern 19,30 Uhr hatte die 21. Abteilung draußen im Wedding zu einer Kundgebung gegen den Bürgerblock in die Pharussäle gerufen, die schon vor Beginn der Veranstaltung überfüllt war. Di« 21. Abteilung hatte für den Abend ein wohl- redigiertes„Kampfblatt gegen den Bürgerblock" herausgegeben, das sich ,.A l a r m" nennt und mit Beiträgen der Genossin Klara B o h m- S ch u ch, Bürgermeister Leid und Paul G u r s t y versehen ist. Eine Rede de» Gen. Hans Vogel , die an der Polltik des Bürgerblocks schärfste Kritik übte und zu leidenschaftlichem Kampf für die Sache der Sozialdemokratie auffordert«, wurde mit stürmi- fcho■ Beifall ausgenommen. Mit einem hoch aus die Sozialdemokratie endete die wohl- gelungene Kundgebung.
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Die Beratung öes Strafrechts. Ein unbrauchbarer kommunistischer Antrag.
Der Strofgefetzausschuß des Reichstages beschäftigte sich gestern noch mit 8 23 des Regierungoentwurfs, nach welchem eine sirafbare Handlung nicht vorliegt, wenn das öffentliche oder bürger- liche Recht die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließt. Zu diesem Paragraph beantragten die Kommunisten auszusprechen: Nicht rechts- widrig handeln die berufenen Vertreter der Belegschaften von Be> trieben, der Gewerkschaften oder gleichartiger Berufsverbände, die in Alisübung ihres Auftrages die"Interessen der Vertretenen wahr- nehmen. Genosse Landsberg wies nach, daß auch die sozialdemo- kratische Fraktion bereit sei, die gesetzlichen Schranken, die der Aus- Übung der Grundrechte entgegenstehen, zu erweitern, diese Absicht tonne aber nur bei einzelnen Paragraphen des besonderen Teils des Strafgesetzbuches verwirklicht werden, vor allem bei den p o l i- tischen Delikten. Der jetzige kommunistische Antrag sei nicht durchdacht, er würde alle Vertreter der Gewerkschaften prioilegieren. Es sei doch aber nicht anzunehmen, daß die Kommunisten auch die christlichen und gelben Gewerkschaftler straffrei machen wollten. Wenn etwa eine gelbe Gewerkschaft den Zutritt sozialdemokratischer Ar- beiter zu ihren Versammlungen durch jedes Mittel, auch durch Körperverletzung verhindern wollten, so würde der Leiter emer der- artigen Gewerkschaft, der auf die Fassung und Ausführung eines solchen Beschlusses hingewirkt hatte, straflos fein. Genosse S a e n g e r schloß sich dieser Kritik an, Indem er daraus hinwies, daß der kommunistische Antrag geradezu auf eine Privilegierung von Mord und Totschlag hinauslaufe. Solch Privileg würde auch im russischen Strafgesetz- büch keinem Vertreter der Gewerkschaften gegeben. Bei den Bestim» mungen über die Wahrnehmung berechtigter Interessen und über den Schutz der Arbeitskraft würde auch die Sozialdemokratische Partei Schutzbestimmungen vorschlagen, wie sie den Kommunisten vor- schwebten, aber nicht in vernünftiger Weile vorgeschlagen wären. Bei der Abstimmung wurde Z 23 nach Ablehnung des tommu- nistischen Antrages angenommen und die Weiterberatung über Not- wehr und Notstand auf morgen oertagt. Kein Nittelmeerbünöm's. Ehamberlain erzählt Briand von Primos Wünschen. pari,. S. Oktober.(Eigenbericht.) Der Besprechung, die Chamberlain und Briand am Eonnabend bei einem Frühstück im Auswärtigen Amt haben werden, sieht man in politischen Kreisen mit viel Interesse entgegen. Die Blätter unterstreichen, daß der Begegnung keinerlei größere politische Bedeutung beizumessen sei. Chamberlain werde sich mit Briand nicht über die allgemeine polltische Lage, sondern nur über seine Begegnung mit Primo de Rivers unterhallen. Diese Besprechung Hobe nicht den umfassenden Charakter gehabt, den man in Frankreich befürchtete. Es fei keine Allianz Im Mittelmeer mit einer Spitze gegen Frankreich vereinbart worden. Chamberlain habe vor ollen Dingen versucht, Primo de Rivera zum Wiedereintritt Spaniens in den Völkerbund zu veranlassen. Der sogenannte lateinische Block in Genf sei gesprengt und die Totsache, daß Engländer und Franzosen zusammen nicht in der Lage waren, das Derbleiben Belgiens im Dölterbundsrat zu erreichen, beweise, wie stark die südamerikanischen Staaten in Genf seien. Chamberlain sei deshalb der Ansicht, man müsse Spanien veranlassen, wieder in den Völkerbund einzutreten und die französisch- englische Politik zu unterstützen. Primo de Rivera habe auf dieses Ansinnen mit neuen Forderungen in der Tanger - Frage geairtwonet.
Labsur Partys Hergbauprogramm. Der Nationalisierungsplan einer künftigen Arbeiterregierung.
London , S. Oktober.(Eigenbricht.) Im Mittelpunkt des drstten VerhanMungstages de- Kongresses der Arbeiterpartei in Blackpool stand die Er- örterung der krisenhaften Lage des britischen Bergbaues. Ramsay Macdonald legte der Konferenz hierzu eine Entschließung vor, deren Forderungen bemerkenswerterweise von der Exekutwe der Arbeiterpartei in Gemeinschaft mit den Vertretern des Bergarbeiter- Verbandes ausgearbeitet worden waren. Die Entschließung betont einleitend, daß die gegenwärtigen katastrophalen Berhältnisse im Bergbau auf die Kapitulation der konservativen Regierung vor den Bergbauunternehmern und den Mangel an einer konsttuk- tioen Politik zurückzuführen sei. Es wird dann die Forderung nach Nationalisierung des Bergbaues wiederholt und«ine Reorganisation der Verkeilung und des Absahes der britischen Kohl« gefordert. Als unmittelbare Forderungen nennt die Entschließung u. a.: Wiederabschaffung des Zlchtstundengesetzes im Bergbau, Regulierung der Arbsitsziffer durch Erhöhungdes schulpflichtigen Alters, Einstellung der Werbung von Arbeitern für den Bergbau unter der erwachsenen Arbeiterschaft anderer Industrien, Verpflanzung arbeitsloser Bergarbeiier noch Bergbaugebieten, in denen Nachfrage nach Arbeitskräften herrscht, zwangsweise Zusammenlegung von Bergwerken. Errichtung von Verkaufszentralen für jedes Kohlenfeld durch den Staat oder eine öffentlich-rechtliche gemeinnützige Körper- fchaft usw. Macdonald gab zur Begründung der Resolution eingangs das feierliche Versprechen ab, daß eine zukünftige Arbeiterregierung die Nationalisierung des Bergbaues vornehmen werde, in der Zwischenzett könne jedoch die Arbeiterbewegung nicht die chand in den Schoß legen und zusehen, wie die Bergbauindustri« vor die chunde geh«. Der britische Bergbau sei da» anschaulichste Beispiel für die llnfähigkeil der privatkapilalistischen Wirkschafi: sie sei jetzt organisiert, und in einer Art und Weise, welche das Leben der hier beschäftigten Arbeiter gefährdet. Macdonald wandte sich hierauf den Delegierten des Bergarbeiterverbande« im Saal« zu und rief ihnen zu, daß ihr Kampf im Bergbau noch keines- wegs beendet fei. Die ganze Partei stehe Schulter an Schulter zu den Bergarbeitern. Sie hätten vielleicht zwar Schlachten im Kampfe mit den Unternehmern verloren, aber sie würden den Krieg um den britischen Bergbau nicht verlieren Die Arbeiter- parte! werde alles tun, um Mittel und Wege zu finden, um den Bergarbeitern zu helfen.(Stürmischer Beifall.)
Anschließend drückt« der Vorsitzende des Bergarbeiterverbandes. cherbert Smith, seine Befriedigung darüber aus, daß Mac» donald jedes Mißverständnis hinsichtlich der Nationalisierung des Bergbaues in einer kommenden Arbeiterregierung ausgeschlossen hätte. Smith malle hierauf ein überaus dü st eres Bild der gegenwärtigen Lag« im britischen Bergbau. Seine Red« klang in der Feststellung aus, daß die Bergarbeiter in der nächsten Zukunft ihre Hoffnungen wemger auf gewerkschaftliche Aktionen als auf Hisse durch politische Betätigung der Arbeiterpartei setzen könne Nach einer längeren Diskussion, in der eine gewiss«, jedoch äußerst zurück» haltende Kritik an der Resolution geübt wurde, wurde die Resolution Macdonalds einst immig angenommen. Die Konferenz wandte sich hierauf Erziehungsfragen zu. Es wurde eine Entschließung angenommen, welche die reaktionäre Erziehungspolitik der Regierung Boldwin verdammt und sich zum Prinzip der Einheitsschule bekennt. Die Resolution fordert u. a. freie Schulmahlzeiten für bedürftige Kinder und freie schulärztliche Behandlung. Die Nachmittagssitzung stand im Zeichen der Erörterung der Probleme der Arbeitslosigkeit. Die Konserenz nahm zunächst eine von Clynes eingebracht« Resolution an, welche die Errichtung eines Landesarbeitsamts, Erhöhung des schul- Pflichtigen Alters, Erhöhung der Altersrente sowie die Schaffung besonderer Schulungseinrichtungen für landwirtschaftliche Siedler fordert. Nachdem die Konferenz hierauf gegen die reaktionäre Klausel des neuen Gesetzentwurfes der Regierung über Arbeitslosenversicherung protestiert und ein« Reorganisation der gegenwärtigen veralteten und unwürdigen Armengesetzgebung ange- nommen hatte, kam es zu einer erregten Aussprache, als die Frage der sogenannten Geburtenkontrolle diskutiert wurde. In der folgenden Aussprache warnten ver. schieden« Redner davor, sich als Partei in irgendeiner Weise mit der Forderung nach einer Propaganda der Geburtenkontrolle zu identi- sizieren, da dies insbesondere für das Wachstum der Partei unter der römisch-katholischen Arbeiterschaft abtrünnig sei. Brailsford betonte, daß in dieser Forderung nichts gelegen sei, was das Gewissen irgendeines Arbeiters verletzen könne. Die Forderung nach einer Ermächtigung der Kassenärzte, über die Mittel der Geburtenverhinderung Auskunst zu geben, könne lediglich dazu dienen, eine Schrank« zwischen Reich und Arm niederzulegen.
Die Ja-Sager. Lehren des Falles Buttler. Der Prozeß gegen den Kaufmann Mitrelstädt, der den trunk- süchtigen Molkereibesitzer Buttler als Schöffe vertrat(vgl. den Be- richt im gestrigen Abendblatt ), verdient ein grundsätzliches Nochwort, weil er für die Mangelhaftigkeit unseres heutigen Schöfsenauswohl- systems typisch und kennzeichnend ist. Fast ohne jede Per- sonenkenntnis werden die Laienrichter einer Iiste entnonimen, wobei der kleine Mittelstand sich besonderer Beliebtheit erfreut. Denn auf der einen Celle will man nicht gar zu ojsensichtlich die Kapitalisten- klaffe durch einseitige Auewahl von Fabrikanten, Großkaufleuten usw. bevorzugen, auf der anderen Seite aber scheut man immer noch davor zurück, wirkliche Proletarier— Arbeiter und Ange- stellte— sn der ihrem Bsvölkerungsteil entsprechenden Anzahl heranzuziehen. Denn dann würden ja—- schrecklicher Gedanke!— in den Großstädten die Schöffengerichte und Geschworenenbänke überwiegend mit Arbeitern besetzt sein. So hält man sich denn mit Vorliebe an den Mittelstand, nimmt Handwerksmeister, kleine Ladcirbesitzer usw. und kommt sich dabei wer weiß wie demokratisch vor, weil es doch„kleine Leute" seien, die den überwiegenden Teil der Laienrichter ausmachen. In Wirk- lichkeit erhält man auf diese Weise ein Richtermoterial, dessen „Geistigkeit"— von rühmenswerten Ausnahmen abgesehen— seine Widerspiegelung in dem Krühwinkelwm der Ladendorfsschtn Wirtschaftspartei findet: Leute von engem Gesichtskreis» die — jedem öffentlichen Interesse fremd— vor eigenen Geschäftssorgen noch nie über das Allgemeinwohl, geschwelge denn über Fragen des Rechts nachgedacht haben. Der schöne Trost, den der gewesene Schöffe, Gqstwirt Maschke(nicht Kuschk«, wie es im gestrigen Abendblatt irrtümlich hieß), Im Falle Buttler dem zaghasten Ersatzmann mit» gab:„du brauchst ja nur zu allem Ja und Amen zu sagen"— er ist durchaus typisch für das Denken gewiß nicht aller, aber vieler Leute dieser Kreise. Sie übernehmen das Ehrenamt des Richters ohne inneres Interesse, ohne auch nur einen Begriff von seinem idealen Charakter und seiner Verantwortung zu haben, sie verlassen sich einfach auf den gelehrten Vorsitzenden und sinken so zu bloßen Statisten herab. Wie kann das geändert werden? Einzig und allein dadurch, daß die Schöffen nicht von oben her durch Auswahl, sondern von unten her durch allgemeine Wahl in ihr Amt gelangen. Die Organisationen, die entsprechende Listenvorschläge aufftellen- würden dann im eigenen Interesse dafür sorgen, daß unfähig« Trunkenbolde wie Buttler und stumpfsinnige Ia-Sager wie Maschke von der Liste verschwinden. Es würden Personen zur Wahl kam- men, die inneres Interesse an den Fragen des Rechts haben, was für den amtierenden Schöffenrichter vielleicht nicht immer bequem, aber für das Niveau unserer Rechtsprechung außerordentlich segensreich sein würde. ■ryetze*. Ter Fall Graf Luist. Nachdem der Spandouer Oberamtssnwalt Graf Lnsi durch Selbstmord geendet hat, bestand für uns kein Grund mehr, auf seine vielerörterte Angelegenheit einzugehen. Jetzt aber sehen wir uns dazu gezwungen durch die Art, wie die deutschnationale Presse den Tod dieses Herrn politisch gegen die preußische Regierung auszu- schlachten sucht. So schrieb kürzlich die„Deutsche Zeitung": „Seine Kraft hat versagt, seine Nerven sitzd zusammenac- brachen. Die Schuld daran trägt der gegen ihn anhängig gemachte Prozeß, der seine Existenz bedrohte: sodann aber auch— wie bereits betont— das Verfahren seiner vorgesetzten Behörde, die ihn seit Monaten auf halbe» Gehall gesetzt hat, lediglich, weil die Kommunisten im Bund« mit den Sozialdemokraten ihn von sttner Stelle mit aller Gewalt entfernen wollten. Diesem Druck der Straße hat seine Behörde nachgegeben, hat ihn so in schwere Geld- sorgen getrieben und ist mitschuldig an selncm Tode." Hierzu ist folgendes zu bemerken: Das Amtsgericht in Spandau . das den Grafen Lusi wegen Beleidigung seines Hauswarts zu hundert Mark Geldstrafe oerurteilte, dagegen wegen Vergehens
gegen das Republikschutzgesetz freisprach, hat diesen Freispruch lo motiviert, wie wir es dem Bericht— der„Deutschen Zeitung" vom S. Juli 1927 entnehmen: Das Gericht sprach den Amtsanwalt von dieser Anklage(Ber- letzung des Republiksthutzgesetzes. Red. d.„V.") frei. Es nahm zwar jür erwiesen an, daß die Redensart„Sie mit Ihrer Vlossrich- republik" auf dem Tceppenslur des Hause» von dem Angeklagten Grasen von Lusi gebraucht worden sei. ocrneinte jedoch, daß damit 1 schon das Taibestandsmerkmal der O e f s e n t l t ch k e i t im Sinne des Gesetzes gegeben worden sei. Es hätten nur wenige Zeugen über die Aeußerung Bekundungen machen können und nicht ein« unbestimmte größere Menge, wie sie das Reichsgericht für erforderlich halle . Damit hat das Amtsgericht— nach der von der„Deutschen Zeitung" selber gegebenen Darstellung— die Beschimpfung der Re- publik als solche tatsächlich sestgestellt. Es war selbsiver- ständlich, daß die Staatsregierung die disziplinaren Folgerungen hieraus ziehen mußte, denn für die d i I z i P l i n a r e Beurteilung eines Beamten kann es naturgemäß nicht ausschlaggebend sein, ob er die Republik in größerem oder nur in engerem Zirkel beschimpft. Das Disziplinarverfahren hatte Graf Lusi also lediglich seinem eigenen Verhalten zuzuschreiben. Wir müssen übrigens aus Grund unserer Informationen aus das entschiedenste bestresten, daß das Disziplinarverfahren die oigent- liche Ursache des Selbstmordes war. Diese liegt vielmehr in persön- lichen Berhällnissen, die wir lediglich mit Rücksicht auf den Tod des Mannes nicht öffentlich erörtern wollen.
Scbulkinöer aufüie Straße gesetzt. Polen schließt massenweise litauische Schulen. Warschau , 5. Oktober. (Eigenbericht.) Das Verhältnis zwischen Polen und Litauen hat sich in den letzten Tagen wieder sehr b-.drohlich zugejplhl. Nachdem die Litauer plötzlich rücksichtslos gegen das Schulwesen der polnischen Minderheil in ihrem Staate vorgingen, zahlreichen Lehrern die Lehrerloubni» entzogen und etwa 30 von ihnen wegen Verweigerung des litauisch gesinnten Geschichtsunterrichts internierten, hat Polen jetzt mit scharfen Gegenmaßnahmen geantworte«. 4S l i t a u- ische Schulen im wilna. Gebiet sind sei, Mittwoch geschlossen: 20 litauische Persönlichkeiten in der Stadt wilna und ihrer Umgebung sind verhaftet worden, darunter 10 Priester. Angeblich standen sie alle im Solde der Kownoer Regierung und trieben Propaganda gegen Polen . Ein Teil der polnischen Presse verlangt noch schärferes vorgehen gegen die herausfordc- rung de» kleinen Nachbarstaates, doch bewahren die warschauer Regierungskreise solchen Aufforderungen gegenüber bisher Ruhe und Zurückhaltung. Zrankreich öffentlich gegen Ratowfki. Paris weist Moskau amtlich zurück. Paris , S. Oktober.(Eigenbericht.) In einer offiziellen Auslassung tritt das französische Außen- Ministerium der von der Agentur der Sowjekregierung verbreiteten Nachricht entgegen, daß die russische Regierung nicht die Absicht habe, Rakowsti abzuberufen, und Außenkommissar T s ch i t s ch e r i n überhaupt keine Besprechung mit dem französischen Botschafter in dieser Angelegenheit gehabt habe. In der amtlichen Meldung wird betont, daß Botschafter Herbette in der Tat keine Besprechung mit Tschitscherin selbst halle, weil dieser seit Anfang September krank sei: ober zweimal sei der Botschafter bei dem Vertreter Tschitscherin s, Litwinofs, um Abberufung Rakowskis vorstellig geworden. Wenn die Sowjetregierunz dies« Schritte zu leugnen suche, so spiele ste mtt Worten.