Nr. 472 ♦ 44.5ohrgang
h Seilage öes Vorwärts
Donnerstag, b. Oktober 1927
Sie Serlmer Milchversorgung. Jährlicher Verbrauch 374 Millionen Liter.
In einigen Berliner Zeitungen ist ein Artikel erschienen, der eine falsche Darstellung über die Milchversorgung Berlins und die Fest- setzung des Milchpreises gibt. Die Berliner Milchliefe- rungsgesellschast stellt uns folgende Ausführung zur Ber- fügung: Di« Milchlieferungsgesellschaft m. b. ch. hat sich die Aufgabe ge- stellt, die Milchoersorgung Verlins so einwandfrei wie möglich zu gestalten. Sie ist keine E r w e r b s g es« l l s ch a s t im eigentlichen Sinne, sondern ist die Zusammenfassung aller an der Milch- Versorgung beteiligten Kräfte innerhalb Berlins . In den Jahren ZS2S bis 1925 hat sich die MAS. in den verschiedenen Teilen der Stadt Bctriobe geschaffen, die ausreißend und geeignet waren, alle Milch, die von ihren Gesellschaftern eingeführt wurde, meiereimästig zu bearbeiten. Die Mciereibetriebe liegen alle in der Nähe der Ein- g-angsbahnhöse. Die Lieferung einer in jeder Beziehung erstklassigen Öualitätsnnlch, die sauber gewonnen, schnellstens befördert und nach den neuesten Verfahren der Wissenschaft und Technik behandelt wird, ist selbstverständliche Voraussetzung für eine ausreichende Milch- Versorgung. Die Milchlieferungsgesellschaft ist heute Lieferantin für rund 3400 Milchhandelsgeschäste in Berlin . Der tägliche Umsah beträgt zurzeit 500 000 bis 700 000 Liter Milä). Zur Erzeugung dieser großen Milchmengen, die aus vielen tausend Einzelproduk- tionsstellen kommen, ist schätzungsweise ein Bestand von 100 000 TNilchkühen erforderlich. Die Milch wird, soweit sie aus den Land- meicreien stammt und von diesen bereits meiereimäßig bearbeitet ist, direkt vom Eingangsbahnhos aus verteilt. Der größte Teil aber, der unmittelbar von den Produzenten durch die Gesellschafter be- zogen wird, geht zur Bearbeitung in die MLG.-Betriebe und wird von dort aus den Kleinhandelsgeschäften zugeführt. Zur Prüfung und dauernden Ueb erwachung der gesamten Milch, ins- besondere des Fettgehalts, der Unverfälschtheit und der hygienischen Beschasfenheit unterhält die MLG. sehr gut eingerichtete eigene Laboratorien, zu denen dann noch das Laboratorium der„Ver- einigten Berliner Milchhändler" tritt. Außerdem läßt die MLG. alle für sie eingehende Milch aus den Eingangsbahnhöfen und in den einzelnen Betrieden durch das Hauptgesundheitsamt der Stadt Berlin überwachen. Der Derbrauch an Milch war während des Krieges und der Nachkriegszeit sehr gering. Seit dem Jahr« 1925— namentlich aber in diesem Jahre— hat der MUchverbrauch nicht nur die Vor-
kriegshöhe erreicht, sondern dürfte diese Höhe noch überschreiten. Berlin standen im Jahre 1926 368 bis 374 ZNilllonen Liter Mlch zur Verfügung. Das sind über 1 Million Liter pro Tag. Der Berbrauch beträgt zurzeit etwa 9,25 bis 9,26 Liter pro Tag und Kopf der Bevölkerung. Wie See Milchpreis zustanSe kommt. Der Milchpreis Berlins kommt folgendermaßen zustande: Den Erzeugerpreis bestimmt allwöchentlich laut Milchlieferungs- vertrag und Uebereinkommen der beteiligten Kreise eine Kommission, die sich aus Landwirten und Berliner Milchhandel paritätisch zusam- mensetzt. Die Milch wird durch etwa 600 Milchpächler aus Milch. lieferungsveclrag gepachtet und nach dem Preise von obiger Milch- natierungskommission abgerechnet. Die Spanne zwischen dem so festgesetzten Preis und dem Verkaufspreis betrug im letzten Jahre 19,5 bis 11,5 Pf. Die Höhe derselben ergibt sich aus der Ent- schädigung für Leistungen der verschiedenen Interessenten, nämlich Milcheinführer(Großhändler). Milchfahrer, Milch- kleinhandel, m e i e r e i m ä ß i g e M i l ch b e a r b e i t u n g und nicht zuletzt durch das Mengenrisiko, welches dadurch er- heblich ist, weil die gewonnenen Milchmengen, die nach Berlin an- geliefert werden, großen Schwankungen unterworfen sind. Die Mengenschwankung'en im Verbrauch, die hauptsächlich von der Witte- rung und von den Feiertagen beeinflußt werden, sind ganz erheblich und betragen nicht selten 20 bis 30 Proz. der Gesamtmenge. Hier- durch ergibt sich nun die Notwendigkeit, daß neben molkereimähiger Behandlung der Milch auch die"durch diese Schwankungen ent- stehenden Ueberschüsse an Milch von den Meiereibetrieben zu Butter und Quark verarbeitet werden müssen. Alle durch die Berliner Milchhändlerschaft eingeführte Milch und die Meicreibetriebe der Milchlieferungsgesellschast unterstehen der Kontrolle des Hauptgesundheitsamtes der Stadt Berlin . Alle nicht verkaufsfähige Milch wird dadurch ausaeschaltet und nur ein- wandfreie Ware in den Verkehr gebracht. Die dadurch entstehenden Kosten, deren Bezahlung durch ein Uebereinkommen geregelt ist, werden zum großen Teil von der Milchhändlerschast und zum Teil von der Stadt Berlin getragen. Sie betragen für 199 Liter Milch etwa 4 Pfennig. Aus den angeführten Gründen wird sich, so teilt uns die Milch- lieferungsgesellschaft noch mit, der Milchpreis zurzeit nicht herabsetzen lassen.
Ruppolt stellt sich selbst. C?r tonnte in Paris nichts verdienen. Der flüchtige Gerichtsverwalter und Nachlaßpfleger Paul R u p p o l t, der seit Ansang August im In. und Auslände von den Kriminalbehörden eifrig aber vergeblich gesucht wurde, ist in der Montagnacht plötzlich nach Berlin gekommen und hat sich Dienstag mittag selbst auf dem Polizeipräsidium der Kriminalpolizei zur Verfügung gestellt. Gesten, vormittag um 11'� Uhr erschien vor dem Dienstzimmer des Kriminalkommissar? K a n t h a ck im Polizeipräsidium, der die Sache bearbeitet, ein großer stattlicher gut gekleideter Mann mit srischem Gesicht und erklärt« einem Beamt'n:.Ich bin Ruppolt, melden Sie mich bitte dem Herrn Kommissar." Der Beamte ließ ihn ein und führte ihn dem Kommissar zu, der ihn sofort vorläufig kurz verhörte. Rupvolt war, als die Entdeckung bevorstand, mit seiner Familie nach Binz gefahren. Von dort reiste er mit seiner Frau unter Zurücklassung der Kinder nach Paris und sucht« für sich ein peeignetes Quartier. Das Ehepaar kehrt« dann nach Binz zurück. Als In Binz die Schreiben eintrafen, die ihn aufforderten, sofort nach Berlin zu kommen und über seine Tätigkeit Rechen- schast abzulegen, fuhr er wieder nach Paris und bezog sein Quartier. Di« Frau und die Kinder, mit denen er noch etwa 14 Tage in Binz verweilt hatte, kehrten nach Berlin zurück. Die Frau erklärte ständig, daß sie den Aufenthall ihres Mannes nicht
wisse, obwohl sie sein Versteck in Paris kannte. Ruppolt selbst traute sich nicht nach Deutschland zurück. Er wußte, daß gegen ihn umfasiende Fahndungsmaßnahmen getroffen waren. In 399 deutschen Städten und Ortschaften wurde er, abgesehen von allen anderen Ausschreibungen, durch Kinosteckbrief verfolgt. Aber auch in Paris tonnte er sich auf die Dauer nicht holten. Er besaß kein Geld mehr und hatte keine Gelegenheit, zu verdienen. So entschloß er sich denn, sich selbst zu stellen. In der Nacht zum Dienstag kam er über Köln in Berlin an und stieg in einem Hotel ab. Gestern vormittag ging er zur Polizei. Die Fälle seiner Der- untreuungen aller A«t sind so zahlreich, daß sie noch nicht alle vollständig nachgeprüft werden konnten. Ueber die abgeschlossenen Sachen wird er von Kriminalkommissar Kanthack noch eingehend vernommen werden._ Der falsche Polizeimajor. Unter der Anklage der öffentlichen Beleidigung und unbefugter Anmaßung eines Titels stand am Mitt- moch der 43jährige Pensionär, früherer Prokurist der Dresdener Bank, v. Wintersheim , vor dem Schöffengericht Neukölln. Am 6. Juli hatte der Angeklagte das Feuerwerk„Treptow in Flammen" bestickst und war auf der Abtei gewesen. Da bei dem Andrang und dem verhältnismäßig schwachen Bau der Brücke nur 59 Personen mit einem Male den Uebergang passieren durften, muhte die Polizei Absperrungsmaßregeln treffen. Herrn v. W. gefiel das durchaus nicht. Mit den Worten:„Steht da solch Rindvieh von Schutzmann, solch Heuochse, solch Mistoieh von der Republik , der den
Verkehr regeln will, und stoppt dabei ab, das sind alles Lausejungen und Flegell' gab er seinem Unwillen Ausdruck. Zufällig waren in seiner nächsten Nähe zwei Polizeiossizierc in Zivil, die sich ihm gegen- über auswiesen und zu seiner Feststellung schritten. Darauf stellte der Angeklagte sich als„Polizeimajor v. Wintersheim" vor und wollte gehen. Seine Titelanmaßung half ihm nichts, denn man stellte ihn fest. V. Wintersheim leugnete vor Gericht nicht, geschimpft zu haben, was er aber geschimpft habe, wolle er nicht mehr wissen. Er müsse in Erregung gewesen sein, da er zuviel Bowle und Likör getrunken habe. Das Gericht oerurteilte den Angeklagten wegen öffentlicher Beleidigung zu 199 Mark Geldstrafe und un'bc- fugter Titelanmaßung zu 29 Mark Geldstrafe. Der Staats- anwalt hatte gegen den noch nicht Vorbestraften 159 Mark bzw. 29 Mark Geldstrafe beantragt.
die geraüe unö Sie ungeraöe Seite. Numerierung der Strassengrundstückc. In vielen Städten des In- und Auslandes besteht schon seit Iahren ein« Numerierung der Straßen, die aus Grün- den der Uebersicht die geraden und ungeraden Nummern g e- trennt hat. Auf der einen Seite befinden sich nur gerade, auf der anderen nur ungerade Nummern. Dieses Prinzip, das die Orientierung erleichtert, soll auch in Berlin bei Umbenennung oder bei Neuanlage von Straßen eingeführt werden. Der Polizeipräsi- dent hat den einzelnen Polizeiämtern bereits Anweisungen dieser Art erteilt. Die Nummernreihe hat an dem Endpunkt der Straße, der am weitesten nach Westen liegt, zu beginnen. Wo eine Straße genau in der Richtung von Norden nach Süden verläuft, beginnt sie im Norden. Die Häuser der linken Straßenseite erhalten sodan» in fortlausender Reihe die ungeraden Nummern, die Häuser der rechten Straßenseite in sortlaufender Reihe die geraden Nummern. Die einzelnen Rummern sind so zuzuteilen, daß eine ungerade Zahl und die ihr folgende gerade Zahl stets«inander gegenüberliegen. Ist es infolge des Vorhandenseins von öffentlichen Freiflächen, Straßeneinmündungen oder der verschiedenen Größe der Grund- stücke nicht möglich, in fortlaufender Reihenfolge der Zahlen die Numerierung in der Art durchzuführen, daß der ungeraden Nummer auf der rechten Straßenseite die nächsthöhere gerade Nummer auf der linken Straßenseite gegenüberliegt, so ist die fortlaufende Zahlen- reihe zu unterbrechen und mit der Zahl fortzusetzen, die der gegen. überliegenden Hausnummer entspricht. Die auf die Lücke entsallen- den Zahlen scheiden als Hausnummer dann völlig aus.
Wintermaßnahmen im Serliner verkehr. Alle Wagen werden geheizt. Die drei Berliner Verkehrsunter nehmungen mit Einheitsfahrschein sind ständig bemüht, kleinere Re- formen durchzuführen, die dem Fahrgast den Aufenthalt in ihren Wagen möglichst bequem gestalten. Es werden daher die Wünsche des Publikums, soweit es irgendwie möglich ist, berücksichtigt. So werden in diesem Jahre sämtliche Wagen der Straßenbahn, Aboag, Hoch- und Untergrundbahn geheizt werden. Bei Eintritt der kalten Witterung wird automatisch damit begonnen. Die Berliner Straßenbahn hat eine besondere Kontrollstelle hierfür auf sämtlichen Bahnhöfen eingerichtet, die die Temperaturveränderungen während der Nacht zu beobachten hat. Die einzelnen Bahnhöfe setzen sich miteinander in Verbindung, so daß morgens früh, wen» die Wagen ausrücken, eine einheitliche Regelung erfolgen kann Es wird selbst- verständlich erst bei Einsetzen des Frostwetters geheizt werden. Auch während der Winterszeit wird die vordere Tür zum Aus- und Ein- steigen freigegeben. Man rechnet mit der Selbstdisziplin des Publi- kums, daß die Türen erst geöffnet werden, wenn der Wagen an der Haltestelle angelangt ist. Ebenso wird die Straßenbahn wieder im Winter nach und nach Scheibenvorhänge in ihren Wogen anbringen. Bei der Hoch- und Untergrundbahn ist die Polsterung der Einheitsklasse vollendet. Auch hier wird bei Einsetzen des kalten Wetters die elektrische Heizung in Betrieb genommen werden. Auch die Aboag hat dieses Jahr für Heizung gesorgt. Die neuen Mo- delle sind alle mit Luftheizung ausgerüstet, bei den anderen ist diese. soweit es möglich war, eingebaut worden. Die Seitenfenster der geschlossenen Oberdecks werden in zwei Wochen überall eingesetzt werden. Die Aboag wird an den Rückenlehnen bei jedem Sitz zwei kleine plüschbezogene Erhöhungen anbringen, die in den Kurven einen bequemeren Halt bieten.
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�Zement. vornan von Fsodor Gladkow. 3. Maschinen.
Don der„Gemütlichen Kolonie" zum Fabrikkomitee gibt es zwei Wege: über die Landstraße, an den Fabrikgebäuden vorbei, und über verschlungene Pfade, über Hügel, durch Sträucher hindurch und Steinbrüche. Von hier aus war das Werk in seinem komplizierten, übereinandergetllrmten Aufbau sichtbar. Türme, Bogen, Viadukte Stein- und Eisenbetongebäude, die bald durch- sichtig-leicht, wie riesengroße Blasen, bald quadratisch-streng in ihrer Einfachheit und architektonischen Schwere waren. Sie türmten sich— eng aneinander geschmiedet oder wuchsen plötzlich aus den Bergen in verschiedener Höhe heraus. Und zwischen den Schluchten— neben den zerstörten— von Steinen verschütteten Bremsbergen— zwischen den wie hin- geworfenen Laufkörben und vom Staube grauen Gesträuch — unter den Felsen, über den Felsen, hoben sich unerwartet aus dem blauen Zement kleine Häuschen. Die Steinbrüche stiegen in regenbogenfarbenen Terrassen die Schluchten herunter und verschwanden in dem wilden Gestrüpp des jungen Waldes. Und das Meer hinter dem Werk— im Nebeldunst der fernen Häfen gleicht einer vollen Schale, und der Horizont schneidet mit seiner spiegelglatten Bläue— über den Dächern und Türmen deutlich ins Gebirge hinein. Und oberhalb der Dächer— zwischen den Schloten(sie sind schlank und elastisch wie junge Halme), von der Stadt, von der anderen Seite des Meerbusens ziehen sich— straff gespannt wie Saiten, zwei Hafendämme mit Leuchttürmen an den Enden. Und man sieht— wie die Wellen in un- endlichen Halbkreisen bis zum Werk und dem Landungsplatz beranströmen und an den Ufern in schneeweißer Brandung zerschellen.., Alles, wie vor drei Iahren. Aber damals erschütterte Berge und Wert ein inneres Feuer. Und Wert und Schlote und Hafendämme erfüllte das tiefe Dröhnen der Maschinen und das elektrische Geheul der Berge mit brausendem Leben und der wilden Kraft vulkanischer Eruptionen. Gljeb ging den Pfad entlang—, sah auf das Werk hin- unter, hörte die stockende, am Boden klebende— durch das Zirpen des Baches unterbrochene Stille und fühlte— daß
auch er schwer geworden— von Steinstaub bedeckt— am Boden klebt. Ist es dasselbe Werk, in dem er seine Kindheit verlebte, in dessen Feuer und Dröhnen er groß geworden ist. Sind es dieselben vertrauten, ständig bebenden Pfade und Wege, auf die er so oft seinen Fuß gesetzt? Und er selber, ist er wirklich Gljeb Tschumalow, der Schlosser und Blusenmann, der jetzt einsam über den alten, verwilderten Pfad geht?— Diese fremde Gestalt mit fremdem Schritt und der seltsamen, finsteren Frage und dem großen Erstaunen im Auge? Früher war er bärtig(mit gekräuseltem Schnurrbart), Ruß- und Eisenstaub bedeckten sein Gesicht(dadurch schien er dunkelhäutig), und jetzt ist er rasiert, die Haut blaß, die Backenknochen und die Nase sind grau, vom Winde der Felder gepeitscht, und schälen sich. Ist er denn Tschumalow, wenn er nicht nach Oel und Rauch riecht, wenn Arbeit nicht seinen Rücken krümmt? Ist er Tschumalow, der Schlosser — dieser stramme Soldat, mit dem roten Stern am grünen Helm und die Brust mit dem Orden der Roten Fahne geschmückt? Etwas Teuflisches ist hier geschehen. Einen seltsamen Ruck hat' es gegeben: der Berg ist von seinem Stützpunkt gerutscht, ist in einen Abgrund dröhnend versunken. Er ging, sah auf das Werk, auf die Brüche, in denen früher gearbeitet wurde, auf die Schlote, die verstummt waren, blieb stehen, dachte nach und brummte seufzend: Teufelskerle, verdammte!... Was sie angerichtet haben, die Verfluchten!... Erschießen wäre zu wenig für sie... diese Ungeheuer!... Was für ein wunderbares, berühmtes Werk sie hier begraben haben, wie sie es versaut haben, diese Niederträchtigen!..." Eines wußte er: hier war ein Grab, eine ungeheure Zerstörung, ein großes Grauen, und er befand sich plötzlich, losgelöst von seiner Armee, in diesem Grab, und das große Grauen war in seinem Herzen. Und dieses Grab hatte ihn erschreckt, und vor Grauen wußte er nicht ein noch aus. Er ging hinunter, zum Werk, auf den von Kohlen geschwärzten, leeren Platz, über den, wie Schimmel , arm- seliges Gras kroch. Lange ist es her, daß sich hohe Anthrazit- Pyramiden hier türmten und ihre Kristalle wie Pechdiaman- ten glitzerten! Ueber dem Platze, in gelben und braunen Schichtungen ein steiler Felsen. Schutt flutet von ihm her- unter und frißt die Ueberreste der menschlichen Arbeit. Am Rande im Halbkreis verzweigte Schienen. Geradeaus schwingt sich aus dem Abgrund, in einer Höhe von achtzig
Metern der blaue Obelisk des Schlotes, und hinter ihm bäumt sich wie ein Berg das elektromechanische Werk auf. Wie eine erloschene Welt versinkt das Werk in die untätigen Tage. Die Nordostwinde haben die schneeigen Fensterscheiben durchnagt, die Bergströme haben die eisernen Rippen der Betonwände entblößt, und auf den Gesimsen hat sich Zementstaub wieder in Stein verwandelt. Der Wächter Kljopka ging vorbei. Er trägt ein langes Hemd, aus einem Sack genäht, bis zu den Knien, ohne Gürtel. Auf den nackten Füßen zerrissene Schuhe. Und die zerrisse- nen Schuhe schauen aus, als ob sie aus Zement wären, und die Füße sind voller Zement. Er wird nicht älter und ist so, als ob er schon immer hier gewesen wäre. Er blieb stehen, schaute Gljeb wie ein Geist an und ging weiter— ein ver- wlldertes Bruchstück der Vergangenheit. „Heh— du— abgenagter Knochen... was schleichst du wie ein verdammter Toter herum? So wachst du hier, alter Teufel!..." Erstaunen und Erschrecken zuckten durch die bärtige Breite. „Fremden ist der Eintritt streng verboten!" „Esel! Wo sind die Schlüssel des Werkes?" „Schlüssel, wozu? Es gibt keine Schlösser... sind weg ... Kannst dort mit dem Wind zusammen spazieren gehen ... Ziegen sind im Werk... Ratten... Nagetiere... aber keine Menschen... sind verloren gegangen...." „Bist selber eine alte Ratte... habt euch in die Spalten verkrochen wie Krebse und schleicht nun, Gott verdamm euch, wie Müßiggänger herum...." Kljopka sah ihn mit menschenscheuem, zerrissenem Blick an und bewegte seine Haarbüschel, die wie Zementflocken aus- sahen. „Helm mit dem Stern... Pfeife... Teufelshorn... Rettig... hier ist niemand hopp zu nehmen... der Mensch ist verloren gegangen." Und ging mit schlürfenden Schritten weiter. Em hoher Viadukt, auf steinernen Streben ruhend, führte von der Terrasse nach dem Hauptgebäude des Werkes. Die Betonwände sind durchbrochen. Löcher für Maschinen- gewehre. Das Werk war Festung der Weißgardisten. Aus dem Werk hatte man Pferdeställe und Baracken für Kriegs- gefangene gemacht. Und diese Baracken waren grauenhafte Graber in den Tagen der Intervention. In die Eingeweide des Wertes hineinschauen, um zu sehen, was dort vorgeht.(Fortsetzung folgt.)