Vonnerstag 6. Oktober 1927
Unterhaltung unö ÄIissen
Vellage des vorwärts
Konstantinopel . von Julius INeier-Graefe. Einfahrt in den Bosporus . Man sollte immer nur drautzen Herumsahren und die Stadt nicht betreten. Einem Delocroix, der die aroßarlige Perspektive entrollt«, genügte der Blick auf irgendeine primitive Abbildung, um die Absicht der Natur zu erraten und sie zu überbieten. Di« Türken haben nichts erraten. Sie setzten wahllos kleine und große Häuser, Moscheen, Minarette aus das Gelände und beklecksten es, immer nur auf platteste Notdurft bedacht. Kein Haus steht, wie es stehen müßte. Die Kultbauten häufen sich klumpenweise. Das zauberhaft gelegene Serail ist flüchtigste Im- provisation, und niemandem fiele ein, die Sultane, die hier resi- dierten, für fürstliche Machthaber zu halten. So richten sich eilige Gouverneure ein, die nächstens wieder weg müssen. Man findet schon im 17. Jahrhundert und noch früher das erstaunliche Prole. tariertum moderner Monarcheninilieus. Nur wird man nicht ab- gestoßen. Die Kümmerlichkeit der ganzen Anlage hat fast etwas Rührendes. In einer der vielen gartenhaushaften Lokalitäten wurde gerade eine Sammlung chinesischer Porzellane aufgestellt, unter denen es gut« blauweiße Kanghis gab. Das asiatische Dekor wirkte in dieser Umgebung, ungemein natürlich, während jeder der vielen türkischen Bersuche, sich mit architektonischen Formen Europas abzu- finden, nur tleptomanische Gelüste verrät. Die Bewohner der Stadt haben ihr orientalisches Kostüm ab- legen müssen. Es gibt kein« Hunde und keinen Fez mehr, und die Frauen gehen unverschlciert. Der Schleier liegt auf dem Haar und kann jeden Augenblick herabgezogei, werden, und mancher Moslem trägt den Turban in der Tasche, um ihn, sobald Kemal fällt, bei der Hand zu haben. Vorher traut man sich nicht. Renitente Fezleute werden hingerichtet. Es ist Kemal mit dem Eingriff in die Toilette gelungen, die geplant« Erneuerung des Volkes symbolisch sestzulegen, aber die Stadt sieht seitdem wie Kattowitz aus. Der vielbesungene malerische Orient steckte nur noch im Kostüm der Eingeborenen. Wahrscheinlich ist Stambul immer ein verkleidetes Kattowitz ge- wesen, und Kenia ! beging mit der Unterdrückung der Maskerade einen Akt der Ehrlichkeit. Hier und da spürt man noch, versteckt unter türkischer Tünch«, die byzantinische Glanzzeit. Die merkwürdigsten Reste, auf die man am wenigsten gefaßt ist, stecken unter der Erde: die riesigen Wasser- keller, unabsehbare Säle, deren Boden flüssig ist und deren gewölbte Decken von zahllosen Säulen getragen werden. Säle sagt viel zu wenig. Als ich die erst« Zisterne betrat, überfiel mich eine Art Plagsurcht. Die eine heißt die Zisterne der 1001 Säulen. Ein steinerner Wald dehnt sich, glaubt man. unter der ganzen Stadt aus. Phantastische Bilder, finster und großartig und durchaus fremd, spielen aus dem gleißenden Wasserspiegel. Anders geartet« Lebe. wesen mögen sich hier belustigt oder unheimliche Kulte getrieben haben. Di« Tatsache, daß ein höchst plausibler nützlicher Zweck, die Sammlung des Wassers, diese Pracht hervorrief, stößt auf Widerstände unserer geheimnislüsternen Psyche, die allein hier unter der Erde etwas von dem erwarteten und oben verweigerten Märchen Konstontinopels wittert. Unter Tag die Säulenwälder der Zisternen, über Tag die Agia Sophia. Wir wollten eigentlich nichts anderes sehen, kamen nur der Kirch« wegen her. Ich erwartet« die gesteigerte Würde des Tempels von Jerusalem , den erhöhten Glanz von S. Vitale in Ravenna , eine vergeistigte Markuskirch«. Ich hoffte auf den rau- schenden Akkord des byzantinischen Griechentums, des griechischen Ehristentums, erwartet« den christlichen Tempel. Es ist dafür gesorgt, daß unsere Rechtfertigungen nicht in den Himmel wachsen. Die ge- träumte Agia Sophia hat vielleicht eimnal gestanden, wäre es auch nur in den ersten dreißig Iahren bis zu dem Erdbeben, daß die ursprüngliche Küppel brach. Damals erklang der Preis des aus- erstandenen Erlösers im Hymnus einer auferstandenen Menschheil. Ein genialer Mensch, Anthemios mit Namen, nicht weniger wert als ein Phidias , im Gedächtnis zu bleiben, formte das Gefäß des christlichen Dithyrambus, und auch nach der Wiederherstellung durch Nachsolger, die seines Geistes waren, mag das Wort Iustinias, der Tempel Solomons fei übertroffen, gegolten haben. Heute ist der Klang dem Hause entwichen, und man betrachtet mit dem Phantasie- losen Auge des Kenners ein Instrument, das nicht mehr gespielt wird. Ein interessanter Kuppelbau, meinte unser Freund, der Architekt. Noch einmal bestätigt sich die Macht der Mosaiken, diesmal im Negativen. Sie waren einst die Augen des Doms, und ihre Blicke strahsten aus der Höhe auf die Beter hinab, während die Bilder oben blieben. Die Türken haben die Pracht mit einer gelben Sauce zugeschmiert und den Tempel geblendet. Die übriggebliebene Anatomie führt irr«, denn sie verrät nur die Wirkung aus dem Prunkbedürfnis morgenländischer Imperatoren, nicht den nm- schlingenden Hymnus der Gemeinde. Grecos Baldachin mit den himmlischen Heerscharen fehlt. Das erste, was Kemal tun müßte, um sich vor der Welt, zu der er sein Volk bekehren möchte, zu legitimieren, wäre die Entschleie- rung der Agia Sophia. Nicht für die Christen, nicht für das
Diese Mexikaner!
v. Lüttwih:.Unkultiviertes Volk, diese Mexikaner! Da erschießen sie einen meuternden General, ohne sich um seine P e ns i o n S a n s p r ü ch e zu kümmern!" —: I 1 a............. orthodox« Dogina, sondern für die Sophia. Man kann unseren Kathedralen die Bilder entführen und die steinernen Heiligen köpfen, immer bleibt der Dom. Solange ein gotischer Pfeiler steht, trägt er den Baldachin über der Genteinde. Hier aber, in dem ganz er- haltenen Bau, der heute noch einem Kult dient,, versagt die gegebene Bestimmung des Raums. Es ist, als weigere sich der Stein, dem Islam zu dienen, und ziehe das Wesenlose der Verunreinigung vor. (Borobdruck aus dem demnächst erscheinenden Reisebuche.Pyramide n n d Tempel" von Julius Meier. Graes e. Mit besonderer Gr- laubnis des Berlages Ernst Rowoblt, Berlin .)
„Was haben Sie denn für'n blaues Auge, Kadett?" fragte dann wohl der Offizier<tu jour am andern Morgen.„An der Bettkante gestoßen, Herr Leutnant", war dann die Üblich« Antwort... So 'wurde der spartanische, ehrenvolle Geist gezogen, der sich auf den Schlachtfeldern Europas verblutet hat. Siegreich... verblutet, aber nicht umsonst. Solch Geist kann nicht untergehen, und der Geist lebt und wird auferstehen, das walte Gott ." Amen— das muß man noch hinzufügen. Denn das vergißt ein adliger„Christ" eigentlich nicht, der durch eine solche gottvoll« Schule ging. Mit einem Blick gen Himmel weiß der mit einem Gegner seine Kräfte zu mesien— die seine Fäuste entfalten! Wozu auch Geist entfalten? Davor behüte Gott . Es war der Weltkrieg eine Frucht jenes Geistes von Potsdam . Der Krieg war für uns eine verlorene Sache. Aber es war ein« verlorene siegreiche Sache. Siegreich verblutet... so also kann man sagen... » Auf der Straße prügelten sich dieser Tage vor meinen Augen zwei Jungen. Sie bearbeiteten sich mit Fäusten, während«ine andere Gruppe Jungen gespannt zusah. Die Leute, die vorbeigingen, waren darüber entrüstet. Ich aber nicht. Denn die Leute wußten nicht, daß es«in ganz besonderer Geist war, dem die Jungen huldigten. Sie betätigten sich adlig... Johannes Berthold. Namen mit ,Sohn'. Namen mit Sohn sind häufiger, als gewöhnlich angenommen wird. Denn das Wort findet sich oft ganz versteckt in Verbindung mit irgendeinem Familiennamen. Der Sohn nennt sich nach dem Vater und fügt das Wörtchen„Sohn" bei. Ben Israel heißt nichts anderes als der Sohn des Israel , denn Ben heißt Sohn. So sind auch die Nomen zu erklären: Ben Atiba, Ben Hur, Benfey. Das- selbe ist der Fall mit dem syrischen Bar, der Sohn. Bartholomaus, Barabbas sind auf diese Weise entstanden, ebenso wie Iakobsohn, Mendelssohn, Leoysohn. Ebenso verhält es sich mit den schottischen Namen, die mit Mac zusammengesetzt sind: Macdonald(Sohn des Donald), Mac Muhon. Im Russischen he:ßt der Sohn Witsch. daher die Namen Nikolajewitsch, Alexandrowitsch. Leichter zu er- kennen sind die englischen Zusammensetzungen: Wilson(Sohn des Wil ), Robinson, Richardson, Robertjon, Benedictson, sowie die schwedischen Björnson, Ibsen und die normänniscken Fitzjannes (Fitz: der Sohn), Fitzgerald u. a. Im Nordischen ist das Wort Sohn meist zu sen abgeschwächt, also Frenssen(Sohn des Franz), Elasten(Sohn des Klaus), Petersen, Jansen, Andersen. Sehr inter- estant ist der Werdegang des Namens des Profestors Paulscn. Ein Urahne des Professors hieß Thomas Jansen, ein Sohn dieses Jansens namens Frerck(Friedrich) nannte sich Frerck Thonis Sohn, also Frerck Thomsen, der Nachfahre dieses hieß wiederum Paul Frercksen, dessen Sohn Frerck Paulsen und dessen Sohn Paul Paulsen. Der letzte war der Vater des Professors F'iedrich Paulsen.
vom, spartanischen ehrenvollen Geist". Fast zwei Jahre sind inzwischen vergongen. Da konnte man im „Deutschen A d e l s b l a t t", einer Zeitschrift der Deutschen Adelsgenossenschaft , deren Ehrenvorsitzender der Reichspräsident v. Hindenburg ist und die ihre Bestimmung darin sieht,„für die Aufgaben des christlichen Adels zu wirken", die„Erinnerungen eine's alten Potsdamer Kadetten" lesen. Sie lauteten unter anderem asto: „Dreschen toten wir uns eigentlich dauernd... Zum Dreschen gehört in erster Linie Schneid, dann erst kam Gewandtheit und Kraft in Frage. Der Drasch war ein Faustkampf, der mit blanker Faust ausgetragen wurde... Ich habe Ring- und Boxkämpfe. Säbel- und Gewehrfechten gesehen. Es ist alles schwächlich gegen die Schärfe, mit der so zwei Iungens gegeneinander losgingen... Es ging nie ohne Blut ab, bei solchem Drasch..."
Tornado. Taifun, Orkan. In diesem Jahr der Naturkatastrophen hören wir immer wieder von furchtbaren Wirbelstürmen, die schreck- liches Unheil anrichten. Nachdem eben erst von einem Taifun be- richtet wurde, der Japan heimsuchte, folgt rasch die Nachricht von dem Tornado, der St. Louis verwüstet hat.. Diese Namen sind uns geläufig, ohne daß wir sie doch recht erklären können. Da ist z. L. dos merkwürdige Wort„Tornado". Man leitet es vielfach von dem lateinischen„«nrnarc"= drehen ob. Dies dürfte aber niän richtig sein, denn das Wort ist gegen Ende des 17. Jahrhunderts aus Spanien zu uns gekymmen, wo es von den Seeleuten für besonders schwere Stürme verwendet wurde. Das spanische Wort heißt ur- sprllnglich„tonado" und bezeichnet einen Gcwittersturm, stammt also von dem lateinischen„tonare"= blitzen her. Erst später führte die unrichtige Ableitung zu der Form„Torna, Ic >", die dann zur Be- Zeichnung von Wirbelstürmen verwendet wurde. Aus dem Spani - scheu ist auch dos Wort„Orhan" zu uns gekommen, das aus dem spanischen„Imrricann" hergeleitet wurde. Die Spanier wieder übernahmen diese Bezeichnung aus der Sprache der karibischen Indianer, die die furchtbaren ostindischen Stürme„buratan" nannten. Dos Wort Taifun, dos hauptsächlich von den Stürmen im Fernen Osten gebraucht wird, gilt vielfach für chinesisch: tatsächlich aber kommt es von dem griechischen„Typhon" her, das soviel wie Wirbelwind bedeutet. Das Wort wurde im Arabischen in„Tukan" umgewandelt und von den arabischen Seefahrern im Fernen Osten benutzt Daher kommt die Annahme des chinesischen Ursprungs, die dadurch unterstützt wird, daß chinesisch„ta" groß und„fang" Sturm bedeutet. Ein Wolkenkratzergefängnis. Die Stadt New Park will nun auch ein Gefängnis im Wolksnkratzerftil dem Stadtbilde einver- leiben. Es soll ein Frauengefängnis werden und nach dem Plan eines modernen Hotels errichtet werden mit viel Luft und Licht für die Insassen. Parterre sind Räume für Leibesübungen vorgesehen, und die Zellen verteilen sich vom vierten bis zum zehnten Stock- werk. Im elften Stockwerk wird das Hofpilal Unterkunst finden.
Mls Gefangener durch öapern. von Jtanz Rolhenfelder. Revolutionärer Ueberschwang gab den März- und Aprillagen des Jahres 1919 Gewalt des Sturmhaften und ließ das Land an der Nordgrenze der Alpen in Glut und Farbe südlicher Sonnen- gebiete erscheinen— in fast traumhaft fahles Licht des Erlebens warfen Tod und Kerkerverhängnis Ihre schatten voraus, aber die davon betroffen werden sollten, fragten nicht nach Zukunft. Sie wurden von einem Starken getragen und getrieben, das Tat hieß. Ruhiger, klarer, wenn auch nicht ohne Schmerz, blicken wir heute zurück. Empfinden war damals mächtiger und mehr ent- scheidend als überlegender und wägender Verstand— wie immer in Zeiten revolutionärer Hochspannung, in der Freiheit Handeln und nicht Verhandeln sein will. Wir schauen geeint in nebelhaftes Werden, da wir gegen Willen und Wisien uneinig wurden. Wer mochten wir damals getrennt erscheinen: heute haben wir wieder zusammengefunden und die Härte und Hast der Tage von einst, die viel an wirklichent und ehrlichem Freiheitswillen sahen. � sollen uns gemeinsamer Besitz sein. In diesem Sinn« darf Erinnern wieder ausleben— jedes Einzelschicksal war doch nur ein Schicksalsanteil am ganzen ringenden Volke der Arbeit und Freiheit. Es ist«in ziemlich ausgedehntes Land, das den Namen Bayern trägt: von den Alpen zu den mitteldeutschen Gebirgen, und was zwischen beiden liegt, ist ein schönes und reiches Land. Niemols aber hat es wohl ein geborener Bayer so rasch im Flug und so eigenartig in den Fahrtverhältnissen kennen gelernt wie einer der Kämpfer, der damals eben, am Mittwoch vor Ostern, Gefangener geworden war. Noch heute fliegt es wie Spuk und Gespenster- grauen und in solcher Gegensätzlichkeit des Erlebens vorüber, daß es menschlich wie künstlerisch eine» kurzen Festhaltens wert er-
scheinen dürft«. Aber es ist keine Verbitterung mehr dabei und nur das Bewußtsein schmerzt, daß damals arme Menschen noch schwereres durchzumachen hatten und daß Gluthauch und Sturm des Rebellentums mit teurer, blutiger Münze bezahlt werden mußten. Viel Weg, viel Abwechslung an Haftverwohrung aus einmal— fast zu viel, um stärk mit gesunden Sinnen ertragen werden zu können, und über allem die Ungewißheit— nicht des eigenen Schicksals so sehr als dessen der Massen, über die sich mitten in der heiligen Woche vor dem Ostersest Grauen und Schrecken des Bürger- krieges zusammenzuballen drohen. Es ist Deutschlands schönster Profanbau, die Augsburger Wunderschöpfung des Elias-Holl -Rathauses. Deutschlands erster Wolkenkratzer, in dem ich nach Mitternacht festgenommen wurde, um in die Kaserne neben dem Ulrichmünster, einst eine mächtige Benediktinerabtei, verbrocht zu werden— und am Morgen des Gründonnerstags wieder frei zu sein und mich selbst aufs neue im Nothaus zu stellen. Aber nun wird Verzirftf auf die Freiheit Pflicht: das Nichteimnarschieren der Regierungstruppen wird verbürgt, wenn ich einwillige, in ehrenvoll« Schutzhaft genommen zu werden, die nur wenige Tage dauern sollte und in keinem Ge- sängnis verbracht zu werden brauchte. Meine Bedingung ist: Abschied von meinem allen, kranken Vater— den ich nach fast drei Jahren, kurz vor seinem Tode, erblindet und völlig gebrochen wiedersehen sollt«. Ich ziehe meine Uniform an und nehme den „Faust" zu mir. Dann fährt mich das Auto ins Ungewisse. Gründonnerstagsfahrt. Kirchgänger, die nicht wisien, was in der Welt vorgeht, und erschrocken dem rasenden?luto ausweichen. Dann das erste Ziel— an 90 Kilometer in lcharsem Wind— Ulm mit den ragenden Münstertürmen. Erste Haft in einem verschlossenen Hotelzimmer des bayerischen Neu-Ulm. Mitternacht Ueberredung zur Flucht durch einen Wachtposten, dessen Angebot mit wissendem Lächeln zurückgewiesen wird. Am anderen Morgen— dem des Karfreitag— bringt der Wirt selbst mit mitleidiger Freundlichkeit
eine Fastenspeise. Dann geht es ini Auto weiter. Wohin? Zunächst unbekanntes Ziel. Es führt über die Donau — freundliche Städtchen fliegen vorbei, fast südlich-italienischer Charakter der Bauten über- rascht. Und Ablenkung tut bitter not. Endlich in Ditzingen , dem Städtchen der vielen Klöster und des Priesterseminars, neuer Aufenthalt: in einer völlig schwarzen Zelle— es muß wohl die gewesen sein, die vor der Hinrichtung benutzt wurde, als das Ge- fängnis noch im Betrieb war— den Rest an Tag und an Kar- sreitagstimmung. Sehr freundlich und menschlich der alte Amts- gerichtsrat, der wiederholt zu Besuch kommt. Karsamstag endlich keine Autofahrt mehr, jetzt geht es in Be- gleitung eines Gendarmen in Zivil mit der Bahn weiter Donau- wörtl)— Nürnberg — Bamberg . Dort ist Sitz der alten Regierung, aber auch ein Gefängnis st ov�t,»nd mir mit diösem habe ich zu tun. Aber immer noch nicht, trotz der neuen Reise von einigen hundert Kilometern war es das Ziel. Das Bitterste kam jetzt erst. Bamberg ist eine sehr fromme Stadt und hat viele und schöne Kirchen, danmter den berühmten alten Dom. Und von oll diesen Türmen läutete es wundersam melodisch zur Auferstehungsfeier, als ich gefesselt auf einem offenen Lastauto Platz zu nehmen habe, um zunächst durch die Stadt mit den frommen, festlichen Menschen gefahren zu werden, die mir nachdrohten— und fluchten. Nach zwei Stunden erbarmungsloser Windfahrt zwischen zwei Gendarmen werden mir im Zuchthaus von Ebrach die Fesseln abgenommen. Es ist dos schönste an ehemaligen Klaste'.gebäuden, was ich je sah, längst Zuchthaus geworden, wie ich d�nn überhaupt auf dieser Osteriahrt meine Heimat in ihrer Schönheit gründlicher kennen- gelentt hatte als je zuvor. Nur schien es mir zuviel des Genusses auf eimnal, und als ich endlich in einer der für uns ausgeräumten Zellen der Lebenelänglickzen untergebracht war, hatte ich nur noch Sinn für Ruh« und Rast. Die wurde mir auch in sechsmonatiger Einzelhaft, mehr als mir lieb war, zuteil— und als ich nach dieser Zeil zu ehrenvoller Festungshaft verurteilt wurde, war ich löm' einer der Müden geworden, die man Gefangene nennt.