Str. 474 44. Jahrgang Ausgabe A Nr. 241

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Freitag, den 7. Oftober 1927

Neue Anschläge des Bürgerblocks.

Diftatur Schachts über die Auslandsanleihen. bewegungen drosseln.

Am Donnerstag nachmittag fand eine sogenannte Chef besprechung der Reichsministerien statt. Beratungs. gegenstände waren die Frage der Auslandsanleihe bzw. der beim Reichsfinanzministerium eingerichteten Beratungsstelle für Auslands­anleihen und Fragen der Preis- und Lohnpolitit. Mit den Ergeb. nissen der Besprechung wird sich das Kabinett bereits am Freitag nachmittag befchäftigen.

Reichsbankpräsident Schacht war, entgegen anderen Meldun­gen, bei der Chefbesprechung nicht zugegen. Wie der Soz. Bressedienst" erfährt, lagen aber den Beratungen bestimmt formulierte Borschläge des Reichsbanfpräsidenten für eine 2 en de= rung der Richtlinien für die Tätigkeit der Anleihe beratungsstelle und für eine Aenderung ihrer Organisation vor. Die Richtlinien beziehen sich vor allem auf eine Aenderung des gegenwärtigen Abstimmungsverfahrens in der Be ratungsstelle und auf Schaffung einer Berufungsinstanz bei der Beratungsstelle.

Bis jetzt wurden die Anträge auf Genehmigung einer Auslands­anleihe mit Stiminen mehrheit gutgeheißen. Es fonnte alfo eine Anleihe, wie das ja bei der Preußenanleihe der Fall war, gegen Auffassung und Stimme der Reichsbank genehmigt werden. Die Borschläge Schachts zielen dahin, daß für die Genehmigung einer Anleihe Einstimmigkeit erforderlich ist. In der Bragis bedeutet das die Ablehnung einer beantragten Anleihe schon für den Fall, wenn sich der Bertreter der Reichsbant in der Be. ratungsstelle gegen die Anleihe ausspricht.

Geht das Kabinett auf diesen Borschlag Schachts ein; dann ver­leiht es ihm in der Genehmigung der Auslandsanleihen diftatorische Gewalt.

Bis jest mar ferner auch der Spruch der Beratungsstelle end­gültig und abschließend. Die Schacht'schen Vorschläge sehen auch

Novemberwahlen in Braunschweig . Sozialdemokratisches Mißtrauensvotum mit 24 gegen 22 Stimmen abgelehnt.

Braunschweig , 6. Oktober. ( Eigenbericht.) Der Braunschweigische Landtag hat am Donnerstag beschlossen, sich mit dem 26. November aufzulösen und die Neu­

wahlen am 27. November stattfinden zu lassen.

Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hatte, um einen früheren wahitermin zu erreichen, ein Mißtrauens­votum gegen die Regierung eingebracht, das jedoch mit 24 zu 22 Stimmen bei einer Stimmenthaltung abgelehnt wurde. Ein Abgeordneter der Demokratischen Partei fehlte. Die vier Abgeord­neten der Wirtschaftspartei, die seit drei Monaten in offener Oppo­filion zur Regierung stehen, verfäumten, die Konfequenzen aus dieser Opposition zu ziehen.

Zur Erhöhung der Beamtengehälter.

Keine neuen Steuern.

leber die wirtschaftlichen Folgen der Erhöhung der Beamten­gehälter murde in Ministerbesprechungen meiterberaten, an denen die Minister der am meisten beteiligten Refforts teilnahmen. Be schlüsse gegen etwaige Preis- und Lohnbewegungen sind, wie gemeldet wird, erst später zu erwarten.

Die Ministertonferenz der Länder ist zu Ende ge­gangen, ohne daß eine Verständigung zwischen Reich und Ländern über die Aufbringung der Mittel erzielt wurde. Steuererhöhungen, auch die vorgeschlagene Erhöhung der Umsatzsteuer, follen vermieden

werden.

Ueber die Mehraufwendungen der Länder für die Beamtenbesoldung werden folgende Ziffern mitgeteilt: in Preußen 180 Millionen, Bayern 58, Sachsen 45, Baden 17, Thüringen 12, Braunschweig 4 und Oldenburg 3 Millionen.

Landtagsbeginn in Memel .

Ein Sozialdemokrat Vizepräsident. Memel , 6. Ottober.

Der neugewählte( zweite) Landtag ist vom Gouverneur Merkys eröffnet morden. Es fehlten nur zwei von den 29 Abgeordneten. Der Gouverneur verlas in litauischer und dann in deutscher Sprache eine Erklärung, aus der sein Standpunkt hervorging, der Landtag fei vor allem ein Wirtschaftsparlament und müsse sein Hauptaugenmert auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Memel­gebiets lenken. Die Sprachenfrage stehe für die Zentral regierung im Vordergrunde. In jeder öffentlichen Schule müsse der Unterricht in litauischer und deutscher Sprache er teilt werden. Auch der Bandtag dürfe fich nicht ausschließlich der einen ber beiben gleichberechtigten Bandessprachen bedienen. Die

Dr. Brauns soll die Lohn­

hier eine Aenderung vor, und zwar soll die Beratungsstelle durch eine Berufungsinstanz ergänzt werden. Dieje Berufungsinstanz foll das Reichskabineti sein.

Dieser Vorschlag ist in hohem Maße gefährlich. Eiimmt dieses Reichskabinett in seiner Mehrheit den Schachtschen Plänen zu, so wird es zunächst, solange es lebt, zunächst auch der Entscheidung der Reichsbant folgen, die ja den Ausschlag gibt. Darüber hinaus aber wird jede strittige Auslandsanleihe ein Gegenstand des politischen Kuhhandels,

was die tollsten Perspektiven für die öffentliche Finanzwirtschaft er­öffnet und statt einer amtlichen eine politische Be= ratungsstelle schafft.

Frage kommen, scheint es gewiffe Kreise zu geben, die dem Reichs­Someit die Beratungen über die Lohn- und Preispolitik in arbeitsminister wieder einmal Frage kommen, scheint es gewisse Kreise zu geben, die dem Reichs­

arbeiterfeindliche Richtlinien für die Schlichter fuggerieren wollen. Nachdem man durch falsche Wirtschafts- und 3ollpolitik die Teuerung gefördert hat, will man anscheinend die Bohnbewegung der Arbeiterschaft durch Maßnahmen der Exekutive Zollpolitik die Teuerung gefördert hat, will man anscheinend die drosseln. Der Anspruch der Arbeiterschaft nach höheren Löhnen ist teuerung des Lebensunterhalts, die, wenn man den begründet in der Steigerung der Preise und in der Ber= Forderungen der Arbeiterschaft nach höheren Löhnen nicht entgegen­tommt, zu Arbeitstonfliften führen müßten. Beschlüsse oder Empfehlungen des Reichskabinetts in dieser Frage, die den Reichs­arbeitsminister für feine Instruktionen in scharfmacherischem Sinne festlegen, wären der Anfang einer jozialpolitischen Zwangsmirtschaft, gegen die sich die Deffentlichkeit und die ganze Arbeiterschaft auf bäumen muß und wird.

Richter müßten die beiden Landessprachen beherrschen. Zum Präsidenten murde Abg. Don Dreßler( Landwirtschafts­partei) mit 22 von 27 Stimmen gewählt. Die drei Litauer gaben ihre Stimmen für einen anderen Abgeordneten ab, die beiden Kom nunisten enthielten sich der Stimme. Erster Bizepräsident ist Schul­rat Meyer( Boltsp.), zweiter Bizepräsident Bertschus( S03.). Die Litauer beteiligten sich an dieser Wahl nicht mehr; sie fordern, daß die Präsidenten die litauische Sprache beherrschen.

Belgrader Forderung in Sofia .

Schluß mit den Terrorbanden!

Belgrad , 6. Oktober.

Wie verlautet, beschloß der Ministerrat, in Sofia einen ener­gischen Schrift zu unternehmen. Die jugoslawische Regierung wird die Auflösung der mazedonischen Organisatio. nen fordern. Sollte die bulgarische Regierung hierzu unfähig fein, so fordert„ Novosti", daß mit dieser Aufgabe ein fremder Staat als der Beauftragte des Bölferbundes betrant werde.

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Dieses Borgehen ist durch zahlreiche Terrorakte bul garischer Sendlinge in Südslamisch- Mazedonien verursacht, den letzten Anstoß dazu hat die heimtüdische Ermordung des jugoslawischen Generals Rowatschemitsch in der mazedonischen Stadt Stip gegeben.

Tschangtsolin vernichtend geschlagen.

Einnahme Pekings in Aussicht.

London , 6. Oktober.

die Truppen Tschangtfolins vollständig geschlagen, so daß Nach Meldungen aus Washington haben die Schanfitruppen unter dem gemeinsamen Drucke des Generals Peng, des Gouverneurs von Schansi und der Südtruppen die Armeen Tichangtfolins 3u­fammengebrochen find. Nach Pefinger Berichten verlief die Schlacht bei Chengting an der Eisenbahnlinie Pefing- Hankan, woran 80 000 Mann beteiligt gewesen sein folfen, zuungunsten der Nord­fruppen. In Beling wird mit dem bevorstehenden Fall der Hauptstadt gerechnet.

Immer wieder Spionageprozesse. Todesurteile in der Sowjetukraine.

Mostan, 5. Oktober. Das Gericht in Kamenez Boboist schloß die Berhand fung gegen 50 Personen, die der Spionage auf dem Boden der Ufraine zugunsten Bolens feit 1924 angeflagt maren. Fünf Hauptangetlagte murden zum Tode, die übrigen zu fünf bis zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3

Boftichedfonto: Berlin 37 536 Banktants: Bank der Arbeiter, ugeftelten und Beamten. Ballftr. 65: Diskonto- Gesellschaft. Devoktentake Lindenstr. 3.

Genf Berlin .

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Der Verwaltungsrat des JAA. in Berlin . Genf , 6. Oktober. ( Eigenbericht.) Direktor Albert Thomas vom Internationalen Arbeitsamt ist mit seinem Kabinettschef und einigen höheren deutschen Beamten am Donnerstag vormittag nach Berlin zu der am nächsten Dienstag dort be­ginnenden 37. Tagung des Verwaltungs. rates des Internationalen Arbeitsamts abgereist.

Der Berwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes tagt vom 10. bis 15. Oftober zum ersten Male auf Einladung der Reichsregierung in Berlin . Seit 1889 hat ein inter­nationales Gremium für sozialpolitische Fragen von solcher Bedeutung nicht wieder in der Reichshauptstadt getagt.

Es ist reizvoll, eine Parallele zwischen der damaligen von Bismarck einberufenen Konferenz und der nächste Woche zusammentretenden Berwaltungsratsfizung zu ziehen. Da­mals eine erflusive Diplomatenkonferenz, heute die Tagung der höchsten Leitung des Internationalen Arbeitsamtes, in der neben den Diplomaten die beiderseitigen Vertreter der Wirtschaft gleichberechtigt Siz und Stimme haben. Damals eine Konferenz ohne fest umrissenes Programm, heute die Arbeitsorganisation, die in den sieben Jahren ihres Be­regelmäßige Tagung eines Organs der internationalen stehens durch die kluge Tatkraft ihres Leiters, des Genossen Albert Thomas , und durch die wachsame und energische Mitarbeit der Arbeitervertreter im Verwaltungsrat und auf politischen Wiederaufbau geworden ist. der Arbeitskonferenz ein neues organisches Glied im sozial­

Wir kennen die Grenzen der Wirksamkeit dieser neuen Organisation und wissen, daß sie nur start sein fann, wenn starte Arbeiter, Angestellten= it n d Be­amtenorganisationen in der ganzen Welt sie stüßen und sie bei ihrer täglichen Arbeit unterstüßen. Das hindert uns jedoch nicht, die Wichtigkeit dieser Einrichtung für den sozialen Fortschritt anzuerkennen und daran zu er­innern, daß das Internationale Arbeitsamt errichtet worden ist als eine Konzession an die organisierte Arbeiterklasse, die Krieges verlangte. die Anerkennung ihres Rechtes nach den Blutopfern des

erkennung ihrer Rechte nicht erfüllt. Noch fämpfen wir in Noch sind viele Wünsche der Arbeiterklasse auf An­ den verschiedenen Ländern um die Befestigung und den meiteren Ausbau des Arbeitsrechtes gegen entgegenstehende politische und wirtschaftliche Interessen. Das Internationale Arbeitsamt fann in diesem Kampfe um die Anerkennung und die Durchsetzung des Arbeitsrechts der Arbeiterklasse mertvolle Hilfe leisten. Seine bisherige Tätigkeit und seine Ergebnisse fönnen für die Arbeiterklasse nur An­iporn sein, innerhalb der Grenzen jedes einzelnen Landes ür die Durchführung der Beschlüsse der Arbeitskonferenzen zu wirken. Das ist schließlich die besondere nationale Auf­gabe der Arbeiterklasse aller im Internationalen Arbeitsamt vereinigten Länder.

Die

Arbeitsamtes. Von den 55 Staaten der Internationalen Der Berwaltungsrat beeinflußt stark die Politik des Arbeitsorganisation sind 22 durch Diplomaten oder Unter­nehmer oder Gewerkschaftsführer in ihm vertreten. großen industrieilen Staaten erhalten durch ihre Vertretung in ihm den größeren berechtigten Einfluß, auf den fie billigerweise Anspruch haben. Durch diese Zusammensetzung sichert sich der Rat die moralische Autorität, die notwendig ist, um die internationale Sozialpolitik von der Idee und den Entschließungen in die rauhe Wirklichkeit zu überführen.

Die Tagesordnung der Verwaltungsratssitzung ist dies­mal sehr umfangreich. Neben der Entgegennahme des Direktorialberichtes über die Tätigkeit des Amtes im legten Vierteljahr, der einen sehr interessanten Einblick in das viel­seitige fozialpolitische Aufgabengebiet des Amtes gewährt, hat der Verwaltungsrat eine Anzahl wichtiger Entscheidun­Fest sezung von Mindestlohnen" und die Un= gen zu treffen. Die wichtigste ist die Festlegung der Tages­ordnung für die Arbeitskonferenz für 1928. Es sollen die fallverhütung", die bereits auf der Tagesordnung für die nächstjährige Konferenz stehen, sowie die Arbeits­losenversicherung oder die Eingeborenen­arbeit zur Beratung gelangen. Die beiden letzten Fragen find für eine internationale Behandlung reif. Es dürfte nicht sehr leicht sein, zu entscheiden, welche von beiden die dringlichere ist.

Für 1929 ist zu beschließen, ob neben der bereits fest­gelegten außerordentlichen Seeleutefonferenz, auf melcher über den Achtstundentag für Seeleute, den Schutz der erfrankten und verwundeten Seeleute in den Häfen ver­handelt wird. auch noch eine ordentliche Arbeitsfon. ferenz stattfinden soll. In diesem Falle wird die Bera­tung der Kündigung des Arbeitsvertrages für Angestellte in Aussicht genommen.

Bon besonderer Bedeutung erscheint meiter der Bericht über die sozialpolitischen Beschlüsse der Weltwirt.