Bt, 47» ♦ 44. 2» Sonntag. 0. H kr» der 1427
Weltmonopole im vormarjch. Weltwirtschaftliche Rundschau.
In den letzten Monaten haben sich die Nachrichten gehäuft, daß immer gewaltigere internationale Kartelle und Monopole gebildet werden. Die beteiligten Großsirmen hüllen sich dabei in dunkles Schweigen. Es ist deshalb notwendig, über die größten Organt- sationen, soweit sie weiter ausgebaut werden, und über neue Kam- binationen, soweit ihre Ziele schon erkennbar sind, zusammensassend zu berichten. Internationale der Chemie. Die internationale Verflechtung der chemischen Im dustrie, die Schassung von nationalen Trusts mit der Absichl, sie später international auszudehnen, Beteiligung des internationalen Kapitals bei Gründung nationaler Chemtetrusts, endlich aber internationale Chemiekartelle, d. h. internationale Vereinbarungen über Patente, Produktionsmengen und Preise— all dies befindet sich heute in einem stürmischen Entwicklungsprozeß. Die chemischen Industrien Deutschlands . Englands, Frankreichs , zum Teil auch der Vereinigten Staaten sind bereits hochgradig vertrustet. Dieser Tage kam die Nachricht aus Belgien , wonach dort ein Trust, der sämtliche bedeutenden chemischen Werke des Landes limsassen soll, vor seiner Gründung stehe. Die internationalen Beteiligungen der chemischen Industrien er- weiterten sich kürzlich durch den Akttentausch der I. G. mit der norwegischen Stick st oss-Gesellschast. In Estland wurde unter englischer Führung mit Beteiligung des englischen, französischen und norwegischen Chemiekapitals ein C h e m i e t r u st gegründet. Ein früher deutsches Unternehmen mit Zl> Zweigbetrieben wurde zum Ausbau des Trusts erworben. Die größte Bc- deutung kommt aber den inlernalionalen Vereinbarungen der chemischen Industrie zu. Vor Monaten hat bereits die I. G. Bereinbarungen mit der amerikanischen Forbenindustrie getrossen. In Frankreich hat die I. G. mit einem der Großkonzerne, mit dem Kuhlman-Kon- z e r n eine weitgehende Zusammenarbeit verabredet. Am wichtigsten find freilich die Vereinbarungen mit dem englischen Grohtrust — Imperial Chemical Co.—, deren Inhalt der Oeffentlichteit immer noch vorenthalten wird. Man redet über eine auch kapitalmäßige Verflechtung, von einem Aktientausch: deutsche J.-G.-Aktien wurden, wie man Hort, vom englischen Chemietrust auf der Börse bereits in großem Umfang ausgekauft. Der englische„Eveninq Standard" will bereits von einem Riesenkartell unter Beteiligung der chemi - jchen Industrien Deutschlands , Englands, Frankreichs , Amerikas und oiollonds wissen. Das Kartell soll olle auch nur einigermaßen
nichtigen Produzenten chemischer Artikel einbeziehen und insbS sondere die Fragen des Patcntaustausches, der Produktionskoiürolle und der Preise regeln. Delttrust für Margarine. Zwei große Trusts beherrschten bisher einen großen Teil der europäischen Margarineversorgung, zwei holländisch-eng» lisch« Konzerne: Jürgens und van den Bergh. Die ur- iprünglich holländischen Gesellschaften haben zur Vergrößerung ihres Machtbcreichs englisches Kapital herangezogen. Sie beherrschen außer den holländischen und englischen auch den deutschen Margorinemarkt. Ungefähr drei Viertel der deutschen Mar- garineproduktion entfielen auf die beiden Auslandskonzerne. Die größte deutsche Tochterunternehmung des Iürgens-Konzerns ist die Deutsche Jürgens Werke chamburg mit einem Aktienkapital von 14 Millionen Mark, außerdem besitzt Jürgens in Deutschland noch sechs Margarinefabriken. Van den Bergh hat vier große und zwei klein« Fabriken in Deutschland . Sie verfügen aber mit über die größten und bedeutendsten O e l m ü h l e n, melche die(zum größten Teil eingeführten) Oelsaaten verarbeiten und den Margnrinesabriken zuführen. Etwa 40 bis 50 Proz. der Leistungsfähigkeit der deutschen Oelmühlen entfallen auf die im Besitz der beiden Konzerne befind- lichen Oelmühlen. ' Welche Kapitalmacht der Iürgens-Konzern darstellt, der im übrigen auch in Skandinavien , Frankreich , in de-- Tschechoslowakei Margarrnesabriten, außerdem in der Reifenindustrie umfangreiche Beteiligungen hat, geht daraus hervor, daß allein die holländische und die englische Iürgens-Geselllchaft ein Aktienkapital von über 330 Millionen Mark haben. Von den drei Großgesell- schaften des Dan den Bergh-Konzcrns besitzt ollein die Rotterdamer Firma«in Aktien- und Obligationenkapital von mehr als ISO Mil- lionen Mark. Der Margarinetrust und die Verbraucher. Schon die genannten Ziffern geben eine Vorstellung über den Umfang der Geschäft«, die in der Margarineindustrio gemacht werden. Nach letzten Schätzungen beläust sich die gesamte deutsche Margarine- Produktion, die dem Verbrauch ungefähr entsprechen dürfte, auf 400 000 bis 430 000 Tonnen für das Jahr 1020. Den Durchschnitts- erlös dieser Meng« bei den Fabriken, das Psund Margarine mit 65 Pf. berechnet, betrug der Jahresumsatz der Margarinefabriken etwa eine halbe Milliarde Mark, wovon 373 Millionen auf die beiden Großtonzerne entfielen. Der Lmushalt der Verbraucher wird freilich um eine viel größere Summe belastet: wenn wir eine lOprozentige Zunahme des Marganneverbrouchs gegen das Borjahr annehmen, können wir im Kleinhandel mit etwa einer Milliarde M a r k als Ausgaben der deutschen Verbraucher kür Margarine im lausenden Jahr rechnen. Wenn man die chälste der deutschen Bevölkerung' unter die Margarineoerbcaucher rechnet,
so entfallen pro Kops der Verbraucher jährlich etwa 30 bis 32 Pfund Margarine. Bei diesen Mengen ist selostverstöndlich die Preis- b i l d u n g der Margarine von größter Wichtigkeit. Immerhin war die Steigerung der Margarinepreise seit dem Kriege erheblich geringer als für andere Lebensmittel oder Industrieartikel. Kaum in einem Industriezweig ist die Senkung der Produktionskosten so früh und so erfolgreich erreicht worden, wie in der Margarineindustrie. chinzu kam der Konkurrenzkampf der Oelmühlen, der zur Berbilligung der Margarineöle führte, nicht zuletzt aber der Konkurrenzkampf der beiden Großtonzerne. Nun erfolgte kürzlich der Zusammenschluß der beiden W e l t k o n z e r n e. Die Stimmrechtsaktien der Konzerne beider Gruppen werden in ein neues internationales Syndikat eingebracht, was auf einen engen Zusammenschluß schließen läßt. Es wird sich zeigen, wieweit das Aufhören der Konkurrenz zu Preis- erhöhungen ausgenützt werden wird- Einer übermäßigen Preisstelgerung sind freilich sowohl in der Kaufkraft wie«n der Kaufbereitschaft der Berbraucher Schranken gesetzt. Bei dem Masten- konsum würde aber selbst ein« mäßige Preiserhöhung Millionen» gewinne für den Welttrust bedeuten. Meltmonopol für Kunstseide. Bekanntlich besteht zwischen den Kunstseidewelttrusts: Glanz- st o f s- Deutschland, C o u r t a u l d- England und S n i a- Italien eine Arbeitsgemeinschaft. Diese drei Trusts beherrschen 7 0 Proz. der Weltproduttion. Ein vierter Grohtrust. die holländisch« E n k a ist der Form nach von der Arbeitsgemeinschast unabhängig, in Wirklichkeit verfügen der deutsche und der englische Trust kapital- mäßig über die Mehrheit der Enka, die mit der Arbecksgemeinschaft durch Bereinbarungen verbunden ist. Was diese Trust? für die eigenen Länder bedeuten, ergibt sich aus folgenden Ziffern: Glanz- stosf beherrscht mehr als drei Viertel der deutschen , Courtauld 70 Proz ver englischen und 60 Proz. der amerikanischen durch ihre amerikanische Tochtergesellschaft), Snia 80 Proz. der italienischen Produktion. In letzter Zeit macht die Arbeltsgemeinschaft noch große An- strengungen für die Erweiterung ihres Machtbereichs. So hat stch kürzlich die Snta die italienische Varedo-Gruppe, die viertgrößte italienische Produzentin, angegliedert und steht mit der zweitgrößten, Soie de CHStillon, wegen Anschluß in Berhandlung. Außerhalb der Arbeitsgemeinschaft stehen noch die folgenden Großkonzerne: in England die British-Eelanese- Gesellschaft, di« belgische T u b i z e mit umfangreicher Produktion auch in Amerika , der Du-Pont-Konzern in den Vereinigten Staaten , der Holland «- sch« B r e d a- Konzern mit namhafter Produktion auch in Frank- reich und endlich die französischen Großkonzerne. Die sranzöstschen Großkonzerne, die Bernheim-�illed-Gruppe mit ihren Tochtergelellschosten haben im C o m p t o i r ihre gemein- same Verkaussorganisation, die übrigen Kunstseideproduzenten sind in der Union kartellmäßig zusammengeschlossen. Kürzlich wurde zwischen den beiden Gruppen: Ccmptoir und Union eine Kartell- Vereinbarung erreich!. Aus diesem Anlaß traten die Bestrebungen zur Einbeziehuna der französischen Konzerne wie auch der holländischen Breda in ein W e l t t a r t e l l in den Vorder- grund. Die französische Bernheim-Gruppa(Comptvir) steht aber in enger Verbindung mit Du Pont-Amerika. Du Pont beherrscht wieder die amenkanilche T u b lz e: der französische Anschluß dürfte deshalb die Ausgestaltung der großen Arbeitsgemeinschaft zu einem
Wcltmonopol einen großen Schritt vorwärts bringen. Der Staat und die internationale Monopolmacht. Es ist sicher, daß man in dem gewaltsamen Tempo, in dein sich heute Wellkartelle und Wellmonopole bilden, zum Teil auch Aus. Wirkungen des Weltkriegs zu erblicken hat. Wie in jedem am Krieg beteiligten Lande die Konzentration des Kapitals mächtig vorwärts getrieben wurde, well die Kosten des Krieges irgendwie bezahll und auch von den Industrien getragen werden, so geht es auch in der Weltwirtschast im ganzen. Die größten Kapitalgesellschaften der Well verbünden sich, um durch internationale Zusammenarbeit ein- mal die Wellkriegskostcn leichter tragen, in der Hauptsache aber, um sie aus schwächere Schultern leichter abwälzen zu können. Das ist auch die letzte und größte Gefahr der neuen Weltmonopole. Dabei hört der Staat zunehmend auf, noch Macht über diese Weltgebilde zu haben. Vom Herrn wird er zum Diener dieser Gebilde, wo immer nur die Staatsmacht dem Kapital zu willen ist. In dieser Tatsache beruht auch die überragende Bedeutung der Entstehung internationaler OrAdnisationcn zwischen den Staaten, wie sie der Völkerbund , seine Wirtschastekommission und sein neu geschaffener Wirtschaftsrat darstellen. Nur wird diese ihre Bc- deutung zu wenig erkannt. Die Krise des Staates, die sich aus der internationale» Organisation des Großkapitals notwendig ergibt, tonn letztlich nur international überwunden werden. Dazu ist aber die nationale Erstarkung aller demokratischen Kräfte, die national« Crstartung der arbeitenden Massen bl» zur BeHerr- schung des Staates Dorausfetzung. Dann auch ein Völkerbund der Staaten kann nur dann demokratische Ziele gegenüber dein inter - nationalen Großkapital verfolgen und erreichen, wenn die Z u- sam mensetzung internationaler Körperschaften von den arbei- tcndcn Massen der einzelnen Nationen bestimmt wird.
Eine fiuffichtsratssitzang öes Chemietrufts hat in Leuna , im Mittelpunkt seiner Stickstoff- und Oelinteressen, stattgefunden. Die mit Spannung erwarteten Mitteilungen über die beabsichtigten Kapitalerhöhungen der IG.-Fardenindustrie und die Kartellverhandlungen mit der chemischen Großindustrie Englands blieben aus. Der Aufsichtsrat hat sich, wie gewohnt, wieder meister- Haft in Schweigen gehüllt. Immerhin hat man erfahren, daß Pro- duttion und Absatz bis jetzt gegenüber dem Vor- jähr weiter gestiegen und der Geschäftsgang nach wie vor auf allen Gebieten sehr günstig ist.
Neue Sesserung öes berliner �rbeitsmarkts Wieder l;S60 Arbeitslose weniger. Die fortschreitende Besserung auf dem Berliner Arbeitsmarkt tritt in der Berichtswoche wieder zahlenmäßig recht deutlich in Erscheinung. Durch den Rückgang von 3560 Personen hat die Arbeitslosigkeit gegenwärtig einen Stand von 133 642 er- reicht. Ein Vergleich mit den Arbeitslosenzahlen von Ansang Oktober vorigen Jahres ergibt ein Weniger von über 112000 Personen. Damit wird der Grad der Besserung des Arbettsmarktes deutlich gekennzeichnet. Dt« zahlenmäßig erhöhte Abnahme der Aibeitslosigkelt dieser Woche ist um so bemerkenswerter, als andererseits auch wieder größere Zugänge zu verzeichnen sind, die sich besonders bei den schulentlassenen Jugendlichen, im Gastwirtsgewerbe und bei de» Angestellten bemerkbar machen. Allerdings muß hervorgehoben werden, daß die Jugendlichen sehr schnell von Hanvel, Gewerbe und Industrie ausgenommen werde», und im allgemeinen der Mangel an diesen Kräften nicht wesentlich behoben worden ist. Im Baugewerbe macht sich bei den Malern, Maurern und Stukkateuren «in langsames, wenn zunächst auch noch geringfügiges Steigen der Arbeitslosigkeit bemerkbar, wogegen andere Berufs- gruppen. wie Zimmerer, Ofensetzer und Glaser eine Besserung der Voschäftigungsverhältnisse aufweisen. Im allgemeinen tann bei dieser Entwicklung von einer ungünstigen Wendung im Baugewerbe bisher nicht gesprochen werden. Die größte Aufnahmefähigkeit zeigte die Metallindustrie, die allein«ine Entlastung des Arbeits- Marktes um rund 1000 Personen brachte. Land- und Forstwirtschaft sowie Lohnarbeit wechselnder Art hatten gleichfalls einen recht be- oeutenden Kräftebedarf. Gute Dermittlungstätigkeit weisen auch das Spinnstoff- und Bekleidungsgewerbe, Holz- und Schnitzstoff- gewerbe und das Handels- und Berkehrsgewerbc aus. Es waren 133 642 Personen bei den Arbettsnachwelsen ein- getragen gegen 141 202 der Vorwoche. Darunter befanden sich 01 863(03 426) männliche und 43 779(45 776) wribliche Personen. Erwerbslosenunter st ützung bezogen 39 342(41 801> männliche und 14 043(16 415) weiblich«, insgesamt 54 283(38 2l6> Personen. Außerdem wurden noch 22 527(21 632) Personen durch die Erwerbslosenhilse der Stadtgemeinde Berlin und 17 600(18 840) Personen durch die Krisenfürsorgc unterstützt. Bei Notstandsarbeiten wurden 3036(4800) Personen beschäftigt. Die deutsche öiunenschiffahrt. Der Stand der deutschen Flußschifflotte. In Duisburg hat die Hauptversammlung des Zentrolvereins für deutsche Binnenschissohrt stattgejuaden. Der Rückgang des Per- kehrs gegenüber der Vorkriegszeit, die Ablieferung eines Teiles der deutschen Binnenflotte durch den Bersailler Bertrag und die scharf«
Berkehr« konkurrenz d?r Reichsbahn haben die Lage der deutschen Binnenschiffahrt zeitweise erschwert. Ihre Unternehmer haben denn auch öffentliche Subventionen in Form öon verbilligten
Krediten durchgesetzt. In„Wirtschast und Statistik" gibt das Statistische Reichsowt einen Ueberblick über die deutsch « Binnenflott«. Daraus ergibt sich, daß die Zahl der deutschen Flußschiff«, auf das jetzige Reichsgebiet bezogen, gegenüber 1012 um 14,4 Proz. zurückbleibt, daß aber die Gesamt»ragsähigkeit— und auf die kommt es au— doch um 0,2 Proz. größer ist als 1912. Allerdings ist der Anteil der 13 Jahre alten Schiffe gegenüber der Vorkriegszeit von einem Drittel auf drei Viertel der Gefnmttrogsähigkeit gestiegen. Weiter ergibt sich die interessante Totsache, daß sich der Schwerpunkt des Binnenschiffahrtoerkehrs stark nach den w e st l i ch e n Stromgebieten oerschoben hat. Bor allem sahren im Rheingebiet weitaus die größten Schisse. Während auf der Oder, der Elbe und den märkischen Wasser- straßen 13 653 Schisse mit 3,50 Millionen Tonnen stationiert sind, tressen auf das Rheingcbiet nur 3333 Schisse, die aber eine Lade- sähigkeit von 2,27 Millionen Tonnen haben. Aus der Duisburger Tagung wurden insbesondere die gleich- mäßige Ausgestaltung aller«rfügbaren Verkehrsmittel unter staatlicher Führung, der Schutz der Binnenschissahrt vor U c b e r- griffen der Deutschen Reichsbahn ,»ud die einheitliche Leitung der gesamten deutschen Wasserstraßenverwaltung durch dos Reich gefordert. Der Großhandelsindex. Die auf den Stichtag des 3. Oktober berechnete Großhandolsinderzisfer des Statistischen Reichsamts bc- trägt 130,8 gegen 130,0 in der Vorwoche. Die Gesamtindexziffer war demnach gegenüber der Vorwoche nahezu unverändert. Von den Hauptgruppen hat die Indexziffer der A g r a r st o f f e um 0,4 Proz. nachgegeben Gleichzeitig hat die Indexziffer für Kolonial- waren um 0,3 Proz. angezogen. Die Indcrzisfcr der industrielle» Rohstoffe und Halbwaren weist den gleichen Stand wie in der Vorwoche auf, während diejenige der industriellen Fertigware» um OL Proz. g e st i e g e n ist. 3m Monatsdurchschnitt September ist die Großhondclsindexzisser von 1Z7.9 aus 139,7 gestiegen.
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