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Sonntag

9. Oktober 1927

Unterhaltung und Wissen

Moskauer Ketzergericht.

Beilage des Vorwärts

Fröhlicher Herbst.

Nicht Glanz und Pracht sind unfres Kampfes Krönung,

Mur brauner Herbst im klirrenden Geäft,

Von dunklen Früchten hie und da ein Rest Und Duft ringsum von Klarheit und Versöhnung.

Berbannte wir vom warmgefügten Neft Erliffen lange Trübsal und Verhöhnung Und trugen es in langsamer Gewöhnung Und wurden stolzdurchglüht und lebensfeft. Wir tauchen in die kühle Himmelsbläue Nun unsre fühlgewordnen Augen ein Und freuen uns der bleibenden Gestalt,

Die über allem Wandel stets aufs neue

Uns grünt aus Blätterwirbel, Baum und Stein, Und werden fodesreif im Lebenswald.

D. Luschnat.

Trotzki

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Stalin

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كا

نالے

Das Kind.

Bon Antal Farkas.

( Einzig berechtigte Ueberfegung aus dem Ungarischen von Maurus Mezei, Wien .)

Als sie das Theater, das Trabrennen, die Riviera und die Glücksversuche in Monte Carlo schon sattbekommen hatten, fehrten fie in die Hauptstadt zurück und gähnten gelangweilt. Dem Mann oder der Frau fiel es da ein, daß ein Kind im Hause sehr gut wäre. ( Der Papagei war vergangene Woche eingegangen. Er züchtet auch übrigens viele Banzen.) Der Hund ist ein fluges, manierliches Wesen, man kann ihn selbst im Salon schlafen lassen, das ist wahr aber ein Hund ist ja doch kein Kind. Sie fanden heraus, daß das Lebensziel des Menschen das Großziehen von Nachkommen ist. Warum sollen nach ihrem Tode ihre Verwandten nach ihnen erben, menn das auch ihr Kind tun fann?

"

-

Woher sollen wir aber ein Kind nehmen, wenn uns einmal der liebe Gott feines geschenkt hat?"

In den Zeitungen wird oft inseriert, daß Kinder an Kindes­ftatt abgegeben merden."

..Das ist nicht gut. Dessen Eltern pumpen einen das ganze Leben hindurch an."

,, Nehmen wir also eines aus dem Findelhaus."

,, Auch das ist schwer. Wer weiß, wer die Eltern waren und mas für ererbte seelische oder förperliche Krankheiten es ins Haus mitbringt."

Du haft recht."

Ich sage dir etwas anderes. Du hast doch schon von meinem unglücklichen Bruder Josef gehört, nicht wahr? Dieser hat Kinder und ich glaube, er hätte nichts dagegen, wenn mir eines davon adoptieren mürben."

Shr seid doch böfe miteinander!"

Wir werden das auch weiterhin sein, ich will mich auch gar nicht mit ihm aussöhnen. Eines von seinen Rindern fann er uns aber trotzdem geben."

Josef hatte eine große Familie, mar aber ein armer Mensch. Das Unglück verfolgte ihn, seine schlechte, leichtfertige Natur er­leichterte aber noch die Arbeit des Unglücks: er vertrant, verspielte fein Bermögen, feine Stellung; so fristete er fümmerlich sein Leben von einem Tag zum anderen, und er war derart zerlumpt, daß man fich mit ihm am hellen Tag nicht einmal in ein Gespräch einlaffen tonnte. Ein oder zweimal fleideten sie ihn an, perhalfen ihm zu einer Stellung: es half nichts.

Er hatte wundervolle Kinder.

So geschah es dann auch. Sie nahmen dem Josef einen Buben meg, den dreijährigen Paul. Er war ein verständiger Junge. Die Züge der Familie besaß er; ein jeder fonnte glauben, daß es ihr eigenes Kind ist. Paul grämte sich anfangs sehr nach seiner Mama, feinem Papa und nach seinen Spielgefährten von der Straße. Er wäre gern barfuß gelaufen, unordentlich gewesen, das hatte aber ein Ende. Er befam schöne, neue Kleider, wie er sie bisher nur in den Schaufenstern gesehen hatte. Sie machten aus ihm ein feines, vornehmes kleines Kind, das sich zu jedem Augenblick so benehmen

mußte, wie man es ihm befahl.

Man lehrte ihn auch, daß dieser neue Onkel sein Papa, die neue Tante feine Mama ist. Seine fleinen Geschwister konnte er nicht mehr sehen.

,, Die Hauptsache ist," sprach der neue Papa, daß jene um gebung nicht mehr in Baulchens Nähe komme. Er wird sie schon bergessen."

Gott behüte, daß er sie wiederfieht. Er ist noch ein fleines Kind, jezt kann er sie noch vergessen, bis er heranwächst, wird er mit Leib und Seele der unsere sein."

1leber Baulchen gab es feine Klage.

Nach einigen Monaten hatte er sich in die neue Umgebung hineingelebt. Man führte ihn spazieren. Er trippelte stolz vor Bapa und Mama einher, mit seinem schönen Spazierstöckchen rhythmisch auf den Gebsteig flopfend. Die Borbeigehenden fonnten sich der Bemerkung nicht enthalten:

..Ein schönes Kind hat dieses Ehepaar! Gie fönnen es wahrlich nicht ableugnen, daß es ihnen gehört."

Sie hörten es und waren stolz über diese Bemerkung. Er ist also ein schöner Bub und jeder hält ihn für ihr Kind. Das genügte schon zur Glückseligkeit.

Baulchen schaute voll Interesse den sich auf der Straße über mütig herumtreibenden barfüßigen Kindern zu. Er blieb auch stehen, aber man rief ihm zu:

Bleib nicht stehen, mein Liebling. Geh' nur schön vorwärts." Baulchen gehorchte. Dann faßten seine Füße vor einer Schente Wurzel. Eine heisere, streitfüchtige Stimme war von drinnen zu vernehmen, doch Baulchen tam diese Stimme sehr bekannt vor.

Der Bapa trat rasch auf ihn zu und nahm ihn bei der Hand: ,, Borwärts, Baulchen. Wir gehen in den Tiergarten." Die Mama jagte:

,, Bon nun an werden wir nur noch im Auto spazierenfahren."

*

Sie spielten im Salon. Die Mama las Verse aus dem Bilder buch vor und Baulchen hörte ihr zu. Dann rief er auf jedes einzelne

Scholem

Ruth Fischer

SINOWJEW

Papst Stalin : Du aber, Erzketer Leo Troßki, der du die Macht des hl. Efti und des hl. Agitprop geschmäht, sei verflucht im Namen der Komintern , der Profintern und des Narkomindel!"

Bild: das ist dieses, das jenes Tier. Das ist ein Hund, dieses ein Eichhörnchen, jenes ein Wolf, das ein Fuchs.

jemanden ein:

In diesem Augenblid war aus dem Borzimmer der Lärm eines Streites zu vernehmen. Der Papa fchrie erregt mehrmals auf ,, Somm mir nicht mehr hierher! Mach', daß du weiter. tommit!... Ich habe dir den Breis bezahlt, er geht dich nichts mehr an!... Ich zeige ihn dir nicht einmal! Marsch hinaus, sonst hole ich einen Schußmann!"

Auch die Worte des anderen waren bis hinein zu vernehmen: ,, Das Kind gehört mir!... 3hr habt kein Anrecht darauf! Ich will es haben!. Ich nehme es mit!"

Paulchen erhob den Kopf. Die Stimme tam ihm sehr bekannt vor. Er lief zur Türe, aber die neue Mama nahm ihn auf den Arm. Romm, mein fleines Söhnchen, in das andere Zimmer auf deinem Schaukelpferd reiten!"

Sie trug das Kind durch zwei oder drei Zimmer, und als ter neue Papa zu ihnen eintrat, lief Baulchen auf ihn zu, umarmte feine Knie und fragte ihn:

Papa, wer war das?"

Der neue Papa und die neue Mama sahen einander an. Der neue Papa log als erster:

,, Niemand, mein Kind, mur... nur so ein Mensch..." Das Herz des fleinen Jungen fühlte diese Lüge heraus.

*

rat G.

In einem Gewühl englisch aufgemachier, aber unverfäljdy deutsch aussehenber Ladys und einiger Herren, die sich nach Ablegung aller nationalen Eigentümlichkeiten einen fleinen Bauch als Remi­niizenz ans liebe Baterland bewahrt hatten, traf ich den Geheim­G. ist ein alter Elefantenjäger aus Deutsch - Dft, mor auch Be girtsamimann und spricht Kifuaheli mie andere Leute platidentic). Er macht aber wenig Gebrauch von seinen feltenen Fähigkeiten und schnauzt die Damen an wie najfe Säde, wenn sie ihn nach den Gefahren der Wildnis" ausfragen wollen.

Eine besondere Borliebe hat er für botanische Gärten, überall, wo unser Schiff angelegt hat, habe ich mit ihm ben botanischen Garten aufgefucht Wenn einer da war. Hier in Walfischbai mußte G.s Intereffe für botanische Gärten einen schweren Rückschlag erleiden( auf den er allerdings gefaßt war). Immerhin konnte er nicht ahnen, daß Walfischbai eigentlich nur aus Sand besteht, in den einige Steinhäuser vorsichtig gesetzt sind.

Dafür hatten wir diesmal eine andere Sensation, es gibt hier, nicht weit von der Anlegestelle des Dampfers, eine alfischstation. Als mir durch den Sand wateten, mortete unser noch eine Pointe, die ich nicht vergessen will anzuführen.

Irgendein Gehirn, das nicht ohne Blumen leben kann, hatte sich ausgedacht, im trostlosen Sand eine Allee zu pflanzen. Da im Sand feine Wurzel festhält, die Hize alles verschlingt, was grün ift, war er auf die Idee gekommen, Bäumchen in Fässer zu pflanzen und diese Fässer in Parade nebeneinander zu stellen, als wären es, uralte Linden, unter deren Wipfeln sich das frohe Bolfsleben ab­spielt. Es war rührend, traurig und schaurig zugleich. Wüfte mit.

Sie fuhren in einem Auto einkaufen. Vor dem Geschäft blieb Laube. Wüste mit Blumenbeet. der Wagen stehen. Der neue Papa und die neue Mama gingen hinein. Sie sagten zu Baulchen, den sie im Auto ließen:

,, Bleib hier figen, Kindchen, steig' nicht hinunter, sprich zu niemandem."

Nach einer halben Stunde traten sie aus dem Geschäft. Da fagte der neue Papa zu der neuen Mama: ,, Schau doch nur!"

Baulchen stand im Wagen und umarmte den Hals des neben ihm stehenden verkommenen Mannes. Er weinte.

Der verkommene Mann verschwand unter einem Augenblick. Der neue Papa und die neue Mama traten zu dem Auto. Die Augen des kleinen Jungen waren voll Tränen, aber er lachte trotz dem, er lachte sehr, der Arme.

es!

Borüber freust du dich so sehr, mein Kind?" fragten sie ihn.

,, Ueber

über euch!"

,, Wer war jener Mann, mit dem du gesprochen hast? Nun, sag' Wir werden dir deshalb nicht böse sein, sag' es nur." ,, Das?... nur... nur so ein Mensch..

"

Bon weitem fahen wir die Umrisse eines vordiluvialen Tieres. Er ist es. Er ist es nicht. G. zweifelte, weil er meinte, es sei jetzt

feine Saison. Er war es aber doch. Als wir näher tamen, waren es drei, dann vier, dann fünf. Es war ein riesiger Fangtag, denn es mar nicht nur Saison, sondern Hochsaison für Walfischfang. Che ich es vergesse. Zur Charakteristik des hervorragenden Gemütes unserer Mitmenschen und ein Beitrag zu dem Thema Der Mensch ist gut". Walfischhochsaifon ist dann, wenn die Walfische fich paaren. Sie fommen zu zweien und zweien, Männchen und Weib­chen, hochzeiternd und liebegirrend aus den füdlichen talten Meeren in die subtropischen Gewäffer. Manchmal ist auch, Grudyt junger Liebe, ein Pleines Walfischlein dabei. Diese Beit größter Harmlosia­feit harmloser Riesen benutzt man, um ihnen Granaten in den meichen Bauch zu schießen, die an einer Harpune hefestigt find. Die Harpune wird, wie männiglich bekannt, aus einer Kanone geschoffen, alles ist prachtvoll nach neuestem amerikanischen System eingerichtet. Die Zeit, die man zur Tötung eines Walfifches braucht, ist auf das größtmöglichste Minimum beschränkt.

Die Rationalisierung des Morbes muß aber der Rationalisie­rung des Zerlegens beschämt weichen. In einer halben Stunde tropft der Koloß eines Riefentieres in dicken Fleischfeßen aus Röstschalen und in schwerbäuchige Kessel, aus denen man nur als Leberiran er­

Ich gebe den Buben morgen feinem Bater zurüd," sagte der stehen kann.

neue Bapa.

Warum?"

"

Wir standen am Rande eines Bluttees und beobachteten, wie einer der mit langen, scharfen Bartisanen bewehrten Walfischknechte an einem wabbelnden Leichnam herumfäbefte. Es ist merfmürdig

,, Es gefällt mir nicht, daß er so flein ist und schon so lügt mie zu sehen, wie sich die fauftdicke Fettschicht leicht abpellen läßt, man hat ein Erwachsener."

Walfischs Tod.

Bon Richard Huelsenbed.

alfisch bai, im Juni. Hat mit Aases Tod nichts zu tun, auch nicht mit der Edda oder einem Drama von Richard Wagner , sondern ist eine Wirklichkeit, fogar eine sehr banale, schrecklich schmierige, etwas ekelhafte Wirt lichkeit.

Als wir in Walfischbai einliefen, tamen die deutschen Kolo­nisten in solchen Scharen an Bord, daß man faun die Salontreppen auf das Betriebsded hinabsteigen fonnte.

das Gefühl, ein Pfirsich wird entfernt.

Die Walfischtnechte sind Norweger, die mit stumpfen, sturen Gesichtern auf den Walfisch einschneiden. Es ist ihnen nichts Neues mehr, fie fäbeln, weil sie Geld friegen, ob es Malfische oder Meer­Schweinchen find.

Einen Stoß in den Bauch, und eine Tonne Blut ergießt sich auf den hölzernen Gleitboden. Wir weichen entsetzt.

Das Berlegen nimmt Tempo an, man hört. Das Gefnatter von Winschen, Ketten flirren und werden herbeigeschleppt, elserne Hafen werden an den stückweis abgezogenen Fettschichten eingefekt. Eine Schicht nach der anderen wird maschinell abgezogen, es bleibt nichts als ein armseliges Walfischinustelbündel. Nur am Kopf, um das winzige Auge ist ein Stüd Haut stehen geblieben.

Der Walfisch macht noch einen legten Angriff auf die Mensch­heit, er sucht sie durch einen schrecklichen Gestank in die Flucht zu schlagen, aber die erfahrenen Mordgesellen lächeln nur. Hartleys