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Sozialversicherung. Der Generalrat der belgischen Arbeiterpartei wird sich mit den Problemen in dieser Woche beschäftigen. Auch von seinem Beschluß dürfte es abhängen, ob die gegenwärtige Regierungskoalition noch während emer weiteren Parlamentssession aufrecht bleibt oder nicht.

Keuüell als Vormund des Reichskanzlers. Crr übernimmt die Verantwortung und wartet , auf die zweite Instanz. Herr v. K e u d e l l sendet uns mit der Bitte um Abdruck folgenden Brief, den er an die Redaktion desJungdeutschen" gerichtet hat: Auf die Angriffe gegen den Herrn Reichskanzler wegen seiner Erklärung im Reichstag über Herrn von Tresckow spreche ich die Bitte aus, nach Möglichkeit die Person des Herrn Reichskanzlers aus dem Kreis der Erörterungen herauszulassen. Der Herr Reichs- kanzler hat die betreffende Erklärung auf Grund von Unterrichtung durch mich und eine andere Stelle abgegeben. Ich stelle daher anheim, entsprechende Presseartikel gegen m i ch zu richten. Eine Aeußerung zur Sache muß ich im übrigen vor der Der- Handlung 2. Instanz ablehnen. Diese Erklärung wird weder Herrn Marx noch Herrn v. Keudell etwas nützen. Herr v. Keudell kostümiert sich als Moeros in Schillers Bürgschaft: Mich, Henker." ruft er,«erwürget! Ich bin es, für den er gebürget." Daß Marx feine Erklärung abgegeben hat, um feinen schwer bedrängten Bürgerblockkollegen v. Keudell zu decken und daß er von diesem falsch unterrichtet worden war, ist uns nicht neu. Reu ist uns dagegen, daß ein Reichsminister dem Reichskanzler die Verantwortung für seine Aeußerungen abnehmen kann. Herr v. Keudell nimmt aber dem Reichskanzler nicht nur die Verantwortung ab, sondern auch die Entscheidung. Aum mindesten versucht er, die Ehrenerklärung, die der Reichskanzler dem zu Unrecht von ihm angegriffenen Herrn v. Tresckow längst schuldet, Durch den Hinweis auf die Ver- Handlung zweiter Instanz zu verhindern. Herr Marx, der sich auf einer Reise durch das besetzte Gebiet befindet, hat sich zu dieser Angelegenheit noch nicht geäußert: der Entschluß, Herrn v. Tresckow unter formaljlinstischen Vorwänden die Genugtuung zu verweigern, stammt nicht von ihm, sondern von Herrn v. Keudell, der damit in seiner eigenen Sache zu seinen eigenen Gunsten entschieden hat. * Der Schriftleiter derDeutschen Zeitung", Hans v. S o d e n st e r n, der in die Affäre Tresckow verwickelt war, sendet uns zu unserem AufsatzMarx hat das Wort"(Nr. 48V desVorwärts") nachstehende Berichtigung: Es ist unwahr, daß von Sodenstern weg«n Beleidigung von Tresckow '? verurteilt wurde. Wahr ist vielmehr, daß der Prozeß von Tresckow von Soden- stern durch einen Vergleich beendet wurde. An unserer sachlichen Kritik ändert die Berichtigung wenig. Der Vergleich, auf Grund dessen Tresckow die Klage gegen Sodenstern zurückzog, erfolgte, nachdem der letztere eine Erklärung nachstehenden Inhalts abgegeben hatte: DieDeutsch « Zeitung" hat das Material für ihre Berwürs« des schweren Dertrauensbruchs gegen Herrn von Tresckow ledig- lich aus der Erklärung des R« i ch s k a n z l e r s Dr. Marx in der Sitzung des Reichstags vom 11. Februar 1927 entnommen. Das Material, das dem Herrn Reichskanzler zu seiner Erklärung zur Verfügung gestanden hat, entzieht stch der Kenntnis derDeutschen Zeitung". DieDeutsche Zeitung" hat seinerzeit die Mitteilung lediglich aus publizistischen Gründen gebrocht, ohne dadurch persönlich Herrn von Tresckow nähertreten zu wollen. Nach dieser Ehrenerklärung blieb Herrn o. Tresckow schließlich gar nichts mehr übrig, als seine Klage gegen Soden- stern zurückzuziehen.

».von roten Ketten macht euch frei../ Völkischer Bolschewistenschreck.. Die Wahlerfolge der Sozialdemokratie während der letzten Tage bereiten den Rechtsparteien begreifliche Unruhe. Wenige sprechen das offen aus. So schreibt O t t o v. S ch i l- l i n g in derDeutschen Zeitung": Wir kommen nicht drum herum. Di« Wahlergebnisse in Hamburg und in Königsberg bedeuten schwer« Niederlogen der bürgerlichen Parteien oder, anders ausgedrückt, sehr beachtliche Erfolge der Sozialdemokraten und der Kommunisten. Da hilft kein Erklären, Beschwichtigen und Beschönigen, die Tatsache ist unbestreitbar, daß die rote Flut wieder in starkem A n- schwellen ist. Nächstes Jahr haben wir Reichstagswahlen, und mit ernster Sorge denken wir deshalb schon jetzt daran, was sie uns bringen werden. Was werden die Reaktionäre dagegen tun? Die Parole derDeutschen Zeitung" ist einfach und energisch: Immer feste druff. Anstatt in dem Reinfall der Bürgerlichen ein Snmptom des Stimmungsumschwunges bei den irregeführten Wählermassen zu sehen, malt man das Schreckgespenst des Bolschewismus an die Wand, um zu zeigen, daß nur die kraftmeierische Geste in der Außenpolitik und der rücksichtslose Kampf gegen den Sozialismus helfen kann. Das ist echt deutschnationale Mache. Nur daß sie etwas abgegriffen ist. Der Deutschen Bolkspartei, die früher mit dem MottoVonrotenKettenmachteuch frei" den Wahltampf führte, hat diese Methode auch nichts genutzt. Sie wird den Deutschnationalen erst recht nichts nützen, nachdem gerade die Politik dieser Partei die Unfähig- keit der Reaktion in geradezu klassischer Weise erwiesen hat.

Beratung üer Strafrechtsreform. Das Problem desVersuchs". Der Strafgesetzausschuß des Reichstags beschäftigte sich in mehreren Sitzungen mit den Bestimmungen des Strafgesetz- entwürfe über den Begriff des Versuchs einer strafbaren Handlung. Nach§ 26 soll wegen Versuchs und deshalb milder als wegen einer vollendeten Straftat derjenige bestraft werden, der den Entschluß, eine mit Strafe bedrohte Tat zu begehen, durch Hand- lungen betätigt, die den Anfang der Ausführung bilden oder nach dem Sachverhall, den er sich vorstellt, bilden würden. Danach soll es ' In, allgemeinen nur darauf ankommen, ob der Täter annimmt, ein« Handlung zu begehen, die den Anfang der Ausführung einer Straftat darstellt. Nur wenn der Versuch schon wegen der Art des vom Täter ausersehenen Mittels oder Gegenstandes überhaupt nicht zur Vollendung kommen tonnte, soll nach dem Entwurf das Gericht die Strafe nach freiem Ermessen mildern und in besonders leichten Fällen von Strafe absehen können. Schon die Berichterstatter H a m p e(Wp.) und E m m i n g e r (Bayr. Bv.) hallen gegen diese Bestimmung Bedenken geäußert. Genosse Dr. Levi begrünbete die zu Z 26 gestellten sozial- demotratischenAbändcruiigeanträge.bie ähnlich den demokratischen und kommunistischon das Ziel verfolgten, völlige Straffreiheit eintreten zu lassen, wenn jemand einen Versuch mit absolut untauglichen Mitteln am absolut un« tauglichen Objekt gemacht hatte. Unser Genosse führt» aus, daß der langjährigen Rechtsprechung des Reichsgericht» ein End« gemacht werden müsse, nach weicher eine Frau schon strafbar sei, wenn sie stch irrigerweise für schwanger halte und harmlosen T«e als Abtreibungsmittel benutze. Gewiß zeigten absolut untaugliche Versuche manchmal eine sehr verwerflich« Gesinnung, z. B. wenn jemand bei beabsichtigtem Giftmord Gift kaufen wolle, aber vom Apotheker irrtümlich eine unschuldige Arznei erhalle und diese einem anderen ins Essen misch«. Gewiß verdien« solch ein Mann Straf «, es fei aber besser, wenn zehn frei herumliefen, von denen man sage, daß sie ins Zuchthaus gehörten, als daß einer ins Zuchthaus komme, von dem man nach dem Rechtsempfinden des Volkes sagen müsse, daß seine Bestrafung eine unerträgliche Härte darstelle. Abg. Schulte(Ztr.) bezeichnete es als unerträglich,«inen Verbrecher straffrei zu lassen, weil etwa der erbrochene Kassenschrant

zufällig leer sei oder well der Angegriffene kein Geld bei sich habe. Die Entscheidung müsse dem freien richterlichen Ermessen überlassen bleiben. Abg. K o e n e n(Komm.) widersprach der Erweiterung des freien richterlichen Ermessens und verlangte beim untauglichen Ver- such völlige Straffreiheit. Winisterialdirektor B u m k e verteidigte den Gesetzentwurf mit dem Hinweis darauf, daß dieselben Bestim- mungen auch in den modern st en Gesetzen anderer Länder enthalten seien. Abg. Wunderlich(Lp.) bezeichnete die Einführung de« freien richterlichen Ermessens als ein Danaer- gescheut für die Richter. Genosse Landsberg stimmte ihm zu und hob hervor, daß eine klare Stellungnahme im Gesetz selbst erforderlich sei. Die Ver- Weisung auf das freie richterliche Ermessen sei die denk- bar unglücklich st« Lösung, sie sei auch des Gesetzgebers nicht würdig, da er entscheiden müsse und die Entscheidung nicht dem Richter überlassen dürfe. Der Gesetzgeber dürfe nicht vor der Konsequenz seiner eigenen Auffassung zurückscheuen. Bei der Abstimmung wurden die sozialdemokratischen, demo- kratischen und kommunistischen Anträge nur mtt geringer Mehrheit abgelehnt. Schließlich wurde nach Annahme eines Zentrums- antrag». der nur geringe Verbesserungen brachte, der Z 26 in der Gesamtabstimmung mit der knappen Mehrheit von 13 gegen 12 Stimmen angenommen, bei Stimmenchaltung eines Volks- parteilers und der beiden Vertreter der Wirtschaftspartei.

tzinter verschloffenen Türen. Nichtöffentliche Sitzung des bayerischen Unter- fuchungsausschusseö. München , 12. Oktober. (Eigenbericht.) Der Untersuchungsausschuß des Landtages setzte am Mittwoch nachmittag seine Verhandlungen in nichtöffent- licher Sitzung fort. Der Zweck dieser Sitzung war. aus den Akten gewisse außenpolttische Fragen im Zusammenhang mit der Hitler-Bewegung, die im Frühjahr 1923 spielte, zu klären. Eingangs der Sitzung entspann sich eine längere Geschäftsordnungsdebatte über die Frage der Zulassung von Landtagsmitgliedern als Zuhörer. Gegen drei Stimmen, darunter die sozialdemokratischen, wurde be- schlössen, auf Grund des der Geschäftsordnung neu eingefügten§ 27 die als Zuhörer anwesenden kommunistischen Abgeordne- ten auszuschließen. Dieser Paragraph, der durch den Be- schluß des Landtages am 29. Juli 1924 gegen die Sozialdemokratische Fraktion der Geschäftsordnung eingesügt wurde, hat folgenden Wort- laut:Bei Ausschluß oder Beschränkung der Oeffentlichkett sind Land- tagsmitglieder nicht zuzulassen, die die Geheimhallung der Beratung nicht gewährleisten." Der erfolgte Ausschluß der Kommunisten aus dem Untersuchungsausschuß ist die erst« Anwendung der neu ge- schaffenen Geschäftsordnung. Nach dreistündiger Verhandlung ver- tagte sich der Ausschuß auf Donnerstag.

Monarchistifthe Neickswehr-Kunügebung. Dererhabene Regimentschef". , Hannover , 12. Oktober. Der Regimentstag der ehemaligen Königsulanen, der in Anwesenheit der Traditionseskadron de« Reichswehrregiments 13 und vieler Reichswehroffiziere stattfand, wurde zu einer provokato- tischen monarchistischen Demonstration mißbraucht. Oberleutnant a. D. o. Rotzmer bracht« ein Hoch auf da» Regiment und denerhabenen Regimentsches" den Flüchtling van Doorn au». Dieser konnte natürlich es sich auch nicht ver- kneifen, einen Kranz beim Denkmal niederlegen zu lassen und in einem Begrüßungstelegramm die Gefallenen zu preisen, die ihr Lebenfür König und Vaterland" hingegeben hätten. Ein Teil der Feierlichkeiten, die im Zeichen dieser Monorchistentundgebung standen, fand auf dem Hofe der Reichswehrkasern« statt. Die Teil- nähme der Reichswehrosfiziere steht in striktem Gegensatz zu dem Erlaß des Reichswehrministers, der sie an solchen Kundgebungen verbietet. Oder sollte die Defehlsgewall des Chef» der Wehrmacht an den Toren von Hannooer hall machen? Die republikanische Be- völkerung empfindet jedenfalls dies« Parteinahme der Reichswehr als eine Herausforderung.

Ver große öeginn. Kenzertumschau von Kurt Singer . Das ist nun der Brauch von altersher: wenn der Leiter der großen Philhormonischen Konz er te zum erstenmal wieder den Stab erhebt, dann ist die Berliner Saison eröffnet. So war es bei Rikijch, so bei Furtwängler . Dieses Logen, und Parkettpublikum ist zwar sicher nicht das ideal-musikalische. Ein gut Teil sogenannter aesellschastlicher Verpflichtung zwingt die Leute zum Konzertbesuch. Wer die Feierlichkeit der Erwartung ist groß, und dieser Stimungoeindruck haftet lange. Furtwängler hat für dieses Publikum das entsprechende Programm zusammengestellt. Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen. Der eine liebtseinen" Strauß, der ander« Haydn und Beethoven , der letzte eine Rouveautö. Im ersten philharmonischen Konzert ist für alle und alles gesorgt, keiner kommt zu kurz. Furtwängler ist ein viel zu vornehmer, strl- kundiger, erlesener Musiker, als daß er solch« Buntheit anders denn als Einjührung gutheißt. Das Gesetz der Agentur und de» Publi- kums-Hungers zwingt ihm ja außerdem dl« Solisten aus. Mtt Elisabeth Rethberg kennt« man zufrieden sein: eine reine, glockenklare, jubelnde Stimme, ein wundervoller Ausgleich der Register, ein in derab pei'kicko"-Arie noch kühles, bei Richard Strauß ausblühendes Temperament! Stärker als Prokofiefss inter­essante, fröhliche Ballett-SuiteChout", stärker auch als Straußens Tod und Verklärung ", bei dessen Interpretierung der Dirigent manche veraltete Staubigkett großartig wegblies stärker fesselte dir Es-Dirr-Sinjonie Haydns. Das war wirklich eine Meisterleiswng Furtwängler?. So zart, so filigranartig, so aus dem Musikgeist des 18. Jahrhunderts herausgearbeitet, erklang dieses Stück noch selten. Arbeit" ist das falsche Wort. Diese tänzerische Musik schwebte mit letzter Grazie dahin, die Einheitlichkeit der Streicher war nicht zu überbieten, und der tiefe, träumerische Atem des Andante wuchs sich zu einem Bekenntnis aus. Furtwängler verdiente für dieses Werk, für diese Leistung einer überlegenen Beherrschung, einer liebe» vollen Wärme, einer posenlosen Gestaltung den beherzten Beifall. der ihm zugetragen wurde. Bei Emil B o h n k e erklang die Ouvertüre.Donna Diana " von Reznicek sehr elegant und schmissig. Man war gespannt auf die beide» Uraufführungen, für die sick ja der strebsame, eifernde Kapellmeister unentwegt einsetzt. Leider zwei fürchterliche Rieten, zwei Ausgeburten steriler Phantasie und dilettantischer Richtkonnerei. Dos Publikum langweille sich trotz seiner Gutmütigkeit(und der Name des Komponisten sei wegen der Gutmütigkett des Kritikers in Ehren oerschwiegen). Frieda Siemens fehlt vielleicht jener Schwung im Klavicrspiel, der den großen Virtuosen kennzeichnet. Was sie aber im Schumannschen Klavierkonzert.A-Moll zeigte, war beachtliches Können, sichere Technik, gesanglicher Ton, rhythmische Präzision. Und das ist bei diesem schweren Werk schon recht viel. Das russische Domra- Quartett, unter Führung des Proscssors Ljubimow ließ sich, nach seinem Erfolg bei der Frankfurter Musikausstellung, auäi bei uns hören. Die Darbietungen haben vor- wiegend ethnographisches Interesse Die Zupfinstrumente tDomra, Surna, Kemantscha) werden virtuos gespielt, teils im Quartett russischer Volkslieder, teils als Begleitung zu Gesängen, die aus der

Bühne vonstatten gehen. Eine Monotonie macht sich brett, auch wenn noch so echt und natürlich gesungen, getanzt wird. Großruß- land, Weißrußland , Krim sind im Hintergrund des Podiums beut- licher gemalt, als im Lied spezifisch gekennzeichnet. In der ersten Hälfte des überlangen, von den Landsleuten des Moskauer staot- sichen Ensemble? sehr beifällig aufgenommenen Programms inter - essierte am stärksten jener junge Mensch(Rowizkij), der mit un­glaublicher Eleganz und Sicherheit die Zimbel schlug. Das zu sehen und zu hören war ein Genuß, der eben über das Maß Wissenschaft- licher Freude weit hinausging. Das Einführungsprogramm derDoltsbühnen"-Konzerte bestritt Heinrich S ch l u s n u s, über dessen Qualität als Lieder- und Ariensänger erst vor acht Tagen an diese? Stelle berichtet wurde. Die Stimmung, die sein Gesang trägt, überträgt sich auf den Hörer. Eine bessere Sonntagmorgenfeier braucht nicht ersonnen zu werdest. Dennoch möge eine Lied-Matinee m den Konzerten der Volksbühne vereinzelt bleiben. Ueber ihre eigentlichen Ausgaben gibt dos Pro- grammheft vernünftige Auskunft. Aber zwischen diegroßen" Konzerte muß wohl ausBilligkettsaründen" einmal ein kleines eingeschoben werden. Di«Iohonnes-Passion" folgt noch in diesem Monat. Es wäre zu empfehlen, daß zur Erleichterung des Ver- ständnisses regelmäßig Einsührungsworte gesprochen, nicht nur geschrieben werden. Die 15jährige Lily Dymont, früher Schülerin von Jenny Krause, jetzt von Georg Bertram, ist eine außerordentliche pianistische Begabung. Sie packte den selten gespiellen Krakowiak von Chopin mit großer Leidenschast an und wurde dennoch durch das Tempo nicht in die Enge getrieben. Ihre Fmgergeläufigkett ist vollendet, und in kleinen Ausviegungen, Rubaws, dynamischen Akzenten zeigt sich die kommende Muflkerin vielversprechend an. Leo Bl�ch war ihr Führer am Orchester der Philharmoniker. Der überfüllte Beethovensaal subelle dem Liebling der Städti- scheu Oper; Maria Ivogün , zu. Die leider halbleer« Philharmont« konnte beim Spiel Mischa Elmaus merken, daß er noch vor­übergehendem Schwanken wieder auf einer seltenen Höhe der seelischen Bereitschaft, de« ausdrucksvollsten Bibrat«, der fulminan- testen Technik angekommen ist. Seine Bielsettigteit ist einzig, und er verdiente mehr, viel mebr Beachtung all derer, die von ihren Speziallieblingen nicht abzuoringen sind.

Wandlung. Bor zwanzig Jahren, als ich Sie kennen lernt«, ptotcgierten Sie einen Kreis von jungen Dichtern. Was ist aus denen ge- worden?" Sa fragt« ich beim zufälligen Wiedersehen«inen b«- kannten Schriftsteller. Er wiegt« melancholisch sein kahl gewordenes HaupnMos au« den jungen Dichtern geworden Ist? Sie sind alt geworden." Das fiel mir«in, als ich jetzt in derFrankfurter Zeitung " die begeisterten Verse eines lungen Dichters der Menichheitsliebe las. Es ist für all« nun«in« böse Zeit, die sich zur Lehre der Liebe bekennen, der Menschen erlösenden, wellum- lassenden, ziikunft»gläubigen Liebe." So h«bt er an. der selbstverständlich d«n Mut bat, gegen seine Zeit da» Banner der Menschheitslieb« zu erheb«». Und er beklag!

das heutige Geschlecht, das dem harten Metall gleicht, aus dem es welldeherrschend« Wunder, unmöglich scheinendes schafft: .Aber es fehlt ihm dennoch das Best«: fehlet die Lieb« die schlichte doch, die herzentströmend das All umfaßt und jedes einzelnen Geschick erwägt." Rur wenige sind es, so singt der Dichter weiter, die da» Danner der kämpfenden Liebe hochhalten, das dem Siegeswagen der Mensch- heit vorausflattert. Natürlich ist er selber«in«r der Wenigen. Er erträgt es. von der gedankenlosen Menge Tor und Träumer ge- nanm zu werden. Er rechnet sich zu denen*. di« nicht gelernt der Jugend Schwärm«rtteid startmütig obzulun, die statt zu genießen, was gegenwärtig und nah den sreudebegehrenden Sinn reizt aus künstige Zeiten hoffen und auf das werdend« Gute. Erhabener Krokt bedarf es freilich und eisernen Mutes, um>n diesem Kamps nicht zu verzagen. Aber er, der Dichter, hat diese Kraft. Er ermattet nicht im heiligen Glauben, dem einzigen, der ihm blieb, im Glauben an di« Liebe: aewalliger ist als jede Gewalt im Herzen des Menschen di« Liebe, welche die Schwester des Lichtes ist, Herrin der Welt ist di« Liebe. Und wer ist der junge Dichter, der nicht geleritt hat. der Jugend Schwärmerkleid abzulun? Er ist nicht, er war! Er nämlich heißt Alfred Hugenberg , Rcichstagsabgeordncter der Deutschnationaien Partei, Besitzer und Dirigent der großen natio- nalen Derblödungsfabrik, de» gewaltigen Kriegshetzeapparates, be- stehend aus Zeitungstrust, Nachrichtendienst und Kinokonzern. Was er einstmals gedichtet long lang ist's her findet sich als Schluß- gedichl einer Anthologie, die Karl Henkell Mitte der achtziger Jahre herausgegeben hat, neben Versen von Orto Erich Harileben und anderen Stürmern und Drängern dieser Periode. Wie schön ist dock) jugendlicher Idealismus, wenn er den recht- zeitigen Anschluß an das zinstragend« Engrosgesckzäst mit geistiger Armutsware nicht verpaßt. Es ist nun wiedereine böse Zeit für olle, die stch zur Lehre der Liebe bekennen", denn sie müssen sich durchsetzen gegen den seichten Spott und die vielfältig« Verleumdung des wohlorganisierten Hugenberg -Konzerns, sie müssen poienziert durchmachen, was der Schöpfer dieses Konzerns einst als Los des Idealisten beklagte. Dohrlich,erhabenen Mut, und eiserner Kraft bedarf es" singt der Dichter Hugenberg . Denn er hat den Verleger und Konzernoerleger Hugenberg offenbar vorausgeahnt. _ Jonathan.

krlegsbilderausstevung. Ernst Vollbehr zeigt im ehe- moligen Hotel Belleou« am Potsdamer Platz Knegsbilder. Die sachliche Ehrlichkeit der Ausstellung berührt sympathisch wenn man diese« freundliche Wort angesichts eines so grausigen Odjekts gebrauchen darf. Nur zw«! Bilder in der ungeheuren Füll« der wirklichen Kriegedarstellungen geben etwas wie Schönjarbeiei. Nicht Im Sinne von Kitschi ober das Malerische hat hier so sehr über da» Menschliche in Vollbehr gesiegt, daß diese beidenLazarett- bildet aus Laon " im inneren Sinne kein« Lazaretibilscr mehr sind. Zum warmen Grün der Bettdecken, das in einer Flut von Licht aufleuchtet, bringt das Rot eines Blumenstraußes, das Rot-