Str. 488 44. Jahrgang
Ausgabe A nr. 248
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Sonnabend, den 15. Oktober 1927
Vorwärts- Verlag G.m.b.H., Berlin SW. 68, Lindenstr.3
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Der Bürgerblock will das Schulgesetz! Vorstoß der Sozialdemokratie.
Er bringt es vor den Reichstag trotz der Niederlage im Reichsrat.- Doppelvorlage über die Besoldungsreform.
Amtlich wird gemeldet:
Das Reichskabineff befaßte fich in seiner geffrigen Sigung mit den Beschliffen des Reichsrats zur Besoldungsreform. Es wurde befchloffen, in einigen Punkten, in welchen der Reichsraf von der Regierungsvorlage abweichende Beschlüsse gefaßt hatte, dem Reichstag cine Doppelvorlage zu unterbreiten. Insbesondere wird die Reichsregierung, entgegen dem Beschlusse des Reichsrats, an der Auffaffung fefthalten, daß am Finanzausgleich im gegenwärtigen Jeitpunkt nichts geändert werden kann.
Angesichts der Tatsache, daß der Reichsrat den Schulgesetzentwurf in seiner geftrigen Sißung abgelehnt hat, beschloß das Reichskabinett, die Borlage des Schulgesetzes an den Reichstag gemäß Artikel 69 der Reichsverfassung in der unveränderten Form des Regierung sentwurfs vorzulegen.
machen müßte, mürde wohl lange vergeblich auf die Fortfegung seiner Karriere warten dürfen.
Jetzt ist eigentlich vom Schulgesetz so ziemlich nichts mehr derart, daß es überhaupt noch eine Beratung im Reichstag verdiente. Soll man sich über die Kostenfrage unter halten, abmohl niemand noch jetzt weiß, wie die Länder das Gesetz durchführen wollen? Soll man sich über die Rechte der Simultanschule unterhalten, obwohl auch hier im Reichsrat eine flare Stellungnahme nicht erfolgte und man die Kompromißabsichten der Regierung nicht einmal ahnen fann?
Selbst in der entscheidenden Frage, ob das Gesetz als verfassungsändernd anzusehen ist, entbehrt der Entwurf der Vorbereitung. Nach unserer Meinung ist er Overfassungsändernd. Der Gesetzgeber schweigt sich über die feit langem in der Deffentlichkeit und im Reichsrat erörterte Frage aus. Er meiß es offenbar selbst nicht oder will es nicht miffen.
Besoldungsgesetz wie Schulgesetz gehen dem Reichstag unverandert zu
Die Situation, die durch diesen Beschluß geschaffen ift, fann man nur als grotest bezeichnen. Es steht in der Geschichte der deutschen Republik wohl einzig da, daß der Reichstag sich mit einer Borlage befaffen soll, die fachlich nach feiner Richtung hin vorbereitet ist. Der Gang der Berhandlungen im Reichsrat bat nämlich ermiesen daß das Innenministerium des Herrn v. Reubell auch nicht die geringste Borarbeit geleistet hat, um bei der Schulvorlage die Intereffen der verschiedenen Barteien auf einander abzustimmen und die Gegensätze zwischen Reich und Ländern zu überbrücken. Mit den Beratungen im Rabinett begann es. Formell stimmten die Minister der Deutschen Volkspartei dem Entwurf zu. Gleichzeitig aber begann ihre Agitation im Lande gegen das Gesez. Reichsrat stellte sich nun heraus, daß die meisten Länder: vertreter aus verschiedenen Gefichtspunkten heraus die Vorlage ganz oder teilweise ablehnten.
Tatsache ist jedenfalls, daß kaum zwei deutsche Freistaaten die Vorlage als Ganzes gebilligt haben. Tatsache ist, daß bei der Abstimmung über die einzelnen Teile der Vorlage die Mehrheiten fortgesetzt wechselten. Keudell und sein Kabinett maren über die Stimmung der Länder nicht unterrichtet. Er mollte vielleicht gar nicht unterrichtet sein, sonst hätte er die Behandlung des Schulgesetzes nicht derart überhaftet. Wie dem auch sei: sein Ministerium hat die einfachste Amts pflicht vernachlässigt, fich vor der Ausarbeitung der Vorlage über die Stimmung der Länder zu informieren. Ein Referent oder Geheimrat, dem man diesen Vorwurf
Die Polizeiforrespondenz meldet: Der fürzlich für Prag ernannte albanische Gesandte Cena Ben, gleichzeitig albanischer Gesandter in Belgrad , wurde heute um 22 Uhr im Café Paffage am Wenzelplah in Prag das Opfer eines Attentats. Ein ungefähr 16jähriger Bursche, angeblich ein Mazedonier, stürzte sich in dem Augenblid, als der Gesandte in der Garderobe feine Oberkleider holen wollte, auf denselben und gab aus unmittelbarer Nähe einen Revolverschuß auf ihn ab. Der Gesandte brach zusammen.
Es bedeutet jedenfalls eine starte 3umutung an das Parlament, wenn man von ihm verlangt, Beschlüsse über eine Vorlage zu fassen, deren vollkommen unzulängliche Borbereitung so erwiesen ist wie beim Reichsschulgesetz. Die famosen deutschnationalen Fachminister haben sich bis auf die Knochen blamiert.
Gicher ist es feineswegs, daß auch nur eine einfache Mehr heit für das Schulgesetz in seiner vorliegenden Fassung zuftande tommt. Der Weg zu einem Kompromiß, der menig stens die Länder befriedigt, ist durch die Reichsratsbeschliffe erschwert, wenn nicht ganz verbarrikadiert. Hätte der Rechtsblod eine Spur von Gefühl für parlamentarische Situationen, eine Spur von Willen zur Erforschung und Feststellung des Bolkswillens er würde. die Borlage zurückziehen. Das tut er nicht. Er fordert das Parlament zu einer machtprobe heraus in einer Frage, deren Lösung er selbst nicht sieht. Mit dem Zeugnis seiner Unfähigkeit tritt der Bürgerblock vor den Reichstag .
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oder soziale Wirtschaftspolitik.
Seit Anfang 1925 regiert im Reich der Bürgerblod. Der Ausschluß der Arbeiterklasse von Mitregierung und Mitverantwortung erfolgte, weil das Bürgertum ungehindert von fozialen Erwägungen die Neuordnung der deutschen Wirtfchaft vornehmen wollte. Wenn auch nicht alle Wünsche in Erfüllung gegangen sind, so hat die Alleinherrschaft des Bürgertums ihm doch zweifellos reiche Früchte gebracht. Die Lasten der Rationalisierung sind auf die Arbeiterschaft abgewälzt worden. Ihre Vorteile aber sind allein dem Unternehmertum zugeflossen, das gleichzeitig seine Steuerlasten ermäßigt und seine Gewinne erhöht hat.
Bis vor wenigen Monaten trugen zwei Millionen Er-. werbslose die furchtbare Bürde einer monate- und jahrelangen Erwerbslosigkeit. Unter dem Druck dieser Massenarbeitslosigkeit fanten die Nominallöhne oder blieben auf ihrem alten niedrigen Stand. Da aber gleichzeitig die Preise stiegen und die Mieten mehrfach heraufgefeßt wurden, fant auch der Reallohn ununterbrochen. Es war deshalb selbstverständlich, daß die Besserung der Konjunktur überall das Verlangen nach Erhöhung der Reallöhne zeitigte.
Aber schon zeigen sich wiederum Wolfen am Himmel der Konjunktur. Die Kapitalnot, diese Kriegs- und Inflationsfolge, dauert an. Der hohe Zinssatz ist das äußere Anzeichen dafür, seine Erhöhung durch die Reichsbank aber ist zugleich eine Mahnung zur Vorsicht. Soll die eben überwundene erzwungene Beschäftigungslosigkeit wiederum das Schicksal von Millionen werden? Man braucht zu erkennen, die auf der Wirtschaftspolitik der Reichsregierung die Frage nur aufzuwerfen, um die ungeheure Verantwortung ruht. Durch den hohen Zolltarif, durch den Zollkrieg, insbe fondere mit Polen , und durch die Duldung der Preistreiberei der Kartelle ist ohnedies die Wirtschaftsgesundung erschwert und verlangsamt worden. Daher gilt es rechtzeitig zu warnen vor wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die den Aufschwung der Konjunktur unterbinden oder gar zu einem Rückschlag führen können.
Die
interpellation sucht diese Aufgabe zu erfüllen. Dem sozialdemokratische WirtschaftsWirtschaftsleben droht durch die Erschwerung der Aufnahme langfristiger Auslandsanleihen große Gefahr. Als tapitalarmes Land kann Deutschland Auslandsgeld nicht entbehren. Daß der Rechtsblock auch in der Besoldungsfrage Selbstverständlich müssen diese Gelder produktiv verwendet nicht eine Verständigung mit den Ländern gefunden hat, werden. Aber das kann bei den öffentlichen Körperschaften zwingt ihn zur Einbringung einer Doppelvorlage. Be her ebenso gesichert werden wie bei den privaten Unternehmungen. großen Bedeutung, die die Zuschüsse der Länder für Cute Daher wird verlangt, daß Anleihen öffentlicher Körperschaften ganz Reihe von Freistaaten haben, an denen auch die Deutsch nach den gleichen Gesichtspunkten behandelt werden wie prinationalen und die Volkspartei interessiert sind, wird die vate Auslandsanleihen. Für den Fortgang der Konjunktur Reichsregierung fich auf scharfe Auseinandersegungen im aber ist insbesondere die Aufnahme von AuslandsBarlament gefaßt machen müssen. Das Wert der Besoldungsanleihen für den Wohnungsbau unerläßlich. Der reform darf jedoch unter keinen Umständen gefährdet werden!
nichts einzuwenden habe. Die Einrichtung einer neuen Reederei in Helsingborg war im besten Gange, als Amerika den Krieg erMärte und sofort die deutschen Schiffe beschlagnahmte. Der deutsche Vertreter erklärte bei den Uebertragungsverhandlungen wiederholt, daß der Norddeutsche Lloyd sich darüber klar sei, daß Deutschland den Krieg verlieren würde und dann sämtliche Schiffe abgeben müßte. Es tam Deutschland darauf an, die Schiffe vor der Entente zu retten.
Howe
Paris, 14. Ottober.( Eigenbericht.) Die reaktionäre Pariser Presse versucht in der französischen öffentlichen Meinung im voraus gegen den neuen russischen Botschafter Stimmung zu machen. Sie weist unter anderem darauf hin, daß auch er Kommunist sei und man über kurz oder lang auch gegen ihn wie gegen Ratowski vorgehen müsse. Demgegenüber gegeben die Linksblätter der Hoffnung Ausdrud, daß Briand dem Druck der Reaktion widerstehen und auf seinem Entschluß, Frankreich auf keinen Fall in einen Bruch mit den Sowjets hineinziehen zu laffen, verharren möge.
Das Publikum, das sich auf den Täter gestürzt hatte, übergab ihn der Polizei. Cena Bey wurde von der Rettungsstation sofort in ein Krankenhaus übergeführt und ist auf dem Transport dorthin gefforben.
Die schwarzweißroten Reeder im Weltkriege.
Sie wußten, daß Deutschland verlieren würde und wollten ihre Schiffe den Neutralen schenken.
Kopenhagen , 14. Ottober.( Eigenbericht.) Das schwedische Blatt Helsingborgpoften" bringt einen längeren Bericht über einen deutschen Bersuch im Weltkriege, die handels flotte des Norddeutschen Lloyd und der Roland linie den Schweden zu übertragen. Im März 1917 bot ein Vertreter der beiden deutschen Reedereien dem schwedischen Reeder, General Henning, in Helsingborg die gefamten im Auslanbe liegenben Schiffe diefer Linien als Geschent an. Die schwedische Regierung ertlärte, daß fie gegen die toftenfofe labertragung der deutschen Schiffe en einen schmebifchen Brinatman
Dowgalewski erhält das Agrement.
Die französische Regierung hat befchloffen, das Agrement für den von Moskau vorgeschlagenen neuen russischen Botschafter in Paris , Domgalemiti, zu erteilen.
Rakowski hat dem Borsitzenden der französischen Delegation bei der französisch- russischen Konferenz, de Monzie, feinen Abschiedsbefuch gemacht. Vor dem russischen Botschaftsgebäude in Paris und deffen Geltenausgängen herricht lebhaftes Treiben. Gepäckwagen und Automobile tommen und fahren ab. Rafomiti bereitet jeine Abreise ans Baris nor
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deutsche Kapitalmarkt hat bei der Finanzierung des Wohnungsbaues für 1927 völlig versagt. Die Erträge der Hauszinssteuer tönnen nur einen Teil des Wohnungsbaues finan zieren. Sollen etwa 250 000 Wohnungen jährlich gebaut werden angesichts eines Fehlbedarfs von 1 Million Woh nungen ist das die Mindestmenge, so muß für etwa 100 000 Wohnungen das Kapital vom Auslande beschafft werden. Aber während das Reichsarbeitsministerium und eine Mehrheit im Reichstage dafür eintraten, widerfeßt sich der Reichsbankpräsident Dr. Schacht. Er sieht den Wohnungsbau nicht als produktiv an. Muß aber die Bautätig feit infolge des Mangels an Kapital eingeschränkt werden, so find überaus empfindliche Störungen der Konjunktur unausbleiblich.
Eine weitere wichtige Aufgabe der Wirtschaftspolitik ist der Abschluß von Handelsverträgen. Noch immer befindet sich Deutschland im Zollkrieg mit Polen , wodurch nicht nur der deutsche Often, sondern die ganze deutsche Wirtschaft geschädigt werden. Hunderttausende von Arbeitern könnten neue Beschäftigung erhalten, wenn endlich durch einen Handelsvertrag mit Polen die deutschen Industrieerzeugnisfe in früherem Maße in Polen abgesetzt werden. Ebenso wichtig ist es, daß die gewaltig überhöhten Zollsätze abgebaut und der Hochhaltung der Preise durch die Kartelle entgegengewirkt wird. Beides sind die wichtigsten Ursachen für das dauernde Steigen der Preise für Nahrungsmittel und Bedarfsgegenstände, durch die nicht nur die Lebenshaltung des deutschen Bolkes herabgedrückt, sondern auch die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt erschwert wird.
Unter den hohen Preisen leiden alle Schichten des deutschen Boltes. Trotz besserer Beschäftigung ist daher das Dasein von Millionen Menschen unerträglich schwer. Die Löhne sind unzureichend, die Renten noch dürftiger, und selbst bei größter Sparsamkeit können die meisten Menschen nicht einmal die bescheidensten Ansprüche befriedigen. Die tiefe Unzufriedenheit der Massen hat hierin ihre begründete Ursache. Daher geht es nicht länger an, Löhne und Renten tief unter dem sozialen Eristenzniveau zu halten. Die Staatsgewalt muß in der Erfüllung berechtigter Lebens ansprüche der Masse des Boltes eine michtigere Aufgabe sehen