Mr. 490 44. Jahrgang 1. Beilage des Vorwärtsonntag, 16. Oftober 1927
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Zinn od Kanngiesser
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Anläßlich der Feier des 300jährigen Bestehens der Berliner Klempner und Installateurinnung, über die wir bereits berichteten, gibt die Innung eine Festschrift heraus. In sehr genauen Quellen forschungen weist der Direktor der Berliner Magistratsbibliothek, Arendt, in den Organisationsformen der Zünfte auch das erste Auftauchen der Klempner, der Klampferer, Spengler, Klipper und Laternenmacher, nach, eines Gewerbes, das sich aus der immer vielfältigeren Spezialisierung und Arbeitsteilung des Schmiedehand werks herausbildete. In die große Familie der Kleinschmiede zählten ferner die den Klempnern verwandten Berufe: Flaschner, Pfannenund Löffelschmiede, Schellenmacher, Beckenschläger, Drahtzieher, Nagler, Nadler, Fingerhuter, Bortenmacher, Feilenhauer, Sägeschmiede, Gürtler und Zirkelschmiede. Die Entwicklungsgeschichte der Klempnerzunft hängt eng mit der Berliner Stadtgründung zusammen, und sie zeigt mit dem Wachsen der Stadt auch ihren immer stärkeren Zusammenschluß, so daß die Innung bereits im Sobre 1617 ein eigenes Siegel und eigene Statuten besaß in Dokument aus dem Jahre 1687 gibt zum erstenmat genaueren Bericht über die strengen Zunftsakungen, aus denen wir nur u. a. anführen wollen, daß die Zunft bestrebt war, die Zahl der Innungsmitglieder in Berlin nicht hoch anwachsen zu lassen und den Eintritt in die Zunft eher zu erschweren als zu erleichtern. Von der Aufnahme als Lehrling in die Zunft wurden alle un= ehelichen und von nichtdeutschen( wendischen) Eltern stammen ten Kinder ausgeschlossen, ebenso die, deren Väter, Berufen angehörten, die als unehrlich und unsauber galten, wie Henter, Schinder, Totengräber, Spielleute, Schäfer, Bögte, Stadtdiener und Wächter. Es müssen eben rechte Krauter gewesen sein! Eben falls wurden die strengen Bestimmungen zur Gesellen und Meister zulassung stets innegehalten. Der Eintritt und das Lösen vor der Innungslade- dies geschah unter wichtigen Zermonien und darauf mit luftigen Schmäusen war immer eine recht foft. spiel ge Sache, die fremde und Unbemittelte fernhielt; Dagegen bot die Zunft den eigenen Meistersöhnen und Angehörigen
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Messingschlager ( nach Stichon aus dem 17. Jahrhundert
jede erdenkliche Erleichterung. Man war eben bestrebt, die Bormachtstellung der 3ünfte nur als Privileg für die eigenen Familien zu erhalten! Aus dieser Geschichte der Klempner, die gleichzeitig die ganze Berliner Stadtgeschichte und die Geschichte der 3ünfte im besonderen widerspiegelt, wird bereits aus dem 17. Jahrhundert berichtet, daß zwischen den engherzigen Zunftmeistern und den in großen Verbänden organisierten Gesellschaften erbitterte Streitigkeiten wegen der einschränkenden Beſtimmungen entbrannt waren. Die neuzeitliche Entwicklung fonnte fich durch diese rückständigen und einseitigen Zunftrechte nicht in ihrem gewaltsamen Zuge nach vorwärts aufhalten lassen, meist waren es Kommune und Staat, die von den Sagungen eine nach der anderen aufhoben und das Handwerk freimachten. Es würde zu weit führen, diese Entwicklung bis in die Jezztzeit hinein zu verfolgen, die Zunftreform an sich bis zur Stein- Hardenbergschen Reformgesetzgebung, die Juming in der Zeit der Gewerbefreiheit und ihre Entwidiung nach dem Kriege zu behandeln. Der historische Anlaß bot die Gelegenheit, einen fleinen Zeitausschnitt mit jenen Zuständen hier wiederzugeben, die weder Meister noch Ge= fellen von heute zurückwünschen werden.
Die Berliner Klempner und Installateur innung feierte ihr 300jähriges Bestehen durch eine Reihe von Beranstaltungen. Im ehemaligen Herrenhaus wurde am Freitag vormittag das Jubiläum durch einen Feft aft eingeleitet, bei dem Regierung, Reichswirtschaftsrat, die Handwerkerkammer, der Magistrat und andere Behörden durch ihre Vertreter ihre Glückwünsche darbrachten. Der Obermeister der Innung. Kunig, gab in seiner Festrede eine Rückschau über die Entwicklung des Gewerbes im letzten Jahrhundert und behandelte besonders die Verhältnisse nach dem Kriege. Er vezeichnete die Lage des Handwerks als nicht günstig, das Handwerk würde von steuerlichen und behördlichen Maßnahmen sehr bedrückt. Der Vertreter des Ober präsidenten wußte dagegen das unpolitische Verhalten der
Steht auf, ihr Kinder der Erneu'rung,
Die Zukunft wird durch euch erhellt. Domacha und Lisaweta, ihre Nachbarinnen, waren auch dort. Und auch in ihnen bemerkte Gljeb etwas Neues, nie Gesehenes. Auch sie sind hier wie zu Hause. Domacha war in der Küche und half tochen. Erhigt, mit aufgefrempelten Kammer. Und empfing Dascha mit Küssen.
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Klempnerinnung sehr zu loben. Am Abend fand dann im großen Saale des Lehrervereinshauses die offizielle Begrüßungsfeier ftatt. Bei dieser Veranstaltung tonnte ein unbefangener Zuschauer durchaus darauf schließen, daß es den Berliner Klempnern und Installateuren gar nicht so schlecht ergeht, denn noch vor Beginn der offiziellen Reden, die erst zu später Abendstunde begannen, war die fidele Stimmung der Meister unter sich schon so laut, daß es unser Berichterstatter vorzog, sich das weitere zu schenken. Es ist uns nicht berichtet, daß die Klempnergesellen bei diesem Jubiläum mit eingeladen oder vertreten waren. Dies hätte eigentlich im historischen Charakter des Handwerks begründet sein müssen, denn einstmals feierten Meister und Gesellen gemeinsam!
Magistrat und Reinhardt- Bühnen.
Die Vergnügungssteuer soll gepfändet werden. Zwischen dem Berliner Magistrat und den Reinhardt- Bühnen schwebt schon seit längerer Zeit ein Streit wegen der Besteuerung. Professor Reinhardt läßt seit März 1926 seine beiden Theater, das Deutsche Theater" und die Kammerspiele"( nicht aber„ Die Komödie"), durch eine gemeinnügige G. m. b. H." betreiben. Die Stadt erhob von vornherein Einspruch dagegen. daß der G. m. b. H. die Anerkennung der Gemeinnüßigkeit zuteil würde, weil das eine Steuerbevorzugung zur Folge hätte. Da der Streit bis heute nicht entschieden ist, versucht der Magistrat jetzt eine Flucht in die Deffentlichkeit mit einer Darstellung, die durch das Städtische Nachrichtenamt verbreitet wird.
Hiernach ist Professor Reinhardt nicht Gesellschafter, vielmehr find alle Geschäftsanteile in Händen seines Bruders und seines Direktors. Reinhardt bezieht aber von der Gesellschaft als tünstlerischer Leiter 60 000 m. Jahresgehalt. Auch sollte er als Eigentümer der an die Gesellschaft verpachteten Theatergebäude eine Jahrespacht von 165 000 m. für das Deutsche Theater und von 50 000 m. für die Kammerspiele erhalten.„ Man kann sich denken, daß bei solchen Zahlungen", bemerft hierzu die oben erwähnte Darstellung des Magistrats, die Gesellschaft teinen Verdienst haben kann." In dem Einspruch gegen die von der Gesellschaft beantragte Anerkennung der Gemeinnützigfeit erklärte tie Stadt, daß die Gesellschaftsform lediglich gewählt sei, um die Vergnügungssteuer für den Betrieb zu sparen. Der Gutachterausschuß des Oberpräsidenten stellte für die Anerkennung nur die Bedingung, daß dem Prof. Reinhardt die Steuerfreiheit für sein Gehalt entzogen und der Pachtzins auf höchstens 5 Proz. des Grundstückwertes und des Theaterfundus heiabgesetzt würde. Die Gesellschaft erfüllte diese Bedingungen und der Gutachterafsschuß erkannte dann die Gemeinnüßigkeit an, die Stadt aber erhob hiergegen Beschwerde beim Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, indem fie nach, wie ror die Gemeinnügigkeit des für Reinhardt jo einträg lichen Unternehmens bestritt. Auf die Entscheidung läßt der Minister die Stadt mun schon recht lange warten. Die Gesellschaft hat unter Hinweis auf den ja noch nicht endgültigen Spruch des Gutachterausschusses, zu dem der Minister sich noch äußern soll, schon seit 1926 teine Bergnügungssteuer mehr bezahlt. Daher hat der Magistrat beschlossen, mit der zwangsmeisen Einziehung der inzwischen zu beträchtlicher Höhe angewachsenen Steuerschuld zu beginnen, ohne noch länger auf den Minister zu
marten.
Hierzu hat das Bebliner Tageblatt" fich vom Rechtsbeistand des Deutschen Theaters mitteilen lassen, das Landesfinanzamt Groß- Berlin habe durch Prüfung festgestellt, daß Reinhardt aus dem Deutschen Theater und aus den Kammerspielen meder durch Miete noch durch Gehalt irgendwelche Vorteile habe, sondern sogar aus seinem Privateinkommen beträchtliche Zuschüsse gebe. Das Nachrichtenamt meldet, Profeſſor Reinhardt habe dem Minister erklärt, daß er sogar auf die 60 000 m. Jahresgehalt verzichten würde, aber nach wie vor seien ihm monatlich 5000 m. gezahlt worden.
Die Stadtverordnetenversammlung hat in der kommenden Bas zwei Sigungen, eine außerordentliche am Dienstag um 18 Uhr und die ordentliche am Donnerstag um 16% Uhr. Für Dienstag steht auf der Tagesordnung nur die Wohnungsbauvorlage, deren Beratung fortgesetzt werden soll und hoffentlich zu Ende kommen wird. Für Donnerstag steht auf der Tagesordnung an erster Stelle die Fortsetzung der Besprechung des Reichsichulgesetentmurfes und der gegen ihn sich richtenden drei Protestanträge.
stration veranstalten, die nackten Kinder vorführen. Wem soll man da die Schädel einhauen? Die Kinder gehn in die Berge, um Holz zu suchen, aber die Arbeiter haben schon die Abfälle zusammengesucht. Wir haben nichts, womit die Graupen zu fochen... wem sollen wir da die Schädel einhauen? Dascha schrieb Domachas und Lisawetas Worte auf, und brauen ab.
Irgendwo in der Ferne, in den Zimmern trommelte Aermeln, arbeitete sie geschäftig, wie in ihrer eigenen fleine Falten schnitten die Nasenwurzel von den Augen
,, Tante Dascha!... Tante Dascha!..." jemand auf einem Piano und sang laut und falsch die Internationale der Kinder:
Steht auf, ihr Kinder der Erneu'rung, Du Jugendschar der ganzen Welt. Dascha lachte, fraute den Kindern die Köpfe, und man merkte, daß die Kleinen an diese Liebkofungen gewöhnt maren, daß sie sie erwarteten, wie die übliche Bortion ihres Essens.
,, Nun, Kinderchen, was habt ihr gegessen, was getrunken, Nun, Kinderchen, was habt ihr gegessen, was getrunken, mer hat ein volles Bäuchlein, wer ein leeres?... Redet! Und fie antworteten alle durcheinander, schrien aus nollem Halse. Sie fragten ihre Köpfe, fragten sich unter den Achseln. Und dort zieht ein schmieriges, fleines Kind laut mit seiner Naje, reißt seine Augen weit auf, ſtöhnt und fragt seine schmutzige Brust unter dem Hemd.
atata ta! Schaut nur diesen graujamen Helden an! Der marschiert geradeaus auf die Barrikaden." Und der Kleine und Dascha und die Kinder lachten alle laut auf. Und auch die Sonne spielte mit ihrem Lachen auf den offenen Fenstern, die so groß waren wie Türen.
Dascha ging, Njurka an der Hand, voran und jab Gljeb nicht ein einzigesmal an. Und Gljeb war voller Kränkung darüber: Dascha und Njurka zusammen und er, fremd und fern. Dascha ist hier, Njurta an der Hand haltend, ganz Mutter, mehr Mutter als zu Hause. Und er ist hier, ist zu Haufe einsam... tinderlos.
Ja, man muß auch hier das Leben erobern.
Sie gingen durch alle Stockmerke. Tamen in das EB zimmer wo das Geschirr stand und Kinder herumfaßen, in Die Küche, wo es nach Graupen roch und auch Kinder sich zu schaffen machten, und in den Klub, wo es ganz leer war, die Bände voller Schimmel und fleiner Bilder. Und dort neben cinem furzgeschorenen Mädchen, mit einem braunen Mutter mal über die ganze Bange, standen eng zusammengepfercht ein Häuschen Rinder und sangen falsch und betäubend laut die Internationale:
,, Schau mal her, unsere Generalin ist gekommen. Schimpf einmal ordentlich unser verfluchtes Kommissariat für Volksbildung aus: man muß eine Arbeit leisten und sich nicht nur ins Taschentuch schneuzen. Und die Ernährungs nicht nur ins Taschentuch schneuzen. tommiffion, die kannst du auch mit dem Schädel an die Wand hauen! Wo ist das vorgekommen, daß man Kinder mit Würmern und Mäusedred füttert?... Hat sich dir brauchst du ihn?... Meiner ist nicht zurückgekommen, auch dein Gemahl wieder aufgedrängt? Jag ihn fort, wozu gut, hol ihn der Teufel! Hengste sind ohne Zahl zu finden. find zur Auswahl da... Ja! Nun, nun, gloß mich nicht mit deinen Augen an, ich gehöre nicht zu den Hengstlichen. Jagst mir feinen Schrecken mit deiner Schlafmüße ein. Ins Ernährungskommissariat werde ich selber hingehen, Mit dem auch ins Kommissariat für Volksbildung. Stiefel werde ich ihnen dort über die Fresse hauen. Dafcha schlug sie auf ihre breiten Schultern und lachte. „ Schnatterst schon wieder, du Gans.... Bist ein verpflirtes Weib, Domacha!"
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,, Allen müßte man dort über die Fresse geben folche verfluchten Teufel. Achten nur auf ihren eigenen Bauch. Ich werde ihnen dort allen die hojen herunterlaffen." Das Lachen blieb in Gljebs Hals stecken.
,, Ein verfluchtes Frauenzimmer! Wie sie ohne Atem pause drauflos geht.
Lisaweta trafen sie in der Speisekammer bei der Wirt schafterin. Beide, Lisaweta und die Wirtschafterin waren groß, ftolz; beide waren jauber angezogen und fahen wie Kranten fchwestern aus. Die Wirtschafterin schwarz, mit armenischem Schnurrbärtchen, Lisaweta femmelblond, gepolstert( Hunger und Unruhen sie blieb immer rundlich und üppig). Sie mogen Lebensmittel ab, fontrollierten, schrieben ein.
Lijameta empfing Dascha in ihrer hochmütigen Art, und nur in ihren Augen flammte ein Lächeln auf. . ,, Dascha, geh zur Berwalterin. Nach dem Waschen ist. die ganze Wäsche in Feken gegangen. Die Kinder haben nichts zum Wechseln. Morgen werden wir eine Demon
,, Genoffin Lisaweta, du wirst tommandiert, alles hier im Hause zu untersuchen und dann der Frauengruppe darüber zu berichten...
Lisaweta stieß nur einmal mit ihrem Blick auf Gljeb, dann bemerkte sie ihn nicht mehr.
Und dann sah er noch andere Frauen, in weißen Kopferbieiig und schmeichlerisch zu. Gljeb schielten sie vorsichtig tüchern und ohne Tücher, und alle lächelten Dajcha ehrund furchtsam von der Seite an. Wer ist er? Vielleicht einer von den langweiligen Revisoren, die man gut beobachten muß, um ihre Schwächen kennen zu lernen.
Gljeb wollte immer wieder Njurkas Händchen nehmen und sagte ihr: Njurotschta, nun gib mir dein Händchen. der Mutter gibst du es, warum nicht mir?"
Aber sie wandte sich weg und versteckte ihr Händchen. Und als er sie mie unabsichtlich füßte und sie in feine Arme nahm, wurde fie plöglich ruhig, ergab sich und fah ihm zum ersten Male aufmerksam und nachdenklich ins Gesicht.
Ihre Njurotschta ist ein prachtvolles kleines Mädchen." Die Berwalterin fagte es. Sie war flint wie ein Mäuschen, bunt und flimmernd, mit goldenen Zähnen.
Dascha schaute über sie hinweg auf die Wände und Fenster, und ihr Gesicht wurde wieder streng und scharf. Ach lassen Sie das nur, lassen Sie Njurotschfa hier find alle gleich und alle sollten prachtvoll sein." Ja, gewiß, gewiß! Wir fun doch alles für die Proletarierfinder die Proletarierfinder müssen jetzt der Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit sein. Die Somjet macht forgi doch so viel...
Gljeb. fnirschte mit den Zähnen. Lügen! Man müßte mal untersuchen, was das hier für Elemente sind.
Und dann Klagen, Klagen, Klagen.
Und auf die Klagen schlug Dascha der Berwalterin mit harten Worten ins Gesicht.( So eine Stimme hatte Gljeb nie früher gehört.) ( Fortfegung folgt.)