Sonntag
16. Oktober 1927
Aus der Film- Welt
Die Filme der Woche.
„ Napoleon."
( Ufapalast am 300.)
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Napoleon im Film welch ein Thema! In Preußen- Deutsch land hat man den Fridericus Reg zum Filmheros erhoben, mit mehr Recht tönnen die Franzosen ihren Napoleon zum Nationalheiligen ihres Films machen. Wenn er danach ist, wird er nicht bloß franzofie, sondern auch europäische Bedeutung haben. Abel Gance het einen Napoleon- Film von gigantischem Ausmaße geschaffen. Er bat ganze Armeen aus dem Boden gestampft, 200 Solodarsteller be= fchäftigt, und wen es interessiert, dem kann auch mitgeteilt werden, wieviel Tausend Kilogramm Salz für die Herstellung der Winter lenschaften gebraucht wurden. Im Ufapalast wird jetzt das erste Drittel des dreiteiligen Films gespielt, und obwohl es um ganze Afte gefürzt ist, ging es doch noch weit über den Rahmen einer üblichen Filmdarbietung hinaus. Das Aufgebot an Menschen und Stoffen, die ganze Maschinerie war wirklich folossal. Aber ist damit ein Monumentalfilm entstanden? Es scheint nicht. Der erste Teil bot frog der starken Kürzung der deutschen Bearbeitung große Breiten, die in ihrer Wiederholung ermüdeten, und auch in den Maffenszenen war nicht das Beste erreicht, was die inzwischen schon wieder fortgeschrittene Technik aufzuweisen hat. Wohl wurde an den Höhe punkten die Leinewand verdreifacht. Aber das Zusammenspiel der drei Aufnahmen funktionierte feineswegs tadellos, so daß auch hier Hemmungen entstanden. Aber vor allem ist es der Geist, dieser Napoleon- Auffassung, der uns unbefriedigt läßt.
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Im Stil des feligen Wildenbruch wird hier Heroismus und Bedeutung produziert. Schon dem jungen Napoleon, der sich in einer Schneeballschlacht als strategischer Führer hervortut, wird seine fünftige Bedeutung vorausgefagt; ihm zur Seite wandelt schon der Adler als Symbol seiner fünftigen Größe und Macht. Und so wird überhaupt mit Symbolen und Allegorien ein theatralisches Spiel ge= trieben, das uns heute findisch vorkommt. Die Geschichtsauffassung geht ganz auf die übliche Heldenverehrung aus, die alles um den finen gruppiert und mit Legenden und Episoden wirtschaftet. So muß Napoleon auch mit der französischen Revolution in Verbindung gebracht werden und zwar auf dem Umwege über die Marseillaise . Ganz gegen die historische Wahrheit bringt Rouget Liste die von ihm tomponierte Marseillaise in den Konvent und singt sie dort vor. Danton macht den Einpeitscher dabei. Die Helden der französischen Revolution find überhaupt als halb lächerliche Theaterpersonen auf: gefaßt. Unglüdlicherweise sind gerade ein paar Revolutionsafte, mie übrigens auch die Belagerung von Toulon , fortgeblieben, vielleicht hätten sie ein besseres Bild gegeben. Ganz im Sinne eines Theaterhelden ist auch Napoleons Rolle in Korsika aufgefaßt, wo er ganz im Stile eines Douglas Fairbancs agiert. Tollkühn wagt er sich mitten unter seine Gegner, im wildesten Bravourritt entweicht er ihnen und hier find schöne große Landschaftsbilder entstanden fährt schließlich mit der Trifolore als Segel über das sturmgepeitschte Meer. Die dreifache Leinwand zeigt seine wilde Meerfahrt und das Auf und Ab der politischen Ereignisse in Frankreich in übereinanderphotographierten Bildern. Hier wird der erste starte Beifall erzielt, obwohl auch dieses Gewoge und Durcheinander ermüdend wirkt. Die Hintergründe von Napoleons Rolle als Retter des Ronvents gegen die Ronterrevolution find nicht aufgedeckt. Echt franzöfifch ist Napoleons plöglich erwachte Liebe zu Josephine Beauharnais , die damals gerade frei wurde, in den Bordergrund gerückt( die komödienhafte Seite dieser Liebe hat Hermann Bahr in seiner Josephine " viel besser ausge nüßt). Bevor der neuernannte General der italienischen Armee zu dieser aufbricht, hat er noch ein nächtliches Rendezvous mit den Geistern der franzöfifchen Revolution, die ihn beschwören, ihr Berf weiterzuführen und über die Grenzen nach ganz Europa weiter zutragen. Hier werden ein paar Gedanken entwidelt von einem geeinigten republikanischen Europa , die zweifellos nicht in die damalige Situation paffen, aber immerhin geeignet waren, beim Publikum Beifall zu erweden. Die weiteren Teile werden zeigen, wie der Verfasser sich mit der historischen Aufgabe Napoleons als Erben und Beschließer der französischen Revolution auseinandersetzt. Den Schluß des ersten Filmteiles macht Napoleons Erscheinen bei der italienischen Armee aus, die er mit einer feurigen Ansprache aus ihrer Lethargie reißt und zum Siege führt. Wieder dreiteilige Massenszenen, ein ungeheures Aufgebot von Menschen und Kriegs material vor einer wahrhaft heroischen Landschaft und wiederum die Gefahr der Versandung in allzu großer Breite und Wiederholung. Ueber die Darstellung in dem ersten Teil tann sehr kurz berichtet werden. Bemerkenswert ist vor allem der Darsteller des jungen Napoleon, der prachtvolle Wladimir Roudento, der noch beffer wäre, wenn er nicht den jungen Napoleon bereits mit den
Müren des alten geben müßte. Albert Dieudonné ist der erwachsene Napoleon: fchlant, ja mager wie er es mar, mit einer großen Adler= nase aber ohne den bezwingenden und fortreißenden Eindruck, den man von dem Herpen erwarten müßte. Ein paar entzückende Momente hat Gine Manès als Josephine , besonders in ihrem Fächerspiel, aber auch fie sagt uns sonst nicht allzu viel. Den Theater: helden Danton perförpert ein russischer Darsteller namens Roubisti, der offenbar mehr physiognomische als geistige Aehnlichkeit mit ihm hat.
„ Der Landarzt." ( Tauenhienpalaft.)
D.
Ein ausgezeichneter Film. Vielleicht zuviel amerikanischer Vielleicht zuviel amerikanischer Magazingeschmad für europäisches Empfinden. Das Nebenbei überwiegt hin und wieder. Die Deutschen hätten sich mit der Charakterstudie des gütigen Landarztes begnügt und alles andere nur furz angedeutet; aber den Amerikanern fommt es unter allen Umständen auf die Handlung an, deshalb verknüpfen sie diese Charafterrolle mit einem alltäglichen Geschehen zwischen Vater und Sohn um eine Frau. Rudolf Schildtraut spielt den armen, liebenswerten Landarzt, der weit draußen in der Weltabgeschiedenheit von Arizona oder Nevada praktiziert und seit Jahren darauf wartet, daß der Dollarsegen auch einmal zu ihm komme. Aber als es beinahe so weit ist, da erhält ein anderer die Stelle des Chefs in dem neu errichteten Sanatoriu.n. Doch am Schluß zeigt es sich, daß der Vergessene die besseren Charaktereigenschaft befigt. Da fährt der alte Doftor in die Schneenacht hinaus und rettet den Sohn des Millionärs, und dann naht unaufhaltsam das glückliche Ende in voller Orchestrierung. Taschentücher werden gezückt, die Linse schließt sich ver harmonisch gestellter Gruppe, Schildkraut ist dieses große Kind, dieser Abseitige, der soziale Vorurteile nicht kennt, der nur das Menschliche im Menschen sucht. Er zeichnet, den kleinen Landarzt, den Helfer der Armen mit dem weichen, mitfühlenden Herzen, mit echter, unaufdringlicher Realiftif. Hier stört fein falscher Ton. Hier handelt es sich wirklich um wahre, große Menschengestaltung. Und dieser geniale Schauspieler steht unter einer Regie, die fern von jedem deforativen Pomp ganz allein das Einfache, das Innerliche der Handlung betont. Rupert Julian , ein Schüler de Milles, ist der Regisseur. Die Handlung beschränkt er auf wenige Personen. Daß sich diese manchmal in Sentimentalität schlimmsten Stils gefallen, ift auf das Konto des amerikanischen Geschmacks zu setzen. Aber die Handlung wird durchaus konzentriert. Die Deutschen hätten, wie schon bemerkt, nur eine psychologische Studie gegeben hätten, wie schon bemertt, nur eine psychologische Studie gegeben taner immer den Hauptakzent legen. Und dann ist alles restlos und bestimmt das spannende Moment übersehen, auf das die Ameri-. filmisch empfunden, der Text erübrigt sich. Ein Beispiel: In ihrer Berzweiflung hat sich die von der Gesellschaft Berstoßene in einem Nebenzimmer erhängt. Der fleine Sohn öffnet die Tür und bleibt erstarrt stehen, taſtet sich rückwärts zurück, und dann erscheint der Arzt, die Finger spielen noch mit der Schere. Kein Tert dazu, doch der Zuschauer weiß, was porgefallen ist. Alles wird ins Bildhafte Julian eine Situation. Man vergißt manches Störende, Befrem übertragen. Unaufdringlich), mit feinsten Details zeichnet Rupert dende, denn man sieht einen Film von stiller Kultur, von wirklich filmischem Empfinden, einen Film, in dem Darsteller, Regisseur und Tertverjaffer von gleich großem Format find.
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Das Erwachen des Weibes ( Bebapalaft Atrium:)-
F., G.
Man liest unter den Manuskriptverfassern den Namen Dr. Thomalla und erwartet einen Aufklärungsfilm. Aber die Mitverfasser Waffermann und Sauer haben die Linie zu einem richtigen Spielfilm eingeschlagen. Das Thema ist geblieben, aber es mird in runde pralle Handlung umgesetzt, und es erfolgt feine andere Aufklärung als durch das Leben. Ein ganzes Berliner Miethaus mit feinen vielfachen Parteien wird vom Keller bis zum Dach vor uns ausgebreitet. Die beiden Mädel des Portiers, der zu gleich ein Ladengeschäft hat, sind im heranwachsenden Alter. Die Meltere, feß und unternehmend, hat schon ihre Abenteuer, aber fie weiß, wie weit sie zu gehen hat. Die Jüngere, verträumt und sehnfüchtig, ein wenig Aschenputtel, verliebt sich in den Sohn des Haus besizers, der es ihr mit seiner Musik und feinem freundlichen Wesen angetan hat. Sie treffen sich auf dem Dachboden, wo sie die Tauben besorgt und er die Antenne repariert. So ist längst ein frilles Einvernehmen zwischen ihnen, und eines Tages wird daraus das Er lebnis, das alles umstürzt und das ganze Haus auf den Kopf ftellt. Die tleine Frieda, der keine Aufklärung geworden und der niemand zur Seite stand, soll Mutter werden. Die im gleichen Hause woh nende Aerztin, zu der man die ohnmächtig Gewordene trug, hat es festgestellt, und dank der Klatschsucht der überall spionierenden finder
allora sibisty
Beilage des Vorwärts
losen Frau Kraak weiß es bald das ganze Haus. Ein Donnerweiter nach dem anderen schlägt ein; der Portier will seine Tochter erschlagen, und der Hausbesitzer will die ganze Blase zum Tempel hinausjagen Aber da tritt etwas ein, das den normalen Ablauf der Dinge unterbricht. Ein schon etwas älteres Fräulein stürzt fich in den Hof, weil der schöne Theodor, ein leichtlebiger Mann aus der Konfektion, der mit allen Frauen des Hauses poussiert, sein Eheversprechen nicht einlösen will. Ihr Tod bringt die anderen zur Besinnung, und der Hausbesizersohn darf die Portiertochter heiraten.
Man sieht: dem guten Ausgang zuliebe ist die Wirklichkeit starf verbogen worden. Mit Kleinbürgerlicher Sentimentalität werden Klaffengegensätze überbrückt, die Frage wird nicht zu Ende gedacht. Das Erwachen der Jugend, das im Drama einstmals in Halbes Jugend und Wedekinds Frühlingserwachen" Epoche gemacht hatte, wird im Film nochmals ausgewertet. Fred Sauer hat dafür gesorgt, daß die Handlung sich filmgerecht gestaltete und fein Mangel war an starten dramatisch zugespizten Situationen. Der Erfolg wurde im vollsten Maße erreicht dank der ausgezeichneten Besetzung, die einen Hermann Vallentin als Portier, Harry LambergPaulsen als lebensechten Don Juan der Mietkaserne, ferner Hermann Picha als pensionierten Beamten und Margarete Kupfer als seinen Hausdrachen ins Spiel setzte. Aber die Krone gebührt Grete Mosheim und Wolfgang 3ilzer, die die beiden jungen Leute verkörperten. Grete Mosheim ist hiermit ein- für allemal als die Darstellerin des jungen unberührten Mädchens hervorgetreten. Wie sie das etwas ungelente, spröde, dann mit einemmal auftauende und später in seiner feelischen Not ganz verzweifelnde Geschöpf gestaltete, das war eine echte große Leistung, die zu Herzen ging. Wolfgang Bilzer hatte gleichfalls die echte jugendliche Note. Unter den weiblichen Darstellern sind noch Hilde Maroff als die ältere Tochter des Portiers und Sybille Morel als die unglücklich Liebende hervorzuheben.
Rätsel einer Nacht." ( Emeltapalaft.)
Harry ist der Refordmann, aber er ist der Reforde fatt, er hat zu viele Rekorde gebrochen, darum geht er in ein Sanatorium. Ind der Leiter der Nervenheilanstalt verschreibt folgendes Rezept, man gebe dem Leben Inhalt durch Naturgenuß und Heirat. Dann jetzt ein furchtbares Unwetter ein, und während es blitt und in Strömen gießt, geben ausgebrochene Irre und ein Spuf im Schloß Harry Gelegenheit, seinen Mannesmut zu beweisen und die Schloßherrin
zu heiraten.
Wolf. Der Film ist ein Rekord der Aufnahmetechnik. Sigt Harry An der Kamera standen Georg Muschner und Gotthard Biel auf einem Pferd, so wird dessen Sprung um ein paar Meter verlängert. Harry Biel ist sein eigener Regisseur. Als Regisseur har er ganz gute Einfälle, doch nußt er sie nicht genügend aus, da er sich selbst immer zu sehr in den Vordergrund schieben muß. Selbst die Zentraljonne sein, das ist die sich stets gleichbleibende Verpflich tung, die Harry Biel, nach seiner Auffassung, fich und dem Film wieder seine Partnerin. Das Publikum geriet bei der Uraufführung gegenüber hat. Die lichtblonde Dary Holm war auch diesmal nicht so vor Beifall außer sich, wie man es sonst gewöhnt ist. Di Harry Biel wohl bald mit einem Stimmungsumichwung fu rechnen haben wird?
Die Dame mit dem Tigerfell." ( Mozartsaal.)
e b.
Es handelt sich ganz bestimmt nicht um eine Spigenleistung, aber es entstand auch fein schlechter Film. Im Manuskript lernen wir nicht nur allerlei Gauner kennen, die einander betrügen und fich Schnippchen schlagen, wir werden auch mit ein paar edlen Herren bekannt, die hocherfreulicherweise" vom Filmadel sind. Zum Schluß gibt's zwei glückliche Liebespaare, mehr kann das Publikum für sein Geld doch nicht verlangen. Alles Geschehen spielt sich in Nizza in den Gesellschaftstreifen ab, in denen man sich nicht langweilt, sondern sich toll amüsiert. Und während das Publikum mit Spannung der Verwirrung und Entwirrung der Handlung folgt, hat es Ruhe genug, nebenbei prächtige Landschaften und prunkvolle Karnevalsaufzüge zu genießen. Dr. Willi Wolff bringt überhaupt sehr gute Massenszenen. Ohne daß seine Regie auch nur einen neuen Einfall verwendet, folgt man seiner Arbeit doch mit dauerhafter Aufmerksamkeit. Von den Schauspielern bekam ein jeder die Rolle, die ihm besonders liegt. So hatte Ellen Richter es nicht nötig, großes fchauspielerisches Rönnen zu entfalten, sondern sie brauchte nur die elegante, rassige Frau zu sein. Bruno Kastner war ihr ebenso eleganter Bartner und Georg Alexander durfte als englischer Lord und Liebhaberdetektiv mit seinem Sinn und c. b. feiner Begabung für Komit glänzen.
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