kommen von 1100 Millianen jährlich. Danach mürde der sozialdemokratische Antrag scheinbar das Lohnsteuerauf- kommen um 100 Millionen unter die gesetzlich festgelegte Grenze senken. Aber dieser Ausfall wird tatsächlich nicht eintreten, weil die Lohnentwicklung auch im Jahre 1928 weiter fortschreiten und zu erneuter Steigerung des Lohnsteuerertrages führen wird. Auch kann man hoffen, daß der durchschnittliche Beschäftigungsgrad im Jahrs 1928 besser sein wir!» als im Jahre 1927. Zugleich schließt das Gesetz über die Beschränkung der Einnahmen aus der Lohnsteuer die Verpflichtung �in, daß die Mehrerträg- nisse des Jahres 1927 für eine hinreichende Senkung der Be- lastung verwendet werden. Schließlich muß dafür gesorgt werden, daß die Ermäßigung auch groß genug ist, damit nicht schon nach wenigen Monaten eine weitere Heraufsetzung der Freibeträge notwendig wird. Die sachliche Berechtigung und die finanzielle Erfüllbarkeit der sozialdemokratischen Forderung läßt sich danach kaum bestreiten. Trotzdem wird man auf harte Kämpfe gefaßt sein müssen. Das Gesetz über die Beschrän- kung des Ertrages der Lohnsteuer ist der Reichsregierung und den bürgerlichen Parteien abgezwungen worden. Es hat dort kaum Freunde, dagegen viele offene und noch mehr versteckte Gegner. Die Länder, die unter Bayerns Füh- rung jeden sozialen Fortschritt bekämpfen, verlangen, daß die Reichsregierung die gesetzliche Verpflichtung zur Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die Senkung der Lohnsteuer nicht erfüllt. Aber auch die Unternehmer find Gegner einer Ermäßigung der Lohnsteuer. Sie wollen nicht Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums, sie erstreben im Gegenteil seine völlige Aufhebung, mindestens bei der Gemeindebe- steuerung. Ihr Ziel ist die Entlastung der Besitzenden. Daher wollen sie die Realsteuern abbauen und vor allem die Be- steuerung der hohen Einkommensempfänger wesentlich mildern. So sind auch in der Steuerpolitik die sozialen Gegensätze mit einem Schlage in den Mittelpunkt des Kampfes gerückt. Die Sozialdemokratie als die Partei des Volkes tritt für den Schutz der Schwachen ein. Der Bürgerblock sucht auch hier den kapitalistischen Interessen den Borrang zu sichern. Stehen die Massen des Volkes hinter der Sozialdemokratie, so wird der Erfolg auf ihrer Seite sein.
�ÜLalift Westarp. Oder die deutfchnationale Politik der reinen Idee. Graf W e st a r p hat auf dem Landesparteitag der Dcutschnationalen in Württemberg die Parole für die kom- inende Reichstagswahl ausgegeben. Es ist eine ganz neue Parole: Gegen den Marxismus! Also sprach W e st a r p: „Wenn bei den nächsten Wahlen die Sozialdemokratie einen maßgebenden Einfluß gewinnen würde, so wäre es mit einer nationalen Wirtschaftspolitik vor» bei. Deshalb gelte es, einen unerbittlichen Kampf um die Macht mit der Sozialdemokratie im Interesse einer gesunden Wirtschast zu fuhren. Die Wahlen von 19Z8 würden durch das Ringen um die Wacht mit der Sozialdemokratie gekennzeichnet sein. Ein Erfolg werde aber nur möglich sein, wenn die materialistische Irrlehre als solche gekennzeichnet und von den weitesten Kreisen de» deutschen Volkes erkannt werde." Nationale Wirtschaftspolitik— das ist die Politik des Bürgerblocks. Sie bedeutet: Preiserhöhung durch Zoll- erhöhung, Nationalisierung auf Kosten der Arbeiterschaft, Lohndruck. Mit einem Wort: Klassenkampf in schärf- ster Form gegen die Arbeiterschaft zugunsten von Großunter- nehmern und Großagrariern. Aber es ist eine Irrlehre, den Willen des Grafen W e st a r p zur Fortsetzung dieser Politik auf die Interessen
seiner Freunde zurückzuführen. Die wollen nicht Profit, sondern nur den Sieg der reinen„nationalen" Idee. Idealist Westarp zieht in den Wahlkampf Arm in Arm mit Großunternehmern und Großagrariern gegen die materialistische Irrlehre der Arbeiterschaft!
Schwache Meinung für üas Schulgesetz. Tie„Kölnische Boltszeitung" zur Reichsratsablehnung. Köln . 17. Oktober. Zu dem Ergebnis der Reichsratsabstimmung über den Entwurf eines Reichsschulgesetzes schreibt die„Kölnische Volkszeitung" u. a.: Das Bild dieser Verhandlung im Reichsrat war nicht weniger als erhebend und kann nur die ohnehin schon schwach« M e i- n u n g für«in Schulgesetz, das uns einen wirklichen Schulfrieden bringen könnte, weiter herabdrücken, und nur ein solches Gesetz kann uns helfen. Wir verwahren uns ausdrücklich dagegen, daß wir etwa zufrieden wären mit einem Schulgesetz, das nur mit wenig Stimmenmehrheit der Bekenntnisschul« einen Lebensraum und das gleiche Recht gibt, das wir verlangen müssen. Genau so würden wir natürlich«in Gesetz, das unter Majorität der Anhänger der Be- kcnntnisschule zustandekäme, niemals als eine Lösung anerkennen und jeden derartigen Versuch aufs schärffte bekämpfen. Soll man deswegen der Entscheidung ausweichen und, wie eine übrigens bisher vereinzelt« ooikspartetlich« Stimm« wünscht, die Zurückziehung de» Entwurfes durch die Reichsregierung wünschen? Mit Nichten! Der Reichstag , die politische Vertretung des Volkes, darf nicht aus- geschaltet werden, umso weniger, nachdem der Reichsrat in dieser Weis« Stellung genommen, d. h. ein bedauerliches politisches Un- vermögen bewiesen hat. * Wir haben für die Einrichtung de» Reichsrats zumal in seiner gegenwärtigen Form wirtlich nicht viel übrig, müssen ihn aber im vorliegenden Falle doch in Schutz nehmen. Bei der Einbringung des Schulgesetzes im Reichstag macht der Reichsinnenminister o K e u d e l l davon Mitteilung, daß ims Gesetz im Länderporlament durchgefallen ist, und erklärt: „Eine einheitliche Auffassung des Reichsrats hat sich hierbei nicht ergeben, da die Gründe der einzelnen Reichs- rotsmitglieder für ihre Ablehnung verschiedener Art waren." Das stimmt. Das beweist aber auch, daß die Reichsregierung wie wir bereits betonten, auf das Gröblichst« ihr« Pflicht verletzt hat, bei der Vorbereitung des Gesetzes die Auffassung der Länder zu klären und— wenn man schon nicht ihre Zustimmung erreicht— wenigstens eine Arbeitsbasis für den Reichstag zu schaffen. Die Stümperei des Rechtsblocks auf gesetzgeberischem Gebiet kann sich gar nicht besser kennzeichnen als dadurch, daß es ihm nicht gelungen ist, diese Vorbedingung einer sachlichen parlamentarischen Beratung des Entwurfs zu finden. Die viel gerühmte Kunst der deutschnationalen„Fach"-Minister hat tatsächlich einmal ordentlich Schiffbruch erlitten. Die Rechtsblockregierung, nicht der Reichsrat trägt dafür die Verantwortung, wenn«in s» gänzlich unvorbereitetes Gesetz im Reichsrat die Kritik findet, die es verdient. Auch wir hoffen, daß die Volksvertretung nur geringe Neigung für das Schulgesetz zeigen wird. Jedenfalls ist die Ablehnung der Vor« läge durch den Reichsrat eine Niederlage, üb«r di« keine noch ö schönen Worttünste der Regierungsfreunde hinwegtäuschen können.
die Aufrechten. Sie kommen nicht darum herum. Die hohenzollernschen Familienangelegenheiten nahmen seit der heldenhaften Flucht des Familienhauptes auch sonst eine für monarchistische Herzen wenig erfreuliche Entwicklung. Jedenfalls dürfte es kaum die Herzen der Legitimisten mit Genugtuung erfüllen, daß Wilhelm jetzt durch die Heirat seiner zweiundsechzig- jährigen Schwester Victoria zum Schwager des d r e i u n d- zwanzigjährigen russifch'en Tänzers Z o u b k o f f wird. Diese komisch anmutende Mesalliance einer alten Dame mit einem jugendlichen Abenteurer muß um so mehr Verwirrung in
Gustav Hartungs vebut. Eröffnungsabend im Renaissance-Theater. Wochenlang hat Gustav Härtung die Presse mit Notizen versorgt, er wolle dies Theater pachten oder jen«s, Verhandlungen feien gescheitert, neue begonnen. Endlich ist es soweit: er führt Direktion im schmucken Renaissance-Theater, inszeniert selbst das erste Stück, sieht ein illustres Publikum am Eröffnungs- abend. Man erwartet ein Thcaterereignis. Härtung startet mit einem Trauerspiel eines Zeitgenossen Shakespeares John Ford . „Giovanni und Anabella." Tragödie der Leidenschaft. Kampf des Blutes gegen Gesetz und Sitte. Der Bruder liebt die Schwester. Priesterliche Warnung hat keine Macht über den Sinnen- trieb. Anabclla wird schwanger und nimmt in ihrer Not den jungen Soranzo zum Mann. Der erfährt von der Blutschande, schilt Anabella rasend eine Hure, schleift sie an den Haaren aus dem Bett und sinnt fürchterliche Rache. Aber Giovanni kommt ihm zuvor, ersticht seine Schwester und reißt ihr das Herz aus der Brust. Am Schluß liegen alle Hauptfiguren erdolcht auf der Bühne. Der Amme Putana werden die Augen ausgestochen. Das äußere Geschehen ist grauenhaft. Aber aus den Versen, die Erwin Kaiser in ein feierliches Deutsch gebracht hat, sprechen Gewalt und Empfindung cin«g Dichters. In welch wundersamer Zeit ist das Stück entstanden! Das Drama, eben geboren, entfaltet sich zu ungeahnter Blüte. Ein Theateriaumel hat alle gepackt. Eine Dichterschar wetteiferte mit dem Genius Shakespeare. Kyd, Greene Marlowe, Ben Ionson, Chapman, Massinger, Detter. Webster, Heywood, Shirley, Ford sind nur einige überkommene Namen. Bei dieser unbändigen Kraft, von dieser Theaterbegeisterung spürt bei Gustav Hortung keinen Hauch. Im Zeitlupentempo kriecht griesgrämig und lähmend die Handlung dahin. Sie spielt an der damaligen Zeit und an der hutigen vorbei. G i l l i s von R a p p a r d ist ein mürrischer Giovanni ohne Leidenschaft, A ch a z ein junger Soranio ohne jugendliches F«ucr, ja, selbst die dankbare Rolle des schurkischen Dieners Vasquez erstarrt bei Paul Graetz in Manier. Er springt geduckt auf die Bühne, steht, das linke Bein nach hinten geknickt, lauernd da, wie wir ihn hundertmal gesehen haben, ein üblicher Theaterintrigant. Di« Oede des Abends überbrücken Hans Hermann- Schaufuß in einer Trottel. roll« und die weiblichen Darsteller. Hedwig Mangel zeichnet prachtvoll eine kriechende und lüstern-kreischende, tupplerische Amm« PieLons, Elisabeth Lennartz ist eine Anabella von zartem 1 l und Franziska K>nz spielt zugleich aufgewühlt und vcr- halten c< betrogenes Weib mit zitternd-erregter Stimm«. T. C. P i l a r tz hat einen aug«n«rfreucnden Vühnenbau in zwei Stockwerken mit breiter, gewundener Treppe geschaffen. Gase-
bespannte Wandschirme deuten Wechsel der Szenerie an: leider nur kümmerlich und geschäftsmäßig. So, Herr Härtung, werden Sie Berlin nicht erobern. Ernst Degner.
Herbstkonzert öes Männerchors„Gst-tyronta". Die Männerchöre haben es nicht mehr leicht. Wollen sie nicht in Liedertafelei verfallen, so müssen sie sich für ihren gehaltvolleren Teil immer mehr ein Programm zusammensuchen, das die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bedenklich streift. So auch der hochstr«b«nde, rührige L. W. Karg mit seiner„O st- L y r a n> a", der in seinem Konzert in der S t a d t h a l l c den hundertjährigen Bernhard Klein, den Zeitgenossen Mendelssohns, heranholte, außerdem Peter Gast . Nietzsches Freund, den der in Musiklachen sehr kurios« und wandel- bare Philosoph in seiner Wagner-Feindfchaft als den ersten Kampa- nisten der Zeit bezeichnete, dann Schumann, von den Neueren Wil- Helm Sturm und eine eigene Arbeit. Das köstliche Ritornell Schu- manns ausgenommen, überragte ater alle Vater Bruch mit seinem „Vom Rhein " um Haupteslänge. Das andere hätte nur ein Chor mit ganz erstklassigem Material zum Erklingen bringen können. So unterstrich manche Intonatianstrllbung, harmonische Ungenauigkeit und rhythmische Schwerfälligkeit in den schwereren Partien die teil- weise Verbloßtheit der Kompositionen.„Mutter Nacht" von Karg ist«in gehaltvoller Chor, dem nur die beweglich« Gestaltung fehlt, und sein.„Klosterknecht" zeigt eine sehr bemerkbare humoristisch« Begabung und Erfindung. Das neu-„Freiheitslied" von Arensberg, dessen Text nicht sehr tief greift, gibt sich allzu bequem und rhyth- misch simpel, wobei die Marseillaise-Ankläng« seine eigene Mattigkeit noch mehr hervorheben. Die„Hymne" von ejnem Ungenannten hat wenig Feuer, brachte es aber durch den ernsteren, tieferen Unterton zu einem verdienten da capo. Von dem, erlösen Teil war nur Bruchs Meisterlied, der Schluß der„Mutter Nacht" und namentlich das Ritornell mak«llos, wobei das fein« piano die stärlste Seite der gesanglichen Kultur darstellte. An dem lustigen, weitaus dank- bareren Teil konnte man restlos fein« Freude haben. Armin Liebermann entzückte feine Zuhörer wieder mit einer großen Anzahl von Cellostücken, die zum Teil L. W. Karg auf der Harfe seinsinnig begleitete, zum Teil Fräulein E. Brandenburg am Flügel._____ Heinrich Maurer . Kammer-Oper. Die Gemeinnützige Vereinigung zur Pflege deutscher Kunst brachte im Renaissancetheater ein anmutiges Spiel heraus.„Der gefangene Vogel", ein melanchalisch-tief- sinniges chinesisches Märchen, kluge Verse von Karla Höcker , gut charakterisierende, zarte, melodische Musik von Hans Chemin- Petit , der auch dirigiert. Sehr apart die marionettenhaft auf- geputzte Nyenonie. Um Spiel und Gesang machten sich Maria R u b i n st e i n, Hans H o l t o r f, Richard K le w i tz sehr verdient. Damit das allzu zarte, duftige Stückchen nicht trübsinnig mache, folgt gleich hinterher der Pergolesische„verliebte Gesangs- meister". nach der Originalpartitur von Erich Anders frei und flott bearbeitet. Hier ist Lustigkeit und Eleganz mit süßester und sauberster Musik umfangen, Perlen von geschmackvollen, aparten Tänzen und Arien des 18. Jahrhundert Hier trat auch Fritz
patriotischen Herzen anrichten, als Wilhelms Spätheirat mit der auch nicht ganz ebenbürtigen und bedeutend jüngeren Hermine kaum verwunden ist. Um so höher ist es zu bewerten, daß sich noch immer eine Schar von„Aufrechten" findet, die unentwegt alle monarchistischen Geburts- und Sterbetage begeht. Sie hat am 15. Oktober an der Singakademie eine Kaiseringedächtni-s- f e i e r für die verstorbene Auguste Viktoria veranstallet, bei der allerdings über ihre derzeitige Plotzhalterin mit Schweigen hinweg- gegangen wurde. Dem Bericht des„Reichsboten" entnehmen wir, daß der Oberdomprediger O- Conrad im Namen der Zeitschrift „Der Aufrechte" eine Begrüßungsansprache hielt und unter anderem sagte: Aber wir gehen nicht vorbei als Aufrechte an dem Be» kenntnis zu dem, der in weiter Ferne weilt: wir gedenken unseres Kaisers, derunserKaiseristundbleibtl Wir begrüßen Seine Königliche Hoheit, den Prinzen Oskar von Preußen , und bitten ihn, dem Kaiser zu melden, daß wir nach wie vor treu zu ihm stehen.— wir kommen nicht darum herum, am 22. Oktober, dem Geburtstage der Kaiserin, auch des 2. Ottobers zu gedenken, des Geburtstages unseres Feld- Marschalls von Htndenburg, der treu und edel in schwierigster Zeit im Sinne der Kaiserin am Vaterlande gearbeitet hat und keine Mühe scheute, auch unter den jetzigen Verhältnissen seine Pflicht zu tun." Die Aufrechten„kommen also nicht darum herum", an Hinden- bürg zu denken, auf deutsch : er ist ihnen im Grunde als Präsident der Republik abscheulich. Es ist eigentlich nicht sehr„aufrecht", sich um seine wahren Gefühle mit einer verlegenen Redewendung „darum herum" zu drücken.
Dem Heüenken wermuths. Genosse Kurt Rosenfeld schreibt uns: Der Tod des früheren Oberbürgermeister Mermuth ver- anlaßt mich, um das Bild dieses bedeutenden Mannes der Nachwelt im richtigen Licht erscheinen zu lassen, an sein Verhalten zur Zeit der Revolution zu erinnern. Es war einige Tage nach dem 9. November 1918, als die Genossen Bruns, Heimann, Dr. Weyl und ich als Beauftragte des Arbeiter- und Soldatenrats die Verwaltung der Stadt Berlin zu übernehmen hatten. Wir suchten Mermuth auf, um mit ihm über die Durchführung der Wünsche der Arbeiter zu verhandeln. Dabei waren wir alle vier von der Notwendigkeit überzeugt, den in der Kriegszeit bewährten Oberbürgermeister, den wir nicht entbehen tonnten, der Leitung der Stadtverwaltung zu erhalten. Wir fürchteten aber, daß die Forderungen, die wir sofort stellen und durchsetzen mußten, vor ollem das Verlangen der Durch- führung des Achtstundentages für die Arbeiter, Angestellten und Beamten der Stadt, ihm, der von aller Voreingenommenheit frei war, dem Sozialismus aber doch ablehnend gegenüberstand, ver- anlassen würde, sein Amt niederzulegen. Als wir das Arbeitszimmer des Oberbürgermeisters betraten, kam er uns tief bewegt entgegen. Er versicherte uns sofort, seine Kräfte gern den neuen Gewalten zur Verfügung stellen und auch Helsen zu wollen, den im Magistrat gegen den Arbeiter- und Soldatenrat sich regenden Widerstand zu beseitigen. Zugleich fragte er uns, welche Wünsche wir hätten. Als ihm die Antwort wurde, daß zunächst der Achtstundentag durchgeführt werden müsse, er- widerte er ohne Zögern:„Diese Forderung habe ich natürlich erwartet, es ist selbstverständlich, daß sie sofort erfüllt werden muß." Und er setzte sich hin und dekretierte mit unserer Gegenzeichnung den Achtstundentag für Berlin. - � Dasselbe Verständnis wie am Tage des Uebergangs der Stadt- Verwaltung auf die Volksbeauftragten der Stadt Berlin zeigte Wermuch während der ganzen Revolutionszeit. Er hatte längst das Brüchige der vorrevolutionären Gewalten erkannt. Er, der Mann, der aus dem konservativen Lager gekommen war. stellte sich sofort aus voller Ueberzeugung auf den Boden der Revolution, und das sollte ihm die Arbeiterschaft niemals vergessen.
Der steirische Slinnes natürlich enthastet. Der Großindustrielle Dr. W u t t e in Graz ist gegen Hinterlegung einer Kaution von 199 999 Schilling und gegen Gelöbnis enthaftet worden.
Göllnitz witzig zum kleinen Ensemble. Das Orchesterchen auf- mersam und delikat. Diese Kammer-Oper wird unseren Landsleuten in Ost und West, die nicht so glücklich sind. Opernhäuser am Platz zu haben, Freude machen. Wir wünschen Glück auf den Weg nach den 399 Flecken, Städtchen und Städten! K. S. Alfred Kerr wird gefeiert. Der Verlag„Der Ueberblick" eröffnete mit einer Kerr-Matinee am Sonntag im Theater am Nollendorfplatz di« Reihe seiner diesjährigen Mittags- Veranstaltungen. Kerr saß in der Loge, und aus der Bühne lasen Prominente aus feinen Werken. Leopold I e f f n« r und Armin T. W e g n e r zogen die Bilanz aus dem Schaffen des Kritikers. Warum soll ein Theaterleiter nicht auch einmal in der Oeffentlichkeit den Kritiker kritisieren? Allerdings gestaltet« sich diese Kritik zu einer begeisterte» Kundgebung für Kerr, dessen kritisch« Arbeit für das Theater in Iessners Interpretation von aufbauendem Wert ist. Ieffner legte d«n Hauptakzent auf die Feststellung, daß der Kritiker Kerr durch sein Schaffen Börnes Wort, die Kritik leiste für die Kunst nichts Positives, widerlegt habe. Behandelte Leisner den Kritiker Kerr, so Armin T. Wegner den Dichter Kerr, den enthusiastischen Lebensbejaher. Tilla Durieux , Lina Lossen , Elisabeth Bergner . Paula Wedekind, Deutsch , Kortner und Klöpfer vermittelten Kritiken und Dichtungen. Kerr selbst sagt an irgendeiner Stelle Grund- legendes über den Unterschied zwischen gesprochenem und geschri«- benem Wort. Auch sein« Werte wirken faszinierender bei der Lek- türe, besonder- da manche der Sprecher den Nvrtragstisch mit der Bühne verwechselten. Das Publikum benahm sich außerordentlich begeistert.— t. Festspiele de» Welttheaters. Der leitende Ausschuh des franzZ- fischen Verbandes des WelUheaters hat in den großen Linien das Programm der internationalen Festspiele, die im Mai und Juni in Paris stattfinden werden, festgelegt. Der Direktor des Odeon- theaters Gemier�hat während seines letzten Berliner Aufenthalts die Zusagen der Teilnehmer, Bruno Walters als Leiter der mufika- tischen Veranstaltungen und Max Reinhardts gemeinsam mit Gömier selbst, zur Leitung der Inszenierung erhalten. Die französische Ver- «inigunq des Welttheaters steht gegenwärtig in Besprechungen mit einer Truppe in New Port sowie mit einer großen Bühne in Moskau und verschiedenen europäischen Künstlern, die an den Fest- spielen teilzunehmen wünschen.
DI«.EuropSische Tribüne- veranstaltet am IS.. 20 U6r, im Herrenhaufe, Leipziger Strave 3, einen ZIbend. Gg sprechen: Heinrich Mann über „Die Ausgaben der Geistigen im neuen Europa ". Arnold Zweig über„Die Formung der Leidenschaften in der Politik", Gustav Har- t u n g über„DaS Theater im Dienste der europäischen Verständigung». Humboldt-Hochschule Dr. Johanne» Günther hält am St., 20 Uhr, in der Aula de« Mommten.Ghmnasinm», Wormier Str. lt sNäbe Witten - bergplad). einen Vortrag über da» Thema: Lebendige Ursprünge de» Tbealer» tmit Lichtbildern). Eintritlkarten zu Mark 1._ und Mark 0.75 ort der Abendkasse und in den Geschästsilellen. Die Kolerle Z.<lo»per, Kursürftendamm 233, eröffnete rhtc HerbNaii»- üeüung am 20., 16 Ubr, mit einer Kollektion von Bildern de» Deutsch » Amerikanci » Martin Kaiuz der zum ersten Mal in Berlin lein« Arbeilen zeigt.