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Linksruck in der Tschechoslowakei .

Ueberall kommunale Wahlerfolge der deutschen und tschechischen Sozialdemokraten.

Prag , 17. Oftober.( Eigenbericht.)

Die Gemeindewahlen, die am Sonntag in der über. wiegenden Mehrzahl der Gemeinden der schechoslowakischen Republik durchgeführt wurden, haben einen entschiedenen Rud nach Tints ergeben, zugunsten sowohl der tschechischen als auch der deutschen Sozialdemokraten, aber auch der Kommu­nisten. Die deutschen Sozialdemokraten haben in der überwiegen­den Mehrzahl der Gemeinden an Stimmen und Mandaten gewonnen. Der Stimmenzuwachs beträgt, soweit sich das bisher überblicken läßt, etwa 10 Broz. Besonders erfreuliche Erfolge haben die deutschen Sozialdemokraten in Ost- und Nordböhmen erzielt. Aber auch in fast allen größeren Städten des gesamten deutschen Gebietes haben die deutschen Sozialdemokraten an Stimmen und Mandaten gewonnen. In Prag haben den

größten prozentualen Stimmenzuwachs die tschechischen Sozialdemokraten,

bie von 33460 auf 47636 gestiegen sind.( Die Vergleichszahlen beziehen sich auf die Gemeindewahlen von 1923.) Die deutschen Sozialdemokraten, die mit den tschechischen Genossen in Prag Listen­verbindung hatten, haben so, wie das letztemal, über 2000 Stimmen erzielt. Die Mandatszahl der tschechischen Sozialdemokraten steigt von 9 auf 12. Die tschechischen Nationalsozialisten haben trotz einer Absplitterung ihre Simmenzahl von 81 000 auf 95 000 erhöht und erhalten statt 22 nun 23 Mandate. Die Kommu= nist en dagegen verlieren troß der Erhöhung ihrer Stimmen­zahl um ungefähr 3000 infolge der höheren Wahlziffer 2 Mandate. Die größte Niederlage in Prag erlitten die Nationaldemo traten, welche von 86 000 auf 70 000 hinuntergingen und von ihren 23 Mandaten 6 perlieren. Die übrigen bürgerlichen Parteien haben ihre Mandatzahl so ziemlich behauptet. Die von den Nationalsozialisten abgesplitterte Stribrny hat 3 Mandate erhalten. Die deutschbürgerlichen Parteien haben trop des erheblichen Stimmen. zuwachses von 2000 nur 3 Mandate erlangt. Den größten Anteil on den deutschbürgerlichen Stimmen in Prag haben die Demo­fraten, die aber sonst in der Provinz ihre schwache Position nicht einmal behaupten fonnten. Die drei sozialistischen Parteien haben nun in Prag von den insgesamt 100 Mandaten 52 inne, bisher 51.

Die deutschen Sozialdemokraten in der Stadt Teplitz gewannen dort 2 Mandate, etwa 700 Stimmen, während die Christlichsozialen 1. Mandat und 1300 Stimmen einbüßen. Die Kommunisten gewinnen 1 Mandat. In diesem Bezirk haben die deutschen Sozialdemokraten überaus günstig abgeschnitten mit einem Stimmengewinn von 2000 gegenüber 1923. In der Stadt Auffig gewannen die deutschen Sozialdemokraten ein elftes, die Kommunisten ein drittes Mandat. Die Nationalsozialisten und Christlichsozialen verlieren je ein Mandat. In Brür haben die deutschen Sozialdemokraten und die Kommunisten je 1 Mandat wiedererobert. Die Hakenkreuzler verlieren hier in ihrer Hochburg 2 Mandate. In Ietschen gewannen die deutschen Sozialdemo­fraten 2, die Kommunisten 1 Mandat, die Hakenkreuzler verlieren 1 Mandat. Lediglich in Bodenbach verlieren die deutschen Sozial­demokraten trotz einer Stimmenzunahme von 700 ein Mandat. Wie fich an den Ziffern zeigt, haben die Hakenkreuzler gerade in ihren Zentren einen erheblichen Rüdgang an Stimmen zu vere zeichnen. Die deutschen Sozialdemokraten gewinnen Mandate und Stimmen im

B

gesamten Industriegebiet von Nord- und Nordoftböhmen, beispielsweise in Schönlinde zu ihren bisheriegn 16 Mandaten noch 2 hinzu, 2 Mandate in Böhmisch Kamnik, je 1 Mandat­gewinn in Bensen und Ausch a. ueberaus erfreulich ist der Gewinn von 2 neuen Mandaten in Trautenau . In West böhmen haben die deutschen Sozialdemokraten überall ihre Stimmenziffern seit den Parlamentswahlen von 1925 noch verbessert. Auch in Südböhmen und in Mähren haben die deutschen Auch in Südböhmen und in Mähren haben die deutschen Sozialdemokraten, soweit sich das bisher überblicken läßt, überall günstig abgeschnitten.

Die tschechischen Sozialdemokraten haben ungefähr 1700 Stimmen zugenommen und überaus erfreuliche Fortschritte, namentlich im Gebiet von Pilsen und Ostrau , erzielt, wo sie überall ihre Stimmen vermehrten. Die Regierungs= parteien, sowohl deutsche als tschechische, haben überall einen Rüdgang ihrer Stimmen und Mandate zu beklagen. Die tschechischen Sozialdemokraten haben besonders günstig in der Slowatei abgeschnitten. Die deutschen Sozialdemokraten haben in Preßburg ein zweites Mandat erobert.

Antifaschistische Solidarität. Schweizer Kantonräte aller Parteien einig. Eine Versammlung der Vorsteher der Baudepartements der Kantone der Westschweiz und des Tessins in Lugano hatte beschloffen, sich nach Italien zu begeben, um die Autostraße Barese- Como Mailand zu besichtigen. Da wurde bekanntgegeben, daß das italie­nische Konsulat in Lugano dem sozialdemokratischen Re­gierungsrat des Kantons Teffin, Can evafcini, der am Ausflug hätte teilnehmen sollen, die Einreise verweigere. Sofort verziteten alle seine Kollegen auf den Ausflug nach Italien . Um 12% Uhr wurde dann mitgeteilt, daß das Konsulat die Weige rung zurückziehe, es war aber zu spät und die Reise nach Italien

wurde nicht ausgeführt.

Der Faschismus in Deutschösterreich, in Hitler - Bubenform ziem lich bedeutungslos, wenn auch schon mehrfach mordbefleckt, in den Heimwehren schon gefährlicher, wird jezt um eine Wiener Haus­herrenwehr( Bürgerwehr") und einen Desterreichischen Truß bund" verstärkt. Die freigewerkschaftliche Soldatenorganisation heißt militär, nicht Wehrverband, wie unsere Meldung über die Wehrmachtswahlen irrtümlich faate. Das Wahlergebnis ist das durch verschoben worden, daß man zahlreiche sozialistenfreie fleine Ab teilungen bildete, die ebensoviel Vertrauensmänner wählen wie richtige Kompagnien usw. Auch das gehört zu dem Prämien- und Beitschensystem des Ministers Bangoin und der reaktionären Offiziersclique.

Bei den Kreistagswahlen im Landkreis Königsberg i. Pr. erhielt der Rechtsblod 7115 Stimmen gegen 7671 bei der Vorwahl und 12 statt 13 Mondate. Die Sozialdemokratie erhielt 3874( 4805) Stimmen und 6( gegen früher 8) Mandate. Die KD. befam 2381 Stimmen und 4( gegen früher 2) Mandate. Die Beteiligung blieb mit 56 Proz. der Wahlberechtigten gering. In verschiedenen Bezirken tamen Unregelmäßigkeiten vor, die noch zu Auseinander­fegungen führen werden.

Die Ermordung Petljuras in Baris durch den ukrainisch - jüdischen Uhrmacher Schwarzbarth wird ab Dienstag das Schwurgericht Baris beschäftigen. Die Verteidigung wird den längst weltfundigen Beweis wiederholen, daß Betljura als antibelschemistischer Diktator der Ukraine ein Hauptschuldiger an den grauenhaften Judenpcgromen der ersten Nachkriegsjahre gewesen ist.

Jubiläum der Oktober- Revolution.

Rykow über ,, Sowjetdemokratie", Nebeneinander von Kapitalismns und Sozialismus, Wiederaufbau- Bilanz.

Leningrad , 16. Oktober.

Auf der Festigung des Zentralerefutiofomitees schilderte Ry­Sowjetunion und verlas das Manifest, das immer neuen fom in einer zweistündigen Rede die äußere und innere Lage der Beifall in dem dichtgefüllten Saale des Taurijchen Palais auslöfte. Rykow führte u. a. aus: Die Oktoberrevolution bedeutet den Be ginn einer neuen Aera der Menschheitsgeschichte. Noch nie das gewesene Zusammenstöße mit den Klassen, deren Tragweite weder Raum noch Zeit begrenzt, zeichnen sich in der Oktoberrevolution ab. Das zehnjährige Bestehen der Sowjetunion trotz der unerhört schwie­rigen Verhältnisse, troß der inneren technischen und kulturellen Rüd­ständigkeit, trog der Einkreisung durch das feindliche Ausland te­fräftigt der ganzen Welt gegenüber die Reife der proletari schen Revolution. Der ausschlaggebende qualitative Unterschied der Sowjetdemokratie

nicht aus. Nur die Industrialisierung wird die Sowjetunion vor der Gefahr schützen, ein Anhängsel der kapitalistischen Weltwirtschaft zu werden unrichtig ist die Meinung, Mittel zur Industrialisierung durch einen verstärkten Drud auf die privattapitalisti­fchen Elemente in der Wirtschaft der Sowjetunion herbeizu­führen, da ihre Wirtschaftskraft zu unbedeutend ist, um zur In dustrialisierung erheblich beizutragen. Die Sowjetregierung führt unverändert eine Politik des

Kampfes gegen die Reste der privatkapitalistischen

Wirtschaftsformen;

Berdrängung, sondern auf dem ökonomischer lleberwin. sie führt diesen Kampf jedoch nicht auf dem Wege administrativer bung. Ein Druck auf die Landwirtschaft zweck's Herbeischaffung der erforderlichen Industrialisierungsmittel würde die Kauftraft der Bauern vermindern und damit der ganzen Volkswirtschaft schaden. und der bürgerlichen Demokratie besteht in der unmittelben, daß nicht die Entwicklung aller Zweige der Sowjetwirtschaft ver­Die Mittel zur Industrialisierung werden vielmehr so beschafft wer­baren führenden Beteiligung der werftätigen Mai langsamt wird. Im Gegenteil, sie sollen gefördert werden. Die Be­fen im ganzen Staat und in der Wirtschaftsverwaltung durch das System der Sowjets, die gegenwärtig Millionen Mitglieder auf des Dorfes herrührt, wird um so erfolgreicher sein, je mehr die Land­fämpfung der Arbeitslosigkeit, die von der Uebervölkerung weisen, wenn man die Genossenschaften, Gewerkschaften sowie ver­den Gerichten, deren 3ahl mehr als 2000 beträgt, einrechnet. Die wirtschaft industrialisiert wird. Ein relativer Ueberfluß an Arbeits­schiedene andere Körperschaften- wie z. B. die Voltsbeisiger in fraft macht es schon jetzt möglich, die Arbeitszeit zu türzen Sowjetunion ist das sozialistische Baterland der Arschaften des ersten Jahrzehntes der Sowjetunion besteht in der Mög­und die Arbeitsschichten zu vermehren. Eine der größten Errungen­beiterklasse der gesamten Welt, ein treuer Verbündeter aller lichkeit, auf der Grundlage einer Rationalisierung der Industrie unterdrückten Bölker, die um ihre Befreiung fämpfen.

Wie noch nie ist in der gegenwärtigen Epoche das National interesse der Arbeiterklasse aufs engste mit den Interessen des in= ternationalen Kampfes der gesamten Arbeiterschaft ver­flochten. Eine der hauptsächlichsten Voraussetzungen für die Festi gung der internationalen proletarischen Revolution ist die Bekämp­fung der Gefahr eines Krieges gegen die Sowjetunion und die Siche rung der Möglichkeit der friedlichen Entwicklung der Sowjetunion . Die zehn Jahre nach der Oktoberrevolution zeichnen sich durch einen natürlichen Antagonismus, durch die kapitalistische Eintreisung des ersten proletarischen Staates in verschiedenen Formen, wie offene Intervention, Blockade, geheime diplomatische Intrigen, Borberei tung eines neuen Krieges aus. Um sich die Möglichkeit eines fried­lichen Aufbaus zu sichern, schlug die Sowjetunion in Genua und im Ha a g den imperialistischen Staaten vor, sie wolle sich sozusagen auslösen. In der Hoffnung auf eine innere Krise der Sowjetmacht selbst vernichten. Heute sind wir erstartt und beabsichtigen nicht wollten die imperialistischen Länder das Wesen des Sowjetstaates mehr, das zu zahlen, was wir in Genua und Haag an boten. Je stärker wir werden, je meniger wir von den tapitalistischen Ländern abhängig sind, um so weniger werden wir ihnen zahlen. Die Haupt­aufgabe der Sowjetrepublik in den letzten Jahren und auch heute ist

fer an.

die Sicherung der Möglichkeit eines friedlichen Aufbaus. Zum Unterschied von den bürgerlichen Staaten strebt die Sowjet union feine Erweiterung ihres Gebietes auf Kosten anderer Böi daher bilden Friede und Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen Sie ist in feinem Maße an einem Kriege interessiert und in der Weltwirtschaft die Grundlage der äußeren Politik der Sowjet­ union . Eine sechsjährige Ruhepause macht trotz der großen äußeren und inneren Hindernisse die Sowjetunion zu einem hervorragenden Faktor in der Weltpolitik. Sie wurde weltpolitisch vom Objekt zum Subjett. Die inneré sowie die internationale Erstartung des Kapitalismus führte zu neuer attiver Feindseligkeit gegen die Sowjetunion . Das gegenwärtige internationale Kräfteverhältnis macht ein

Nebeneinanderbeftehen des fozialistischen und fapitalistischen Systems geschichtlich unvermeidlich.

Unter den Bedingungen einer friedlichen Ripalität ist der Sieg des fozialistischen Systems gesichert. Gerade deswegen werben die Regierungen einiger fapitalistischer Länder danach trachten, den geschichtlichen Entwicklungsprozeß zu vergewaltigen Sowjetunion unternehmen. Bedeutende Aussichten für einen erfolg und Versuche eines bewaffneten Kampfes gegen die reichen Ausgang des Kampfes der Sowjetunion um eine friedliche Ruhepause bestehen insofern, als nicht alle fapitalistischen Länder aus einem Kriege mit der Sowjetunion Rugen ziehen würden. Mehrere von ihnen würden vielmehr im Falle einer bürgerlichen Restauration verlieren. Ein Krieg gegen die Sowjetunion würde zudem

den Kapitalismus felbft gefährden,

da der Beginn der sozialistischen Revolution dadurch in anderen Ländern beschleunigt werden fönne. Die Interessen mehrerer Länder führen diese vielmehr auf den Weg des Ausbaues der wirtschaftlichen Berbindung mit der Sowjetunion als den einzigen Weg, der sie vor einer Berschärfung bzw. Wiederholung wirtschaftlicher und politischer Krifen fichern fann. Wenn es heute auch nicht möglich ist, den Zeitpunkt des Ueberfalls auf die Sowjetunion vorauszusehen, so fann man doch als festgestellt gelten laffen, daß die Borbe reitung eines solchen leberfalls im Gange ist. Die legten Monate fönnen als der Beginn einer Zeit der Tendenz des Abbruchs der politischen Beziehungen zur Sowjetunion betrachtet werden; dieser Abbruch wirft in gewiffem Umfange auch auf die Birt fchaftsbeziehungen zurüd. Der auswärtige Handel der Sowjetunion zeigt teine genügende Entwidlung. Die Stomplizierung der internationalen Lage macht die Arbeit auf dem Gebiete des auswärtigen Handels noch schwieriger und verantwort. licher, während zugleich die Industrialisierung der Sowjetunion einen größtmöglichen

Ausbau der Beziehungen zum Auslande erfordert. Die Sowjetwirtschaft hat dank ihrer Organisierung der gesellschaftlichen Arbeit den Borkriegsstand überschritten und im allgemeinen das Tempo des Wiederaufbaues, der kapita­ listischen Länder überholt. Der Inder des Reallohnes ist im Jahre 1927 in der Sowjetunion um 8, in England um 4, in den Bereinigten Staaten um 3,4 Punkte gestiegen. Der relative Anteil der Arbeiterschaft an dem Nationaleintommen betrug 29,4 Proz. gegen 24 Proz. im Jahre 1925 bei gleichzeitigem Sinten dieses Anteils in den kapitalistischen Ländern. Die Sowjetregierung hat ihre positive Wirtschaftsarbeit nicht auf der Grundlage der Bor friegswirtschaft begonnen, sondern ein zerrüttetes, industriell zurückgebliebenes Land übernommen, welches im Kriege die ehemaligen Wirtschaftsverbindungen verlor und außerdem den Um­bau in sozialwirtschaftlicher Hinsicht durchmachte. Der sechs jährige Krieg von 1914 bis 1920 foftete der Bolkswirtschaft nach einer noch zu ergänzenden Berechnung 90 Milliarden Goldrubel. Hiervon entfallen über 50 Milliarden auf den Bürgerkrieg, die Blockade und die Interventionen. Der Wiederaufbau vollzog sich ohne jede Hilfe von außen, die vor dem Kriege durch Investie rungen ausländischen Kapitals im Betrage von Hunderten von Millionen zum Ausdruck fam.

Die Bilanz des Wiederaufbaus lautet: Die Landwirtschaft, die im Jahre 1922 fast um die Hälfte zurückgegangen war, hat heute ihr Borfriegsniveau wieder erreicht. Die Industrie, die sich in den Jahren des Berfalls um das Fünfeinhalbfache verfleinerte, ist heute weit über ihren Bor friegsstand hinaus. Die Aufgabe ist heute nicht mehr der Wieder­aufbau, sondern der Umbau der ganzen Volkswirtschaft auf einer höheren technischen Grundlage. Ein Haupthindernis besteht heute in dem Mißverhältnis zwischen Industrie und Landwirtschaft; für lettere reicht die vom Zarismus überkommene Industrie basis

zum Siebenffundenfage überzugehen,

der zum Unterschiede von den fapitalistischen Ländern nicht zur Ausbeutung, sondern ausschließlich zur Hebung des Wohlstandes der Arbeiterschaft eingeführt wird. Aber die ersten Aufgaben der Oftoberrevolution sind noch nicht restlos erfüllt. Noch nicht alle Ueberbleibsel der Vergangenheit sind beseitigt: Die rechtliche Gleich heit und die Freiheit der Völker der Sowjetunion find verwirklicht, einige Nationalitäten sind jedoch noch stark fulturell und wirtschaftlich zurüdgeblieben. Die weitestgehende Gleichstellung der Frau ist in der Sowjetunion verwirklicht, aber der Alltag fennt noch viele Elemente der Unterdrüdung der Frau. Die Revo lution hat alle Vorrechte des alten Beamtentums vernichtet, aber die

neue Berwaltung weist noch viele alte Gepflogenheiten auf. Die Religion genießt feine staatliche Unterstützung, aber ein gewisser Teil der Bevölkerung steht noch unter ihrem Einfluß. Das vergangene Jahrzehnt war das

Heldenzeitalter der Revolution,

deren Hauptergebnis die Festigung der wirtschaftlichen und politischen Macht der Sowjetunion als eines sozialistischen Staates ist. Im zweiten Jahrzehnt wird die Sowjetunion gestützt auf die Errungen. schaften vergangener Jahre noch viel schwierigere Aufgaben des mirt­schaftlichen und fulturellen Aufbaues zu lösen haben, um das Endziel der Oktoberrevolution, nämlich die Organisierung einer neuen sozialistischen Gesellschaft zu erreichen.

Das Zentralerefutipfomitee beschloß einstimmig, von einer Debatte über die Rede Rykows Abstand zu nehmen.

Moskaus Jubiläumsgaben. ago bleibt die politische Amnestic? Wo

Die Festlichkeiten aus Anlaß des zehnjährigen Jubiläums der bolfchemistischen Revolution haben gestern zugleich mit der Tagung des Zentralerefutivkomitees der KPD. in Leningrad eingesetzt, und das dort geschlossene Manifest zählt eine ganze Reihe von Fest gaben auf, die dem russischen Volte zuteil werden sollen. Ueber die Bedeutung dieser Ankündigungen fann man verschiedener Ansichten sein. Denn was bedeuten 50 Millionen Rubel mehr für den Wohnungsbau und 15 Millionen mehr für den Schul­bau auf den Dörfern und den Arbeitersiedlungen in diesem riesigen Reich, das vom baltischen Meerbusen bis Wladiwostok von von Bessarabien fast bis Indien reicht? Auch der ver­sprochene Uebergang vom Achtstundentag zum Sieben= stundentag für Industriearbeiter wird nur diejenigen täuschen, die nicht aus den zahllosen Berichten der russischen Gewerkschaftsverbände wissen, daß in Sowjetrußland der Achtstundentag nur auf dem Papier besteht und daß in jedem von der Konjunttur nur einigermaßen begünstigten Zweig unzählige Ueberstunden den Arbeitern von Staats wegen aufgezwungen werden. In den weniger be günstigten Industrien wären die Arbeiter froh, wenn sie auch nur fünf Stunden beschäftigt wären.

Die Ankündigung der Abschaffung der Todesstrafe erfolgt mit der Einschränkung, daß Staats- und Militärverbrecher, somie bewaffnete Banditen, weiter dem Henter verfallen sollen. Demnach bleibt in dieser Hinsicht so ziemlich alles beim alten. Damit verwirten die Bolschewifi das Recht, sich in gleicher Front mit der inter­nationalen Sozialdemokratie und dem fortgeschrittenen Bürgertum im Kampfe für die generelle Abschaffung der Todesstrafe zu stellen, an der sie festhalten.

Endlich ist eine Bertürzung der gegenwärtig zu verbüßenden Strafen in Aussicht genommen ,,, außer den Strafen aftiver Mitglieder politischer Par teien, welche den Sturz der Somjetordnung anstreben, und böswilliger Defraudanten und Bestochener". Diese systema­tische Verkoppelung politischer Kämpfer mit gemeinen Be­trügern hat die Sowjetregierung den schmutzigen Regierungs­methoden des italienischen Faschismus entnommen. Einst. weilen ergibt sich aus dieser Mitteilung, daß die eingeferferten oder verbannten oder deportierten sozialdemokra tischen oder sozialrevolutionären Arbeiter von der Amnestie ausgeschlossen bleiben sollen. Darüber wird noch manch ernstes Wort zu reden sein. Schon jetzt sei die Une hrlichkeit des Rufes nach Amnestie festgestellt, die die Kommunisten außerhalb Sowjetrußlands für ihre Leute verlangen, während sie sie innerhalb Sowjetruß­lands ihren politischen Gegnern verweigern.

Die Außenpolitik des Bürgerblocks. Die Zügel schleifen am Boden." Wir lesen:

Die Außenpolitit Deutschlands war vor drei Jahren atito und fühn. Jetzt ist sie gänzlich passiv und mutlos. Wer damals Stresemann angetrieben hat oder ob er aus eigenem Entschluß gehandelt, mag dahingestellt bleiben. Das heute nichts gefchieht, daß nichts vorwärts geht, daß die 3 ügel am Boden schleifen, ist jedenfalls das eigene Werk und Verdienst der Reichsregierung...

Diefes vernichtende Urteil über die Außenpolitik des Bürgerblods fällt die Deutsche Bergwerts 3eitung, ein zwischen Deutschnationalen und Volkspartei stehendes Unternehmerblatt.

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