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Der Vorwärts" vor Gericht.

500 Mark Geldstrafe wegen Beleidigung eines Oberstaatsanwalts.

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Am 26. März 1926 hatte der" Borwärts" der bekannten Ver folgung des Schulmannes Stölzel durch die Braunschweiger Rechtsblockregierung, ihr Verhalten gegen den Oberstaatsanwalt Du Roi gegenübergestellt, der nach dem Braunschweiger Volksfreund" als Leiter der Strafanstalt Wolfenbüttel zur Zeit der Inflation allerhand Lebensmittel der Anstalt oder ihres Gutes Ahlum zum Teil unter dem Tagespreis gekauft, sie erst später mit entwertetem Geld bezahlt oder auch ihm nahestehenden Beamten billig verschafft habe; der Prozeß Du Roi merde jedoch verschleppt. Wegen dieser Notiz klagte die Staatsanwaltschaft unseren damaligen Berantwortlichen, Genossen Richard Bernstein, der Be­leidigung und üblen Nachrede an und ein Berliner , gemischtes Gericht zwei Richter, zwei Schöffen, Vorsigender Amtsgerichtsrat Waltenberger beschäftigte sich gestern viele Stunden damit und erzielte das, obenstehende Resultat. Seit dem Erscheinen jener Notiz im Borwärts" hat Herr Du Roi die Einstellung des von ihm beantragten Dienst strafverfahrens mit der Be gründung, daß sein Verhalten einwandfrei gewesen sei, ferner die Berurteilung des Braunschweiger Bollsfreund" zu 500 Mart, Ehrenerklärungen anderer Blätter erlangt aber dessenungeachtet Ichnte er gestern den vom Vorfizenden angebotenen Vergleich ab; angeblich weil er nicht misse, ob der Braunschweiger Generalstaats­anwalt damit einverstanden sein werde. Bor Eintritt in die Beweisaufnahme erklärte der Angeklagte, daß er einer Berichtigung Du Rois oder seiner Mitteilung, daß die Beschuldigungen gericht­lich als unbewiesen erklärt seien, gewiß Raum gegeben haben würde. Darauf meinte der Borsfizende, hiernach könnte der An­geflagte doch die Angriffe zurüdnehmen. Das geschah aber nicht, weil der Strafantrag aufrechterhalten blieb. Der Vorsitzende fündigte schon jeẞt an, daß die Strafe höher werde, wenn erst der Beweis versucht und mißglückt sei.

Herr Du Roi war zugleich Nebenfläger und. vereidigter Zeuge. Er stellte alles als durchaus ordnungsgemäß hin: Der Warenbezug ist vorschriftsmäßig. ebenso die Bezahlung durch Gehaltsabzug­mochte das Geld inzwischen noch so sehr entwertet sein, und haben auch

die anderen Kunden des Gutes. Ahlum fofort bar bezahlen müffen.

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( Aussage des Guisverwalters Ernst.) Nur eine einzige Verfehlung wird zugegeben und die auch erit, als ein fewerbestrafter Straf gefangener fie anklagend vorgebracht hat: Ein halbes Pfund Butter von einer 1919 unrechtmäßig für die Anstalt bezogenen und daher nicht den Gefangenen, sondern den Beamten ge­gegebenen Menge hat man dem Anbietenden abgenommen. Die Anflagen gegen. Du Roi stüßen sich auf eine. Landtagsrede des damaligen Justizministers, Reichstagsabgeordneten Genossen Grofemohl, der auf Grund der Berichte des Du Roischen Amtsnachfolgers, Oberregierungsrat Dr. Weiß, sprach. Gestern

hielten

fowohl Grotewohl als auch Weiß ihre Angaben als Jeugen unfer Eid vollkommen aufrecht,

aber das Gericht hat den Strafanstaltsbeamten als Zeugen mehr geglaubt, die feinerlei Anklagen bis auf das Butterpaket be ftätigten.

310 Staatsanwalt Kirschner beantragte 500 m. Geldstrafe und Urteilspublikation, für die Rebenttäger Du Roi Oberstaatsanwalt bes Freistaates Braunschweig, neben Bormärts" und Braun­schweiger Volksfreund", bezeichnenderweise den ofal- n zeiger" mählte.

Ins rechte Licht gesetzt wurde die Angelegenheit durch die Verteidigungsrede des Rechtsanwalts Reichstags­abgeordneten Otto Landsberg :

Ich bin der legte, der nicht für kleine menschliche Schwächen Berständnis hat. So habe ich Verständnis dafür, daß Oberstaats­anwalt du Roi während einer Zeit, da es sehr schwer mar, Butter au erhalten, felbst zuungunsten seiner Untergebenen und unter Ber­stoß gegen die Butterverordnung, ein halbes Pfund Butter in Emp­fang nahm. Ich habe auch Berständnis dafür, daß die Tochter des Herrn du Roi ohne sein Wissen in der Anstaltsküche weißes Brot but. Auch für größere Schwächen habe ich Ber: ständnis, z. B. dafür, daß der Oberstaatsanwalt du Roi als Leiter der Strafanstalt Wolfenbüttet seinen Leuten gemilfe Ber günstigungen zukommen ließ, die durch die Inflationszeit be­dingt waren.

Mein Verständnis hört aber auf, wenn ein hoher Beamter felbft Borfelle aus feiner Stellung zieht.

Oberster Grundsaz ist: Bermenge deine Raise nicht mit der Kaffe des Staates, ziehe teine Vorteile auf Kosten des Staates! Wer gegen diese Grundsäge verstößt, begeht schwerste Pflichtverlegung, gröbste Ordnungswidrigkeit. Daß aber bei dem Gebaren des über staatsanwalts der Staat Schaden erleiden mußte, hat ja, selbst das Disziplinargericht anerfannt. Herr du Roi hat

1200 M. für den Zentner Gerste gezahlt, bei einem Tagespreise von 8000 21.

120

Er hat mit anderen Worten dabei ein gutes Geschäft ge macht, und zwar auf Roften des Staates. Herr du Roi beruft sich zu Unrecht auf ein Gewohnheitsrecht bei den Strafanstalten in be­zug auf die Barenentnahme für Anstaltsbeamte. Für einen an­ständigen Menschen genügt nicht allein das geschriebene Recht. Herr du Roi hatte es nicht nötig, Waren aus den Beständen der An ftalt zu faufen. Er tat es aber, weil hier die Zahlungsbedingungen so leicht waren, weil er teilweise mit entwertetem Gelde zahlen konnte, und so ein gutes Geschäft machte. Er hätte ja bar zahlen können. Zum mindesten hätte er bahin wirken können, daß feine Rechnung sobald als möglich beglichen werde. Das Diszipli nargericht hat aber ein großes Maß von Untenntnis bewiesen, als es glaubte feststellen zu müssen, daß das Gebaren des Staats anwalts du Roi nicht ordnungswidrig gewefen fei. Das Gegenteil ift richtig: Das Reichsgericht hat in einer Reihe Entscheidungen festgelegt, daß Berträge hinfällig find, sobald der Verkäufer durch die Aenderung der wirtschaftlichen Berhältniffe feinen Ber­pflichtungen nicht nachtommen tann. Zusammenfassend sage ich: Diese Gerichtsverhandlung hat festgestellt, daß Herr du Roi in einer Reihe von Fällen empfangene Waren in einer Weise bezahlt hat, fchwere Schädigung für den Staat

daß dies eine

bedeutete. Mehr als das hat aber auch der Borwärts" nicht be­hauptet. Darum iſt Freisprechung am Blage; im anderen Falle ist in Betracht zu ziehen, daß die Vorwärts" Notiz erst er­fchienen ist, als die Landtagsrede des Ministers Grotewohl längst bekannt war. Der ,, Borwärts" hatte teinen Grund, an der Richtig feit der Angaben in dieser Ministerrede zu zweifeln.

Die Länge der Urteilsberatung erschien nicht recht begreiflich, als der Vorsigende den Antrag der Antläger so gut wie under­ändert als Urteil verkündete. Mündliche Begründung: An eine Aufwertungspflicht hat damals faft fein Mensch gedacht, von ihr war keine Rede, du Rois Berhalten einwandfrei. Strafverschär fend für den Angeklagten die Nichtzurücknahme der Angriffe.

Der mitteldeutsche Braunkohlenstreik.

Gardelegen

BERLIN

Brandenburg

Fürstenwalde

Frankfurt

Burg

Belzig Fürstenberg

Magdeburg

Stassfurt

Dessau

Zschernowitz Golpa

Lübben Wittenberg

.

Kottbus

Sommerfeld

Finsterwalde

Eisleben

Bitterfeld Delitzsch Torgau

Spremberg --­

Halle

Senftenberg

Riesa Grossenhain

Weissenfels

Borna Meuselwitz

DRESDEN

CHEMNITZ

Merseburg Leipzig

Naumburg " Apolda Zeitz

1

Gera

Scharfmacherhehe.

Der Deutsche Braunkohlenindustrieverein hat durch die Telegraphen- Union der Breffe eine Mitteilung zugehen lassen, die den Geist des Unternehmertums in der mittel­deutschen Braunkohle fennzeichnet. Diese Mitteilung logen vom ersten bis zum letzten Wort- lautet:

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Der=

,, Die Streiflage im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau ist zu nächst noch wenig durchsichtig. Es ist festzustellen, daß eine Reihe von Gruben poll oder nahezu voll arbeitet, andere dagegen den Betrieb mehr oder weniger haben einstellen müssen.

Aus den gesamten bestreiften Gebieten wird mitgeteilt, daß die Streifenden einen sehr starken Terror ausüben. Die Straßen merden non Streiftrupps hemacht, so daß es den Arbeitswilligen schwer ist, an die Arbeitsstellen zu tommen. Es ist bekanntgeworden, daß die Streifenden die Arbeitswilligen mit Gemalt aus den Gruben herausgeholt haben.

Ruhland Hoyerswerda

กา

Kamenz

179613

von Landjägereibeamten haben lediglich den 3med, etwaigen Ruhe­störungen vorzubeugen und zur allgemeinen Beruhigung beizutragen. Notstandsarbeiten werden verrichtet.

Halle, 17. Oftober.( Eigenbericht.)

Mit der Stillegung im mitteldeutschen Braunfohlengebiet ist die Frage der Rotstandsarbeiten brennend geworden. Die Zentral­streitleitung hat, was selbstverständlich ist, für die Krankenhäuser. Wasserwerke und ähnliche Betriebe den Bezug von Licht und Kraft sichergestellt. Die Notstandsarbeiter versorgen auch die Wasser­haltungsmaschinen der Grüben, damit ein Erfaufen der Gruben ver­hindert wird. Die Zentralftreitleitung geht in der Bewilligung non Notstandsarbeiten auch keineswegs schematisch vor. Sie prüft jeden Fall einzeln und handelt nach Lage der gebotenen wirtschaft. lichen Notwendigkeit.

Die Zentralstreilleitung wird om Dienstag zusammentreten, um sich über den Umfang, der in den nächsten Tagen zu leistenden Not: Ein starker und wirksamer Schuß der Arbeitsstandsarbeiten schlüffig zu werden. milligen ist deshalb im Augenblid als dringendftes Erfordernis zu bezeichnen."

Erstens: Die Streiflage ist durchsichtig genug. Selbst die Gelben streifen bisa sidot

3meitens: Nicht ein einziger Terrorfall ist vorge tommen. Die Streifenden halten musterhaft Disziplin. Die Behauptungen des Industrievereins find schamlos erlogen. Beweis: das Zeugnis der Behörden.

Drittens: Die Herren vergeffen, daß wir nicht mehr im Kaiferreich leben, wo das Militär zur Niederknüppelung von Streits befohlen, werden fonnte. Sie wollen durch den Anblid von Uniformen die Streifenden reizen. Das fenn deichnet ihre Gewiffenlosigkeit und Einsichtslosigkeit.

Die Scharfmacherpresse hat die Heße aufgenommen, voran die Hugenberg Breffe. Die Terrorlüge geht um, der Haß des Besizbürgertums gegen die Arbeiterschaft bricht hervor, und die Front wird flar: auf der einen Seite die Gewerkschaften aller Richtungen, hinter ihnen die Solidari­tät aller Arbeiter tät aller Arbeiter auf der anderen Seite die Scharfmacher mit ihrer Presse. Das Blatt der christlichen Gemert­fchaften, der Deutsch e", hat die Scharfmacherheze vorausgeahnt. Er schrieb gestern abend:

Der Streit im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau fann nicht ernst genug genommen werden. Wer ihn eine fommunistische Treiberei" nennt und nach der üblichen Manier der Sätten ihn als das Ergebnis einer Heze darstellt, der sollte be­denten, daß auch die christliche Organisation mit ganzer Kraft daran beteiligt ist. Die. Deffentlichkeit muß jest ruhig und un poreingenommen prüfen. Sie darf nicht gedankentos auf die Seite berer fallen, die fraft ihrer Wirtschaftsmacht am lautesten lärmen fönnen.

Es geht in diesem großen Arbeitsfampf, der, im Herzen Deutsch­ lands aufflammend, die Reichshauptstadt in seinen Bann zu ziehen droht, nicht nur um ein bloßes Rechenerempel mit den Fattoren Preise, Löhne, Handelsgewinn. Es geht auch um machtfragen. Biele Arbeitgeber scheinen sie mit der schroffen Entschieden heit lösen zu wollen, die mehrfach im jenseitigen Lager als Parole ausgegeben wurde."

Das trifft den Geist des mitteldeutschen Unternehmer­tums! Sie wollen den Arbeitern den Herrenstand punkt ins Auge brüden, sie schreien nach Polizei gegen eine gewerkschaftliche Bewegung, fie haben Streit­brechergarden angemorben, die nun die Arbeit verweigern. Der Arbeiter soll fuschen.

Ihr Geift hat ein Echo in der Scharfmacherpresse ge­funden. Hugenberg und Ramerad Leopold" find einig in der Heze. Boll Entrüstung ruft der Tag" Hugenbergs: mehr Lohn wollen sie, und dabei bauen fie in 3widau ein großes Boltshaus! Ja. mehr Lohn wollen sie, und noch viel mehr Boltshäuser, menschenwürdiges Dasein und kulturellen Aufstieg. Deshalb die Heze ,, nach

der bekannten Manier der Satten".

Deshalb offenbart sich in der Preffe der Schwerindustrie der Klassenbaß gegen die gesamte Arbeiter schaft.

Disziplin der Streikenden.

Halle, 17. Oftober.

Das Landratsamt in Weißenfels bestätigt dem Vertreter der Telegraphen- Union, daß ein Schußpolizeifommando aus Weißenfels nach Groß- Kenna entfantt wurde. Es wird aber aus drücklich betort, daß es sich hierbei lediglich um ene verbeu gende Maßnahme handelt. Zu irgent welchen 3ufammen. stößen oder Ruhe störungen sei es, abgesehen von den üb­lichen Streitigkeiten, nicht gekommen. Auch die Zusammenziehung

Streikbruch verweigert!

Zum Streifbruch angeworbene Arbeiter werden: unbequem odor Halle, 17. Ottober.( Eigenbericht) Die mitteldeutschen Braunfohlenunternehmer haben por einigen den deutschen Tagen zahlreiche Arbeitspillige aus Großstädten, unter anderem aus Hamburg , Breslau , Saljet usw., herangezogen, um fie als Streifbrecher zu benutzen. Als bie herangezogerer Arbeiter merften, was ihnen zugemutet wurde, widerlegten sie sich und verweigerten die Arbeit. Darauf haben die Unternehmer die Gendarmerie aufgeboten, um die fremden Arbeiler, die in Werksbaraden untergebracht Jind, aus liesen Baraden zu entfernen. Die Stimmung unter diefen Leuten ist sehr gereist. Die Zentralitreifleitung hat sich mit den Behörden in Verbindung gefeßt. Es besteht die Möglichkeit, daß die Leute schon am Dienstag in ihre Heimat zurückbefördert

werden.

Der tschechoslowakische Wahltag.

Die neue Prager Stadtvertretung.

Prag , 17. Oftober. Gewählte Stadtverordnete: Ifch. Nationalsozial. 23, Kommu niften 17, Unpolitische Wirtschaftsgruppe 2, sch. Gewerbepartei 6, Tich. Sozialdemokraten 12, Republikaner( agrarisch) 2, Arbeitspartei 3, Slawische Nationalsozial.( Stribrnpartei) 2, tschechische Volkspartei( chriftlich- foz.) 6, Bürgerblod" 2(!), Haus­befizer 2, Tsch. Nationaldemokraten 17, Deutsche Demokraten 3, Deutschnat. 1, Jüdische Partei 2.

Sozialistisch- kommunistischer Blod?

Prag , 17. Oftober.( WTB.- Privattelegramm.) Wie gemeldet wird, haben sich die beiden tschechischen sozia­liftischen Parteien( fozialdemokratische Partei und Nationalfozial.) liftischen Parteien( fozialdemokratische Partei und Nationalfozial.) mit den Kommunisten auf Bildung eines Arbeitsblods im neuen Gemeinderat geeinigt. Diese. drei Parteien pet­fügen über 52 Mandate. Außerdem dürften dem so geformten Linksblock auch die drei Gemeinderatsmitglieder der nationalen Arbeitspartet( Dr. Stransky) sowie die zwei Vertreter der flawi­fchen Nationalsozial. beitreten. Es würden dann dem 57 Stinimen zählenden Linksblod in der Prager Ratsstube 43 Stimmen der Rechten, die 4 deutschen Mandate mit eingerechnet, gegenüber.

stehen.

Fliegertriumph und Fliegertod.

Drei Tote in Rip.

Rio de Janeiro , 17. Oktober. 3m Augenblid der Landung der französischen Flieger Costes und Le Brig ist ein brasilianisches Militärflugzeug brennend ab­gestürzt. Die drei Jnfassen tamen ums Leben.

Personaländerung in der Germania "-Redaktion. Wie der Reichsdienst der deutschen Preffe" aus sicherer Quelle hört, ist der bisherige Chefredakteur, per bet der Telegraphen- Union erscheinenden Sentrumsforrespondenz Dr. Effet in die Redaktion der Germania zurückberufen worden. Dr. Effer soll nicht nur an die Stelle des ausgeschiedenen geistlichen Rebatteurs Dr. Gottfrieb Brunner treter, fondern auch den politischen Teil mitverwalten. Er ist dem Ches rebatteur Hermann Orth foordiniert worden.

Polnischer Finanzberater wird der amerikanische Unterstadi sekretär für Finanzen Charles Dewey.