Abendausgabe
Nr. 503 44. Jahrgang Ausgabe B Nr. 249
Bezugsbedingungen und Anzeigensreife And in der Morgenausgabe angegeben Rebattion: SW. 68, Lindenstraße 3 Fernfprecher: Dönhoff 292-29 Sel- dreffe: Sozialdemokrat Berlin
10 Pfennig
24. Oktober 1927
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Linksruck in Hamburg - Land. Arbeitsaufnahme in Mitteldeutschland
Sieg der Sozialdemokratie
Landesausschuß.
Maßregelungsgelüfte bei den Unternehmern. - Wie sie Verträge halten! Halle, 24. Oktober. wirten, alle Leute wiedereinzustellen. Diesem Wunsche
Die Wahlen zum Candesausschuß des hamburger Landgebiets haben nach dem vorliegenden Ergebnis den Rud nach links bei den Bürgerschaftswahlen bestätigt. Die SozialNach Mitteilung der Zentralftreitleitung ist die Arbeit steht aber das Berfprechen gegenüber, das die Werke demokraten haben mit 14 797 Stimmen( Landesausschuswahlen im mitteldeutschen Braunkohlenbergbau heute früh über- den während des Streits neu eingestellten 1924= 10 847 Stimmen) nicht nur ihren lehten Stimmenzuwachs all wieder aufgenommen worden. Arbeitern gegeben haben, fie bei Beendigung des gehalten, sondern sogar ihre Stimmen gegenüber dem 9. Oktober mif Streits nicht zu entlassen. Es ist aber zu hoffen, daß diese 14 715 Stimmen noch etwas erhöht. Unstimmigkeiten beigelegt werden.
Aehnlich wie bei der letzten Wahl gestalteten sich die Stimmverhältnisse der übrigen Parteien. Der Bürgerbund( Deutsche Bolkspartei und Deutschnationale) ging von 16 100 Stimmen am 9. Oktober auf 15 318 Stimmen ( 1924= 15 013 Stimmen) zurück, die Kommunisten von 3412 am 9. Ottaber auf 3357( 1924= 3436). Die Demokraten hingegen fonnten ihre Verluste etwas wettmachen und mit 3657 am 9. Oftober fonnten ihre Berluste etwas wettmachen und mit 3657 am 9. Oftober
auf 4373( 1924= 4818) aufholen.
Mit diesem Ergebnis gewinnen die Sozialbemo trafen zu den bisherigen vier Sigen im Ausschuß des Landgebiets 2, der Bürgerbund verliert 2 und hat ebenfalls 6 Size, mährend die Demokraten ihre 2 Sige und die Kommunisten thren einen Siz halten.
Das gleiche Bild wie bei den Wahlen zum Landesausschuß zeigen die gleichzeitigen Gemeinde- und Stadtvertretungsmahlen. In alle Vertretungen fehrte die Sozialdemokratie gestärkt zurück.
Vor neuen Verhandlungen mit Polen . Das Reichskabinett will neue Beschlüffe faffen. Das Reichskabinett wird in den nächsten Tagen über die Frage der Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlun=
gen mit Bolen Beschluß fassen. Man erinnert sich wohl, daß
schon vor ziemlich langer Zeit eine befriedigende Berständigung mit Belen über das Niederlassungsrecht erreicht worden ist. Damals mar offiziös angekündigt worden und es soll auch den Polen jugefagt worden sein, daß die Reichsregierung im September wegen der Wiederaufnahme der übrigen Verhandlungen Bescheid geben würde. Das ist bis jetzt nicht geschehen, und es ist ziemlich befannt, daß die deutschnationalen Agrarier mit Herrn Schiele an der Spize erfolgreichen Widerstand dagegen geleistet haben. Nun aber hat Stresemann am Sonnabend in seiner Rebe ziemlich bestimmt für die Wiederaufnahme dieser Berhandlungen gesprochen. Man wird also erwarten fönnen, daß das Kabinett in den nächsten Tagen entsprechend beschließt.
Zu verschiedenen Pressemeldungen über einen Wechsel in der Leitung der deutschen und vielleicht auch der polnischen Aberd nung für diese Verhandlung wird halbamtlich erklärt, daß noch feinerlei Erwägungen über die leitende Persönlichkeit der deut schen Abordnung angestellt worden sind Wir möchten aber glauben, daß Herr Dr. Lewald sich in den jahrelangen ergebnislofen Dauerverhandlungen mit Polen nicht gerade als der berufene Mann für diese Stellung erwiesen hat.
Der Wahrheitsbeweis erbracht! In dem Breßprozeß, den der ungarische Weißgardist Kari metin megen Ehrenbeleidigung gegen den Redakteur Franz alus angeftrengt hat, ist der Angeklagte freigesprochen morden. Falus hatte die Greueltaten metins im„ Esti Kurir" erzählt, worauf metty flagte. In der ersten Berhandlung wies Falus Photographten vor, auf denen Kmetty abgebildet ist, wie er mit weißen Handschuhen einen Menschen auf hängt. Falus verlangte die Einforderung der Prozeßaften gegen Kmetiy von den verschiedenen Gerichten. Für die meisten Verbrechen ist Kmetty von dem Reichsverweser Horthy amnestiert worden, aber auch die gegen ihn noch anhängigen Straffachen genügten, um den Freispruch Falus ' herbeizuführen, der diesen besten HorthyOffizier einen Mörder, Räuber, Erpresser und Fälscher genannt hat.
Negeraufruhr gegen Steuerdruck. In Britisch- Nigeria.
Condon, 24. Oktober.
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In der englischen Kolonie Nigeria , Provinz Barri, hielt der dortige Gouveneur eine Ansprache in einer Bersammlung von Häuptlingen über die Erhebung von Einkommensteuern Im Anschluß daran fam es zu Unruhen und zur Befreiung verhafteter Rebellenführer. Die Menge übermannte faft die Polizeitruppen, so daß diese sich geapungen sahen, die Feuerwaffe in Anspruch zu nehmen. Ein Mann wurde getötet und mehrere Personen verwundet.
600 chinesische Arbeiter ertrunken? Ein Tampfer untergegangen.
Totio, 24. Oftober. Nach einer noch unbestätigten Meldung aus Shifu ift infolge eines starten Taifuns der japanische Dampfer SataMaru mit einer Bejahung von 600 chinesischen Arbeitera untergegangen. Es foll niemand gerettet worden sein,
Der Bereinbarung, sämtliche Leute wiedereinzustellen, ist nicht durchweg nachgefommen worden. Zwischen den Bertragsparteien sind jedoch Verhandlungen im Gange, um diese Unstimmigkeitenes handelt sich um einige Fälle im Senftenberger und Halleschen Revier zu beseitigen.
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Die geftrigen Streifversammlungen haben sich froh beftiger fommunistischer Gegenpropaganda mit überwältigender Mehrheit für die Wiederauf nahme der Arbeit ausgesprochen. In den meisten Betrieben ist die Arbeit heute früh wieder aufgenommen worden, zum Teil wird heute nachmittag mit der Arbeit begonnen werden.
Unternehmer- Ausreden.
Halle, 24. Oktober.
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Die Bergarbeiterorganisationen haben ihre Verpflichtung erfüllt. Die Arbeit ist heute morgen in vollem Umfang aufgenommen worden.
Ein Teil der Unternehmer sucht sich von der Erfüllung der im Abkommen festgelegten Verpflichtungen zu drücken. In etwa einem Dugend Betriebe find etwa 60 Funktionäre und Betriebsräte nicht wiedereingestellt worden. Es handelt sich vor allem um Betriebe im Senftenberger Gebiet und um die Sächsischen Werke in Böhlen . Die Mitteilung der Unternehmer versucht die Absicht der Maßregelung hinter einer von ihnen selbst nicht ernst genommenen Treueperpflich= tung gegenüber Streitbrechern zu verbergen.
In einem Teil der Fälle hat die Organisation bereits die Wiedereinstellung durchgefeßt, sie hofft auch die leßten Unternehmer zur Einhaltung der Verpflichtung zu bringen. Es fehlte noch, daß hals. starrige Unternehmer die Wut über den verlorenen Kampf an einigen
Wie von Arbeitgeberseite zu den Unffimmigkeiten über die Wiedereinstellung von Bergleufen mitgeteilt wird, hat der Arbeitgeberverband sich nur dazu verpflichtet und sich nur dazu verpflichten fönnen, auf seine Mitglieder einzu- Funktionären austoben!
Ein künstlicher Schatten. Das Schreckgespenst des Reparationsagenten als Kuliffe für Bürgerblocktaten.
Einst war der Dawes- Plan für die ganze deutschnationale Reichstagsfraktion das zweite Versailles , die Verfklavung Deutschlands , der man sich bis zum legten widerseßen müsse. Seitdem hat sich manches geändert. Die deutschnationale Reichstagsfraktion hat vier ihrer Mitglieder in die Regie: rung gefandt, sie hat Rechtsgültigkeit und Verfassungsmäßig feit der Dawes- Geseze anerkannt, sie treibt als Regierungspartei Erfüllungspolitik.
Trotzdem benutzt die deutschnationale Demagogie den Dawes Plan als Schreckgespenst für ihre unverantwort liche nationalistische Agitation. Der Lokal- Anzeiger" macht sich das Memorandum des Reparationsagenten zu nuze, um Parker Gilbert als großen dunklen Schatten, drohend im Vorüberschreiten" zu zeigen, als den Mann, der es in der Hand habe, die Verbefferung der Beamtenbesoldung zu unterbinden, den Ausbau der sozialen Fürsorge zu verhindern, das targe Brot von Arbeitern, Angestellten und Beamten zu beschneiden.
Diesen großen dunklen Schatten" läßt man über die Taten der Reichsregierung von heute fallen. Nicht der Bürgerblod ist schuldig, sondern der Reparations agent, nicht die Reichsregierung, sondern jene Parteien, die einst dem Dawes- Plan ihre Zustimmung gaben- das ist der Dreh deutschnationaler Demagogie.
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Damit er glaubwürdiger wird, polemisiert der Lokal: Anzeiger" ein Weniges gegen die deutschnationale Reichstagsfraktion:
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,, Seit zwei Jahren wurde es in diesen Blättern wieder und wieder vorausgefagt; seit zwei Jahren sind wir dafür aufs hemmungsloseste beschimpft worden von jenen, die einst mit uns aus voller Lunge gegen die Einsetzung des Fron= vogtes des Dawes Abkommens zum Herrn über Deutschland eiferten, die aber seit ihrem zwischen abends sechs und morgens sieben Ihr vollzogenen Um fall vom fettgedruckten Nein!" zum vorbehaltlosen fettgedruckten ,, Ja!" es uns zum ehrenrührigen Verbrechen anrechnen, daß wir auch weiterhin bei unserer und ihrer Ueberzeugung blieben, und die mit wachsender Glut hysterischen Haffes es für unsere persönliche Riedertracht ausgeben, daß seither unfer Widerspruch gegen das Dawes Abkommen von einer Stufe der Entwicklung zur anderen grausamer gerechtfertigt wird."
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Man versteht die Leute von Hugenberg, die eifrigsten Gefundenten volksfeindlicher Bürgerblodpolitik: mit der Man versteht die Leute von Hugenberg, die eifrigsten einen Hand reißt man dem Bolke das Brot weg, mit der anderen zeigt man auf den Reparationsagenten und schreit:
der ist schuld! Der große dunkle Schatten, drohend im rechnung retten. Vorüberschreiten", soll den Bürgerblock vor verdienter Ab
Diese Demagogie ist so unverantwortlich wie die deutschnationale Politt überhaupt. Von der deutschen Arbeiterfchaft wird fie durchschaut und mit Hohnlachen beiseite geselbst, wie muß sie nach außen wirken? Aber wie muß sie auf den Reparationsagenten
schoben.
besten und loyalsten Absichten nach Deutschland gekommen Sie macht den Mann zum Schreckgespenst, der mit den ist. Sie schreibt ihm diftatorisches Eingreifen in die deutsche Gesetzgebung zu, während er nicht daran gedacht hat, sondern lediglich auf Wunsch der deutschen Regierung seine Anschauungen in einer Dentschrift niedergelegt hat, in der er Bedenten und eine ritit aussprach, die auch in Deutschland selbst an der deutschen Finanzpolitif geübt wird. Sie gibt ausländischen Hezblättern vom selben Schlage wie die Hugenbergpresse Gelegenheit, eine Deutsch land abträgliche Hetze mit dem Stichwort ,, Revision des Dawes- Planes" fortzusetzen.
Aber das ist es gerade: die Leute vom Bürgerblock brauchen das Geschrei der ausländischen Hezpresse, damit der Bürgerblock hinter dieser akustischen Kulisse seine Deutschland wie dem deutschen Volke schädliche Politit fortsetzen kann!
Reichstagsausschüsse.
Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages trat am Montag vormittag wieder zufammen, um die Aussprache über die Genfer Berhandlungen zu Ende zu führen.
Der Haushaltsausschuß beginnt am Mittwoch seine Beratungen über die Besoldungsvorlage, wobei Finanzminister Köhler voraussichtlich eine ausführliche Darstellung der Finanzlage des Reiches geben wird.
Preußen und die Besoldungsreform. Erklärungen des preußischen Finanzministers.
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Der preußische Finanzminister ging am Sonntag im Berlauf einer demokratischen Veranstaltung in Berlin u. a. auch auf die Besoldungsreform ein und bemerkte dazu, daß auch fie nur den wenigsten Beamten das Friedensrealgehalt bringe. Die Mittel, die diese Reform erfordere, fönne Preußen im Gegensatz zu Bayern immerhin infolge einer guten Wirtschaft aus eigener Kraft beden, ja, es hätte ohne die Reform in diesem die Mehrkosten infolge höherer lleberweisungen in Höhe von 50 MilJahre sogar einen Ueberschuß erzielt. Auch die Gemeinden könnten lionen selbst bestreiten. Allerdings hält der Minister die vom Reich geforderte Senkung der Steuern jetzt für unmöglich.
Das Reichsbanner in Arensdorf. Arensdorf, das zu so traurigem Ruhm gelangte Dörfchen im Kreise Lebus ( Frankfurt a. d. O.), die politische Wien , 24. Oktober. Domäne des berüchtigten Herrn v. Alvensleben, war Die italienischen Bürgermeister der Gemeinden Margreid , am Sonntag die Stätte einer großen republikanischen De- Kurtinig und Tennberg in Südtirol ordneten die Entfernung aller monstration des Reichsbanners„ Schwarz- Rot- Kriegsdenkmäler an. Selbst deutsche Inschriften auf Gold". Im Mittelpunkt der Feier stand die temperamentvolle Grabsteinen müffen entfernt werden. In den Kirchen darf nunAnsprache des Regierungspräsidenten Genossen Bartels, der ausdrüdlich als preußischer Staatsbeamter ein Bekennt. nis zum Reichsbanner ablegte. Die machtvolle kundgebung verlief ohne Zwischenfall. Näheres darüber finden unsere Lefer auf der 3. Seite.
mehr nur noch italienisch gepredigt werden. Im Baffeier Tal haben durchweg italienische Lehrerinnen den Unterricht übernommen. In St. Leonhard wurde der Lehrer Stephan Burzer, der dreißig Dienstjahre hat und 17 lebende Kinder, ohne Angabe von Gründen entlassen._