Wo ist hier noch ein Ausweg?— Das Flugzeug,?>azu bestimmt, solidarisch wirtschaftende und brüderlich empfin- dende Völker einander näher zu bringen, den Warenaustausch zu fördern, die fernsten Erdteile in wenigen Tagen erreichbar zu machen und damit die Menschheit in vieler Hinsicht zu bereichern, es ist heute die entsetzlichste Vernichtungsdrohung über unseren Köpfen. Jedes moderne Verkehrsflugzeug ist in wenigen Stunden in einen bewaffneten Bomben- und Giftgasträger verwandelt. Wer das Gegenteil behauptet, der weiß entweder nichts von der Luftfahrt oder er sagt bewußt die Unwahrheit.„A br ü st u n g" hat darum keine Realität und keine Ueberzeugungskraft mehr, wenn sie nicht begleitet ist von einem radikalen Gesinnungswandel, von einer A b- kehr von Revanche- und Kriegsgedanken überhaupt. Darin aber sollte die besondere deutsche Misston und speziell die der sozialistischen Arbeiterschaft liegen: der übrigen W?lt vorqnzugehen durch radikalste Bekämpfung aller Kriegs- spielerei in 5) aus und Schule, in Versammlung und Parka- ment. Der schärfste Trennungsstrich ist zu ziehen zwischen dem schwarzweißroten Deutschland von gestern und der deutschen Republik der Arbeit von morgen. Roch radikalere Rüstungsbeschränkung Hand in Hand mit moralischer Ab- rüstung'— darauf muß unsere Aktion gerichtet sein. „Der Krieg i st ein Verbreche n," so sprachen unsere Staatsmänner in Genf . Kein Wort ist wahrer als dieses, aber wenn es wahr ist, dann ist jeder Hetzartikel, jede leichtfertige Kriegsrede, wie sie in Deutschland und anderswo täglich dutzendweise gehalten werden, eine strafwürdige An- stiftung zum Verbrechen. Dann muß der chauvinistische Lehrer mit seinen Haßgedanken als Iugendvergifter gebrand- markt und entlasten werden und der Gottesdiener, der den Krieg verherrlicht, gehört mit Schanden aus seinem Tempel gejagt. Nicht minder schuldig aber ist, wer schweigend und gedankenlos dies Treiben duldet. ,sVerlin— das Luftkreüz Europas !"— so wurde es unlängst genannt. Das kann bedeuten: der wichtigste Kreu- zungspunkt eines kommenden friedlichen Weltluftverkehrs, den wir alle wollen und der große Dpfer wert ist, oder— das Todeskreuz über dem Millionengrab der euro - päischen Zivilisation. Arbeiter aller Länder, wachet über der Luftfahrt! Ihr seid gewarnt!
Unternehmer-Nachrichten. Die Telegraphen-Union„berichtigt". Während des Braunkohlenstrelks haben die Unternehmer die Oeffentlichkelt mit Lllgenberlchten zu bearbeiten gesucht. Die „Meldungen" der Unternehmer über angebliche Terrorakte und Zwischenfälle wurden von der Telegraphen-Union verbreitet — van keinem anderen großen Nachrichtenburean. Am 17. Oktober meldete die Telegraphen-Union aus Halle: „Auf einer onhaltintschen Grube, deren Name bis- her noch nicht f e st st e h t. soll es zu einem Zwischen- soll gekommen sein. Dort seien 60 Arbeitswillige durch ein Nollkommando aus der Grube geholt imb verprügelt worden." Dieser sreierfundenen Nachricht sah man die Tendenz. mache von weitem an: der Terrorakt war beschriebe«, nur ivußtc man noch nicht, mo man ihn stattfinden lasten sollte. Di« Redaktion de«„Borwärte" teille der Streikleitung dihse Falschmeldung mit und erhiell darauf au» Hall« die folgend« Mit- teilung: „Die von der Telegraphen-Union verbreite:« Meldung, daß es zu„blutigen Schlägereien in Anhalt" gekommen sei, ist freie Erfindung. Gerade im Anhaltinischen, wo die Arbeiter restlos im Streik stehen, wird der Ausstand mit vor- bildlicher Disziplin durchgesllhrl" Die Meldung der Telegraphen-Union war falsch, und u ns e t« Meldung war richtig. Aber die Telegraphen-Union schickt uns eins „Berichtigung", wobei sie den ß 11 des Pressegesetzes mkß-
braucht. In dleser Berichtigimg heißt es. es sei unwahr, daß die Telegraphen-Union eine Meldung oerbreitet habe, daß es während des Streiks zu blutigen Schlägereien in Anhalt gekommen sei, wahr sei vielmehr, daß sie die von uns oben wiedergegebene Meldung verbreitet habe. Ferner sei wahr, daß die Telegraphen-Union hinter- her das energische Dementi der Streikleitung veröstentlicht Hobe. Da» geschah in der Form, daß die TeUgrapheN-Umon mitteilte, die Streikleitung behaupte, daß es sich lediglich um eine private Schlägerei zwischen zwei Arbeitern gehandelt Hab«... Was wird also„berichtigt"? Daß wir die gatschmeldung der Telegkophen-Union bei der Entlarvung nicht im vollen Wortlaut wiedergegeben haben. Wir haben nichts anderes erwartet, als daß die Telegraphen- Union, die zum Hugenberg-Konzern gehört, die Nachrichten- Politik der Unternehmer unterstützen würde. Mit Falsch- Meldungen sollte die Bevölkerung in Erregung versitzt, die Polizei auf die Streikenden gehetzt werde». Der Lügenfeld, zug der Unlcr- nehmcr ist kläglich zusammengebrochen. Daß aber ein Nachkichtenbureaü, dos tendenziSseFaksch- Meldungen zum Zwecke der Stimmungsmache in die Welt setzt, nachträglich dl« Stirn besitzt, durch eine„Berichtigung" unter Anrufung des Paragraphen 11 des Prestegesetzes seine längst als Falschmeldungen festgestellten Mitteilungen zu beschönigen—, das hatten wir selbst von der Hugenbergschen Telegraphen-Union nicht erwartet. Aber es paßt in das Bild der Unternehmer-Nachrichtenpolitik.
flagge, Titel und Gröen in öer Republik. Ein Ausspracheabend im Republikanischen Reichsbund. Die Ortsgruppe Berlin des Deutschen RepublikU - nischen Retchsbunde» hatte Montag abend In die Räume des Demokratischen Klubhauses in der Biktoriastraße zu elner Aussprache eingeladen, in der das Thema:„Flagge, Titel und Orden in der Republik " behandelt wurde. Der Redner des Abends war der Reichsmimster a. D. Genosse Dr. David. In klaren historischen Ausführungen legte er die Geschichte von Schwarzrotgold und Schwarzweißrat dar. In der Aussprache führte Ministerialdirektor Dr. F a l ck ver- sihiedens Beispiele aus der Kaiserzelt an, aus denen erhellt, daß da- mäls tätsächlich mit Orden und Titeln ein schwunghafter Handel getrieben wurde. Die Namen v. Mirbach und v. Lindenau sagen da ja genüg. Süidienrat Dr. Michaelis aus Riga berichtete, daß erfteutlcherweise oüch im Auslande die Republik und damit die neuen Reichsfarben sich trotz aller reaktionären Widerstände durch- setzen. Deutlich und klar legte Genossin Regierungzrat Wachen- heim dar, daß Orden und Titel der inneren Würde der Republik nicht entsprechen. Aehnlich äußerte sich der Vorsitzende der Berliner Zentrumspartei . Dr. Ernst Feder begründete in eindrucksvollen Sätzen die Fordeningsn des Vereins Republikanische Presse in der Flaggenfrage, die mir in unserem heutigen Morgenblatt veröffent- lichten. Oberregieniügsrat Bandmonn von der preußischen Staatsregicrung führte aus, daß Preußen in dem Kamps« um Republik und Reich«farben immer das treueste Kind des Reiches gewesen sei und bleiben werde. Noch einmal schilderte er den Kampf zwischen dem Magistrat Potsdam und der preußischen Regierung bis zur unfaßbaren Entscheidung des preußischen Oberverwaltungsgerichts und der Notverordnung vom Sonrm« dieses Jahres. Diese Not- Verordnung habe aber noch verschiedene Lücken. E» sei Aufgabe des Landtages, bei der endgültigen Erledi- gung' dieser Frage auch hierauf stin Augenmerk zu lenken. Die preußische Regierung, dessen könne man versichert sein, werde in ihrem Kampf« für die Durchsetzung der Reichsfarben nicht müde werden, und da arbeit« die Zeit für uns. Seüenken eines Aentrumswöihlers. Aus dem„Westdeutschen Volksblatt": „Die Zentrumsrepublikaner haben eben ein« strafbare Lammesgeduld Wir gewöhnlichen Parteiproletarier stellen uns ja die hohe Poltlik immer ganz verkehrt vor, weil wir nichts davon verstehen. Als damals die Richtlinien aufgestellt und
beschworen wurden, meinten wir wNürkich, daß dies« Richiflnieie nun verpflichtend wären und daß di« Regierung zusammen. stürzen müßt«, wenn es auch nur einer Partei einfiele, auf dis Richtlinien zu pfeifen. Das war natürlich ein großer Irrtum unsererseits. Wenn dis Richtlinien nicht wären, könnten die Deutsch - nationalen wahrhaftig es im Lande nicht schlimmer treiben mit ihrer Verachtung dieser Verfassung und Ihrer Sym- böte, als sie«s jetzt mit den Richtlinien tun. Die Richtlinien sind also doch nur ein Trittbrett gewesen für gewisse Leute, um auf die Machtsessel zu gelangen. Müssen wir denn alles schlucken und hinnehmen? Kann man schlimmer eine politische Partei zum Narren holten, als es di« deutschnationalen Herren draußen im Lande mit dem Zentrum tun?"_ Gute Nachbarn. Deutschnationales Urteil über Streseenarrn. Nachrichtenblatt der Deutschnationalen Volks- partei B e r li n- S ch ö n e b e r g: „Es ist klar, daß Stresemann der ungeeignetste Mann für nachdrückliche Vertretung der deutschen Be- lange lst. Wie kann man es auch von einem Mann verlangen. der das Bestehen seiner Partei und damit seine Ministerstellung nur der Freigebigkeit eines Ostjuden verdankt, nicht etwa der mutigen Verteidigung des deutschen Volkes gegenüber seinen rachgierigen Feinden." „Nationalliberale Corresondenz": „Dieser tiefbedauerliche Ausfall einer parteiosiiziellen deutschnationalen Stelle steht nicht vereinzelt da."
Ein Franzose übet»üas neue deutschlanü�. Optimistische Ergebnisse einer Studienreise. In dem bekannten Deutsch -Schweizer Verlag Orell-Fügli (Zürich und Leipzig ) ist die deutsche ilebersetzung eines Buches über„Das neue Deutschland erschienen, das der französische Schriftsteller Jacques Mortane auf Grund einer Studien- reise verfaßt hat. Mortane ist früher nur Sportjournalist gewesen und scheint sich mit Politik wenig befaßt zu haben. Das merkt man auch seinem Buche an. Aber gerade die Tatsache, daß der Verfasser seine Untersuchung ohne jede vorherige Kenntitis der deut schen Verhältnisse, zugleich aber ohne jedes Vorurteil unternommen hat, verleiht feiieem Bericht einen gewissen Reiz und sogar eitlen ge- wissen Wert. An Unrichtigkeiten fehlt es natürlich nicht, da Mor» tane in der Hauptsache auf das angewiesen war, was ihm dieser oder jener erzählle, aber der Gesamteindruck, den das Buch hinter- läßt, ist der einer gewissenhasten und unparteiischen Enquete. Das Ergebnis seiner Reise Ist jedenfalls die erfreuliche Feststellung, daß das neue Deutschland ganz anders aussieht, als es die meisten Franzosen ahnen. Zum Teil hat der Verfasser sein« Eindruck« selbst niedergeschrieben, zum anderen Teil hat er über verschie- dene Fragen der Wirtschaft, der Kunst usw. deutsche Persönlichkeiten zum Worte kommen lassen. Als Vorwort zu seinem Buche dient die Wiedergabe eines Gesprächs mit Briand , der idn nach seiner Rückkehr zu der Art seiner Untersuchung ebenio be- glückwünschte wie zu ihrem erfreulichen Ergebnis. An einer Stelle dieses Vorwortes sagt Briand : „Ein republikanisches Deutschland unter Führung ernsthafter Männer, dessen politische und sozial« Entwicklung weder nach innen noch nach außen gehemmt sein würde, kann sein Interesse nur darin sehen, mit Veit Alliierten, zumal mit Frankreich in gutem Einvernehmen zu leben.... Ohne eine wirtlich große deutsch -franZSsische Verständi- gungspolittk kann Europa nie gesunden. Davon ist Herr Stresemann ebenso fest überzeugt wie ich." Das Buch Mortanes w'rd hoffentlich in Frankreich weit« Verbreitung finden. Seine Uebersstzung ins Deutsche war indessel» keine unbedingt« Notwendigkeit.
Urtte Geschmacksoerirrung. Reichsgerichtspräsident Simone hat sich in B u d a p« st von dem offiziellen Ungarn seiern und von H o r t h y empfangen lassen!
Unö es wirö am öeutsthen Wesen... Boa deutschen Dingen. Und es wird am deutschen Wesen... Sie wissen schon. Wir alle wissen es, denn wir haben es in der Schule gelernt. Und die meisten glauben es sogar, unerschütterlich und durch nichts von allem in den letzten fünfzig Jahren Geschehenen erschüttert. Bloß darüber, was das deutsche Wesen eigentlich ist. sind sich viele nicht im klaren. Doch kann und soll ihnen geholfen werden: das deutsche Wesen zerfällt, wie unsere Sprache so schön und bildhaft sagt, in die deutschen Dinge. Einige von diesen wollen wir durch Zeitungsn�ldungen upd Sonstiges aus den letzten Tagen illustrieren. Das deutsche Herz, Hort und Inbegriff des deutschen Familienlebens, ist wenn... also, wenn ein junges Mädchen auf der Straße ein Kind(samt Wagen) maust, sich Ins Bett legt, die Heb- amme ruft und Ihr erzählt, sie habe soeben besagtes Kind(ohne Wagen) mit Schmerzen geboren. Grund: den zögernden verlobten zur Heirat zu animieren.(So geschehen in Plauen .) Der deutsch « Humor ist, wenn drei Studenten aus nächtlicher Fahrt durch einen Eisenbahntunnel einen Totenschädel vor das Fenster des Nebenabteils halten. Was können die drei, die sich einen„harmlosen Spaß" machen wollten, dafür, daß eine Frau so humorlos ist, Schreikrämpfe zu bekommen und höchstwahrscheinlich irrsinnig zu bleiben.(So geschehen, ich glaube bei Kassel .) Das deutsche Gemllt Ist nicht nur. wenn dt« zehnjährigen Kinder das ergreifende Lied von der Rüdesheimer Linde singen, die von einem Sommertag der Sünde und überdies sogar weiß, was noch geschehen ist..., sondern das deutsche Gemüt ist erst recht, wenn einer monatelang seinem bösen Nachbar mit einem Pusterohr Wanzen durchs Schlüsselloch in die Wohnung bläst.(So geschehen in Zwickau .) Die deutsche Harmlosigkrit fft, wenn eine alle Schule (von der Art der im ersten Abschnitt erwähnten) neu gebaut wird. und die ihrer Obhut glücklich Entronnenen werden höflichst»ttd herzlichst gebeten, unter Benutzung einer ihnen übersandten Zahlkarte was dazuzugeben.(So geschehen in Chemnitz .) Die deutsche Treue Ist nicht nur, wenn hohe und sehr hohe Stellen dem Harry Domela auf den Leim gehen..., sondern die deutsche Treue ist noch hundertmal mehr, wenn die Fillngewottigen stch und uns um den Spaß bringen, den begabten jungen Mann auf der Leinwand in einer bereits angekündigten und wohl sogar vor- bereiteten, seine ergötzlichen Thüringer Abenteuer rekapitulierenden Rolle zu sehen. Dies? ÄNSWabl rn'i vielem, was f-äsi noch Über die dentscheii Dinge und Ihre Gesamtheit, das deutsche Wesen, gesagt werden könnte, möge für heute genügt». Und sie kann wohl auch genügen. um die Minderheit, die noch immer on der Richtigkeit der eingangs zitterten Schulweisheit zweifelt, gründlich und dauerhast zu bekehren.
lind auch„die Welt", um die es geht, wird hoffentlich baldigst einsehen, wo munter di« Heil- und Heilsquellen plätschern, an denen einzig und allein sie genesen kann. Wenn nicht, dann ist lhr beim besten Willen überhaupt nicht zu helfen. lt.
Die Nacht öer Geschichte. Tagung des Internationalen Verbandes für kulturelle Zusammenarbeit. Prinz Rohan tn Wien, der Herausgeber der„Europäischen Revue" hat von drei Jahren«inen, Internationalen Verband für kulturell« Zusammenarbeit" ins Leben gerufen. Er will die geistigen Führer der Völker wieder zusammenführen auf dem Gemeinschafts- boden des Geistigen unter Bejahung der Idee der Nation, also mit übernationaler Einstellung. Di« Sicherung der Idee Europa ist da» aktuelle Problem der Tätigkeit des Verbandes. Di« 4. Jahresversammlung de« Verbandes, dessen deutsche Gruppe, der„Deutsche Kulturbund", unter Leitung des Heideiberger Unioerfitätsprofessors L. Curtius steht, wurde am 20. und 21. Oktober in Heidelberg abgehalten. Vertreter aus fast allen europäischen Staaten waren gekommen, um sich über das Problem der„Rolle der Geschichte im Bewußtsein der Völker" auszusprechen. Die Eröffnung der Tagung ging in der Aula der Universität durch einen«inleitenden Dortrag von Prof. Mendelssohn-Bartholby vor sich, der sich al» Völker- rechtslehrer mit der Geschichte als Begriff auseinandersetzte. Zeit» geschichtlich interessant war ein« klein« Episode aus der Zeit seiner Bearbeitung der Akten des Auswärtigen Amtes der Vorkriegszeit, al? sich ein„Professor der Geschichte, sehr verdient durch die Re- daktion politischer Memoiren' darüber erregt«, daß man einen Mann des allgemeinen bürgerlichen Rechts an diese Arbeit heranlasse, der vielleicht nicht genügend„machtpolitischen Sinn" besitze, um unan- genehm« Aktenstücke zu unterdrück«». Der erste Redner zur Sache war dann der englische Professor A l l i s o n P h i l i p o s, der sich mit den Zusammenhängen zwischen Tradition und Fortschritt besaßte und als Engländer di« Verbunden- hell beider betonte. Kein Engländer leugne dl? Mißstände im Bergbau und die Notwendigkeit wirtschaftlicher Verbesserungen, aber jeder lieb« den Fortschritt als Konservativer. Di« stille Revolution höre in England zwar nie aus. gehe aber unter Wahrung der historischen Kontinuität vor sich. Nach dem Engländer, der kühl und sachlich in englisch « Sprach« vortrug, kam der polnische Prof. H a l« ck i zu Wort, der die Geschichte als Lebensgrundlage und die historische Tradition al» Lebensquell des polnischen Volkes bezeichnete. Das polnische Volk habe bewies«», daß das nationale Leben auch ohne Staat Möglich sei und Rechte liabe vor der internationalen Moral. In dlZem Zeitraum habe der rrligiöie Glaube gegen die Aerzweifliing geholfen. Die leitende Idee de» neuen Staates sei die Herbeifübrung der Demokratie für da» gesamte Volk und Zusammenarbeit mit den anderen europäischen Nationen für Friede und Recht. Der Schluß seiner Anssührungen, die sich mit der Lösung neuzeitlicher sozial« Probleme befaßte,
artet« in eine romantische Schwärmerei aus. Durch„bete und arbeite" will er die soziale Frag« in Polen „lösen" und den Klassen- kämpf abschaffen. Am zweiten Tage sprach als erster Redner d« italienische Professor und UniversItSlssekretär B od r er o, der den Faschismus als Erfüll« der italienischen historischen Tradition seierte. Di« Zuhörer suchten vergebens nach der europäischen Idee, als Pros. Alfred Weber di« Frage auswarf:„Was heißt Tradition gegenüber der Massenbevölkerung einer Industriestadt?" Es handelt sich darum, ob man hier ein« Salonunterhaltunq pslegen wolle oder eine solche, die imstande sei, die Masse d-r Bevölkerung einzufügen in die geistige Idee, di» wir erstreben. Ahnenkult sei keine Regel des täglichen Handels, die Idee brauch« keine Mythologie zu sein. Er- fteullch starker Beifall unlersirlch dl« Darlegungen Webers, der Kongreß fand wieder Fühlung mit der Wirklichkeit. Den Schlußvortrag hielt der Königsberger Historiker Prof. R o t h f e l s über„Geschichte als Schicksal", womit er nicht die Anerkennung der Geschichte schlechthin, sondern des besonderen Schicksals der Nation verstanden haben wollt«. Die Vesonderheit des deutschen Schicksals beruhe in dem Vorherrschen partikularer Einflüsse, der geographischen Lage in Mitteleuropa und der religiösen Spaltung. Immerhin habe der Staat sich als Eigenkraft und führendes Einigungselement der Nation erwiesen, wenn auch die Bismorcksche Reichsgründung mehr Ausgabe als Erfüllung geblieben and die wilhelminisch« Epoche das deutsche Schicksal nicht habe meistern können. Damit hatten die Vertreter der größeren Staaten Europas ihr« Gedanken vorgetragen. Hätte Alfred Weber nicht versucht, etwas frisch« Lust der Gegenwart in den Saal zu lassen und damit eine Verbindung mit der Zeitgeschichte herzustellen, die Heidelberger Tagung war« geistreiches Theoretisieren gebliebem Gründung eines üulturausschusses für dos deutsche Ausstellung». wesen? Um im deutschen Ausstellungswesen den kulturellen Sc- sichtspunkten di« ihnen zukommende Bedeutung zu sichern und ein Gegengewicht gegen die bisher vorherrschende rein wirtschaftliche und industriell- Behandlung der Auestellungsfragen zu schaffen, sind gegenwärtig in Berlin Verhandlungen im Gange, die die Gründung eines Kulturausschusses für das deutsch « Ausstellungswesen zum Ziel haben. Es ist an ein Gremium von etwa 20 bis 30 fuhrenden Männern aus allen Lagern der Architektur und Werkkunst gedacht: an den vorbereitenden Arbeiten nehmen u. a. die Professoren Bruno Paul . Hans Poelzig und Jobst Siedler teil. Falls die geplant« Gründung zustande kommt, soll sie speziell auch an der Vorbereitung d« Berliner Dauerbauousstellunq 1920 mitwirken. »Do« Zuan-Ahasver" nennt sich ein umsangreichs», von Sieg- fried von der Trenck verfaßtes Epos, das dos hohe Lied des Meitsckseins singt. Don Juan, der von der Liebe, und Ahasver, der vom Haß ratlos limhergetriebene verschmelzen in ein« Gestalt: denn Liebe und Haß sind nur die Endpole einer Kraft. Aus der Dichtung spricht ein tiefes und starkes Ethos, das sich an der Den- tung des Lebentkampfes versucht«Nd sein Ende in der verstehenden Liebe voraussieht. Die großen Liebenden und Hassenden an» Soge und Weltgeschichte werden in der Erscheinung des Don Juan-Ahasver