Nr. 50$ ♦ 44. Jahrgang
1. Heitage öes Vorwärts
Donnerstag, 27. Oktober 7427
350 Opfer öer Schiffskatastrophe. Die„Mafalda" auf ein Riff gelaufen.— Möglichkeit einer Keffelexploston. Der größte Teil der Paffagiere gerettet.
Ein Funkspruch de« Sapikäns der«Formosa" von l0.ZS Uhr morgens erklärt: Seit 9 Uhr abends sind wir mit „TR o s e l l a" und anderen Dampfern mit dem Rettung«. werk beschäftigt, da« gute Fortschritte macht. Wir warten da« Tageslicht ab. Unsere Ankunft in Rio de Janeiro wird sich um 24 Stunden verzögern. Wir bringen die Geretteten dorthin.— Die„Alosella" ist ebenfalls ein französisches Schiff. Rom. 2S. Oktober. Die„Agenzia Stephani" veröffentlicht die letzten hierher gelangten Rachrichten über die Bergung der Schiffbrüchigen der„Mafalda". Danach erhöht sich die Zahl der Geretteten auf ltS0 Personen. Rio de Janeiro , 26. Oktober. Räch einem hier eingetroffenen Funkspruch der Tele- graphenftallon Amarlina werden 350 Passagiere der «Mafalda" vermijzt. Stranöong bei öahka. Die in Rio de Laueiro eingetroffenen Rachrichten scheinen die zuerst geäußerte Vermutung zu bestätigen, daß der Dampfer „Mafalda" au einem Riff gescheitert ist. In den Küsten- gewäsiern südöstlich von vahia. wo sich das Unglück ereignete, bilden die unmarkierten bis dicht an die Oberfläche des Wasser» reichenden Felsen eine Gefahr für die Schiffahrt. Im vergangenen Frühjahr stieß der amerikanische Dampfer„Western World" auf der Fahrt von Buenos Aires nach Rem Park auf einen dieser Felsen und konnte nur mit Mühe geborgen werden. Räch Meldungen, die beim brasilianischen Marinemlnisterium eingelaufen sind, liegt der Schauplatz de» Unglücks bei dem unweit der Küste gelegenen Abrolhosarchipel. einer Gruppe niedriger Felsen- eilande in der Rühe von Porto Alegre , halbwegs zwischen Bahia und Rio de Janeiro . Das Bureau der Ravigazione Generale Jtaliana gibt bekannt. daß sich an Bord de» untergegangenen Dampfers„Principessa Mafalda" 905 Passagiere befunden hätten. Die früher genannte Zahl von 1600 Passagieren beruht auf einer Angabe des Maritime Register, das ouch verzeichnet, daß olle Passagiere mit Ausnahme von 110 Auswanderer gewesen seien. Räch einer Meldung des amtlichen britischen Funkdienstes hatte der Dampfer„Principesia Mafalda" eine Besatzung von 2Z0 Mann. Derselben Quelle zufolge find auch der britische Dampfer �Avalon" und der brasilianische Dampfer„plahy" au den Rettungsarbeilen beteiligt. Der llebcrlebendea sollen nach Rio de Zanairo gebracht werden. Der Dampfer„Prlncipessa Mafalda" wurde gestern in Rio de Janeiro und am Sonnabend in Buenos Aires erwartet. Cr stand unter dem Befehl des Kapitäns Simon Gull. Unter den Passagieren befand sich der Direktor des Statistischen I n st i t u t» in Rom . Prokesior G t g l i.(Die Meldung, daß sich der Tenor Giglt unter den Passagieren besand, scheint demnach aus einem Irrtum zu beruhen. D. Red.) Einzelheiten vom Untergang öer.Mafalda�. lieber den Untergang des italienischen Dampfers„Prindpessa Mafalda" werden noch folgende Einzelheiten bekannt: Die Kala- ftrophe ereignete sich gegen sieben Ahr abends, als die paffagiere beim Abendeflen versammelt waren. Das Schiff ist anscheinend sehr schnell untergegangen, so daß ein Teil der von Panik ergriffenen
Paffagiere nicht mehr in der Lage war, die Rettungsboote zu erreichen, um die sich zwischen den übrigen Paffagieren ein wilder Kampf entspann. Eine ganze Anzahl Passagiere sprang mit Schwimmgürteln versehen über Bord. Der Bordfunker versah seinen Dienst bis zum letzten Augenblick und sandte hilseruse nach allen Seilen, die auch von zahlreichen Schissen aufgefangen wurden. Alle Geretteten, bekanntlich 720 an der Zahl, sind nach Rio de Janeiro gebracht worden. Von den S68 Passagieren benutzten 52 die erste und 89 die zweit« Klasse. 827 waren Zwischendeckpaffagiere, vor- wiegend Auswanderer nach Argentinien : gleichwohl kann die „Prindpessa Mafalda" nicht als Auswandererschiff angesprochen werden. Von dem Londoner Bureau der„Ravigazione Generale Jtaliana" wird erklärt, daß auf dem Schiff alle modernen Sicherhettsvortehrungen getroffen waren und daß es nur durch Zusammentreffen einer Reih« außerordentlich unglücklicher Umstände möglich war, daß eine so große Anzahl von Personen bei dem Untergang des Schiffes das Leben verlor. Eine Mitteilung aus Bahia besagt, daß das Unglück stch oberhalb von Abrolhos im Staate Bahia ereignete, in beträchtlicher Entfernung von der Küste. Nach einer weiteren Meldung soll sich an Bord des Dampfers die Schwester des argentinischen Botschafters in Frankreich befunden haben. Vle Rettung öer paffagiere. Bremen , 26. Oktober. An der Rettungsaktton für die Schiffbrüchigen des Dampfers „Prindpessa Mafalda" hat stch nicht, wie anfangs verlautete, der
deutsche Dampfer„Athenas" beteiligt, sondern wahrschein- l i ch der holländische Dampfer ,.A l e n a", der stch auf der Fahrt nach Bahia befindet. Wie der Norddeutsche Lloyd mitteilt, ist der Dampfer„Athenas" augenblicklich auf der Fahrt nach Alexandrien . Der verunglückte Dampfer„P r i n c i p e s s a Mafalda" der Ravigazione Generale Jtaliana war eines der schönsten und modernsten Schiffe im Italienischen Passagier- verkehr. Er versah den Dienst auf der Luxuseillinie von Genua und Barcelona nach Rio de Janeiro und anderen südamerikanischen Hauptstädten. Der Dampfer war iöv Meter lang, 17 Meter breit. Er umfaßte 12 000 Tonnen und hatte eine Fahr- geschwindigkeit von 18 Meilen in der Stunde. Gerade angesichts der Katastrophe ist von Interesse, daß das Schiff In zehn wasser- dichte Abteilungen geteilt und in seiner ganzen Länge mit doppeltem Boden versehen war. Der Prospekt der italienischen Gesellschaft zeigt in seinen Abbildungen die außerordentlich luxuriöse und elegante Ausstattung der Säle und Kabinen. Wenn gemeldet wurde, daß die„Prindpessa Mafalda" bereits vor sieben Jahren Gegenstand einer Unglücksnachricht gewesen sei, so hat es sich damals offenbar um die Namensvorgängerin des Schiffes gehandelt, das jetzt das Opfer der furchtbaren Katastrophe geworden ist. Ein Serliner unter öen Geretteten. Hamburg , 26. Oktober. Auf dem unkergogcmgenen Dampfer befand stch auch der Per- waltungsdireiwr des Zirkus Hagenbeck , Vollrath.(Es handelt stch um den Sohn des verstorbenen Chefredakteurs der„Ber- liner Dolkszeitung", Karl Lollrath, der eine Zeitlang als Pressechef den Zirkus Scrrrasani in Südamerika begleitete. Wie wir hören, ist Karl Vollrath unter den Geretteten. Ein Kabettelegromm ans Rio meldet seinen Angehörigen in Bertin, daß er sich w Sicherheit befindet.— D. Red.) Tierbändiger S a w a d e von Karl Hagenbecks Tierpark ist wie durch ein Wunder der Kata- stroph« entronnen. Lorenz Hagenbeck , der stch ebenfalls mit einem größeren Tiertransport auf dem Wege nach Südamerika an Bord des Dampfers„Cap Rorte" befindet, veranlaßte ihn im letzten Augenblick, die bereits gelöste Schifftskarte nicht zu benutzen und ihn auf dem„Cap Rorte" zu begleiten. Noch mehr Schiffsunfälle. Hamburg . 26. Oktober. Das deutscheMotor schiff„Rebekka" ist auf der Reise von Hamburg nach Rästved gestern nacht gestrandet. Das Schiff wurde leck. Weitere Einzelheiten fehlen noch. Stockholm , 26. Ottober. Der schwedische Dampfer„Birgerjarl" ist gestern morgen auf der Reise von Stockholm nach Abo in der Nähe von Mariehamn (Wandsinseln) auf Grund gestoßen. Die Passa- giere konnten gerettet werden, und auch die Post ist geborgen. Die Lag« des Schiffes ist tritt sch
Eine hartnäckige Selbstmörderin. Auf offener Straße versuchte gestern eine 2öjähnge Hasts- angestellteCharlott« H. aus der Reuen Friedrichstraße, ver- mutlich in einem Anfall von G e i st« s g e st ö r t h e i t, auf entsetz- lich« Art ihrem Leben ein Ende zu machen. Sie begoß sich aus dem Koppenplatz mit einer brennbaren Flüssigkeit, die sie in einer Spiritusslajche mit sich führte, und zündete ihr« Klei- der an. Passanten, die das seltsame Gebaren des Mädchens de- obachtet hatten, eilten hinzu und es gelang chnen, die Flammen bald zu ersticken. Noch bevor Polizeibeamte herangerufen werden konnten, riß sich die H. plötzlich los und lief in den Hausjlur des Grundstückes Linienstraße 196 hinein. Hier goß sie den Rest der Flasche über ihre Kleider und zündete diese abermals an. Sie erlitt schwere Brandwunden, konnte jedoch durch das Eingreifen von Passanten vor dem Feucr- tode bewahrt werden. Die Geistesgestörte wurde in das Nirchomc Krankenhaus übergeführt.
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Zement. !?�oraau von Djodor©labfoto.
Gromada fuchtelte mit den Händen und seine Augen ��.Smoffen, wir sind zwar Arbeiter eines herrlichen Wertes, haben uns aber mit Schweinen und Ziegen voll ge- laden... und so und weiter... Kriecht aus euren Höhlen. Genossen!... Ich schlage vor, alles Ueberflüffige zum Nutzen der Kinderheime zu liquidieren... und da wir, die Arbeiter- klaffe..." Wie eine Trommel erdröhnte eine Flut von Worten im Staub und Rauch. „... diese Schweine... für fremdes Gut gibt es schon viele Freunde... wer kroch von den Dörfern und Sied- lungen?... Er ist viel zu eingebildet!... Alle kann man nicht betrügen... Gromadas Weib selber hat all ihre Röcke in den Dörfern zerfetzt..." „Liquidieren!... Zum Teufel... Setz es durch die Zelle durch, Tschumalow!.. „Ha, Brüder!... Es ist doch nichts zum Fressen da! Ha!... Wozu zerrt Ihr die Teufel in den Streit hinein?... Brüder!..•" Glied läutete scharf mit der Glocke und kommandierte „Ruhe. „Schweigt- Genossen! Vorläufig haben wir noch kein Verbot gegen hweine und Ziegen. Wenn Ihr Lust habt, so spielt mit ihnen weiter herum. Wenn die Zeit kommen wird, werden wir ihnen schon nach Proletarierart einen Stoß versetzen— wie der Bourgeoisie..." Und wieder beruhigte er alle und brachte sie mit einem Scherz und einem Lachen dazu, sich zu setzen. „Genossen, ich schlage euch vor, einen Vorsitzenden zu wählen." Und er hatte noch nicht das letzte Wort ausgesprochen, als die Frauen aus ihrer Ecke heraus(an der Spitze Domacha und Lisaweta) aufstanden, mit den Händen herum- schlugen und durcheinander und miteinander einen Namen schrien:„Dascha! Dascha Tschumalowa!... Dascha!.. Und die Männer brüllten auch, konnten aber zuerst das Weibergeschrei nicht übertönen. „Gromada!... Tschumalow!... Sawtschut!.. Und der Name Sawtschuk zerbarst im Gelächter.
Gromada sprang zum Tisch und fuchteste wieder mit den Händen, zeigte auf die Weiber und schrie mit Weiber- stimme den Männern zu:„Genossen!... Von wegen den Weibern ist mir kein Aerger, sind ja sozusagen gleichberech- tigte Geschöpfe, wie sie sind... und so und weiter... aber die jungen zum Führen...die sollen mal erst auswachsen... hier muß ein Bart Vorsitzen.. „Wo ist denn der Bart von Tschumalow?... Und deine Haare hat auch die Katze glatt geleckt.. Und die Weiber schrien wie besessen und übertönten olles mit ihrem Geschrei. „Dascha Tschumalowa!... Dascha!... Gromada kann ihr nicht das Wasser reichen.... Sawtschuks Bart ist ein Misthaufen für Kellerwürmer, und seine Fäuste sind für Motjka gut.
„Sawtschuk!
Tschumalow!
Loschat!
Eljeb läutete wieder scharf mit der Glocke. „Ich lasse abstimmen, Genossen. Dascha Tschumalowa wird als erste eingetragen. Trotzdem sie meine Frau ist, aber ich widerspreche dem Weiberkommando nicht. Wer ist Äafür...." Und kaum hatte er Daschas Namen genannt, als die Weiber wieder losschrien:„Dascha... warum gönnt Ihr den Weibern nicht die Arbeit, Ihr Bösewichte?..." Gljeb erhob als erster seine Hand, mit ihm die Weiber und Sergejs. Die Arbeiter erhoben einer nach dem anderen, unwillig, hustend und keuchend ihre Hände. Es war, als ob sie nicht ihre, sondern fremde Hände langsam empor- streckten. Sawtschuk brüllte ohne die Hand zu heben aus der Ecke heraus:„Jag sie fort, diese Weiber, jag sie nach Haufe, diese Klatschbasen!..- Scht— seht! Das kann ich nicht mst ansehen!..." Gljeb klingelte wieder schrill und unterbrach das Ge- schrei:„Gromada kommt zur Abstimmung... zu wenig... Loschak wird abgestimmt... zu wenig.... Nimm deinen Platz ein. Genossin Tschumalowa." Die Weiber schlugen in die Hände, wie Hühner mit ihren Flügeln. „Bravo , Weiber!... Wir haben gesiegt!... Zeig's ihnen nur, den bärtigen und rasierten Ziegenböcken, Dascha." Dascha trat mit festen Schritten zum Tisch, stellte sich neben Gljeb. „Genossen, ich verlange Ruhe und proletarischen Geist. Gib die Tagesordnung, Genosse Tschumalow. Das Wort
erhält jetzt Genosse Jwagw zum Beruht. Sie können fünf- zehn Minuten hintereinander sprechen, nicht mehr." Sergejs lachte und machte eine erstaunte Handbewegung. „Eine zu strenge Regie, Genossin Tschumalowa...." „Schwätzen Sie nicht, Genosse Iwagin. Wenn Sie reden wollen, so tun Sie es gleich. Sonst gehen wir zur Tagesordnung über."' „Sie ist nicht schlecht eingebildet!.., Ich habe gleich. gesagt: keine Weiber...." „Jagt sie nach Hause, die Weiber, die Klatschbasen!: Ich werde sie alle am Rock packen und aus dem Fenster.», scht— scht!" „Genosse Sawtschuk, schweig. Ich werde dich wegen � deiner Anarchie wegschicken.... Ihr seid doch Kommunisten, Genossen?" Dascha hat recht. Man braucht nicht viel: was kann man einem Arbeiter in einem Bericht sagen? Sein Kops ist zu sehr mit Worten oerschlagen. Er weiß es am aller- besten selber, was er im gegebenen Augenblick braucht. Und die kalten Bücherphrasen sind ihm fremd, unverständlich, fern und blutleer, ebenso wie für sie auch Sergejs unver- ständlich und fremd ist— mit seinen Worten und seiner Seele. „Genossen!... Ein ungeheuerlicher Verfall... schwere Prüfungen der Arbeiterklasse... eine noch nicht dagewesene Krise... Liquidation der Kriegsfront... alle unsere Kräfte der wirtschaftlichen Front.... Der X. Kongreß gibt neue Richtlinien für die ökonomische Politik... nur das Prole- tariat... die einzige Kraft.... Das Aufleben der Produk- tion der Republik ... Konzessionen und Weltmärkte.... (uff, diese dummen Intellektuellen!...) Den proletarischen Staat beschützen... seine Kräfte verzehnfachen und mit eisernen Reihen.... Wir haben die Blockade durchbrochen ... die Arbeiterklasse und die Kommunistische Partei ... (machen Sie Schluß, Genosse Iwagin!...) Die Zustellung des Brennholzes.... Die mechanische Kraft des Werkes. ... Darüber können Sie besser berichten, Genosse Tschu- malow...." „Genossen, wir nehmen den Bericht zur Kenntnis. Sitz doch ruhig, Genosse Gromada!..." „Ja, ich will wegen dem... was der Genosse Referent erklärt hat... aber sein Vater gehört nicht dem arbeitenden Elemente an... Genosse Luchawa ist strenger. Dieser Genosse ist zwar sympathisch, er diskutiert aber ganz ver- gebens.... Man hat die Arbeiter bis zum Ueberdruß mit Worten überschwemmt.... Was sagt die RKP.?..." (Fortsetzung folgt.)