Nr. 51644.Jahrgang
1. Beilage des Vorwärts Dienstag, 1. November 1927
Berlins Entwicklung zur Weltstadt.
Ein Vortrag des Oberbürgermeisters Dr. Böẞ..
Bau des Mittellandkanals
Auf Einladung des„ Bereins Berliner Staufleute und In- Notwendigkeit von großen Straßendurchbrüchen dustrieller" und weiterer dem City- Ausschuß angeschlossener in der City und von weiteren Autostraßen, Berbände hielt gestern nachmittag Oberbürgermeister von denen es bisher nur eine hat. Geradezu brennend ist aber Dr. Böß im Großen Sizungsjaal des ehemaligen Herrenhauses das Problem der Berlegung des Anhalter und Botsdamer Bahnhofs, beide Bahnhöfe sind verkehrshemmend. einen Bortrag über ebensnotwendigkeiten Berlins hier stehe die Reichsbahn vor großen Aufgaben. Mit Dant muß für und ihre staatspolitische und weltwirtschaftliche Bedeutung". den Baueifer der Post quittiert werden. Gute BerkehrsverDer Oberbürgermeister begann seine Ausführungen, die er vor hältnisse liegen im Interesse der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer. einem bis auf den letzten Platz gefüllten Hause machte, mit einem Der Berliner Wasserverkehr ist noch zahlenmäßig gering, Rückblick auf die wirtschaftliche Entwicklung der Reichshauptstadt, die wenn auch die erfreuliche Tatsache verzeichnet werden kann, daß die gegenwärtig über 4 Millionen Einwohner zählt. Berlins bestehenden Hafenanlagen ohne Zuschuß arbeiten. Die Wirtschaft beruht auf dem Zusammenstrom von qualifizierten und schlechte Ausnutzung des Wasserverkehrs hat seine Ursache in den unqualifizierten Arbeitern, ein Umstand, der für die Wirtschaft noch unvollendeten Kanalanlagen. Besonders dringünstig ist. Berlin , das auf wirtschaftliche Unternehmungen im gend notwendig sei ein nördlicher Umgebungs. Reiche in steigendem Maße Anziehungskraft ausübt, deffen Bedeu- fanal; ein füdlicher ist im Teltomtanal vorhanden. Der in An tmg darum nicht von lokalpolitischen Gesichtspunkten aus zu begriff genommene Umbau der Spandauer Schleuse beweist, daß der werten sei, unterscheidet sich in seinen Aufgaben von denen anderer Städte wesentlich. Aus diesem Grund jind die wirtschaftlichen Borgänge, die sich in Berlin abspielen, in absehbarer Zeit Wirklichkeit wird. Durch ihn wird der Schiffs wichtig für das ganze Reich und im Zusammenhang vertehr in Berlin hineingeführt werden. Eine Modernisierung ver stehend mit dem internationalen Handel. Zur erfolgreichen Arbeit schiedener Hafenanlagen bilde aber hierzu die Vorausseßung. Der ist es darum ein dringendes Gebot, daß die Menschen der Luftvertebr entwickelt sich befriedigend; er wird für die Wirt Großstadtleistungsfähig gemacht werden. Die ersten Bor- schaft von steigender Bedeutung jein. Mit einem Hinweis auf die aussetzungen hierfür sind gesunde Wohnverhältnisse. Es Einfuhr von Blumen auf dem Luftwege verband der Oberbürger muß schneller als bisher gebaut und die Hauszinssteuer einer meister die Mitteilung, daß Gärtnereibetrieben große Streanderen Regelung unterworfen werden. bite zu niedrigen Binsfäßen zur Berfügung gestellt worden sind zur Erbauung von Warmhäusern für die Zucht von Blumen und Gemüsen. Das Gut Großziethen wurde seinerzeit zu diesem Zwecke von der Stadt aufgekauft und an einen großen Gärtnerei betrieb verpachtet. Durch diese Unternehmungen werden neue Arbeitsgelegenheiten geboten. Berlin muß auch eine Fruchtgroß markthalle erhalten, denn die Zustände in der Zentralmartt halle am Alexanderplay find nicht länger ertragbar. Im Bordergrunde des öffentlichen Interesses steht weiter ble Ferntraft bersorgung. Der Bedarf an elektrischer Straft steigt in Berlin von Tag zu Tag. Aus diesem Grunde ist ein weiterer Ausbau Es darf unter teinen Umständen zur Rationalisierung der elektrischen auch der Berliner Elettrizitätswerte notwendig Rraft tommen, was einer Drosselung der Wirtschaft gleich fäme. Noch nicht spruchreif ist die Ferngasversorgung. Hervorzuheben sind schließlich noch die Bemühungen der Stadt, große Streden Brach landes in der Umgebung Berlins durch Kultivierung zu erschließen Berlin steht somit vor gewaltigen Aufgaben, nach deren Erfüllung es seine Bosition als Weltstadt wieder zurüderobert hat. Der Bortrag des Oberbürgermeisters, der die brennendsten Brobleme einmal zusammenfaßte, wurde mit großem Beifall aufgenommen.
Die bisher ausgeführten Siedlungsbauten haben sich als vorteilhaft erwiesen und sind darum richtunggebend für die Zukunft. Ein schwieriges Problem bildet dabei die Beteiligung der Privatwirtschaft; es sei aber zweifelhaft, ob für fie die Beit reif ist. Auf dem Gebiet des Spiel, Sport- und Partwesens sind bisher Bauten im Gesamtwert von zehn Millionen Mart geschaffen worden. Auch das Schulwesen, insbesondere das Fachschulwesen, hat durch die Stadt stets eine besondere Förderung erfahren. Die Eingemeindung hat hierbei fegensreich gewirft. meinte der Oberbürgermeister, ist Berlin um mindestens Bezüglich des Verkehrsproblems, 30 Jahre zurüd. Insbesondere ist das Schnellbahnnet sehr vernachlässigt worden. Der Schnellverkehr muß im engsten Kontakt mit dem der Reichsbahn gebracht werden. Ehe dieses nicht erreicht ist, kann auch die Straßenbahn nicht aus dem Stadtinnern genommen werden. Sehr zu begrüßen ist es, daß die Reichsbahn die Stadt- und Ringbahn dem Berliner Berkehr tariflich eingegliedert hat; die Bestimmungen darüber treten bekanntlich am 1. Januar 1928 in Kraft. Der Oberbürgermeister betonte sodann die
Die Geheimdruckerei der Spitzel.
Die Zollfahndungsstelle verurteilt. Bestern nachmittag begründete Staatsanwaltschaftsrat Dr. Berliner die Anklage in dem Betrugs- und Bestechungsprozeß gegen Bollfetretär Blaumann und feine Agenten Cohn und Silberstein. Er beantragte gegen Blaumann für einen Fall des Betruges und zwei Fälle der Bestechung insgesamt 1 Jahr Gefängnis und Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter, gegen Silber. stein 9 Monate und gegen Cohn 7 Monate Gefängnis. Gegen 17 Uhr verfündete Amtsgerichtsrat Keßner folgendes Urteil: Der Zollinspektor Blaumann wird wegen versuchten Betruges zu 3000 Mart Geldstrafe verurteilt, oder für je 30 Mart 1 Tag Gefängnis. Die Angeflagten Cohn und Silberstein werden megen Befruges zu 6 bzm. 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte Blaumann wird von der Antlage des Betruges in drei weiteren Fällen, der Amtsunterschlagung, Untreue und Bestechung freigesprochen. Bei Cohn und Silberstein mird die Strafe durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erklärt. Das Gericht hat nur in dem Falle der Beheimdruderei" einen Betrug bei Cohn und Silberstein, und einen Betrugsversuch bei Plaumann für vorliegend erachtet. In der
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3ement.
Und Motja drang wieder in die Tiefe seiner Augen und wieder sah Gljeb, daß Motja auch diesmal seine heimliche Schlauheit verstanden hatte.
Aber warum nur
,, Ach, Gljeb!.. Schämst du dich nicht, Gljeb, mich auszuforschen? Geh, Gljeb, nach Hause und leg dich schlafen. Beh nicht vergebens deine Zunge. hat Daschaich liebe deine Dascha sehr warum nur läßt Dajcha Njurka im Rinderheim? Njurta war bei mir warum ließ fie sie nicht bei mir?... Wie fann eine Frau ohne Mann und Kind leben? Ach, was für dumme Männer ihr alle seid... Ihr seht das alles in den Weibern nicht...." Und im Borraum, als Motja Gljeb begleitete, brüdte sie feine Hand im Finstern und lachte wie ein schamhaftes fleines Mädchen.
,, Ach, Gljeb!... Du bist unser Freund, du weißt doch gar nicht, was das für eine Freude sein wird... du weißt es gar nicht Ich werde eine reiche Mutter sein, eine reiche Mutter, Gljeb. Und dann, in der geöffneten Türe, feufzte sie vor Mitleid mit Gljeb. 2lch, Gljeb ein böses Los!... Du und Dascha, ihr werdet nicht einig werden... Geschieht euch Hunden fchon recht; überlaßt eure Weiber nicht einem Hundelos. Gljeb fand Dascha so, wie er sie zurückgelaffen hatte, über dem uche, den Kopf auf die Hand gestüht, das Gesicht streng, besorgt, und mühevoll während des Lesens flüsternd. Und als er hereintam, riß sie sich vom Buche los und fah Gljeb forschend an.
,, Nun, was hast du von Sawtschuts erfahren?" Bljeb trat ganz nah an sie heran, und sein Gesicht zudte vor Schmerz. Er umarmte sie und sprach nicht so wie er gewöhnlich sprach, das war nicht der Gljeb, der durch Kriegsstürme gegangen war: das war ein von Liebe und Grübeln müde gewordener Gljeb.
,, Dascha! Erzähl' mir doch, mein Täubchen, erzähle mir von deiner Seele.... Sei doch wie früher lieb und sanft. Mir ist so schwer, Dascha... du bist zu mir wie eine Fremde... fo als ob du ein Meffer am Busen versteckt hieltest.
I
Urteilsbegründung bieß es u. a: Die Verhandlung hat Gelegenheit geboten, in das Milieu ber Sofifahndungsstelle hinein zuleuchten. Das Bild ist ein äußerst düsteres. Benn das System hier auf der Anklagebant fäße, würden die Strafen gang anders ausfallen, als bei der Beurteilung der Täter. Es ist mißverständlich hier gegen das Spihelfpitem gesprochen worden. Ohne Agenten tommen die Behörden nicht ans. Biel läßt sich aber barüber sagen, wie das Agententum in der Zollfahndungsstelle gehandhabt worden ist. Es ist tief beflagenswert, daß ein Beamter von den Fähigkeiten und guten Zeugnissen Blaumanns derart in den Sumpf hinabgezogen morden ist. Die Agenten sind nicht mit Glacehandschuhen anzufassen, aber es muß eine gewiffe Grenze geschaffen werben. Es handelt sich hier nicht allein um den Berkehr zwischen diesen Angeklagten, sondern auch um einen ähnlichen bei vielen anderen auf der Zollfahndungs stelle. Bei Blaumann war nicht zu widerlegen, daß er an die Eristenz von Harry und Willi geglaubt hat. Allerdings liegt bei der Hingabe des Vorlagebogens von Sechspfennigbanderolen der Ber bacht nahe, daß aus den Agenten agents provocateurs ( Lochspitzel) gemacht werden sollten. Von der Nacht an, als die Polizei einge. griffen hatte, tonnte das Gericht Blaumann ben guten Glauben an Harry und Willi als Druder nicht mehr zubilligen. Durch den Antrag auf eine Belohnung von 12 000 Mart hat er sich somit des Befrugsverfuchs schuldig gemacht.
Dascha sagte tein Wort, aber Gljeb fühlte, wie sie innerlich erbebte und Weib wurde. Er fühlte, daß sie ihren Kopf an seine Schulter preßte und wieder die alte wurde: ein schwaches, liebes Weib. Und es schien ihm, daß ihm wie früher ein Milchgeruch und der Duft ihrer füßen Ausdünstung entgegenwehte. Schüchtern drückte sie sich an ihn, tämpfte mit sich und fonnte sich nicht beherrschen.
,, Und wenn auch etwas war, so ist es nichts Wesentliches ... in einer bösen Stunde tann allen etwas passieren....
Sie riß sich von ihm los und feufzte. Dann sah sie ihm scharf in die Augen, ganz wie Motja, und sagte leise, voller Schmerz, mit zitternder Stimme: Ja... es war... es war. Gljeb. und nicht nur einmal
Als hätte eine Riesenhand Gljeb von Dascha weggestoßen, als wäre eine Blase in seiner Brust geplakt. Und eine tierische Straft trieb sein Blut und eine schäumende Wut in seine Fäuste, in sein Gesicht.
,, Also, es ist wahr?... Es war. Haft dich mit geilen Rötern herumgetrieben, du unreines Frauenzimmer, du? Verfluchte Hündin!..
Toll geworden, blind, mit hervorquellenden Augen, mit einem Herzen, das riesengroß wurde, mit fallenden Schritten stürzte er sich wie ein Stier auf Dascha und hob seine Faust. Sie erhob sich rasch, stellte sich fest auf ihre Beine und wurde dadurch um einen Kopf größer, wurde stärfer. Und zerriß, nicht mit dem Klang ihrer Weiberstimme, sondern mit einer unerhörten Bewegung ihres ganzen Körpers die tierische
Wut Gljebs.
,, Komm zu bir, Gljeb!
Schöm dich!..."
Und es wurde still, und nur ihre Augen und Augenbrauen traten in scharfen, schwarzen Strichen hervor. Und als er durch ihren Schrei weggeschleudert, wie angewurzelt, mit bebenden Lippen stehengeblieben war, sagte fie ruhig, mit etwas heiserer, tiefer Stimme: Ich habe dich prüfen wollen, Gljeb. Du bist noch fein Mensch. Du fannst mir nicht, so wie es sein sollte, zuhören.... Was ich dir jetzt gesagt habe, war nur, damit ich flarer fehe. Du hast bei Motja spioniert, glaubst du, ich weiß es nicht. Ich weiß genau, was du willst du bist ein Kommunist... aber du bist ein tierischer Mensch und du brauchst eine Frau, die dir Stlavin wäre, zum Sichdrauflegen.... Du bist ein guter Krieger, aber im Leben bist du ein schlechter Kommunist." Und sie ging zum Bett, um es für die Nacht herzurichten.
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Ein jugendliches Opfer der Verhekung.
Vor Moabiter Richtern steht ein Werwolfmann in voller Uniform. Er ist 25 Jahre alt, auf seinem noch jungenhoften regelmäßig geschnittenen Gesicht spielt eine Mischung von Trotz und frühem Leid; seine Augen blicken groß und starr ins Ungewisse; seine sympathische Stimme flingt militärisch scharf, fanatisch und herausfordernd.
tot.
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Was sind Sie, fragt ihn der Borsigende.- Zeitungshändler.Was haben Sie gelernt. Soldat. Wann waren Sie Soldat? Freiwillig, vom Jahre 1919 bis 1924. Was haben Sie früher Granaten gedreht. Was ist Ihr Water? Er ist getan? also nichts Bestimmtes gelernt? Nein. Wo haben Sie Was war er? Bergmann in Westfalen . Sie haben also nichts Bestimmtes gelernt? Granaten gedreht? In Dortmund . Es wird Ihnen zur Last gelegt, daß Sie die Republik beschimpft haben. Ich erfläre den Gerichtshof für befangen. Weshalb? Ich will von einem christlichen Gerichtshof abgeurteilt werden. Wer ist denn hier nicht Christ? Nennen Sie den Herren! Ich bin Antifemit. Wollen Sie von einem antisemitischen Gerichtshof abgeurteilt werden?- Nein, aber von einem christlichen. Ich nehme an, die anderen Herren find Christen, nicht aber der Herr rechts von Ihnen. Das Gericht entfernt sich zur Beschlußfassung. Der Borsitzende erklärt nach der Rückkehr in den Gerichtssaal, daß bie Ablehnung des Gerichts nach Berlesung des Er öffnungsbeschlusses unzulässig sei. Dann lege ich Beschwerde ein Das fönnen Sie. Wir treten aber in die Berhandlung ein. Ich verweigere jebe meitere 2lusjoge.- Dann werden wir eben die Beugen befragen. Der erste 3euge, ein Hilfsmechaniker, hat am Leipziger Blah einen Menschenauflauf gefehen und gehört, wie der Angeflagte geschimpft hat: Judenrepublit, Saurepublit, dreckige Judenrepubliken. Auch der zweite Zeuge, ein Gärtner, hat ihn schimpfen hören: Nieder die Judenrepublit, hoch die Monarchie. Er soll auch gefagt haben: Sieb zu, daß du teine blaue Bohne in den Hintern Briegst, und fogar dabei eine Bewegung zur Gefäßtasche gemacht haben.- Im Revier ist ihm ein Schlagring abgenommen worden.
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Ja,
dem Gerichtshof halb den Rücken zugefehrt hat und nun Der Angeklagte, der während der Bernehmung der Zeugen völlig abgewandt troßend dasteht, wird vom Borsitzenden gefragt, ob er etwa böse sei, daß verhandelt werde. Gericht faut Gesetz verhandeln muß und daß er seine Beschwerde fagte er. Der Borsitzende erklärt ihm mm väterlich, daß das zusammen mit der Berufung einlegen tönne; es wäre doch beffer zusammen mit der Berufung einlegen tönne; es wäre doch besser für ihn, wenn er sich verteidigen würde. Num tat er das: Er habe an feinem Stand Zeitungen verkauft, als ein jüdischer Herr hinzugekommen sei und sich demonstrativ die Zeitungen angesehen und dann gesagt habe, er tönne den Juden. Dann habe ein Mort das andere gegeben, und da habe er schließlich die Judenrepublit erwähnt. Im übrigen sei das teine Beschimpfung, das habe selbst das Reichsgericht entschieden; die Republit sei von Juden errichtet, man möge ihm das Gegenteil beweisen. Das alles bringt der Angeklagte famatisch, in größter Erregung Dor. Ein weiterer Zeuge, ein jüdischer Herr, der während des Streites hinzugefommen war, bestätigt die Aussagen der ersten beiden Seugen. Der Angeklagte will in ihm denjenigen erkennen, der ihn gereizt haben soll. In Wirklichkeit war es aber der vierte Zeuge, der zugibt, ihm die unanständigen Worte wiederholt gesagt au haben. Es fei dies aber als Antwort auf feine Ausfälle gegen die Juden geschehen. Der Angeklagte wird gegen diesen Zeugen taft handgreiflich.
Der Staatsanwalt beantragt vier Monate Gefängnis. Das Gericht verurteilt ihn zu zwei Monaten Gefängnis und stellt ihm Bewährungsfrist in Aussicht. Der Angeflagle figt wie geistes. abwesend da, blidt mit starren Augen vor sich hin und verharrt in dieser Stellung auch, nachdem die Sitzung aufgehoben ist. Dam springt auf und stürzt zum Richtertisch. Er will noch was - er hatte ihn als nerventrant sagen. Sein Gesinnungsgenosse bezeichnet- will ihn zurüdreißen. Der Borsigende spricht auf ihn beschwichtigend ein. Ihm aber rollen große Tränen über die Wangen, er ruft erregt: Meine Mutter begeht Gelbstmord, menn fie erfährt, daß ich ins Gefängnis gekommen bin, mein Stiefpater Wegen meines Stiefvaters bin ich ja so geworden." Ein unglücklicher Junge trotz seiner 25 Jahre, der nur eine Malze fennt und in deffen Hirn nicht alles in Ordnung ist. Ein Opfer der Berhekung!
Der Emigrant im Kellerloch.
1. Das versteckte 3immer.
Die Fenster mit den massiven Eichenrahmen öffneten fich nicht, und der Staub aus den Steinbrüchen legte sich vorfichtig und samten durch die Spalten auf das Fensterbrett, zwischen den Rahmen. Und am Morgen, wenn die Berge Sonnentropfen von der Seite hinüberglitten, flogen regenvon innen heraus in violettem Glanze brannten und die bogenfarbene Kristalle zwischen den Scheiben herum. Und ber Technifer, Ingenieur Kleist , stand stundenlang vor dem Fenster und fah auf diese fliegenden Welten und fühlte deutlich die greifbar- verdichtete Stille des Zimmers.
Und wenn auch das Zimmer weit entlegen sich in der Tiefe des Ganges befand, dort, wo der Tag im abendlichen Schlummer und die Nacht in schwarzen Leeren und zottigen Schatten schweigen, so schien doch dieses Zimmer dem Ingenieur Kleist fern und erfreulich unzugänglich, wie jene Steinbrüche, die dort oben in den Abgründen von Gesträuch überwuchert waren.
Wenn das Wert zerstört ist und die grauen Löcher der herausgeriffenen Türen und Fenster mit einer unergründlichen Frage auf die vulkanischen Formationen der Berge und die Steinschutthausen in den Terrassen der Steinbrüche blicken, mit den zerstörten und verrosteten Bremsbergen, dann bleibt das Leben stehen und zerfällt in die Grundeinem toten Werte sein, wenn das zu gar nichts verpflichtet und ein festes Gleichgewicht der Zeit gibt.
Die Hauptsache ist, die Eichenrahmen im Zimmer nicht öffnen und den ungeheuren Sinn der großen Aufbauarbeit der Spinnen zwischen den Fenstern ergründen. Auf einer gewissen Grenze zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart empfand Ingenieur Kleist plöglich die tiefe Schönheit und Bedeuung des architektonischen Aufbaues in dem lufigen Raume zwischen den Fensterrahmen. Er stand stundenlang am Fenster, langbeinig, gebüdt, mit silbernen, widerspenftigen Haaren und schaute auf das perlmuttartige Gewebe, auf die vielen durchsichtigen Flächen in verschiedenen Lagen und Verzweigungen, auf die unzähligen Stufen, Durchfreuzungen, die durchdrungen waren mit der Kraft einer ungeheuren Anstrengung.
( Fortsetzung folgt.)