!Tt. 516 ♦ 44. Jahrgang
2. Heitage öes Vorwärts
dkenstag» 1. November 1927
preußische ElektriZitäts-�.-G. Gründung vollzogen.-- Bedeutung für die öffentliche Kraftwirtfchaft.
Die Preußische Elektrizitöts-Aktiengesellscheft. in der sämtNche ciektrowirtschafUichen Unternehmungen und Beteiligungen des preu- ßischcn Staates zusammengefaßt sind, ist jetzt gegründet. Die Vorgeschichte dieser Gründung hat in vielfacher Hinsicht die Oeffentllchteit stark bewegt. Die Mißgunst des Privat- kapitals begleitete den preußischen Staat, als er im Jahre 1923 die Großkraftwerke Hannover und Oberwefer und im Jahre 1928 die Beteiligungen am Rheinisch-Westfölischen Elektrizitätswerk, an den Nordwestdeulfchen Kraftwerken und an der Brauntohleninduftrie A.-G. Zukunft" erwarb, die heute die Hauptstücke der neuen Ge- fellschaft darstellen. Dem preußischen Staat wurde insbesondere von kapitalistischer Seite der Vorwurf gemacht, daß er die Hoheiksrechte des Staates zur Förderung feiner Unternehmerinteressen benütze, und der preußische Staat hat denn auch das Zugeständnis gemacht, daß die Enteignungsangelegenheiten einer anderen Abtellung übergeben wurden, nachdem sie bisher von der Abteilung wahrgenommen wurden, die die preußischen Werks- und Beieiligungslnteressen ver- waltet. Das zweit« Zugeständnis�, von dem aber zu hoffen ist, daß es der öffentlichen Wirtschaft nur Nutzen bringt, ist die Gründung der neuen Gesellschwst. Die Zusammensassung der elektrowirtschaft- tichen Interessen Preußens begegnete aber auch parlamentarischen Schwierigkeiten. Obwohl über den Willen des Preußischen Land- tag» kein Zweisel bestand— mit überwältigender Majorität hatte der Landtag das Gesetz angenommen—> opponierte der preußische Staalsrot. Geschäftige Leute, die wohl in de- Hauptsache dem Zentrum nahestanden. verlangten für die Veräußerung von Aktien eln besonderes Gesetz, statt der einfachen Zustimmung des Landtags, den Sitz der Gesellschaft nicht in Berlin , sondern in der Provinz, und vor allem die Vertretung des Staatsrates durch zwei Mitglieder im Auf- sichtsrat. Dieser Widerspruch hatte den einzigen Erfolg, daß die Gründung überflüsiigerweise oerzögert und das Gesetz dennoch ohne Abänderung am 24. Oktober verabschiedet wurde. Die wirtschaftliche Dedeutuag der Gründung ergibt sich aus folgenden Daient rein gebletlich handelt es sich bei der Preußischen Elektrizitäts-Aktiengesellschaft um das größte Unternehmen seiner Art; über 50 000 Quadratkilometer, im Norden begrenzt von der Linie Emden — Wismar , im Süden reichend bis Frankfurt a. M. und sich an den beiden Weserusern entlang ziehend, mit 8 350 000 Einwohnern, umsaßt das Gebiet, das zu den Elektrounternehmungen Preußens gehört. Fusioniert werde a drei Werke, die Preußen hundertprozentig besitzt: die Großkraftwerk Hannover A.- G. mit S Millionen Mark Kapital, 42 350 Kilowattleistung und einer Jahreserzeugung von 88 Millionen
Kilowattstunden, die Preußische Kraftwerk« Oberweser A«G. mit 10 Millionen Mark Kapital, 73 040 Kilowattleistung und 185 Millio- nen Kilowattstunden, die Gewerkschaft GroßkraftwerkMain- W e f e r mit 5 Millionen Mark Kapital, 32 800 Kilowattieiswng und 73 Millionen Kilowattstunden Jahreserzeugung. Dazu treten alle VeteiNgungea eleklrowirtschaftlicher Art. die der preußisch« Staat außerdem besitzt. Es sind das in der Haupt- jache: Ostpreußenwerk A.-G. in Königsberg 7,42 Millionen oder 41 Proz., Ueberlan'dwerk Oberschlefien A.-G. 1,78 Millionen oder 37 Proz., Rhein-Main-Donau A.>G. 0.3 Millionen oder rund 11 Proz, Nordwe st deutsche Kraft- werke A.-G. 8,44 Millionen oder rund 75 Proz., Rheinisch- Westfälisches Elektrizitätswerk 12 Millionen oder 8,8 Proz, Braunkvhlenindustrie A.- G.„Zukunft� 8,9 Millionen Stammaktien(55 Proz.) und 0,98 Millionen Vorzugsaktien(98 Proz.), Lahnkrastwert« A.-G. 0,85 Millionen oder 38 Proz., Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen 2,0 Millionen oder 4L Proz., Großkraftwerk Erfurt 0,31 Millionen oder 8 Proz., und Ueberlandwerke und Straßen- bahnen Hannover A.-G. 8,0 Millionen oder rund 50 Proz. Dazu treten noch zwei kleinere Beteiligungen am Kommunalen Elektrizitätsverbond Westfolen-Rheinlond und der Hessen -Nasiauischen Uebcrlandzentrale mit 7,1 bzw. 28 Proz. Insgesamt weiden Itomiaalbeteiligungen im Betrage von 46,77 Millionen Mark neben den drei Großkraftwerken Hannover , Oberweser und Main- Weser eingebracht. Das Gesamtkapital der Preußischen Elettrizitäts- A..G. beträgt 80 Millionen Mark. Das vom preußischen Staat den drei Großkraftwerken überlaffene Gesamtbaudor- lehen wird den drei Werken als Eigenkapital überlassen, wogegen die Preußische Elektrizitäts-A.-G. im gleichen Betrage dem preußischen Staat Aktien zum Nennwert übergibt. Dasselbe gilt für Darlshensfordmmgen des Staates gegenüber jenen Gesellschaften, deren Staatsbeteiligung auf die neu gegründete Aktiengesellschaft übertragen wird. Di« Gesamtsumme der Darlehen beträgt rund 42 Millionen. Deiriebsgesellschast und Holdinggesellschaft. Die neue Preußische Elcktrizitäts-2l.-G. ist einmal B e- t r i e b sg e s« l l s ch a f t für die drei Großkraftwerke Hannooer, Oberweser und Matn-Weser, sodann Holdinggesellschaft für die zwölf aufgeführten Beteiligungen. Dabei handelt es sich r e ch t- l i ch nicht eigentlich um eine neue Gesellschaft. Bielmehr werden zwei Kraftwerke mit dem größten Werk Oberwefer susio- niert, deren Aktienkapital wird von 10 aus 80 Millionen erhöht. Dl« Gründung erfolgt durch drei Verträge, einen Fusionsoertrag zwischen Hannooer und Oberweser , einen zweiten Fuswnsvertrag zwischen Main-Weser und Oberweser zur Einbrin-
gung des Werksbesitzes, und einen dritten Vertrag zwischen dem preußischen Staat und Oberweser zur Einbringung der Beteiligungen und Darlehensforderungen. Der Sitz der Gesellschaft ist Berlin W 10, Motthäikirchstraße 31. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Nach den vom Landtag genehmigten Statuten ist ein Bor- st a n d von wenigstens zwei Personen zu bestellen. Der jetzt vier- löpfige Vorstand besteht aus Generaldirektor Frank, dem Ministeriol- direktor Jacques vom Handelsministerium und den Ministeriol- röten Heyden und Roemer. Nach den Beschlüssen der Gencraloer- sammlung besteht der A u f s i ch t s r a t zunächst aus 26 Mitgliedern, darunter 11 Landtagsabgeordnete, 8 Vertretern Preußens, 3 Der- tretern des Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks sowie von Der- tretern der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen, der Bayern- werk A.-G.» des Elettrozweckverbondes Mitteldeutschlands , der Ver- einigung kommunaler Elektrizitätswerke, endlich Oderbürgermeister Dr. Londmann, Frankfurt a. M.. und Genosse Or. in?. Majerczik. Bei den Kraftwerken Hannover und Oberweser werden Beiräte mit begutachtender Stellimg gebildet. Die Vertreter des Staates und des Landtags müssen mindestens die Hälfte des Aus- s i ch t s r a t s bilden. Den Vorsitz im Aufsichtsrot führt Ministerialdirektor Dr. Staudinger vom preußischen Handels- Ministerium. Die sozialdemokratische Fraktion des Preußischen Landtags hat die Genossen Waentig, Leinert und Haes« in den Auftichtsrat entsandt. Die bei der Gründung verfolgten wirtschaftlichen Ziel« sind die Verhinderung weiterer Zersplitternng in der Elektrowirtschaft. die Sicherung der wirtschaftlichen s�rafterzeugung und Krastoertei- lung und«ine gesunde Strompreispoiitik. Straffere und Wirtschaft- lichere Verwaltung, bessere Ausnutzung von Konjunkwrschroankungen, größere Finonzierungsmöglichkeiten und Ersparnisse In der Verwal- tung sind weitere Vorteile. Eine Absicht, an den Kapitalmarkt heran- zutreten, um neue Anleihen aufzunehmen, besteht zunächst noch nicht. Im Interesse der Rationalisierung der deutschen Elektrowirtschaft ist die neue Gründung in seder Hinsicht zu begrüßen. Sie ermöglicht einen einheitlichen Betrieb großer staatlicher Elektrizitätswerke und die einheillich« unv vom Instanzen- zug der Verwaltung unabhängige Wahrnehmung aller sonstigen elektrowirtschastlichen Jnteresien des preußischen Staates. Die V o r- aussetzungen zu größeren Erfolgen, als sie bisher erreicht wurden, sind jetzt gegeben. Die Leitung der neuen Gesellschaft hat zu beweisen, daß sie zu diesen größeren Leistungen sähig ist. Bisher war es ein Krebsschaden der öffentlichen Kraftwirtschaft in Deutschland , daß die verschiedenen öffentlichen Unternehmer viel weniger mit- al» gegeneinander arbeiteten, nicht zum Nutzen der össentllchen Wirtschast, meist zum Vorteil der Privat- Wirtschaft. Die neu« Gesellschaft wird deshalb auch den Nachweis zu erbringen haben, daß sie nicht nur als Unternehmung überhaupt, sondern als Glied der öffentlichen Wirtschaft die Gesamtinteressen der deutschen Kraftwirtschaft zu fördern vermag. Dabei kommt es keineswegs immer darauf an. den Clektrvsrleden um I e d e n Preis anzustreben. Aber an Stelle der bisherigen Kon- kurrenz, di« die einzelnen Glieder der öffentlichen Hand sich g e g e n- fettig bereiteten, muß ein Zusammenwirken treten, das in seinem Verhältnis zur Privatwirtschaft die öffentlichen Interessen in erster Linie fördert.
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