Nr. 518 44. Jahrgang Ausgabe A nr. 263
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Mittwoch, den 2. November 1927
Gewaltherrschaft in Indonesien .
Interpellationsdebatte im holländischen Parlament.
Amsterdam , Ende Oktober.( Eigenbericht.)
Fast ein Jahr ist seit dem gescheiterten Novemberaufstand auf Java vergangen, aber das indonesische Problem steht heute nach der gewaltsamen Niederschlagung dieses Aufstandes, wo die Ruhe des Friedhofes auf Java und Sumatra eingetreten ist, nur noch drohender vor den Augen der niederländischen Machthaber als im Augenblid der Revolte felbst.
Die Regierung deckt alles!
neuer Haß gewedt durch Verhaftungen junger, geistig hochstehender Intellektueller, die man dann Monate hindurch in unter fuchungshaft perkümmern läßt und deren Angehörige zugrunde gehen würden, wenn sich nicht die Sozialdemokra tische Arbeiterpartei durch ihre Sammlungsaktion ihrer angenommen hätte.
Das war der Untergrund der Aussprache, die dieser Tage in der Unter den Indonesen vollzieht sich, allen Gewaltmaßnahmen 3 meiten Haager Kammer stattfand und bei der die Sozialzum Troß ein Konsoldierungsprozeß, der früher oder demokratie auf eine eigene Interpellation verzichtet hatte, da später den Niederländern mehr zu schaffen machen wird, als der schon eine Interpellation von fommunistischer Seite vorlag. Nichtsfchlecht organisierté Novemberaufstand 1926. Es hat sich eine destoweniger griffen die erfahrenen Indienfenner der Sozialdemoindische nationalistische Partei gebildet, die mit fraten wie Cramer in ihrer ruhigen Sachlichkeit weit wirksamer Kommunismus absolut nichts zu tun haben will und unter der als Lou de Biffer in die Debatte ein. Der Sozialdemokrat Kleere Leitung eines so besonnenen Mannes wie Dr. Soetomo steht. toper hielt gleichzeitig eine leidenschaftliche Rede Die mohammedanische Partei Sarekat Islam hat sich weit gegen die Todesstrafe in den Kolonien, nachdem das niederfefter als zuvor organisiert und genossenschaftliche Geländische Mutterland diese barbarische Strafe seit mehr als 50 Jahren dankengänge des westeuropäischen Sozialismus nicht mehr fennt. in fich aufgenommen. Beide Parteien find innerpolitisch zu einer Rartellierung übergegangen, wodurch fie ein starter Machtfaftor werden müssen.
Das alles läßt die Herren im Haag unberührt. Sie stüzen moralisch die Maßnahmen der indischen Regierung, die in furzer Zeit fieben Indonejen dem Galgen überantwortet, etwa 13 000 Menschen verhaftet, mehr als 1000 Menschen bereits in die Fieber. fümpfe des Digulflujjes auf Neuguinea verbannt
hat Beber die niederländische noch die indische Regierung ver stehen, daß die indonesischen Studenten in Niederland einen glü henden Haß unter folchen Umständen bekommen müffen, daß junge Histöpfe der Vereinigung Perhimpoenan Indonesia in ihrem Blatte, Indonesia Merceda" fieberhaft radikal bei dem Gedanken an ihr unterdrücktes Baterland sich auslassen. Es wird im Gegenteil
Ein deutscher Reparationsagent? Zum Verkehr mit dem Dawes- Kommissar. Im Anschluß an die lebhaften Erörterungen über den Brief Barter Gilberts tauchen immer wieder Gerüchte auf, wonach die Reichsregierung beabsichtigt, ein eigenes Staatsfommissariat zur Berhandlung mit dem Re: parationsagenten zu schaffen. Dieses soll den Verkehr der Regierung, also insbesondere des Reichsfinanzministers, des Reichswirtschaftsministeriums und des Auswärtigen Amtes mit Parker Gilbert betreuen. Ein solcher Berbindungsmann wäre überflüssig, wenn nicht die bekannten Reibungen zwischen dem Reichsfinanzminister und Reparationsagenten entstanden wären. Die Schaffung einer neuen Stelle würde also ein Ausdruck des Mißtrauens des Rechtsblocks in die gegenwärtige Führung des Reichsfinanzministeriums sein. Als Kandidat für den Bosten des deutschen Reparationsagenten so wäre er wohl zweckmäßig im Gegensatz zu dem internationalen Reparationsagenten zu bezeichnen wird der Staatssekretär 3. D. Bergmann genannt, der schon früher die Fragen der Wiedergutmachung behandelt hat und ben Ruf einer Autorität auf diesem Gebiete genießt. Doch wird persichert, daß Beschlüsse darüber noch nicht gefaßt worden sind.
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Da die Schaffung eines besonderen Staatskommissariats Geldmittel erfordern würde, die im Reichshaushalt nicht vorgesehen sind, bedarf sie der Genehmigung des Reichstages. Rommt eine solche Borlage zustande, so wird der Reichstag Gelegenheit haben, zu der Reparationspolitik des Rechtsblocks Stellung zu nehmen.
Die einmütige Partei. Einstimmiger Parteitagsbeschluß in Wien .
Wien , 1. November. ( Eigenbericht.) Der Barteitag hat am Vormittag die Vorstandsberichte, fowie das Referat des Abg. Eldersch über die Sozialpolitik entgegengenommen und eine ganze Reihe Anträge beraten. Einer daDon besagt, daß das Komitee zur Förderung der internationalen Gewertschaftseinheit eine Lommunistische Keimzelle ist, die in Birk lichkeit der Spaltung der Arbeiterbewegung dient; daher sei die Zugehörigkeit zu diesem Komitee und die Teilnahme an den von ihm organisierten Rußlandreisen mit der Parteizugehörigkeit unDereinbar. Ein diesem Komitee angehörender Parteigenosse erhielt das Wort; er nerfuchte unter heftigen Angriffen auf die Partei biese Rußlandreisen und das Zusammengehen mit den Kommunisten zu verteidigen. Dies erregte stürmischen Widerspruch und ber Antrag wurde schließlich einstimmig angenommen, nachdem Otto Bauer erwidert hatte, der Bolschewismus sei zur mirtlichen Einheit der internationalen Arbeiterflaffe folange nicht
Es war jedoch vergeblich. Kolonialminister Koningsberger gab zwar unumwunden zu, daß bei den Verbannungen manche schwere Mißgriffe vorgefommen sind, daß man Menschen verbannte, nur weil sie fommunistische Ideen und nicht weil sie etwas begangen hatten. Die Partei der Antirevolutionäre war jedoch, wie fich ihr Sprecher Bijleveld ausdrückt, darauf vorbereitet, alle Anträge niederzufäbeln, und so wurden sowohl der Antrag des Sozialdemokraten Cramer auf eine parlamentarische Untersuchungstommission für das Digulgebiet wie der von der Sozialdemokratie unterstüßte Antrag de Bisser auf fofortige Freilassung. der in Untersuchungshaft fißenden Studenten ab= gelehnt.
Der Widerhall dieser Debatte in Indonesien wird nicht ausbleiben, und der Gegensatz zwischen indo- europäischen Faschisten und Eingeborenen wird eine weitere Berschärfung erfahren.
zu haben, solange er glaube, mit Einheitsfrontmanövern die sozialistische Internationale schlagen zu können.
Am Nachmittag wurde zunächst der Parteivorstand wieder gewählt. Anschließend erstattete Seit den Bericht der Resolutionstommiffion, die sich u. a. mit dem Koalitionsproblem zu befaffen hatte. Die Kommission hat die Entschließung( schon in unserem Dienstag- Abendblatt wiedergegeben. Red d. B.") einstimmig angenommen, die somit die von beiden„ Richtungen" gebilligte Richtschnur für die Parteitaktik darstellt. Auch der Parteitag hat diese Entschließung einstimmig gefaßt. Sie fordert am Schluß die Organisationen der Partei auf, das zum Staatsfeiertag erhobene Republitgründungsfest des 12. Novembers zu großen Boltsfundgebungen dafür auszunuzen, daß die Republik werde, was sie nach dem Willen ihrer Begründer werden sollte: die wahre Republie des arbeitenden Boltes in Stadt und Land. Die sonstigen Bunkte der Tagesordnung waren rasch erledigt. Der Parteitag ist geschlossen.
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Benflonie: Bant ber Arbeiter, Engeftekten und Beamten. Ballite. 65; Diskonto- Gefeliceft. Desektentafle Sinbenstr. 3.
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Höhnisch spricht Bismard von den Halbgöttern" des Generalstabs, wo er über den Bontott flagt, den 1870 die höheren militärischen Kreise" über ihn verhängt hätten, so daß der im Hauptquartier weilende englische Zeitungsmann über die Absichten der Heeresleitung besser unterrichtet gewesen sei als der Bundeskanzler und Ministerpräsident. In die erlauchte Gesellschaft solcher Halbgötter führt der erste Band eines Wertes, das unter dem Titel Aus dem Briefwechsel des Generalfeldmarschalls Alfred Grafen von Waldersee", herausgegeben von Heinrich Otto Meisner , soeben in der Deutschen Berlagsanstalt Stuttgart erschienen ist. Das Buch umfaßt die Jahre 1886 bis 1891, und wer in diesem Zeitabschnitt gleic zu gleich mit Waldersee forrespondiert, sind der Freiherr v. Loe, Kommandierender des 8. Armeekorps, der General v. Berdy du Bernois, Divisionär, dann Gouverneur von Straßburg , dann Kriegsminister, der General der Infanterie Graf Blumenthal, der General der Insanferie a. D. v. Stosch und andere goldgestickte Kragen; auch der verhänignisvolle Mann der neueren deutschen Geschichte, der Geheimrat Holstein, gräbt in dieser Welt von Exzellenzen seine dunklen Maulwurfsgänge.
Da Waldersee ein ausgesprochen politischer General ift. dreht sich der ganze Briefwechsel um Fragen der hohen äußeren und inneren Boliti?, aber erschreckend wenig ist dabei auf diesen Seiten vom Bolt und seinen politischen Vertretern, den Parteien und dem Parlament, die Rede. Gelegentlich knurrt Loe, daß das allgemeine Stimm recht mit der Zivilisation nicht vereinbar fei; Walderfee klagt, daß man den großen Coup" feiner Beseitigung nicht wage, und Stosch glaubt, daß eine blutige Niederwerfung der Sozialdemokratie" bevorstehe, aber im allgemeinen sind Reichs tag und Bolt für die Halbgötter Luft. Als die einzige Machtfrage im Innern, darum als die wichtigste politische Frage: überhaupt, erscheint ihnen die Stellung des Kriegsherrn zur Armee", und nur eine sichere Bürgschaft für die Zukunft wiffen sie: ,, die selbständige und selbstbewußte fönig liche Gewalt", an die feine Kammer und ein„ Zivilminister" iippen dürfe.
Der monarchische Absolutismus ist eben für die Halb götter die Regierungsform, die ihnen ihre Halbgöttlichkeit hoch über den bürgerlichen Richtigkeiten erhält. Den Bor= rang der Militärs zu wahren, ist A und O ihres Denfens, und bleiches Entsetzen befällt sie bei den geringsten Bugeständnissen an das Zivil. Loe findet es unerhört, daß der Statthalter von Elsaß- Lothringen als Zivilist Doppelposten vor die Tür bekommt, und daß die Frau des komman Dierenden Generals der des Statthalters den ersten Besuch machen mußte. Als die Beine des Stuhls, auf dem Bismarc moria an Walderfee, um ihn zur Uebernahme der Kanzlerfizt, hinreichend durchgenagt sind, richtet Stosch ein Promeschaft zu ermuntern; in diesem Schriftstück ſteht zur Begründung der lapidare Saz: Die Kriegertaste hat von jeher die Welt regiert".
Freihandel mit Hindernissen. Schwierigkeiten beim Abbau der Handelsbeschränkungen. Gegenspieler Balderjee hat als Generalstabsschef in allen
Genf , 1. November. ( Eigenbericht.)
Die Staatenkonferenz für Beseitigung der Ein- und Ausfuhrverbote, die hier tagte, wird in jedem Falle nur mit einem Teilerfolg enden. Eine Reihe von Staaten besteht nämlich darauf, aus Gründen„ nationaler" Wirtschaftspolitik die fünstlichen Hemmungen für den internationalen Handelsverkehr aufrechtzu erhalten. So beharrt England auf seinen Einund Ausfuhrverboten für Farben, Deutschland auf der Kohlen einfuhrsperre, Belen auf dem Stidstoffimportverbot, Frankreich auf dem Verbot einer Eisenausfuhr, die Tschechoslowakei auf den Ausfuhrhemmungen für Rohhäute und Rumänien auf dem Erport verbot für Rohpetroleum. Das ist eine stattliche Liste, die eine ganze Anzahl wichtiger Welthandelswaren von einem wirklich ungehemmten Warenverkehr ausschließt. Man will sich nun dahin einigen, daß diese Ausfuhrverbote für eine Uebergangsfrist aufrechterhalten bleiben sollen, und zwar wird das in Uebergangsbestimmungen ausdrücklich zu regeln sein.
Das Abkommen, das das Ergebnis der Konferenzverhand lungen zusammenfaßt, lungen zusammenfaßt, soll den beteiligten Staaten bis zum 1. Februar nächsten Jahres freistellen, Vorbehalte zu den Verboten zu machen. Man hofft, daß insgesamt nicht mehr als 30 folcher Verbote bestehen bleiben. Die Staaten, die das Abtommen bis zum 1. Februar unterzeichnet haben, treten dann noch einmal zusammen, um sich über die Tragweite der Vorhehalte und die Dauer der dann noch bestehenden Berbote zu verständigen. Am Samstag oder Montag hofft man, das Abkommen mit den er wähnten Einschränkungen abschließen zu fönnen.
Der Zwed der türkischen Parlamentswahl iff erreicht: Das nur aus Boitsparteilern" beftehende Barlament hat Mustapha emal einstimmig zum Präsidenten wiedergewählt.
Eine Art militärischer Nebenregierung hot denn die Kriegerfaste schon unter Bismard errichtet. Sein wichtigen Hauptstädten Europas Vertrauensmänner fizen, die ihn auf dem Laufenden halten. Außer dem Generalkonsul Freiherrn v. Rechenberg in Warschau sind das nur Militärattachés, Major v. Deines in Wien , Major D. Engelbrecht in Rom , Major Freiherr v. Hoinin genuene in Paris , Hauptmann Graf Vord v. Warfenburg in Petersburg , Oberstleutnant von der Golg in Konstantinopel , Hauptmann Graf Schmettau in Brüssel , Hauptmann Müller in Butarest; der Ring wäre lückenlos, wenn nicht London statt eines Militärattachés einen Marineattaché hätte. Alle diese Militärs erkennen nicht das Auswärtige Amt oder den Diplomaten, dem sie zugeteilt sind, sondern nur den Generalstabschef als Vorgesetzten an, berichten ihm unter Umgehung der Zivilstellen und scheuen ab und zu auch vor einem fleinen Denunziatiönchen ihres Gefandten nicht zurück. Die Halbgötter haben denn allen Anlaß, die Stellung der Militärattachés ganz unabhängig zu machen; als einen fleinen Weltuntergang empfindet es Loë, daß ein Diplomat, also ein Zivilbeamter", einem Offizier - einem Offizier! wegen zu späten Eintreffens vom Urlaub einen dienstlichen Verweis erteilen dürfe. Aber Bismard ist auf der Hut, und fein Nachfolger Caprivi beschneidet durch einen Erlaß den Selbständigkeitsgelüften der Militärattachés so sehr die Flügel, daß der in Wien , Deines, fnirscht, man müsse fortan das Auswärtige Amt vom Staatssetretär abmärts als ertlärten Feind betrachten"!
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