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Württemberg gegen öen Einheitsstaat. Aber neue Forderunge« an hai   Reich. Stuttgark, 2. Novsmiber. Eine klare Absage an alle Bestrebungen nach dem Einheit?- staat leistete sich der w ü r t t e m b e r g i s ch e F i n a n z m i n i st e r, der an das Reich die Forderung stellt«, daß es den Ländern für die Beamtenbesoldungserhöhungen Unterstützungen zuwende. Würt- temberg sei nur dann in der Lage, die Besotdungserhöhung an« eigener Kraft zu tragen, wenn da» Reich seine von früher her be- stehenden Derpflichtungen infolg« der Uebernohm« der Reichs- steuern sowie der Bahn und der Post erfülle. Zur Frage der Reichseinheit erklärt« er: Wenn die Selbständigkeit des«ürttemb ergischen Staates aufgehoben würde und Württemberg nur noch ein« Reichsprooinz wäre, so würde die finanzielle Einsparung keine zwei Millionen, also nicht den zehnten Teil der künftigen Besoldungsmehrlast ausmachen. Die Länder müssen sich dagegen wehren, daß ihnen unaufhörlich durch Reichsmahnahmen bald größere, bald kleinere Löcher in den Haushaltsplan gerissen werden. Darum verlangen sie, daß die Zuständigkeit auf öffentlichem Betötigungsgebiet klar abgegrenzt und gleich- zeitig das Steuerwesen zweckmäßig und organffatorisch geregelt wird. Dabei braucht das Reich durchaus keinen Schoden zu leiden. Württemberg begibt sich damit in die Front dersenigen Länder, die den Einheitsstaat unter allen Umständen ablehnen, obgleich sie nicht aushören, an den Reichssäckel Forderungen zur Befriedigung ihrer föderalistischen Wünsch« zu stellen. Der württembergisch« Frnanznnnister wandte sich auch gegen das Steuervereinheit- lichungsgesetz, das nach seinem Antrage zurückgestellt welden soll, bis die Reichsregierung den Entwurf eines neuen Finanz- ausgleiche vorlegen kann. Es kennzeichnet den Geist der Kritik des württembergischen Ordnungsblocks an der Reichspolitik. wenn der württembergisch« Finanzminister in demselben Atem, in dem er über die bedrängte Finanzlag« klagte, ein großes Kompliment vor den Hausbesitzern machte und sordert«, daß bei der vorg«sehenen Neuregelung der Hauszinssteuer dies« ergiebige Steuerquelle noch rascher zum Bersiegen ge> bracht werden soll, als es die Rechtsregierung im Reiche ohne- die« will.
* Es lebe öle Rachestblacht! Offiziöse Revanchehetze in Bayern  . Regensburg  . 2. November.(Eigenbericht.) Di«(Brenzbevölkerung der Oberpfalz   und Niederbayerns   wird seit Iahren systematisch mit dem Gerede von der tschechischen Gefahr, die die bayerische Ostmark bedrohe, nationalistisch ver- hetzt. Daß diese nationalistisch« Propaganda auch heute noch, trotz der Verständigungspolitik Stresemann», fortgesetzt wird, ja, daß der Politik Stresemann  » sogar bewußt entgegengearbeitet wird, beweist ein« Rede, die der Abgeordnete der Bayerischen   Bolks- partei und Regierungsdirettor bei der Regierung der Oberpfalz  , Theodor Auer  , bei einer sogenannten Grenzland»- tagung in Amberg   gehalten hat. Er bracht« e» fertig, die Tschecho- slowakei Ä» feindlichen Staat zu bezeichnen und al« hoher Regierungsbeamter zu verkünden, daß sich Bayern   trotz aller Gegen- strömungen auch vom Reich« her nicht da» Recht auf seine nationalistische bayerische   Grenzpolitit nehmen laste. Neben dieser unzweideutigen Stellungnahm««ine« hohe« bayerischen Regierung»- beamten gegen die offizielle Außenpolitik de» Reiches zeigten die Ausführungen«ine« deutschnationalen Abgeordneten aus Eger auf dieser Tagung, wie weit die nationalistische Geistesver­seuchung schon gediehen ist. Unter dem Beifall der Versammlung, in der auch der Regierungspräsident der Oberpfalz   anwesend war, sprach dieser nationalistische Kraftmeier unter anderem von .Rachekol" und derRacheschlachl" und ließ die»blanke Eisenwehr" hocksteben. Den Reichsaußenminister dürste es noch besonders interestieren, daß dies« eigenartige Tagung von der Reichszenlral« für Heimatdien st mitveronstaltet worden ist.
Verfassung und Schulgesetz. GemeinschaftSschnle als Regelschnle festgelegt; die Sozialdemokratie kämpft für die weltliche Schule. Im weiteren Berlaus der gestrigen Debatte im Bildungsaus schuß gab Ministerialrat Lösfler im Auftrage der Reichsregierung eine Ueberficht über die rechtliche und tatfächliche Lage der Schul- verhällnisse in den einzelnen Ländern. Er unterscheidet zwei Haupl- gruppen: die erste hat«ine konfessionell stark gemischte, die zweite eine konfessionell geschlossene Bevölkerung. Di« Kennzeichen der einzelnen Schularten in den Ländern erfahren eine eingehende Darstellung. Hense(Dnat.): Wir üben mit Absicht Zurückhaltung in der Debatte. Uns liegt an der raschen Fertigstellung de» Gesetzes. Heinrich Schulz(Soz.): Die Formulierung des Weimarer Kompromisses war eine politische Notwendigkeit. Sie erfolgte unter politischem Druck zu einem politischen Zweck. An eine Vorzugsstellung der Simultan- schule aus materiell-pädagogischen Gesichtspunkten hat man dabei nicht gedacht, man hat sie den Demokraten aus politischen Gründen zugestanden. Doch das spielt im jetzigen Stadium auch nicht die Hauptrolle. Wir haben es heute mit der Verfassung zu tun. Und danach hat die Gemeinschaftsschule ihre Vorzugsstellung, wer sie beseiklgen will, muh die Verfassung ändern. Durchsetzen wird sich aber jede Schulart nach der Stärk«, die sie sich im Volke bei den Erziehungsberechtigten zu oerschaffen weiß. Ich werde getreu meiner Vergangenheit meine Kraft der weltlichen Schu l e, die ich nach wie vor für die weitaus beste Schule halte, zur Verfügung stellen. Die Frage der Ueberleitung in den neuen Rechtszustand war ebenfalls Gegenstand der Beratungen. Der Entwurf von 1921 hat alle notwendigen Bestimmungen enthalten. Auf eine noch- malige Anfrage de» Abg. Rheinländer, worin eigentlich die Vor- zugsskellung der Gemeinschaftsschule bestehe, verwies Genosse Schulz mit aller Schärfe auf den Absatz 1 des Artikels liki. Dort wird die Gemeinschaslsschule al» die allgemeine Schule des deutschen  Volkes bezeichnet. Mit Nachdruck wendet sich Genosse Schulz noch gegen die sogenannten Weltanschauungsschulen. Die Auslegung, die man diesem Worte gebe, habe in Weimar   niemand gewollt. Es dürfe deshalb die im Entwurf vorgesehene Anwendung abgelehnt werden. Sie zersplittere das deutsche Schulwesen. Nach der Ver- fassung gebe e» nur Gemeinschaftsschulen. Bekenntnisschulen und weltliche Schulen. Abg. h-lnze(D. Bp.) behandelt die sächsischen Verhält- ntss«! die Rubrizierung der sächsischen Schulen noch der recht- lichen Seite sei ganz einfach. Abg. Löwenftein(Soz.) wendet sich gegen die in der vorigen Sitzung gehalten« Rede de» Reichsinnenministers. Er ersucht um Aufklärung, wo» die «eichsregirnlng mit der Erteilung de, PrlorilSlsrechle« an die Länder beabsichtige. Die Erklärung der jetzt bestehenden Son- fessionsschulen zu Bekenntnisschulen schalte da» Antrogsrech« zu 61 JJroz. der E r;iek>uiigsb>.'rrchtigken an». Wenn man� auch IN Weimar   nicht daran gedacht hat, die ganzen Schulen umändern zu wollen, so hat man aber doch die Rechtslage geändert. Die Schulen. bisher Länderschulen, wurden Reichsschulen. Der tatsächliche Zustand sei, daß verfassungsmäßig alle Schulen zu Gemeinschoiis- schulen erklärt wurden. Das müsse im Reichsschulgcsetz Aner- kennung finden. Abg. Rheinländer(Z.): Ueber die Beurteilung der Welt- anschauungsschulen geh« ich mit Schulz einig. Da» Zentrum will keine Versassungsänderung. es lehnt aber die strenge Regelschul- theorie ab. Ueber die Vorzugsstellung der Gemeinschaftsschule fehlt aber nach der neuesten Erklärung de» Abg. Schulz immer noch die notwendige Klarheit.
Der verband der preußischen Landgemeinden hält in Berlin  in der Zeit vom 9. bis 12. November sein« diesjährige Tagung ab. Auf der Haupttagung, dem 4. preußischen Landgemeindetog. am 1f. November werden u. a. der Reichsminister de» Innern Dr. v. Keudell und der Preußische Minister de» Innern G r z c- s i n s k i Ansprachen halten. Reichsfinanzminister Dr. Köhler wird über da» Steuervereinheitlichungsgesetz und die Besoldung»- reform referieren.
Diese Verquickung von Staats- und Hauspolitik liegt in der hanseatischen Tradition. An Stelle von Fürsten   die es übrigens auch verstanden! herrschten in den Hanse- städten Patriziergeschlechter der einigen DreifaltigkeitHan- del, Schiffahrt und Piraterie". Aber dabei hatten die Herren Manieren, waren sozusagen republikanisch(wie die Republik   Julius Casars!) und sogar liberal(wie die katholische Kirche   zur Zeit der Jesuiten  !) Das erklärt, warum die hanseatische Bürgerblockreaktion nicht so plump und brutal auftritt wie etwa die bayerische, württembergische oder braun- schweigische; sondern immer mit Glacehandschuhen, und wenn diese abgenutzt sind, mit einemStäbchen" Wein im Rats­keller, wo von alters her mehr und mitunter besier regiert wurde als in der Oberwelt darüber.... Erst als die Industrie und hinter ihr die Arbeiter- s ch a f t mit Parolen des Klassenkampfes in diese Patrizier- welt einbrach, wurde es lebhafter in der Handelsstadt der achtklassigen Privilegien. Die Pfeffersäcke wehrten sich bis zum äußersten nicht nur gegen die Marxisten, sondern auch gegen die Fabrikschorn st eine. Bremen   war bekanntlich der letzte Staat, der sich der Bismarckschen Zoll» union anschloß. Einer der Gründe war, daß es keine Jndu- ftriellen und keine Industriearbeiter(lies Sozialdemokraten) innerhalb seiner Mauern haben wollte. Die hatten doch keinenHanseatengeist"! Infolgedessen siedelten sich die Fabriken vor den Toren Bremens   an, im Preußischen und im Oldenburgischen, und mit ihnen die Arbeiter. Heute noch wohnt ein nennenswerter Teil der in Bremen  beschäftigten Arbeiterschaft außerhalb des bremischen Staats- fiebiets, darf also zur Freude der alten und neuen Pfeffer- äcke, die sich unter dem fühlbaren Druck der Arbeiterklasse in der Rachreoolutionszeit von tausendjährigen Republi- kanern in schwarzweißrote Monarchisten verwandelt haben, nicht mithelfen, den Bürgerblocksenat zu stürzen. Ein zweiter Faktor, der in Hamburg   fehlt, in Bremen  aber sich gegen die Arbeiterparteien auswirkt, ist das eigentliche W o h n s y st e m. Bremen   zählt Tausende von Arbeitern als kleine Hausbesitzer, entweder allein, oder was schlimmer ist mit einem Mieter. Diese Arbeiter sind zum Teil bei Wahlen zunächst Hausbesitzer, dann Klassen- kämpfer. Acht vom Bürgerblock in Anspruch genommen« Hausbesitzer sitzen deswegen in der Bürgerschaft. Bei einer Doppelwahl(Reichstag und Bürgerschaft) war feststell- bar, daß dreitausend bis viertausend Arbeiter mehr zum Reichstag die sozialdemokratische Liste gewählt hatten, als zur Bürgerschaft, wo sie zur Hausbesitzerliste ab- wanderten. Selbst die Kommunisten, die auch Hausbesitzer in ihren Reihen haben, mußten eine ähnliche Erfahrung machen. Trotzdem zieht die Sozialdemokratie mit begründeten Hoffnungen in den Wahlkampf. Ihre Organisation verstärkt sich täglich. Kommunistische Arbeiter, die die Verwirrung in den eigenen Reihen geheilt hat, kehren zur Sozialdemokratie zurück. Das Sündenkonto des Bürgerblocks ist groß in allen Ressorts, nicht nur in der Polizei, der Sozial- und Wohnungs- baupolitik, sondern auch im Finanzwesen und im Hafen- und Berkehrsressort. H a f e n p l ä n e, die mitHanseatengeist" lanciert worden waren, sind kläglich gescheitert. Die große Colombusmauer in Bremerhaven  , ein Objekt von neun bis zehn Millionen Goldmark, zeigte gleich nach der Fertigstellung Risse und Senkungen, die ihre Inbetriebnahme verhinderten und einen Neuaufwand für Reparaturkosten von drei Millionen erfordern, auf jeden Wählerkopf kämen etlya 60 Mark Ausgaben allein für diese Mauer! Ihr soll eine Ausgabe von dreißig Millionen Mark für eine neue Schleuse in Bremerhaven   folgen. Es zeigt sich hier, wie die K l e i n st a a t e n unter der Finanzlast ihrer lebensnotwendigen Aufgaben zusammen- brechen müssen und eine Rettung nur noch erblicken können in einem Einheitsstaat, besten Verwirklichung die dringendste Aufgabe der deutschen   Innenpolitik wird.
Konzert-Umsthau. Von Hans Teßmer. Wir wollen den Berliner   Mustkbetrieb nicht überschätzen, aber wir dürfen sein« wirtlichen Vorzüge auch nicht unterschätzen. Und es ist zum Beispiel ein Borzug für den Musiffreund, wenn er im Lause von vierzehn Tagen vier Orchesterwerke von Maurice Ravel   in guten Aufführungen kennenlernen kann. Keine andere deutsche Musikstadt vermag das zu bieten außer Berlin  . Wilhelm Furtwängler   beteiligte sich im zweiten Philharmonischen Kon- zert an diesen Raoel-Aufführungen mit einem Wert de» franzö- fischen Tondichterg, das nicht den Eharakter reiner Konzertmusit trägt: mit der zweiten, aus dem BallettDaphnis undChloe" gewonnenen Suite. Die drei Sätze Tageserwachen, Pantomime, Schlußtanz enthalten weniger starke und bedeutende als reizvolle illustrativ« Musik, die auch in dieser tonzertmäßigen Form doch stets die pantomimische Darstellung, da» Spiel von Lichtern und Farben, kurzum die Bühne zu ihrer vollen Wirkung braucht. Furtwängler  ließ das delikat behandelte Orchester in prachtvollem Reichtum der Nuancen aufblühen und steigert« den Schlußsatz unerhört fort- reißend in leidenschaftlichsten Taumel hinein. Im-A-Dur-Violin» konzert von Mozart   aber war er der ideale Begleiter, der seines- gleichen nicht hat: der den Solisten behutsam auf den Armen des Orchesters trägt und sich gleichzeitig mit ihm zu unlösbarer Einheit der Interpretation verbündet. Der Solist war Adolf Busch  , der das Werk mit größter Einfachheit und nobler Deutlichkeit spielte, so rein mozartisch, wie es nur dem großen Beherrscher der Stil« ge- geben ist. Aus diesen Gefilden zum zweitenGroßen Bohnke-Kon- zert" des Berliner   Sinfonie-Orchesters ist ein weiter Sprung.(Warum übrigens diese Abend«groß" genannt werden, ist nicht ersichtlich.) Jedoch, Bohnke setzte sich mit seinem sympa- thischen Eiser für die erste Sinfonie des jungen Paul H ä f f e r ein (Uraufführung). Das ist ein gewisser radikaler Neutöner, aber ein sehr begabter, der durch urwüchsige Kraft und echt jugendliches Draufgängertum sofort für sich eimümmt. Der erste Satz, un- gefähr im Rahmen des klassischen Sinfoniesatzes, entwickelt sich aus einem energischen, rhythmisch ergiebigen Thema: der Seitensatz dar- in feiert in sugierler Form wahre Mißklangsorgien(dienur äußerlich" bleiben). Der zweit« Satz, ein Largo mit schönen, ein wenig aphoristischen Melodien, offenbart Zartes. Inniges, wird aber vielleicht Infolge nicht genügender Vorbereitung der Aufführung? in seinen Zusammenhängen nicht deutlich klar: ebenso wie der letzte Satz, der nicht weniger Einfälle ausweist als der erst«, doch entschieden hinter dessen Plastik und beherrschter Form zurückbleibt. Im ganzen also ein noch nicht eindeutiges Ergebnis, doch der Er- weis eines ungewöhnlichen Talents, dessen Entwicklung wir Zu- versicht entgegenbringen. Bon der Solistin de« Abends, Eva
Liebenberg, hörte ich einGebet" von Glück:«in schöner tiefer Mezzo-Sopran, in diesem Falle offenbar von Müdigkeit über- schattet. Sehr erfreulich war vom Berliner   Bolks-Ehor unter Leitung von Dr. Ernst Zander BachsIohannes-Passion" zu hören. Hier ist Frische, Temperament, Disziplin und Dr. Zander. wie man seit langem weiß, ganz der Mann, der solche Eigenschaften in seinem Ehor zu erziehen weiß. Also kamen mit größter Selbst- Verständlichkeit die Choräle sehr schön in Klang und Linie heraus, gediehen die Ehorrezitatioe zu dramatischen Höhepunkten, die stark und packend waren. Eine gute, sehr hörenswert« Aufführung, der das Berliner   Sinsonie-Orchester und bekannte Oratorienspezialisten: Minna E b e l- W i l d e s zart in der Höhe schwebender Sopran, Paula Lindbergs tonlich schöner Alt. Alfred Wilde(Tenor), der unvergleichliche Baß von Hermann Schey   und Felix Le- derer-Prina bewährteste Helser waren. Dank sind wir auch der Sing-Akademie schuldig dafür, daß sie das selten zu hörende Ehristus-Oratorium von Lifzt in der Philharmonie zu neuerlicher Aufführung brachte. Auch in diesem großen tiefernsten Werk ist wie in Liszts gesamtem Schaffen- manches Vergäng- liche, manches schon Vergangene: aber e» bleibt doch noch genug des Bedeutenden, das eine Auffuhrung immer wieder.notwendig macht. Zwei sehr kontrastierend« Seelen lebten in Liszts Brust: die des gläubigen, gütigen Menschenfreundes und die des feierlichen, effektvollen Weltmannes. Beide leben auch im Ehristus-Oratorium. Georg Schumann   wußte in der ausgeglichenen Aufführung die inneren Werte des Oratoriums besonder» zur Entfaltung zu bringen. Die Soli sangen hier die Damen Land, Reiendorff, sowie die Herren Madsen und Fischer. Daß die Philharmoniker größten Lobes wert waren, versteht sich. Endlich: der Präger Männerchor Smetana   enttäuschte denjenigen, der Männer- chorgesang als meistens unfruchtbav« Kunst nur widerwillig gelten läßt, aufs angenehmste. Köstlich frische Tenör«, überhaupt sehr gutes Stimmoterial, und ein echter Künstler, Prof. S p il k a, an der Spitz«, das ist nicht wenig! Die Prager   Herren, die mit Recht stürmischen Beifall ernteten, sangen einig« deutsche Chöre in beut- scher Sprache und boten in einer Ballade von Novak, einem Herr- lachen Wiegenlied von Suk, einem tonmalerisch feinenWinter- motiv" von Ostrcil und manchem anderen höchst willkommene Proben aus dem reichen Musikschatz ihrer Heimat. Bon vielen Solisten der letzten zehn Tag« seien doch einige Wenige noch genannt. Voran Frieda K w a st- H o d a p p, die an ihrem Abend mit Orchester Klavierkonzerte von Beethoven  , Mozart  , Liszt   meisterte. Wirklich: meisterte. Es läßt sich ja gar nichts Neues über sie sagen: ihre Leistung ist stets«in wenig kühl, aber stets in sich vollkommen. Von dem Pianisten Mischa Levitzki  , der in Amerika   eineerste Nummer" ist, hatte ich mir mehr ver-. sprachen. Enormer Techniker, der er ist, bewältigt er die äußersten Schwierigkeiten zum Beispiel von SchumannsSinfonischen Etüden"
verblüffend. Aber das Adagio der A-Dur-Sonote op. 101 von Beethoven   geht seelenlos, fast ein wenig trocken vorüber. Elsa Jülich   endlich(von der Städtischen Oper) zeigt in Liedern von Wolf und Strauß ihren gut behandelten, in der Höhe leider unaus- geglichenen und leicht scharfen Sopran, ohne daß einem von ge- staltendem Ausdruck warm würde. Für di« parodistische Ballade vom Daniel in der Löwengrube, demDaniel-Iazz" von Louis Gruenberg  , fährt sie ihr« vollen Bühnenregister auf. DenDaniel- Jazz" nehm« man durchaus nicht ernster, als er genieint ist, um so mehr Herrn Michael Taube, der am Flügel sich als Meister seines Faches zeigte.__ Deutsche   Slawistik. Die deutsche Mstenschnft. die von Ansang an der Erforschung der ilawischen Philologie und Kulturgeschichte hervorragenden Anteil gehabt und setzt mit der Herausgabe des Slawistffchcn Grundrisses durch Troutmann(Leipzig  ) und Vasmer  (Berlin  ) bei W. de Gruyter in der Enzyklopädie die Führung übernommen hat. steckt sich noch größere Ziele. Geineinsam mit seinem Grazer Fachgenossen H. F. Schmid stellt Troutmann unter dem TitelWesen und Aufgaben der deutsche  » Slawistik"(bei H. Haessel, Leipzig  ) ein Programm seiner Wissenschaft aus. Bon der Totsache ausgehend, daß dem deutschen   Volk« deren Bedeutung noch nicht.zum Bewußtsein gekommen sei, während doch dein deutschen   Slawisten di« kulturpolitische Rolle des Mittlers zwischen Deutschtum und Slawentum zufalle, wird die heurige Organisation der Studieneinrichtungen und des wissenschaftlichen Publitations- wesens kritisch geprüft, der große Kreis der Aufgaben aus dem Gebiet« der Philologie, Volkskunde und Geschichte erörtert und positive Vorschläge gemacht. Nachdrücklich wird darauf hingewiesen, daß bei dem gesteigerten internationalen Gewicht des Slawentums die Pflege der Slawistik bei uns auch für die allgemeine Weltgeltung der deutschen   Wissenschaft von großer Bedeutung sein müsse. Kinder der Straße in der Sowsetukraine. Mit einer schwer zu bekämpfenden Plage, die in allen Großstädten des Sowjet- gebiete» in Erscheinung tritt, hatte sich der Stadtsowjet von Kiew  zu besassen, als er den Bericht d«s Iugendgerichtshofes entgegen- nahm. In den ersten neun Monaten de» lausenden Jahres wurden vor diesem Gericht 888 Straffachen verhandelt, an denen 1225 Jugendliche beteiligt waren. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt« es sich um Diebstahl, Raub und sonstige Verbrechen gegen das Eigentum Unter den von Jugendlichen begangenen Schweroerbrechen wiren drei Fälle von Notzucht zu verzeichnen. Der Bericht stellt die wachsend« Dreistigkeit der obdachlosen Straßenkinder" fest die sich immer häufiger zu organffierjen Banden zusammenschließen und unter Leitung von gewählten An- führern Raubübersälle ausführen, der Polizei Mderftand leisten und dergleichen. Die Maßnohmen, die vom Gericht gegenüber den* minderjährigen Verbrechern angewendet werden, bestehen lzaupt- sächlich in deren Internierung in Kinderheimen oder Besserunge- anstalten. Di« dort versuchte Zwangserziehung scheint jedoch mehr oder weniger wirkungslos zu bleiben, denn wie im Bericht mit- geteilt wird, setzen sich die Schoren der Obdachlosen bis zu etwa 75 Proz, gerade aus geflüchteten Zöglingen der Kinderheime zu- sammen.