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ZK. 522 44. Jahrgang

t Heilage öes vorwärts

Ireitag, 4. November 1427

Die Zeugen im hepöebranö-AroZeß. Hinter Dir und mir steht einer am Wege und lauert."

Breslau , 3. November. Im Laufe der Vernehmung des Oberpfarrers Schäfer, der viel Velaftendss gegen den Angeklagten v. Heydebrand aussagt. fragt der Vorsitzende: Sie haben nach dem Tode der Frau v. cheydebrand dein Untersuchungsrichter geschrieben, daß hier Mord vorliege. Wie begründen Sie als Geistlicher und Dr. j u r. diesen schweren Vorwurf? Zeuge: Bei der Untersuchung ging der Unlersuchungsrichlcr immer um den bestimm. len Punkt herum. Staatsanwalt(aufspringend): Das Ist ein unerhörter Vorwurf. Welche Vernehmung meint der Herr Zeuge? Zeuge: Mein« eigene Vernehmung durch den Unter­suchungsrichter in Guhrau . Ich wäre nicht so vorgegangen wie der Herr Untersuchungsrichter.(Erregt): Sie hat nicht Selbstmord ver­übt, denn dazu war sie viel zu religiös. Vors.(mahnend): Herr Oberpfarrer, kann hier nicht ein Mensch eine Tat verübt haben, die er im nächsten Moment gern ungeschehen machen möchte? Zeuge: Diesen psychologischen Schluß, der für die Verteidigung leicht ist, mutz ich ablehnen. Vors.: Ja, trauen Sie dem Ange- klagten denn einen Mord zu? Zeuge(leise): Ich kann nicht anders: Ja, ich traue ihm das zu. Große Bewegung im ganzen Saal.) Um üas Testament. Der Zeuge schildert dann weiter, wie er Frau v. Heydebrand in allen möglichen geschäftlichen Dingen beraten habe, besonders bei der A b f a s f u n g i h r c s T e ft a n» e n t s, bei dem sie ihren Nesse» als Erben einsetzte.Ich will nicht," erklärte sie damals,daß mir später nachgesagt wird, ich hätte meine arme Familie in diese Assiette gesetzt." Später kam dann Herr v. L e lt o w, der Bruder der Verstorbenen, unter eigenartigen Umständen zu mir, um das Testn- rnont kennenzulernen. Eines Abends Im Herbst streckte s i ch piötzlicheine pelz bewehrte Faust in meine Stube. und eine Stimme rief:Drei Prozesse hänge ich Ihnen an, und ich schlage jeden nieder, der sagt, mein« Schwester hätte Selbstmord vcr- übt." Staatsanwalt: Herr Oberpfarrer, Sie sind nicht nur Geistlncher und Or iur., Sie sind auch sonst sehr beschlagen in allen Dingen. Was ist Ihnen an dem körperlichen Zustand der Frau v. Heydebrand ausgefallen? Zeuge(zum Vorsitzenden, auf den Staatsanwalt weisend): Wer ist dieser Herr? Vors.: Der Herr Vertreter der Anklage. Zeuge: Ich beantworte die Frage nicht, da die Einleitung für einen alten Geistlichen doch ein wenig zu iionisch ist. Im übrigen verbietet mir mein Slmt, mich über den Körper.ztistand fremder Damen zu kümmern. Staatsanwalt: Herr Zcikjc, Sie behaupten, daß Frau v. Heydebrand das Leben an der Seite ihres Mannes als' Entwürdigung bezeichnet hat. Wie können Sie dos beweisen? Zeuge: Das sind die eigenen Worte der Verstorbenen. Sie sagte:Er ist außerordentlich roh, er belügt mich" und er hat mir auf meine Bitte, mir seine finanziellen Verhältnisse zu erklären, geantwortet:Auf meine Frau paßt nur Shakespeares.Lähmung der Widerspenstigen". Ich muh doch bitten, Herr Pfarrer, meine Frau nicht in ihrer Opsertheori« zu bestärken." Staatsanwalt: Ucberstieg die Rente von 12 WO Mark die finanzielle Tragfähigkeit des Gutes? Zeuge: Ohne jeden Zweijel, zumal Herr v. Heydebrand die Rente nur für sich persönlich zu verbrauchen gedachte. Nach einer kurzen Pause wurde dann in der Verhandlung fort- gefahren. Vors.: Warum hat Frau v. Heydebrand Sie als Testa- mentsvollstrecker ernannt, obwohl Sie 25 Jahre älter find als die Dome? Zeuge: Das war der Ausfluß ihres unbegrenzten Bor- trauens. Vors.: In dem Testament heißt es eingangs:Im Falle meines plötzlichen Tydes... usw." Wie kam die Einleitung zustande? Zeuge: Ein Christ muß stets mit dem Tod« rechnen. Vors.: Früher haben Sie eine andere Definition gegeben. Zeuge: Ja, sie hatte wohl Furcht infolge eines Autounsalles. Der Ausdruckmeines plötzlichen Todes" kann aber auch von mir stammen. Justizrat Feige: Sie wollen nach der Ermäßigung

der Rente von dem Angeklagten eine bestimmte Acußernng gehört haben? Zeuge: Jawohl, als sich Herr v. Heydebrand von 3 August 1925 einverstanden erklärt hatte, die Rente gekürzt zu erhallen, sagte er zu mir:Wenn die Erna sich einbildet, heute eilte» Sieg errungen zu haben, so wird dafür gesorgt werden, daß es ein Pyrrhussieg wird." Iustizrat Feige: Haben Sie Frau v. Heydebrand diese Worte mitgeteilt? Zeuge: Jawohl. Zeuge Reg.-Rat v. R i k o w s k i erklärte nochmals, daß er dem An- gcllagten einen Mord nicht zutraue und daß er ihn auch nicht für einen unwahrhaftigen Menschen halte. Zeuge Schäfer: Wie ist es dann zu erklären, daß der Angeklagte der Verstorbenen einen Brief schreibt, der die mystische Einleitung trägt:Hinter Dir und mir steht einer am Wege und lauert." Er meint den Tod. Der Vorsitzende stellte dann fest, daß das Testament fast völlig mit dem Entwurs des Pfarrers übereinstimmt, das anfängt:Infolge der zahllosen Demütigungen und Kränkungen, die ich von meinem Mann empfangen..." Justizrot Müller- Glogau: Am 23. Juli kam Oberpfarrer Schäfer zu mir mit dem Auftrag der Frau v. Heydebrand, die Scheidung ewzuleilen. Herr v. Heydebrand wollte nämlich seinen Anteil an den HvushaUs- kosten für dos Herrenhaus in Gleinig nicht tragen, weil er behaup- tele, das Haus in Kriegnitz sei seine gesetzliche Wohnung. Am 11. Oktober 1926 war Frau v. Heydebrand mit Oberpfarrer Schäfer wieder bei mir. Sie verlangte ganz bestimmt die Scheidung, da sie auf das schärfste gegen Herrn o. Heydebrand eingestellt war. Ich habe die von ihr vorgetragenen Gründe dem Ehemann schriftlich mitgeteilt und geschrieben, daß Frau v. Heyde- brand wohl durchkomnren werde. R.-A. E x n e r- Glogau, der juristische Berater des Angeklagten, war der Auffassung, daß Ober- psarrer Schäfer sich bei den Verhandlungen nur für die Verstorbene eingesetzt habe. Er habe den Eindruck gehabt, es wäre für Frau v. heydebrand besser gewesen, wenn sie von dem Geistlichen nicht beraten gewesen wäre. In der R a ch m i t t a g s s i tz u n g wurde zunächst der Zeuge Pflanze, der 15 Jahre im Dienste der Verstorbenen stand, oer- nommen. Vors.: Frau o. Heydebrand soll eine gute Jägerin ge- wesen sein? Zeuge: Schußtag ist nicht immer Jagdtag, sie schoß auch manchmal vorbei. (Heiterkeit.) Der Zeuge schildert die Verstorbene als eine sehr gzitige Frau, die nicht launisch gewesen sei. Vors.: Wußte Frau v. Heydebrand mit Waffen umzugehen? Zeuge: Im allge­meinen ja. Assessor Bcreng v. H a u g w i tz, ein entfernter Vetter des Angeklagten, schildert Frau v. Heydebrand als eine komplizierte Natur. Die Ehe sei k e i n e g l ü ck l i ch e gewesen. Der Zeuge hat mit dem Ehepaar im Januar 1926 eine Reise nach dem Riesengebirge unternommen, wo ihm jedoch nichts ausgefallen sei. Der Angeklagte sei sein bester Freund. Am meisten habe ihm zu dem Angeschuldigten die Freude an der Natur und der Musik hingezogen. Herr v. Heyde-

o. HauJtwitz, die Gattin des letzten Zeugen, betonte, daß Frau v. Heydebrand sich ständig über Vernachlässigung durch ihren Mann beklagt habe. Die Verstorbene habe auch ihr nach der Segelfahrt gesagt, daß v. Heydebrand ihr nach dem Leben trachte. Frau v. Heydebrand sei sehr leidenschaftlich gewesen, während ihr Mann nur kühle Reserve zeigte A n g e k l.: Der Bruder der Zeugin. Hoffmann v. Zschoppe, hat mich später denunziert. Woher wußte er olle Einzelheiten? Zeugin: Ich habe meinem Bruder damals in meiner Erregung erzählt, daß ich nicht an Selbstmord, sondern an die Tat eines Dritten glaube. Landrat a. D. v. R a v e n st e i n steM« Frau v. Heyde- brand ein sehr günstiges Zeugnis aus, mit der er sehr gut aus- gekommen sei. Äm Ansang habe er geglaubt, die Ehe sei glücklich, da Herr v. Heydebrand einen günstigen Eindruck gemacht habe. Fräulein H o f s m a n n, eine Bekannte der Gutsbesitzerin, bekundete,

daß Frau v. Heydebrand auf Veranlassung ihres Bruders sich 1921 in die Behandlung eines Nervenarztes begeben hob« Die Zeugin hat Frau v. Heydebrand als Pflegerin nach Friedrich roda begleitet, wo sie sich-einer Salversankur unterziehen muß:« Frau v. Heydebrand habe dort nieinanden gegrüßt und in ihre krankhafter. Erregung die Gäste im Sanatorium nur als Plebs uni Pöbel bezeichnet. lirau v. P l es f e n schildert die Ehe als s e hi u n glücklich, da der Angeklagte sich gar nicht um seine Fron b« kümmert habe, die auch in Gegenwart Fremder maßlos heftig Haft werden können. §reunö unü erste Gattin sagen aus! Landgerichtsrat v. Wränget war früher m i« dem Angeklagten befreundet und hat mit ihm studieri Ais Herr v. Heydebrand eine junge Französin, die Gouvernante« seinem Elternhaus war, heiraten wollte, habe er ihm energisch abg« raten, da die Partie für ihn nicht passe, und gedroht, daß er autari tativ intervenieren werde. Man ltab-c über dieses Thema auch«ie mal bei der Jagd gesprochen, und v. Heydebrand habe dabei mit de Flinte außerordentlich ungeschickt hantiert. Bei der Abreise a, nächsten Tage habe Heydebrand gesagt:Du ha st gar nichtga wüßt, in welcher Gefahr du gestern gewesen bist. Der Vorfall habe sich Ansang 1906 abgespielt. Vor s.: Her v. Heydebrand, äußern Sie sich dazu: Haben Sie damals ernstli« etwas beabsichtigt, oder war es eine Spielerei? A n g e k t Rein, es war im Augenblick ehrliche Absicht. J< war damals zu enttäuscht, daß der Freund meine Liebe verrat« wollte. Bücherrevisor Scholz berichtet. Fr«» v. Hey!» brand habe schon 14 Tage nach der zweiten Heirat darüber geklaA daß ihr Mann es nicht gut mit ihr meine. Frau v. Heydebrand s> eine schöpferische Natur gewesen, deren Gutswirtschaft er als geradez mustergültig bezeichnen müsse. Die Verstorbene habe sich damal darüber beklagt, daß ihr Mann tagsüber in seinem Zimmer bli« und seiner Frau aus dem Weg ging. Dagegen habe er in ihr, Gegenwart mit jungen Mädch-n geflirtet. Major a. D. Otts v. Zobel titz, der Vater des jetzigen Erben des Gutes, der ift dem Angeklagten Zivilprozesie um die von Herrn v. Heydebrand no, heute beanspruchte Rente führt, bekundete, daß der Angekloote i einem Brief oo» ihm verlangt habe, die Familien v. Leckoiv»n Zobeltitz sollten das Testament für ungültig erklären. Die Famili Lcckow sollte 100 000 Mark bekommen, der Angeklagte das Reck erhalten, die Güter zu verkausen, und von dem Erlös sollte der Zeu> 400 000 bis 500 000 Mark erhalten, andernfalls würde die Erbschaft« stcuer den Zeugen erdrosseln. Dann oernahm dos Gericht den Hauptmann a. D. Monfri o. Zschoppe, der das Bersahren gegen den Angeklagten in Gan gebracht hat. Cr erklärte: Ich kannte den Angeklagten nicht ses lange und war nicht zu häusig mit ihm zusainnren. Ich kannte alg die Vorgeschichte der Ehe und war der Ansicht, daß hier ein Gewal akt vorliege. Als man mir den Schußkanal näher beschrieb, war tt fest überzeugl, daß hier kein Selbslschuß vorliegt. Bors.: Haben SieTatsachendafiir? Zeuge: Nein, aber aufsältz war, daß am Morgen nach dem Ereignis der Angeklagte behauptev es sei kein Testament da, während er vier Tage später aus Schreibe« hau an Herrn v. Haukwitz oder Herrn v. Rikowski schrieb, er wisß daß ihn seine Frau im Testament enterbt habe. Das Gericht ft schloß, diesen Brief herbeizuschaffen und zu prüfen. Rittergut, bcsitzer Georg v. Heydebrand, ein Bruder des Angeklagt«« kam zu dem Schluß, daß Oberpfarrer Schäfer«ine« großen Teil dar Schuld trage. Frau S i e g r n v. Heydebrand, die Frau des Zeugen Georg v. Heydebrani war der Ansicht, daß derAngeklagte einen schwierigei verwüsteten Charakter besitze. Sie habe die Hofsnim gehobt, daß er durch die zweite Ehe in goregelte Bahnen gelang« würde. Am Schluß der gestrigen Beweisaufnahme wurde noch die erst Gattin des Angeklagten, Frau Adele o. Heydebrand, vei nomrnon, die 1909 den Angeschuldigten geheiratet hat. Wie hi Zeugin schildert, hat sie in den ersten zehn Jahren des Zusamm«, lebens eine glückliche Ehe geführt. Während des Krieges ging« jedoch die Ansichten der Gatten in vielen Dingen, so in politische religiöser und sozialer Hinsicht, auseinander. Man habe deshalb b, schlössen, sich in Freundschaft zu trennen, obwohl das Benehm« Heydebrands ihr gegenüber immer rücksichtsvoll gewesen sei. D« Angeklagte habe aber erotisch« Neigungen bekundet, die die Eh zerstören mußten. Um der Kinder willen seien beide Gatten jedo<

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Er ging wieder zum Fenster, streckte sich ganz heraus und schrie angestrengt und laut:He, Brüder!... wartet, ich komme schon.... Habe dem Genossen Techniker e,n Rätsel aufgegeben... in drei Teufels Namen.., wirklich!... voller Gift...." Und seine Stimme dröhnte weithin, zitterte machtig durch seinen Körper. Und die Schreie der Arbeiter und ihr Ge- wieher kamen immer näher. Das Wasser zischte auf den erhitzten Terrassen, verwandelte sich in Blasen und Dampf. Er trat wieder an den Tisch und sah wieder Ingenieur Kleist durchdringend, mit spöttischem Lächeln an: wartete auf eine Antwort. Sie kam nicht, und er ging, ohne sich umzuschauen, mit militärischem Schritte aus dem Zimmer. Ingenieur Kleist saß lange, erschöpft von der Begegnung mit diesem Menschen. Ins offene Fenster schauten die Krater- höhlen der Berge. Die Tür in den finsteren Gang stand weit offen. Wieder kam Jakob, mit ehrerbietiger Würde, und blieb in der Mitte des Zimmers stehen. Er war verlegen, und sein Gesicht war wie Papier vor Schreck zerdrückt. Ingenieur Kleist sah ihn mit fiebrigen Augen an und sagte leise und streng:Bist du das, Jakob? Kannst du mir vielleicht sagen, wie das passiert ist?" Das ist nicht meine Schuld, German Germanowitsch ... für sie gibt es kein Verbot und kein Schloß... nirgend und niemals.... Bei ihnen ist die Macht, German Germa- nowitsch und die Kraft...." Die Anwesenheit Jakobs war angenehm. In seiner kalten Ergebenheit war etwas Beruhigendes. Ist das die kommunistische Zelle. Jakob?" Tschumalow... ein Schlosser, kam vom Kriege herge- jagt und ist jetzt der Häuptling. Alles dreht er jetzt... alles hat er in seine Zügel genommen... Kann man ihnen denn jetzt widerstehen? Sie überrennen einen, German Germa- nowitsch... Und du hast ihnen eben nicht widerstanden, Jakob?" Nein, German Germanowitsch... Es ist traurig, daß sie Ihre Ordnung gestört haben..." Ingenieur Kleist erwiderte nichts, tat als ob er die letzten Worte Jakobs nicht gehört hätte. Er rauchte ruhig, mit ge- machter Nachlässigkeit eine Zigarette an. Aber du erinnerst dich doch, Jakob, es waren damals vier?.,. Es war grausam und gruselig... Du erinnerst

Ich

er-

dich, sie wurden doch damals in der Nacht erschossen... weiß genau, daß sie zugrunde gegangen sind... Man hat sie damals. German Germanowitsch. schlagen, man hat sie zu Tode gepeinigt.. Ja, Jakob, das war ein gräßlicher Fall, den man nie vergessen kann. Aber man muß hier eines richtigstellen, Jakob: ich habe damals ganz selbständig gehandelt, ohne jed- wede Hilfe. Furcht? Angst? Rache? Das war es nicht. Es gibt nur eine Kraft, das ist die Zeit, und die Zeit das sind die Ereignisse... Ebenso bewußt habe ich auch alles getan, um die Frau dieses Arbeiters zu retten." Sein Kopf zitterte, er konnte sich nicht zurückhalten. Die Zigarette hüpfte zwischen seinem Mittel- und Zeigefinger und konnte keinen Platz finden. Bleibe bei mir, Jakob... ich fühle mich etwas un- wohl.. Sie sollten nach Hause, German Germanowitsch. Sie brauchen Ruhe." Wohin npch Hause, Jakob? Ins Ausland? Und glaubst du nicht. Alter, daß wir vielleicht mit dir unsere letzten Stunden hier verleben?" Aber nein, German Germanowitsch.,. Unsere Ar- beiter sind zwar Halsabschneider, aber sie sind friedfertig und sind nicht fähig, einen zu erschlagen... Seien Sie ruhig, German Germanowitsch... Und auch Jakobs Kopf zitterte. Und kaum hatte Jakob das gesagt, als sich Ingenieur Kleist an den Stuhl lehnte, und wieder bedeckte sich sein Ge- ficht mit blassem Staub. Erinnerst du dich, Jakob, diese Menschen habe ich dem Tode ausgeliefert, und dieser Tod prallt jetzt auf mich zurück... Begleite mich, Jakob..." Er stand auf und ging gebückt, mit einem Schrecken in den Augen, an Jakob vorbei. Mit greisenhafter Geschäftig- keit nahm Jakob den Hut und den Stock des Ingenieurs Kleist und trippelte in der nachtdunklen Finsternis des Ganges hinter ihm her. 3. Die Abrechnung. Ueber einen Pfad, der durch scharfe Steinschichten zer- rissen, mit Schutt bedeckt war, durch Steinmispel- und Wacholdersträuche, stieg Ingenieur Kleist auf den Berg. Unten, im Abgrund, schwamm in dichten, dunstigen Schatten die Nacht aus den Schluchten herauf. Sie kam nicht auf die Landstraße und in das Werk hinunter. Gärten und Mauern verrammelten ihr dumpf den Weg, und sie schwoll in dichtem, schwarzem Nebel und durchsichtiger Stille an. Die Wolken

der Lichtungen und des Buchenholzes, das noch ohne Blätta ganz durchsichtig war, flimmerten im violetten Schaum, un über ihnen, im wunderbaren Aufstieg ihrer Aeste, strebt« wie rauchige Fackeln die Pappeln in die Höhe. Geradeaus, unter dem herabfallenden Berge, die prall« Massive der Werkbauten. Und hinter ihnen, über den Dächer und Türmen, glitzerte trüb das Meer. Hoch oben glänzt d« Himmel opaken mit seinen Sternen. Auf der anderen Seit der Bucht war keine Stadt mehr, und auf dem Abhänge d« Berges blinzelten große und kleine Lichter. Alles schien weit und fremd. Nah und der Seele vei wandt waren nur di� Eisenbeton-Giganten, vom Ingenieu Kleist erbaut; in diesem Augenblicke waren nur die sich au( bäumende Macht der architektonischen Massen in der Welt- und er, ihr Schöpfer, Ingenieur Kleist . In dieser schrecklich« Zeit, in der das erloschene Werk drohend mit dem Dunk« seiner Oeffnungen schlief und das Grab der Maschinen i, Roste erstarrte schlich Ingenieur Kleist als irrend« Schatten über die Schienenstränge und Stufen, an Maueo und Türmen vorbei und schwieg das Schweigen des Werket An diesem Abend sah er zum ersten Male den grandi» sen Tod der Vergangenheit in diesen zerfallenen Leere» Seine Formel erwies sich als richtig: das Rad der Ereigniss rollte unaufhaltsam seinen vorgezeichneten Weg. Der seltsame Zusammenstoß mit dem Arbeiter Gljs Tschumalow zeigte Ingenieur Kleist, daß dieser Weg seit Ende gefunden hatte und daß sein Leben bis zu seinen Grev zen gelangt war. ... Man hätte seinerzeit das Wert sprengen sollen, u» zusammen mit ihm zugrunde zu gehen. Das wäre eine gut Antwort gewesen, nach den Gesetzen von Wirkung uni Gegenwirkung... Wenn man ihn jetzt hier, auf diesem Wege, finden würd so ist er vollständig bereit. Eigentlich hat jetzt nur no» etwas ganz Unbedeutendes zu geschehen, eine Kugel dur4 seinen Kopf: die vorhergegangene Etappe ist schon durchleb« Nur noch ein wenig hier zwischen seinen Bauten bleibe: dürfen, wo sein Leben seinen Niederschlag gefunden hat ü den Kristallen der machtvollen, strengen Architektur... Die Kultur welcher Welt trägt der Arbeiter Gljeb Tschv malow in sich? Aus dem Blute auferstanden, ist er furchtla und unbesiegbar, und in seinen Augen sind Kraft uni Schrecken. Und als Gljeb heute bei der Begegnung mit ih» lächelte, waren unverständliche Tiefen in seinem Lächeln uni ein Wissen, daß Ingenieur Kleist nicht kannte. Und mit ai dem war auch Gljeb Tschumalows Helm durchtränkt. Uni sein Gesicht und sein Helm vereinigten sich in eins. (Fortsetzung folgt.)