Abendausgabe
Nr. 527
B 261
44. Jahrgang
Wöchentlich 70 Pfennig, monatlich 3, Reichsmart, voraus
zahlbar.
Unter Streifband im In- und Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat. *
Der„ Vorwärts" mit der illustrier ten Sonntagsbeilage ,, Bolt und Zeit" somie den Beilagen Unterhaltung und Wissen",„ Aus der Filmwelt", Frauenstimme",„ Der Rinderfreund"," Jugend- Borwärts", Blid in die Bücherwelt" und Kulturarbeit" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Montag
7. November 1927
10 Pfennig
Die einspaltige Nonpareillegeile 80 Pfennig. Reklamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen" das fettgedruckte Wort 25 Pfennig( zuläffig zmet fettgedruckte Worte) jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnentenzeile 40 Pfennig Anzeigenannahme im Hauptgeschäft Linden straße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.
Redaktion und Verlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin
Vorwärts Verlag G. m. b. H.
Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten
und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depositenfasse Lindenstr. 3
mehrheiten.
Oldenburg , 7. November. ( Eigenbericht.) Die Kommunalwahlen, die gestern in den meisten Städten und Gemeinden des Freistaates Oldenburg stattfanden, brachten der Sozialdemokratie durchweg schöne Erfolge. In Oldenburg , wo auch die Demokraten ihre Mandate behaupten konnten, tritt der Linksruck besonders start hervor. Die Mehrheit, die der Rechtsblock bisher im Stadtrat hatte, wurde hier gebrochen. Die Sozialdemokratie konnte ihre Stimmenzahl rund um die Hälfte, ihre Mandate um 2 auf 10 erhöhen, wäh rend die Einheitsliste der Deutschnationalen und der Volksparteiler fünf Mandate verlor und nur noch über 15 statt bisher 20 Site verfügt. In Delmenhorst gewann die Sozialdemokratie zwei Sitze und hat allein die Hälfte der Mandate, während die Bürgerlichen, die bisher 18 Site innehatten, jetzt mit 15 in der Minderheit bleiben; ein Mandat fällt wie bisher den Kommunisten zu. In Rüstringen ist die bisher aus 14 Sihen bestehende sozialdemokratische Mehrheit um weitere zwei Mandate verstärkt worden. Sie verfügt damit über 16 von 26 Mandaten.
Die Oldenburger Kommunalwahlen bestätigen also den Eindruck des unaufhaltsamen Vormarsches der Sozialdemokratischen Partei, wie er sich vor wenigen Wochen im Unterelbegebiet und in Ostpreußen gezeigt hat. Die Wähler geben dem Bürgerblock, der seine Wer sprechungen so schnöde gebrochen hat, die verdiente Quittung. Die Oldenburger Erfolge werden die Schlagkraft der Parteiorganisation im ganzen Lande stärken und zu neuen Kämpfen anspornen.
In den einzelnen Städten ist das Bild überall etwa gleich. Die bürgerlichen Listen zeigen Berliste, die dadurch besonders schwer wirken, daß die Wahlbeteiligung in den größeren Städten eine wesentlich stärkere war als bei den letzten Wahlen 1924.
-
2 279 Stimmen, 9 Size, bisher 9
•
2 192 237
Wirtschaftsliste.
Bürgerliche Liste
9 0
"
"
512 Stimmen, 4 Sige
444
844
•
121
Unpolitische Bürgerliste. 402 Mieter
"
76
Wahlbeteiligung 80 Prozent.
2
"
8
"
1 Gizz
2 Sitze 0"
8
1
1006 Stimmen, 6 Size, bisher 5
In der Stadt Barel entfielen auf: Sozialdemokraten. Bürgerliche Einheitsliste Demokraten . Angestellte Kommunisten Boltsrechtspartei
10
•
·
1 166
7
"
"
444
2
2
.
"
"
206
1 Siẞ,
"
385
"
2 Size,
1
"
123
"
"
"
0
Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen der Kommunalwahlen, die gestern in einigen medlenburgischen Städten stattfanden, hat auch dort die Sozialdemokratie eine 2nzahl von Mandaten erobert.
num Zusammentritt des Landtages.
Plenarsizung am fommenden Montag.
Der Preußische Landtag tritt am kommenden Montag, dem 14. November, 13 Uhr, wieder zu einer Plenartagung zusammen. Die jetzt vorliegende Tagesordnung stellt fest, daß die für diesen Tag in Aussicht genommene zweite Beratung des preußischen Besoldungsgefeßentwurfes voraussichtlich nicht stattfinden könne,
Der neue Stadtrat setzt sich im Vergleich zu dem früheren da die Beratungen des Hauptausschusses bis dahin nicht abgeschlossen folgendermaßen zusammen:
Sozialdemokraten Emheitslifte
.
Bölkische Demokraten Zentrum
•
Steuerzahlerschutz Kommunisten
jetzt bisher
10
8
15
20
1
1
7
7
1
0
132
2
Dazu treten noch als Vertreter von Landgemeinden ein Bertreter der Gemeinschaftsliste und ein Bertreter der Landbundlifte. Die bisher für Oldenburg vorliegenden Stimmenzahlen ergaben zunächst eine wesentlich stärkere Wahlbeteiligung. Es wurden 22 203 Stimmen gezählt gegen 17844 bei der letzten Wahl. Die Wahlbeteiligung betrug 64 Prozent. Die abgegebenen Stimmen verteilen sich folgendermaßen:
Sozialdemokroten
Einheitsliste( Deutichn. Bolkspartei, Deutsche Volkspartei , Stahlhelm und Handwerk).
Hitlerbewegung
Demokraten
Zentrum
Steuerzahlerichuz
Kommunisten.
.
·
1927
1924
5 176 Stimmen 3 673 Stimmen
8 208
914
3 983
974 1642 1278
8414 729 3258 779
990
sein werden. Es kommen daher nur fleinere Vorlagen zur Beratung.
Proletarier aller Länder...!
Die Tragödie der Spaltung.
Bon Carl Anton.
-
Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" dieser Kampfruf der internationalen sozialistischen Bewegung ist vor einigen Wochen achtzig Jahre alt geworden. Zum ersten Male stand er als Motto im ersten und einzigen Heft der ,, Kommunistischen Zeitschrift", die im September 1847 in London in deutscher Sprache erschien. Achtzig Jahre! Der Ruf an die Proletarier aller Länder ist genau so aft wie- Hindenburg , und wenn es möglich war, daß 80 Jahre, nachdem dieser Ruf zum erstenmal erklang, der alte Feldmarschall des faiserlichen Deutschland seinen achtzigsten Geburtstag, als Präsident der deutschen Republik, feierte, so trägt daran der Umstand schuld, daß die deutschen Proletarier immer noch nicht in vollem Maße diesem Rufe Folge geleistet haben und daß wir heute sogar mehr als früher gespalten sind. Wäre die gesamte deutsche Arbeiterschaft zu einer Partei zusammengeschlossen, dann hätte sie schon jetzt die Macht in der deutschen Republik erobern und diese Republik zum Arbeiterstaat ausgestalten fönnen. Jetzt steht die stärkste Arbeiterpartei in der Opposition gegen die bürgerliche Reaktion, die mit Hilfe der für die bürgerlichen Parteien( Zentrum, Deutschnationale) abgegebenen Arbeiter stimmen regiert, während die andere Arbeiterpartei durch ihren Kampf gegen die Mehrheit der organisierten Arbeiterschaft dieser bürgerlichen Reaktion Hilfsdienste leistet. Proletarier, wollt Ihr frei werden, so erhebt euch aus eurem Schlaf und schließt euch fest aneinander!" mie vor achtzig Jahren ist dieser Ruf der Kommunistischen Zeitschrift" heute noch am Blaze. Proletarier aller Länder" das heißt auch: Proletarier jedes Landes und heute heißt es vor allem:[ ozialistische Proletarier jedes Landes, vereinigt euch!"
-
"
Wäre die gesamte deutsche Arbeiterschaft zu einer Bartei zusammengeschlossen, dann hätte diese Partei die Mehrheit des Volkes hinter sich gehabt. Die Entwicklung der Sozialdemokratie vor dem Kriege hat gelehrt, daß. je vollständiger sie die Arbeiterschaft umfaßte, um so mehr ihre Anziehungsfraft auch über die Grenzen der Arbeiterschaft hinausgreift. Bei den legten Wahlen vor dem Kriege im Jahre 1912 hat die Sozialdemokratie schon die Mehrheit der großstädti fchen Bevölkerung hinter sich gehabt. In den Städten mit 100 000 und mehr Einwohnern hatte sie 55 Broz. aller Stim men, in den Städten mit 10 000 bis 100 000 Einwohnern 43 Broz., in den Ortschaften mit 2000 bis 10 000 Einwohnern 36 Proz. und in den Ortschaften mit weniger als 2000 Einwohnern nur 19 Proz. In den großen Sammelpunkten der proletarischen Bevölkerung und namentlich in den evangelischen Teilen Deutschlands wurde die Sozialdemokratie all
Die Wahlparole der Reaktion. mählich zur einzigen Bartei von Bedeutung, eine Entwick
Berewigung des Bürgerblocks!
Der deutschnationale Führer Graf Westarp hat in Pirmasens eine Rede gehalten, die sich gegen die den Wahllampf einleitende Rede des Reichskanzlers Dr. Marg in Effen wandte. Es läge nahe, daß der Bürger blod fich durch die Wahlen die Fortsegung seiner Arbeit zu sichern suche. Mary aber habe erklärt:„ Ein Aufruf zum gemeinsamen Kampf der bürgerlichen Par= teien gegen die Linke werde im Zentrum feinen Antlang finden."
Graf West arp erklärte dazu wörtlich:
„ Wir müssen uns als rechte Flügelpartei und infolge unjerer grundsätzlichen Auffassungen bei der kommenden Wahl anderer Aufgaben als das Zentrum stellen. Wir sind der Meinung, daß, wie die Erfahrungen der letzten Jahre bestätigen, die Mitte nur mit uns und nicht mit der Sozialdemokratie feffe Regierungsverhältnisse schaffen kann, wie sie fich in der ruhigen, politisch vernünftigen und erfolgreichen Arbeit" der jetzigen Koalition bewährt haben. Deren Erfolge würden noch beffere und gesichertere sein, wenn sie nicht durch die sozialdemoPreußen, dauernd gestört und gefährdet würden.
In Rüstringen wurden 4000 Stiminen mehr abgegeben fratifche Borherrschaft in einzelnen Ländern, insbesondere in als bei der letzten Wahl und zwar:
1927
1924
12 673 9 305
7 083 7 684 einschl. Beamte 1044 863 früh Böllische 460 1 493 797
Sozialdemokraten.
Bürgerliche Einheitsliste
Sozial- nationale Liste
Boltsrechtspartei( Sparer)
Kommunisten
Bürgerliche Einheiteliste. 8
10
Sozialnationale Liste
•
1 Sig
1
"
Wolfsrechtspartei
0
•
0
"
Kommunisten.
1
.
9
1
"
Sozialdemokraten erhalten 16 Sihe bisher 14
In den kleineren Orten, wo infolge von Veränderungen bei der Aufstellung von Listen die Stimmenergebnisse der Bürgerlichen nicht durchweg mit denen früherer Jahre vergleichbar sind, ist folgender Wahlausgang zu verzeichnen:
9
•
Sozialdemokraten
Kommunisten
Bürgerliche Einheitslife
6 000 Stimmen, 16 Sige, bisher 12 585 1 Gis,
5 841
15 the
1
18
Wir lehnen auch den Gedanken ab, daß man den deutschen Arbeiter durch Entgegenkommen gegen die Sozialdemokratie in die verantwortungsvolle Mitarbeit am Staate und in die Volksgemeinschaft hineinführen könne.
Die sozialdemokratischen Handarbeiter, die übrigens an Zahl ge. ringer find als die Arbeiterwähler der Regierungsparteien, tönnen dauernd für den Staat und die dem ganzen Bolte gemeinsamen nationalen Intereffen nicht mit den margiftischen Parteien, sondern nur gegen fie gewonnen werden."
Die Wahlparole der Reaktion lautet: Die Sozialdemofratie, die Maffenpartei der deutschen Arbeiterschaft, soll für immer von der Regierung ausgefchloffen, der Bürgerblod verewigt werden!
Die Sozialdemokratie nimmt den Kampf auf. Die Ant wort an die Reaktion heißt:
Merbt für die Sozialdemokratie!
lung, die übrigens durch das alte Wahlsystem begünstigt wurde. Nahezu 60 Proz. aller Stimmen erlangte die Bartei in Leipzig , Kiel und Mannheim . Ueber 60 Broz. in Braunfchweig, Nürnberg . Chemniß, Hamburg , Altona , 75 Broz. in Berlin , darunter 80 Proz. im Wahlkreis 6( äußere Stadt, Nord und Nordwest") und etwa 83 Broz. im Wahlkreis 4 ( äußere Stadt Oft"), den höchsten prozentualen Anteil mit 83,7 Broz. hatte die Sozialdemokratte in Neukölln. Das war schon mehr, als es überhaupt Arbeiterstimmen gab. Der Weg war flar vorgezeichnet. Ueber die Vereinigung der gesamten Arbeiterschaft zur Mehrheit im Staat. Jeßt müssen wir noch eine Etappe durchmachen: über die Vereinigung der sozia listischen zur Vereinigung der gesamten Arbeiterschaft.
Besonders fraß tritt die ganze Tragik der Spaltung heute in Erscheinung, wo die organisierte Arbeiterschaft vor der Möglichkeit eines gewaltigen Schrittes auf dem Wege zur Macht steht. Ohne Zweifel bieten die bevorstehenden Reichstagswahlen diese Möglichkeit. Nach dem schweren Rückschlag befindet sich unsere Partei seit 1924 in gewaltigem Aufstieg. Die letzten Reichstagswahlen( im Dezember 1924) haben gezeigt, daß die Gesamtheit der sozialistischen Stimmen, d. h. die sozialdemokratischen und kommunistischen Stimmen zusammen, zwar in den Großstädten prozentuell erheblich unter der Zahl der sozialdemokratischen Stimmen bei den Wahlen von 1912 blieb, auf dem Lande dagegen und in der großen Anzahl katholischer Bezirke stark zugenommen hat. Seitdem haben verschiedene Landtags- und Kommunalwahlen gezeigt, daß die Sozialdemokratie ihre alten Positionen in den Großstädten und industriellen Bezirken rasch zurückerobert und die neugewonnenen befestigt und erweitert. Die genaue Untersuchung und vorsichtige Abschäzung aller Wahlergebnisse der letzten zwei Jahre läßt forgendes festftellen: Es besteht eine große Wahrscheinlichkeit, daß bei den nächsten Wahlen unsere Partei allein mehr als 30.Broz, mit den Kommunisten zusammen nicht weniger als 40 Proz. aller Stimmen bekommen wird. Das bedeutet, daß, wenn die Spaltung überwunden wäre und die Sozialdemokratie wiederum als einzige Arbeiterpartei im Wahlfampf aufmarschierte, sie noch mehr, vielleicht über 45 Proz. aller Stimmen bekommen könnte, weil die Anziehungskraft der sozialistischen Bewegung durch ihre Einheit gewaltig ge stärkt wird. Dann wäre es teine utopische Politit gewesen, als prattisches Ziel für die allernächste Zukunft die Eroberung