iu Katastrophenfäll« zu interpretieren sind, stellen für sedes Land vorübergehende Ein- und Ausfuhrverbote und fonstlg« Be- jchröntungen frei, sobald dies zur Wahrung der Lebensinter- essen des Landes erforderlich ist. Die entscheidende Aus- Höhlung des Vertrages liegt in den wsit greifenden, aller- dings aui drei und fünf Jahren befristeten'Ausnahmen, die sich praktisch fast alle Länder entweder wissentlich reserviert haben oder fchlieszlich aus Konkurrenzgründen reservieren mußten. Sie betreffen sehr wichtige Waren, wie Farbstoffe, Chemie�rodukte, Kohle, Schrott, Eis.n, Stahl, selbst Lebensmittel wie Reis und Wein. Die Der- einigten Staaten haben noch besonders Dumping-Maßnahmen gegen „unlauteren Wettbewerb" ausnehmen lasten. Wenn die Länder, die die Reservotrechtc angemeldet haben, nach Ablauf der Fristen Ihre Verbote beibehalten wollen, kann die Konvention natürlich von allen Teilen gekündigt werden, womit auch jede Garantie für ihre Dauer wegfällt. So bleibt letztlich von den Genfer Beschlüssen nur die Tatsache, daß die Völker mehr oder weniger die Dotumentierung ihres guten Willens unterschreiben. Das ist gewiß, auf lange Sicht gesehen, eine nicht ganz unwichtig« Fest- legung: gegenüber Vorkriegszeiten bleibt es aber dabei, daß im ganzen doch ein gewaltiger Rückschritt vorliegt, den die Konvention nicht wettmacht. Die Hauptarbeit wird auch in der Zukunft durch vernünftige Handclsvertragsverhandlungen zu leisten sein.
Zungdo gegen Deuischnationate. Um Hugenbergs willen. Auf dem Parteitag der Deutschnationalen für Westfalen-Ost hat es kürzlich eine Ueberrafchung gegeben. Trotzdem ängft- lich darauf gehalten wurde, daß nur aus dem Wahlkreise stammende Delegierte das Wort erhielten, konnte nicht verhindert werden, daß der deutschnationale Arzt Dr. Huchzermeyer aus Bad Oeyn hausen gegen die Wiederaus st ellung Hugenbergs in diesem Kreise sich aussprach und versicherte, daß die Mitglieder des Jungdeutschen Ordens keine Liste unterstützen würden, auf der der Name Hugenborg zu finden sei. Auch von einem Land- bundmitgliede sei eine ähnliche Erklärung abgegeben worden, so wird im Gegensatz zu dem offiziellen Bericht von jungdeutscher Seite gemeldet. Die Pressekorrespondenz der Deutschnationalen Partei b c- st ä t i g t jetzt diese Vorgänge. Zwar bestreitet sie, daß der Land- bundvertreter den Namen Hugenberg genannt habe, aber sie b e- streitet nicht die Erklärung des Jungdo-Bertreters gegen den Prestekapitalisten Hugenberg . Dafür aber kündigt die Pressekorrespondenz der Deutschnatio- nalen einen Rachefeldzug gegen den Jungdeutschcn Orden an: „Nachdem der Jungdo mit seinen Auslastungen an die Oeffentlichkeit getreten ist, habe der Abgeordnete Hugenberg wie auch die Deutschnationale Volkspartei keinen Grund mehr, ihrerseits zu den Angriffen des Jungdeutschen Ordens zu schweigen." Das kann sehr nett werden: denn wenn jemand an Hugenberg tippt, so kann eine gewiste Presse wochenlang heulen.
Budapester Justiz. Bespitzelung der Verteidiger.— Oer Staatsanwalt ein Faschist. Im Budapester Kommunistenprozeß protestierte der Verteidiger Dr. S z ö k e dagegen, daß die Verteidiger von Detek- tioen begleitet weiden, die belauschen wollen, was die Ver- teidiger sprechen: der Vorsitzende dulde, daß vor d«m Zimmer der Verteidiger ständig zwei Detektive mit an die Tür gelegten Ohren horchen. Der Vorsitzende will damit erreichen, daß die Verteidiger, in ihrem Ehrgesühl beleidigt, von der Verteidigung zurücktreten. Dies wird ihm jedoch nicht gelingen, die Verteidigung wird auf ihrem Platz ausharren, nicht nur bis zur Beeydigung des Prozesse»,
sondern so lange, bis der Polizeichef S ch w e i n! tz e r und Genossen selbst auf die Anklagebank kommen. Staatsanwalt L i n d m- y e r jührt aus: Es sei eine Schande oer ungarischen Advokatur, daß es Rechtsanwälte gebe, die im Jniereste der Bolschewiken die Staatspolizei auf die Anklagebank versetzen wollen.(Bewegung, dann Heiierkeil.) Von der Polizei könne man nicht annehmen, daß sie Pässe fälsch«.(Zwischen- ruf: Wer hat also den Paß gefälscht.) Verteidiger S Z ö k e(weist den Originalpaß vor): Was sagen Sie dazu? Staatsanwalt: Damit laste ich mich nicht terrosteren, ebensowenig, wie mit der Erklärung des verstner Polizei- Präsidiums, oder dem Telegramm der Liga gegen den weißen Terror, die von mir fordert, daß ich gegen die Angeklagten keine Anklage erhebe. Di« ungarisch « Justiz kaim im Bewußtsein ihres Rechtes im Kampf gegen den Bolschewismus auf die Erklärungen des Berliner Polizei-
Am S. November dem log der Ausrufung der Deutschen Republ t. de« Legion» einer neuen staallichea Entwicklung, zeigen die Republikaner , besonder» unsere Partei aenossea die Fahnen der Republik und der Parle!! kebnenbereusl
Präsidium», auf die Telegramme von bekannten Künstlern und Schrislstellem pfeisen!(Zwischenrufe der Verteidiger: Auch auf die Gesetz«— große Heiterkeit.) Der Vorsitzende droht den Angeklagten, falls sie mit den Zwischenrufen nicht aufhören, mit Dunkelarrest. Staatsanwalt: Auch einige Verteidiger sympathisieren mit dem Bolschewismus. Ilm das Ausland kümmern wir uns nicht, hier im Land werden wir aber den Bolschewismus zertreten, und wenn die Lerteidiger mit ihm sympathisieren? so werde ich die Lerteidiger auf die Anklagebank setzen. (Riesige Empörung!) Manche getrauen sich den Bolschewismus auch mit dem Faschismus zu vergleichen. Ich erkläre, daß der Faschismus die herrlichste und großartigste Idee des 20. Jahrhunderts ist. Im Namen sämtlicher Verteidiger antworteten die �Rechts- anwälie Vambery und Eugen Kiß darauf.
Krankreichs Vertragssystem. Sein neuester Vertrag mit Südflawien. Belgrad ,«. November. Der mit Frankreich vereinbarte vertrag wird hier verSffenMchl. Beide Staaten vereinbaren, sich einander nicht anzugreifen. Alle diplomatisch nicht erledigten Sireitigkeilen sind im Schied«. »erfahren zu regeln. BeiAngrisfeuvondritter Seite werden sie miteinander Fühlung nehmen, um sich gemeinsam im Rahmen de» Völkerbundes zu schuhen. Beide Staaten werden ge- meinschafllich jeden Versuch bekämpfen, die„gegenwärtige politische Lage zu ändern". Ver verlrag berührt die Völkerbündvpslichien beider Staaken nicht. Er ist aus z e h n Jahre abgeschiosten. Italien als Aalkan-Schürer. Sofia , e. November. Au der vor einigen Tagen hier abgehaltenen Konferenz der ver- treter de, mazedonischen Komitee» anter dem Präsidium des General» Protegerow soll der italienische Gesandte teilgenommen haben. Er ist jehl zur Berichterstattung nach Rom gereist.
Parieiopposiiion gegen pilsudsti. MoraczewSkiS Ausschluß aufgehoben. w a r s ch a u. S. November.(Eigenbericht.) Gestern und heule beriet der Parteiausschuß der Polnischen Sozialistischen Partei über dir politische Lage. Dabei kamen nur geringe Meinungsverschiedenheiten über das Verhällvi« der Partei zur Regierung Pilsudski zum Aus- druck. Der bisherige Parteivorstand wurde mit starker Mehrheit wiedergewählt und seine Politik damit gebilligt. Eine Resolution, in der die anlidemotralische Haltung der Regierung gegeißelt wurde, wurde ebenso wie die Ankündigung der weiteren scharfen oppositionellen Halinng einstimmig angenommen. Der Ausschuß befaßte sich ferner mit einem Schreiben des Mi- nisters Moraczewski, der vor einigen Wochen wegen seiner Zugehörigkeit zum Kabinett aus der Partei ausggeschlosten wurde. Moraczewski protestiert gegen den Ausschluß und beruft sich aus seine Derdienst« als einer der Mitbegründer der Partei. Ohne auf den Inhalt des Schreibens einzugehen, stellt der Ausschuß fest, daß das Urteil des Parteigerichts, auf Grund dessen Moraczewski aus- geschlossen wurde,«inen Formfehler enthält und ungültig ist. Moraczewski bleibt also Mitglied der Partei; in den kommenden Wahlen wird er also nicht als Kandidat der Regierungspartei in das Parlament einziehen können.
Demonstration der Opposition. Kavallerie schafft Ordnung.- Ein neuer Stahlhelm. Moskau , 8. November. Die gestrige große Parade der Roten Armee bildet« den Hohe. punkt der Jubiläumsfeier. Unter den Truppen erregten die der Politischen Polizei (GPU.) zugeleilien Abteilungen besonderes Aus. sehen, weil sie zum ersten Mole den neueingeführten Stahlhelm trugen. An die Parade schlössen sich die großen Kundgebungen der Ar. beitcrschasl. Al« die Proletarierkolonnen aufzogen und unter den Klängen der Internationole von allen Seiten zum Roten �Platz marschierten, versuchte die Opposition an mehreren Stellen Kundgebungen. Vom Balkon eine» Eckhauses bei der Strasinaja Pioschtsckfadj' sprachen mehrere Oppostttonepolitiker zur Volksmenge, man nennt Preobmfheniki und Smilga. Auch wurde hier ein großes Plakat mit der Losung„Es lebe der wahre Leninismus" ausgehängt. Die Menge nahm der Opposition gegenüber eine drohende Haltung ein, das Plakat wurde von der Polizei fofort entfernt und eine Kavallerieabteilung schafft« schnell Ordnung. Kein Nildamm-Vertrag abgeschloffen! L o n d o n. S. Noember. Der Vertreter de» Regenten von Abessinien, Dr. Mario, ist gestern aus New Park in Liverpool eingetroffen. Er erklärte, daß weder ein Vertrag noch ein vorläufiges Abkommen über den Bw » eines Nildammes abgeschlossen morden sei. Der Bau eines Staudammes könne n u r mit Zustimmung der britischen Re- g I e r u n g aus Grund de» englischnbessinischen vertrage» von 1902 erfolgen. E, werde in England keine Verhandlungen sühre«, sondern in kürze nach Abessinien zurückkehren, um Bericht über seine Besprechungen in Amerika zu erstatten. Zwischen der abessiaischen und der britischen Regierung gebe es keine Mlhverständniste.
Strosanirag im Ratibor -pwzeß. Zm Prozeß gegen den Herzog von R alibor beantragt« der Oberstaatsanwalt gegen den Herzog wegen fahrlässiger Tötung seines Lelbkutscher» eine Sesängnisstrase von vier Monaten. (Siehe auch Z. Seite.)
Wie wir von der Revolution erfuhren. Don Hans Bauer. Iu der letzten Ottoberwoche hatten wir unsere Funkstation in Charleoill« abgerissen gehabt und am t. November bestiegen wir den sür unsere Formotion hergerichteten Zug und dampften ab. Wo- hin? Niemand wußte es. Einen Tag long hieß e», daß wir gegen Oesterreich eingesetzt würden, dos sich seiner Bündnispflicht«nt- zogen habe und zur Raison gebrocht werden müsse. Dann tauchten neue Gerücht« auf. Tauchten auf' und zerrannen wieder. Seit Wochen hotten wir keine Zeitung in die Hand bekommen. Seit dem Niederriß unserer besten Nachrichtenquelle, der Funkstation, waren auch durch den Aether keine Neuigkeiten mehr zu uns go- langt. Wir wußten gar nichts. Wir ahnten nur etwas: daß Neues würde. Da? log in der Luft. Das fühlte man. Di« letzten Funk- Meldung«», die wir aus Lyon , voin Eiffelturm und aus Horfea aufgenommen hatten, waren vernichtend für Deutschland gewesen. „Flandrisch« Küste zurückerobert",„Front durchbrochen", das waren so Deglisse, die in uns haftengeblieben waren. Heller Siegcsjubel hatte aus den feindlichen Berichten geklungen, tiefer Pessimismus aus denen von Königswusterhousen. Es war dazugekommen, daß während der letzten Tage vor unserer Abreise die Straßen von Eharleville van zurückflutenden Regimentern und deren Bagage ge- rohezu verstopft gewesen waren. Es war Nor: Die Front hielt nicht mehr. Langsam, ganz langsam trug uns der Zug an der französischen Grenze entlang. Manche Tage legten wir nur wenige Kilometer zurück. Zuweilen, wenn der Zug hielt, trafen wir auf Soldaten anderer Formationen. Sic erzählten tolle ihjnge: der Kronprinz sei auf offener Straß« ausgepfiffen worden, das soundsovielte Re- giment habe sein« Offiziere abgesetzt. In Luxemburg wurden die Nachrichten pi sitioer. E» wurden Extrablätter verteilt. Eines teilte mit, daß der Kaiser abgedankt habe, ein anderes, daß in Bayern die Republik auegerusen worden sei. Dann wurde auch behauptet, daß in Kiel dt« Matrosen gemeutert hätten. Ich erinnere mich noch recht genau, daß auch nicht einer von uns das Gefühl hatte, daß konkrete Kräfto h'nter all dem standen, die planmäßig auf den Umsturz hin« gearbeitet hatten und ihn yun tühi-oerstandesmäßig dirigierten. Wir empf>rnden: alles, was jetzt geschieht, das muß geschehen, dos ist unaufhaltsam, das ist elementar, das ist ein Naturereignis, das ist die Explosion einer b's zum Zerspringen uberheizten Volksseele. Kindisch, lächerlich der Dolchstoßblödsinni Hinterlandgewäsch von Re- klamierienl Wann immer wir Soldaten begegneten, gleichviel, ob sie von der Front oder ans der Etappe käme», kommentierten sie mit Jubel die Wendung der Dinge. Viele berichteten, daß sie schon vor Tagen, also lange vor der Prollamierung der Republik in der Hei« mat ihre Offiziere abgesetzt und Saldo tenräte gewählt hätten. Kein Mensch suhlte sich.verraten", Befreit.., befreit fühlten sich alle.
Als wir durch Diedenhosen fuhren, um den Z. November her- um» wehten au» Soldatenzllgen, die uns überholten, rote Fahnen. In Saarbrücken entschloß auch unsere kleine Formation sich zur „Revolution". Wir wählten zwei Soldatenräte. Sie teilten un> serem Leutnant den Entschluß ihrer Kameraden mit. Der Leutnant hatte nicht das Mindeste dagegen einzuwenden und fand alle» in der schönsten Ordnung. Wir fuhren über Ludwigshasen und von dort das herrliche Neckartol entlang südwärts. Di« Natur hatte noch ein paar wuuderschöne, milde Herbsttage beschert. Wir nutzten sie au» und hiellcn uns tagsüber auf einem unverdeckien Woge» auf. Reden mnrden gehalten. Keine blutrünsiigen, keine haßerfüllten: romantisch« Reden, sehnsüchtig« Reden. Unser Herz war erhoben. Hinter uns lagen Mord und Kanonendonner, stumpfsinnig« Arbeil, Unter. Ordnung und Zwang. Jetzt mußte alle» anders werden und es konnte nur besser werden. Wir fuhren in eine neue Zeit hinein. In«in neue» Vaierland des Frieden». Wir wußten nicht recht, wie dieses Baterland aussehen werd« und nicht einmal, w'e wir es uns wünschen sollten. Wer wir wußten, daß es anders werde aussehen müssen, als das alte des Kaisers, des Krieges, des Hungers und der Ofiiziersüberheblichkeit. Rottwell war lie südlichste Station unserer Reise. Wir lungerten einen Tag lang lzerum und dann best egen wir unseren Zug von neuem und fuhren einen Teil der Route zu- rück. In Vaihingen wurde ein großer Scheiterhaufen aus allen Archiven und Dokumenten der Formatton errichtet, aus all den Papieren und Ueberslüssigkeiten. die sich angehäuft hatten, aus Ur-' laubsgefuchen und Dienstbesehlen, Divisionsmeldungen und Stammrollen. Führungszeugnissen uns» Mannschaftslisten. Ais all diese fleißige Schreibstubenarbeit vieler Jahre in Flammen aufging, wußten wir, daß der Krieg entgültig vorbei sein müsse. In Stutt gart lösten wir uns auf. I» Stuttgart lösten wir uns auf. Es war Episode gewesen, was uns zusammengcsührt hatte, eine düstere, nichtsnutzige Episode. Einig« Dutzend Kriegsleute, von denen kaum einer oder zwei es im innersten Herzen und aus Veranlagung waren, wurden wieder zu dem, was sie immer gewesen waren, zu sried- fertigen Bürgern, und fuhren per Schnellzug in ihre Heimatstadt und zu ihrem Tagewerk.
lS Millionen Sterne phokographierk. Die photographischen Aufnahmen des Sternenhimmels, die von 1ö Sternwarten auf beiden älftep der Erdkugel durchgeführt werden, haben nach«erzlgjöhriger ätigkeit zur photographischen Wfpahme von 15 Millionen Sternen geführt, während nur 6000 mit dem bloßen Auge sichtbar sind. Di« ungeheure Zahl von 30 EX» Sternkarten, durch die ein großer Teil des Himmele kartographisch aufgenommen ist, wird jetzt gedruckt und veröffentlicht werden. Eins der Ergebnisse dieser Aufnahmen ist, daß die fchwachen kleineren Sterne der Erde verhältnismäßig viel näher liegen, als man früher annahm. Die Astronomen künftiger Zeiten werden aus dem Vergleich dieser Sternkarten mit den von ihnen angefertigten vieles über die Bewegungen der Sterne fest- stellen können.
Grock . Wenn heute jemand 30 000 Mark im Jahr« verdient, dann kann er froh«in und wird alle Heiligen auf Knien bitten, daß ihm diese Stell« möge erholten bleiben. Wenn aber jemand 30 000 Mark im Monat verdient— ober so was gibt es ja gor nicht. Gibt's nicht? Doch: Grock , der Mann ohne Dornamen, der Welt bestbezahlter Artist, tritt nicht unier 1000 Mark pro Abend auf und ist sür Jahre hinaus fest oerpflichtet. Ich sah ihn in der Berliner„Scala", wo er gegenwärtig gastiert. Herein kommt er in einem weiten Mantel, der wie ein Kaffeesack aussieht, und einem Riesenkosfer in der Hand, dem er weiter Nichts al« ein« winzige Violin« entnimmt. Und auf ihr spiett er mit weiten flatternden Baumwollhandfchuhen mit einer Vollendung, die ans Unglaublich« grenzt. Da» ist fein Entree: dann läßt er seinem großen, sackähnlichen Kehlkops die Töne eiver Baßgeige entquellen, spiett Klarinette, daß die Wand« sich biegen, ober man fühtt doch: der kann spielen wie selten einer. Nun zieht er sich um, weil er ja Klavier üben möchte. Erscheint in einem kurzen Röckchen, langen engen Hosen, metergroßen roten Pantoffeln, einem Zylinder und den Handschuhen. Der Stuhl steht zwei Meter vom Flügel entfernt, er schiebt ihn nicht heran, er rückt das Klavier zum Stuhl. Spielt mit de» Handschuhen wie der best« Virtuose, zieht die Dinger au», ballt sie zu einem Knäuel, knäult sie zu einem Ball, jongliert damit auf Armen und Beinen, legt den Zylinder auf die hochgeklappte Flügelplatte. Der Hut rutscht'runter: um ihn zu holen, steigt er über Stuhl und Tasten auf die Platte und rutscht aus einem Pantoffel dem Zylinder nach. Beim Spielen fällt ihm der Tastendeckel ständig auf die Finger, er schnellt ihn zurück und macht daraus eine«igen« Begleitmusik. Bricht durch den Stuhl, kcckt die Sitzsiöche mit breiter Zunge an, klebt die Platte wieder fest. Und alles mit schlaksigen, ungelenken Bewegungen, die immer erkennen lassen, daß dieser„alte" Mann. den er darstellt, ein unerhörter Artist und Akrobat sein muß, der sich nicht scheut, auch Cancan und russisches Ballett zu tanzen. Plötzlich juckt ihn ein Floh. Nachdem er ihm mit dem Fiedel- bogey nicht beigekommen Ist, greift er mit dem rechten Arm meter« tief In die Hofe, bleibt stecken, kommt nicht mehr'raus, die hose dehnt sich bis in» Unendliche. Um sich zu befreien, geht er hinter«ine» Wandschirm, kommt heraus— mit beiden Armen in der Hofe. Das Bild ist nicht zu beschreiben, die Zuschauer fallen unter die Sessel. Dabei redet der Mann in einem fort, denn er hat ja«inen Partner,«inen salvlhasten Biolinoirtuosen in elegantestem Frack. Grock, der alle Instrumente spielt und nachahmt, spricht auch alle Sprachen lebender Kulturvölker. „Spielen Sie etwa« Klassische»," sagt der Partner. Und Grock haut ein Stück der 12. Rhapsodie und eins aus dem Höllencancan von Offenbach hin. daß es nur so dröhnt. »Was war das?" fragt der Partner.