,, Der Sieg war zum Greifen nahe".
Zirpik biegt Balfen in Schweden .
Der Großadmiral a. D. und deutschnationale Reichstagsabgeord nete v. Tirpig ist, den Spuren Ludendorffs und Kapps folgend, nach Schweden gereist. Er redet dort und läßt sich interviewen. Einem Vertreter des Aftonbladet" z. B. versicherte er, daß die deutsche Flotte im Ottober 1918 gute Aussichten für einen endscheidenden Kampf gegen die englische Flotte gehabt habe, nachdem die Unterseebocte in die deutschen Häfen zurüdgefehrt waren und zusammen mit der Hochseeflotte eingefeßt werden konnten. Nach dem Plan Admiral Hippers sollte die deutsche Hochseeflotte in den Kanal auslaufen und die Berbindung zwifchen England und Frank reich unterbrechen. Bei dem darauf zu erwartenden Angriff der eng lischen Flotte sollten zunächst die deutschen Unterseeboote voll eingefeßt werden, dem Gegner großen Schaden zufügen und dann der Hochseeflotte die Vollendung des Zerstörungswerks zu überlassen. Die Revolution habe den Sieg berhindert.
Jeder Unterrichtete weiß, daß der Krieg nach den Erklärungen der OHL. schon im September verloren, daß er nach dem Zusammenbruch sämtlicher Verbündeter Deutschlands gar nicht weiler zu führen war. Ein Seefieg, der nur in der Phantasie der Admirale möglich war, hätte an dem Kriegsergebnis auch nichts mehr geändert. Es war ein Glück für Deutschland , daß die Matrosen den Wahnsinnsplan ihrer Borgesetzten zunichte machten. Herr v. Tirpiß. aber, der deutschnationale Abgeordnete, fährt im Ausland spazieren und verleumdet mit seinen Dolchstoßlügen das deutsche Boll.
Die Beamtenbesoldungsreform. Regierungsparteien schweigen im Ausschuß.
Der Ausschuß für den Reichshaushalt trat am Dienstag in die Spezialberatung des Beamten besoldungsgefeßes ein und brachte sie bis zum§ 5. Von den drei Oppositionsparteien, den Sozialdemokraten, Demokraten und Kommunisten, lagen zu allen Paragraphen zahlreiche Abänderungsanträge vor. Insbe fondere die sozialdemokratischen Anträge, die allgemein als fachgemäß und beachtlich bezeichnet wurden, gaben Anlaß zu ausführ lichen Debatten. Diese Debatten wurden allerdings nahezu aus. schließlich von den Rednern der Opposition bestritten. Die Re gierungsparteien und die Bertreter der Regierung selbst. hielten an der bisherigen Tattif fest und nahmen, wenn überhaupt, nur zu kurzen Erklärungen das Wort.
Der grundsätzliche§ 1 der Vorlage lautet:
Die schreckliche Neun!
Sie bleibt lebendig!
COD
Der Fall Oscar Slater.
Die planmäßigen Reichsbeamten erhalten ein Grundge. Seit 17 Jahren im Zuchthaus - vielleicht unschuldig! Eine Zuchthaustragödie in Schottland :
halt und einen Wohnungszuschuß. Daneben erhalten fie Kinderzuschläge und, soweit es in diesem Gefeß be= stimmt oder zugelaffen ist, Bulagen.
Nach dem sozialdemokratischen Antrag sollte diese Bestimmung wie folgt gefaßt werden:
Das Diensteinkommen der Reichsbeamten besteht aus a) dem Grundgehalt und b) dem Drtszuschl a a. Neben diesem Dienst. einkommen erhalten die Reichsbeamten Rinderzuschläge. Bei der Abstimmung wurde der fozialdemokratische Antrag ebenso wie alle anderen Abänderungsanträge der Opposition a bg e lehnt und die beratenen Paragraphen in der Fassung der Regie. rung vorlage angenommen. Nur in einer Beftimmung des§ 3 nahmen die Regierungsparteien eine erhebliche Einschränkung vor. Nach der Regierungsvorlage sollten die Beamten de Bureaus des Reichspräsidenten und der Reichsfanzlei in die Dienst.
Nicht entlaffen, weil staatenlos.- Das Auswärtige Amt soll eingreifen.
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Lehre für die Anhänger der Todesstrafe in Deutschland , daß diefer Mann, obwohl vielleicht unschuldig, nur durch eine großzügige, spontane Petition von 20 000 englischen Bürgern dem Henter entrissen werden fonnte!
Das englische Arbeiterblatt„ Daily Herald" veröffentlicht am 4. No-| ob Glater an dem Glasgower Mord beteiligt war oder nicht: Bar vember an hervorragender Stelle einen aufsehenerregenden Artikel er schuldig, dann hat er durch 18 Jahre Zuchthaus wohl hart über den Fall Oscar Slater. Es handelt sich um einen ehe genug gebüßt. War er aber unschuldig, welche grauenhafte maligen reichsdeutschen Staatsangehörigen jüdischer Abstammung, Tragödie! Und welche der im Jahre 1908 nach Amerita auswanderte, jedoch auf britisches Verlangen wieder ausgeliefert wurde, weil er im Verdacht ftand, in Glasgow einen Raub mord an einer älteren wohl habenden Frau begangen zu haben. Das hauptbelaftende Moment gegen Slater beste nd darin, daß er eine wertvolle Diamant. brosche für 50 Pfund versetzt hatte, die angeblich der Ermordeten gehört hatte. Das Hausmädchen ter Ermordeten erfannte jedoch after ſtufen nach dem Ermessen des Reichspräsidenten oder des die perfekte Brosche nicht als das Eigentum ihrer Sperrin; später Der Weltgläubiger in Washington . stellte sich sogar heraus, daß die
Reitsfanglers eingewiesen werden. Die Regierungsparteien änder ten Liese Bestimmung dahin, daß solche Einweisung nach dem billigen Ermessen des Reichspräsidenten oder des Reichstanzlers nur bei ihrer erstmaligen llebernahme erfolgen dürfe.
Paul Boncours Programm. Mis Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses.
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Paris , 8. November. ( Eigenbericht.) Als Nachfolger des zurüdgetretenen Abg. Franklin Bouillon wurde heute der Sozialist Paul Boncour zum Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Rammer gewählt. Von den abge gebenent 32 Stimmen bel 44 Mitgliedern erhielt Paul Boncour schon im ersten Wahlgang 21 Stimmen. Für ihn haben außer den Sozialdemokraten sämtliche bürgerlichen Linksparteiler gestimmt. Die gemäßigten Republikaner " hatten als Gegenfandidaten den Abg. Barthelemy aufgestellt, der es jedoch nur auf 9 Stimmen brachte. Die gesamte Rechte war der Wahl ferngeblieben, da sie von der Aussichtslosigkeit eines Kampfes überzeugt war.
In der Ansprache, mit der Paul Boncour sein Amt antrat, er innerte er daran, daß er seit seinem Eintritt in das Parlament seine ganze Kraft ausschließlich den Problemen der Völkersiche rung und der nationglen Berteidigung gewidmet habe. Durch seine Wahl habe die Kommission ebenso wie durch die seiner zeit fast einmütig erfolgte Bustimmung zu den Berträgen von Locarno den Wunsch nach Fortführung der Bolitit des Friedens und der Verständigung befundet. Diese Politik müsse ohne Echwanken, aber auch ohne Illusionen fortgesetzt werden. Frant reich werbe feine der Sicherheiten opfern, die es augenblicklich besize, ohne daß ihm in einer gleichwertigen internationalen Ga rantie der volle Gegenwert geboten werde; es werde unentwegt an der eingeschlagenen Politik festhalten, die allein die Möglichkeit biete, fünftige Kriege zu verhindern.
Sozialistische Etaffritif.
Die Stammer hat am D'enstag die Etatberatung für 1928 be gonnen. Wie im letzten Jahre, ist auch diesmal die Generalaussprache bis zur Beratung des eigentlichen Finanzgesetzes zurückgestellt. In der Einzelberciung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten beschwerte sich Gen. Faure über die Kohlenpol'tit der Regierung, die nur zu Feierschichten und zu Lohnbewegungen geführt hat. Gen.' Bedouce flogte über den schlechten Zustand der Etraßen und regte an, wieder in größerem Maße die deutschen Sachlieferungen heranzuziehen. Minister Tardieu wich einer flaren Antwort aus.
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Versehung vier Wochen vor dem Mord
erfolgt war. Dennoch war er im Mai 1909 vom Schwurgericht in Edinburg 3 um Tobe perurteilt worden: Neun Geschworene hatten ihn für schuldig befunden, fünf hatten ihr Botum dahin abgegeben, daß die Schuld nicht erwiesen" fei, einer hatte ihn sogar für unschuldig erklärt.
Am Vorabend der Hinrichtung erreichte eine
von 20 000 Bürgern unterzeichnete Petition,
die den Schuldbeweis als ungenügend bezeichnete, daß Slater be gnabigt, b. h. zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wurde. Alle späteren Versuche, das Berfahren wieder zu eröffnen, fchlugen fehl.
Es ist nun in England üblich, lebenslängliche Zuchthäusler, die fich gut aufgeführt und arbeitsam gezeigt haben, nach zwölf, hö dy ft ens fünfzehn Jahren zu entlassen. Diese Voraus. fegungen trafen auf Slater zu. Doch wird er feit 1921 unentwegt im Buchthaus behalten aus einem sonderbaren Grunde, den ein hoher britischer Gefängnisbeamter dem„ Daily Herald" felbft enthüllte: -Slater fann deshalb nicht enflaffen werden, weil er ftaaten
los" ift.
Er hat die deutsche Nationalität verloren, die englische nicht erwerben fönnen. Wenn er in irgendeinem Land ein Domizil nachweisen könnte, dann würde er glatt entlaffen und in dieses Land abgeschoben werden. Da er das nicht fann, wird er in der Strafanstalt von Peterhead behalten! Dabei ist, wie der berühmte Kriminalromanschriftsteller Conan Doyle , ber sich sehr für Slater einfeßt und dieses Argument als eine lächerliche bureaukratische Spitfind' gkeit bezeichnet, die frühere deutfche Adresse Slaters sehr wohl bekannt, da das leẞte, was er vor feiner Auswanderung aus England getan hatte, war, eine Geld. anweisung in Höhe von fünf Pfund an seinen alten, in Deutsch land wohnenden Bater zu senden. Diese Adresse kennen die englischer Behörden.
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Wir meinen, daß unabhängig davon, ob Slater schuldig oder unschuldig war Conan Doyle hält ihn unbedingt für unschuldig etwas für den Mann geschehen muß, der
feit faft 18 Jahren im Zuchthaus fiht und normalerweise seit brei, vielleicht sogar seit a cht Jahren hätte in Freiheit gesetzt werden müssen. Da mun starfe Argumente da für sprechen, daß er fogar gänzlich unschuldig ist, ist es u. E die Pflicht auch ber deutschen Behörden, fich mit den zuständigen englischen Stellen in Verbindung zu sehen. Der Mann war ficher einmal Deutscher . Wenn er, aus welchen Gründen immer. Die deutsche Staatsengehörigkeit verloren hat und, wie namentlich fo piele Ostjuben, ftaatenlos" geworden ist, dann genügt wahrscheinlich Peterhead ein Ende zu mochen. Es scheint jogar, daß die englischen Behörden es nicht ungern fehen würden, wenn Deutschland Slater nachträglich reflamieren würde, damit sie von dem bureaukratischen Dilemma befreit werden, in dem sie sich befinden. Wir meinen jedenfalls, daß das Auswärtige Amt der deutfchen Botschaft in London die Anwe fung geben follte, diefe traurige Angelegenheit in die Hand zu nehmen und nötigenfalls von sich aus Oscar Slater als Reichsdeutschen zu reklamieren. Damit würde das Reich einen Att der Menschlichkeit vollziehen, unabhängig davon,
400 Millionen Goldmart an einem Zage! Washington , 8. November.
Nach einer Zusammenstellung des Schazamtes find am 15. De zember folgende Raten fremder Schulden fällig: non England 92 575 000 Dollar, von der Tschechoslowakei 1 500 000 Dollar, von Belgien 1125 000 Dollar, von Bolen 1000 000 Dollar, ferner Pleinere Beträge von Finnland , Ungarn , Lettland , Litauen und Estland von insgesamt 9.657 400 Dollar.
Als vorläufig uneinbringlich wurden vom Schazamt 250 Millionen Dollar von Rußland und 16 Millionen Dollar von Armenien abgeschrieben.
Ungarischer Anleiheschwindel.
Angeblich rein private Aftion.
Paris , 8. November. ( Eigenbericht.)
Die ungarische Gesandtschaft gibt eine offizielle Darstellung über die Anleihefälschungen, wegen der am Dienstag in Paris drei Berhaftungen vorgenommen wurden. Es handelt sich dabei um verbotene Ausfuhr österreichisch ungarischer Boraugsanleihen aus Ungarn , die mit einem falschen ausländischen Stempel versehen wurden Das Manöver hatte den Zweck, die Anleihefiüde, die in Ungarn nur mit Papiertronen verzinst wurden, als angeblich ausländischen Befiz mit Goldtronen verzinjen zu lassen. Die ungarische Regierung hat gegen die Fälscher Klage eingereicht. Die Angelegenheit, stelle sich also als eine rein private Betrugsaffäre dar, für die die ungarische gierung eine Berantwortung nicht treffen könne.
Lockerung der Handelshemmungen. 18 Staaten stimmen dem Genfer Abkommen zu. Genf , 8. November. ( Eigenbericht.) Das internationale Ablommen über die Abschaffung der Ein. und Ausfuhrverbote wurde gestern in Genf von 18 2ändern unterzeichnet, nachdem die Staaten Japan , Rumänien und Südslawien noch nachträglich ihre Zustimmung au dem Brotofoll gegeben hatten. Amerika behielt sich eine endgültige Stellungnahme noch vor. So wenig befriedigend die Regelung im einzelnen ift, wenn man von der Konferenz eine wesentlich freihe'tlichere Gestaltung des internationalen Handelsverkehrs erwartet hatte, so läßt sich ein bedeutender Fortschritt nach der Richtung nicht ver kennen, daß die Konferenz den ersten bedeutenden inter nationalen Bertrag zwischen einer großen Anzahl von Staaten zur gemeinsamen Regelung internationaler Handelsfrage Colijn , würdigte das auch in seiner Schlußansprache.
Britisches Silber- ruffisches Staatsgut. nur ein Wast der deutschen Botschaft, um der Tragödie von ausgearbeitet hat. Der Präsident der Konferenz, der Holländ
Die lettländische Kriminalpolizei besdylagnahmte, nach einer Meldung der„ Sewoodnja, im Rigaer Zollamt auf Bitten der englischen Gesandtschaft eine Silbersendung, die aus Rußland stammte. Bei der Brüfung ergab sich, daß das Silber der früheren englischen Mission in Petersburg gehört hatte. Im Zusammenhang mit der Beschlagnahme sind sier Bersonen verhaftet morben.
hat der Barteifetretär der Ortsgruppe Berlin der sog.„ Alten SoDie Berliner ASP. gefprengt. Wie„ Der Jungdeutsche" meldet, gelegt. Er geht nach Halle a. d. S. zum Landesverband Mittelzialdemokratischen Partei", Bernhard Rausch, sein Amt niederdeutschland des Stahlhelms, wo er anscheinend Sozialreferent unter Duefterberg werden soll. Rausch war schon seit längerer Zeit Mitarbeiter bei der Zeitschrift Duesterbergs, dem Alten Dessauer".