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Faschismus und Heimatwehr. Tirol und die Berliner Enthüllungen. r. Innsbruck . 8. November. Die Berliner Mitteilungen über die intimen Zusammen- hänge zwischen italienischem Faschismus und Heimat- wehren haben natürlich in Tirol noch viel peinlicheres Aufsehen als sonstwo erregt. Ist doch Tirol das eigentliche Geburtsland der Heimwehrbewegung und stellt ihr in Dr. S t e i d l e den mit dem Munde stets streitbaren Führer. während er von dem sengenden Feuer, mit dem der nationale Paroxismus der Schwarzhemden jede deutsche Regung in Südtirol vernichtet, hinreichend verspürt. Um nur ein Bei- spiel herauszugreifen: Wie schmerzlich empfindet es der Tiroler Landesschulrat, daß es ihm nicht möglich ist. den aus Süd- tirol haufenweise vertriebenen deutschen Lehrern eine Stellung zu geben. Dieses Lehrerelend, das wahrlich nicht allein, aber momentan am sichtbarsten, seine Schatten in die Landeshauptstadt wirst, kann man ermessen. wenn G i a r r a t a n a, der Faschistenkommissar von Bozen , sich rühmt, in der letzten Periode vierhundert deutsche Lehrer und davon allein 1S2S einhundertzwatuig abgebaut, das ist nach der Uebung der Faschisten gänzlich mittel- und subsi st enzlos auf die Straße geworfen und vielfach durch üble landfremde Elemente ersetzt zu haben. Gerode jetzt haben sich die Gegensätze zwischen Deutschen und Italienern sehr verschärft. Der Haß gegen das faschistische Treiben in Südtirol loht überall, wo man rechtlich und neu- zeitlich denkt. Ueber diese ständig wachsende Erbitterung unter den Bewohnern des Inntales kann sich natürlich die Aeimatwehr, die sonst durch und durch faschistisch ist, nicht hinwegsetzen. Die Spuren des ursprünglich gewiß gepflegten Zusammen- Hangs zwischen den Mannen Steidles und Musiolinis wurden sorgfältig verwischt. Doch ging die Heimatwehrleitung noch nie soweit, daß sie offen für die Stammesgenossen in Süd- tirol eingetreten wären. Dieses Verdienst ließ der sonst gewiß nicht wenig ehrgeizige Heimatwehrgeneral den bescheideneren großdeutschen Kompagnons der Einheitsliste. Wie eiie gen» ex macdinn ist am vorvergangenen Sonn- abend Dr. R t n t e l e n als Versammlungsredner in Inns- brück erschienen, was um so mehr auffallen mußte, als in einer ganz ruhigen, versammlungslosen Zeit die Rede eines st e i r i s ch e n Politikers in der t i r o l i f ch e n Hauvtstadt sehr ungewöhnlich ist. Der Erfolg dieser Aktion Dr. Rintelens war denn auch sehr mager: wahrscheinlich ist die geheime Mission, der die«Münchn. R. Nachr." ihre erste Alarmmeldung verdanken dürften, wichtiger ge- wescn als die Maske einer mäßig besuchten Wähleroersamm- lung. Daß die tirolische Gruppe der Heimatwehr sehr für eine gewalttätige Aktion, insbesondere aber für eine Beseitigung des parlamentarischen Systems und des Streikrechts der Beamten und öffentlichen Angestellten ist, das kann man aus berufenem Munde oft genug hier zu hören bekommen. Vielfach ist auch Dr. Steidle nur mehr der Geschobene der von ihm angeworbenen und ins Land gebrachten Offiziere und Militärbeamten, die in einer frifchfröhlichen Hätz auf die Arbeiter ein Ziel der Sehnsucht erblicken. Diesen ist wie. den Steirern auch Lüd- tirol Hekuba. Die Unterdrückung der Freiheit, die Beseiti- gung der sozialen Errungenschaften ist ja eine Hauptzug- nummer im internationalen faschistischen Varietö. Ibr zu- liebe will Rintelen ja auch die S ü d t i r o l e r, deren Leiden er und Dr. Seipel absichtlich übersehen, opfern, wenn nur der Känigsgedanke der Heimatwehr gelänge, im Kampfe derAustro-Bolschewiki" Herr zu werden und die demokra- tische Republik in eine Tyrannei des militanten Bürgertums umzustellen. In Tirol aber werden gerade die Berliner Mit- teilungsn, die den geahnten Zusammenhang mit dem statte- nischsn Faschismus bestätigen, gewiß die Wirkung haben, daß sich viele Gäste der Heimatwehr mit Grausen von ihr wenden. Denn das Wüten faschistischer Unholde an Blutsverwandten, Geschäftsfreunden und Stammesgenossen jenseits der auf- gezwungenen Gre?ze läßt sich nicht wegleugnen. Und schon der leiseste Zusammenhang unserer bürgerlichen Ord- nungszelle mit dem faschistischen Gesindel wird auch dem letzten Gebirgsbauern die Augen über die öffnen, denen er bis jetzt vielfach zietnlich gedankenlos Gefolgschaft geleistet hat. Die auf dem Wiener Parteitag vom Abg. A b r a m verlangte Offensive der Aufklärung in den Alpen- ländern könnte gerade unter dem Eindrucke der diffamieren- den Freundschaft Mussolinis für die Heimatwehren vollen Erfolg für den inneren Frieden in Deutschösterreich bringen.'_ (Siahlhesmüberfall. Die amtlichen Instanzen schweigen. In Embsen , einem Dorfe in der Nähe von Uelzen (Han- nover), hielt der Deutsche Landarbeiterverband am Sonntag eine Kreiskonferenz ab, an die sich ein kleine» Tanz- vergnügen anschloß- Die Veranstaltung war bereits beendet, als mehrere ihrer Teilnehmer von ein» 7 bis III Angehörigen des Stahlhelms ohne jeden Grund überfallen und mit Stöcken und Stühlen niedergeschlagen wurden. Es ist vorläufig nichts darüber bekannt geworden, daß die Staatsanwaltschaft bereits die notwendigen Nachforschungen eingeleitet hat. Das- halbamtliche Wolfs. Bureau und sein schwer- industrieller Konkurrent, die T. U., melden von alledem nichts. Sie sind dagegen mit Feuereifer dabei, wenn einmal Angehörige des Reichsbanners provozierenden Stahl Helmleuten gegenüber vom Recht der Notwehr Gebrauch machen. Oer Rechtsblock ist hartnäckig. Lehnt alle Derbessemngckanträge zur Beamtenbesoldung ab. In der MNtwochsitzuna des Ausschusse» für den Reichshaushalt. in der die Beratung des B e a m t e n b e s o l d u n g s g e s» tz e» bis zum§ fl weiter geführt wurde, rief insbesondere die Frage der An- rechnung der Dienstzeit der Aersorgungsanwärter lange Debatten hervor. Die Regierung schlug folgende Regelung vor: Den Vor- sorgungsanwärtern wird bei der ersten planmäßigen Anstellung. wenn sie im Heer, In der Marine oder in der Schutzpolizei u) acht Jahre oder weniger gedient haben, d'e tatsächlich abgefeisteie Dienst. zeit bis zu einem Jahre, b) über acht Jahre gedient haben, außer- dem die Dienstzeit im Heer, In der Marin« oder in der Schutz- polizei, soweit sie und die nachfolgend« Zvildienstzeit acht Jahre übersteigt, mit der darüber hinausgehenden Zeit, höchstens ober mit weiteren fünf Jahren auf das Besoldungsdienftalter angerechnet.

Alle ran!

Oer Block, der uns den Weg zu Freiheit und Licht versperrt, wankt schon.-Wenn alle anfassen, stürzt er.

Demgegenüber verlangten dl« s o z i a lh« m o t ra ti schen Bertrete» durch den Genossen Sleintops, daß an Stelle der acht Jahre sieben Jahr« gesetzt und daß im Höchstsalle statt der von der Regierung vorgeschlagenen fünf Jahre sieben Jahr« angrechnet werden sollten. Genosse Roßmann verlangte des wetteren, daß Beamten, die schwerkriegsbefchädigt oder nachweislich nur durch die Krkegsteilnahme verspätet zur Anstellung gekommen sind, die voll« beim Hoere zugebracht« Dienstzeit auf das Besolvungs- dienstalter angerechnet werde. Die Regierungsvertreter mußten zugeben, daß di« gegenwärtigen Verhältnisse unhaltbar seien, lehnten aber im Ein- klang mit einem Antrag der Regierungsparteien ab. diese angeblich außerordentlich komplizierte Materie im Gesetz selbst zu regeln, son- dern erklärten, daß eine weiter« als bisher gehende Anrechnung in den zu erlassenden Ausführungsbeftimmungen vorgesehen werden würde. Solchem Ausweichen widersprach Genosse Roßmavn. Auch der Zeritrumssuhrer Dr. v. Guerard bedau ert« die unklare Haltung der Regierung und oerlangte bis zur zweiten Lesung eine genaue protokollarische Darlegung der Absichten der Reg'erung. Je nach dem Inhalt dieser Dgrlegung würden die Regierungspartsien sich dann das weiter« vorbehalten.

Eine lebhafte Aussprache rief dann noch die Forderung der sozialdemokratisch«» Vertreter hervor, daß neben dem Grundgehalt nicht ein Wohnungsgeldzuschuß, sondern Ortszuschlöge gewährt werden sollen. Wie bisher wurden in der Abstimmung alle Antröge der Oppostt'vn abgelehnt. Abklingender Rationalismus. Versöhnungsworte in der Tschechoslowakei. > Prag. S. November. Im Budgetousschuß des Abgeordnetenhauses bezeichnete Ministerpräsidem S v e h l a di« Organisierung des Landwirtsstandes als sein Lebenswerk. In der Bodenreform kann sich kein Staat in Europa solcher Erfolge rühmen wie die Tschechoslowakei . Es lag nicht in unseren Intentionen, die Bodenreform zur Ratio na- l i s l« r u n g zu benutzen. Beweis dafür ist, daß an der Erwerbung des gepachteten Bodens mehr d e u t s ch« als tschechiche Bewerber(?) teilhatten. Di« tschechisch-deutsche Zusammenarbeit ist ein« allzu ernste An- gelegenheit, als daß sie mit einigen kurzen Bemerkungen abzufertigen ist. Ich bin fest überzeugt, daß das nationale Problem seine Lösung finden wird. Die ganze Entwicklung geht dahin, den Kampf durch ein Einvernehmen ersetzen zu können. Es ist kein Unglück für unser Land, daß«s von zwei Rationalitäten bewohnt ist. Es ist dies vielmehr«in großes Plus, da durch angestrengten Wett- kämpf ein höheres Kulturniveau erreicht wird. Ich glaube an den Sieg der gesunden Vernunft, die eine fruchtbare Zusammen- arbeit beider Nationen gewährleistet, und ich werde m�ne Kräfte immer für die große Idee zur Verfügung stellen.

Wahlen in Rordamerika. > Erfolg der Alkoholverbotgegner. New park. 9. November. Verschiedene Wahlen, bei denen es sich um lokalpolitische Fragen handelte, sind fast ohne Zwischenfälle verlassen. In L o u i» v i l l«(Kenwcky), wo der scharf« Wahlkampf zwischen dem demokratischen und dem republikanischen Gouverneurstandidat?» noch unentschieden ist, wurden zwei Wähler bei einer Schießerei getötet. In Wikkesgarre(Pennsylvanien) kam es mehrfach zu Tumulten, da Wahlurnen wegen versuchten Wahlbetruges beschlagnahmt wurden. Im Staate New Pork zeigt der Wahlausfall eine Stärkung des Prestige» von Gouverneur Smith, der vielfach als demokratischer Präsidentschaftskandidat genannt wird. In Detroit wurde ein Prohibitionsgegner zum Bürgermeister gewählt. Auch In Ohio hat sich in dem Ausfall der Wahlen eine prohibitionsfeind l-i che Stimmung gezeigt.,

Städtische Oper.

Debossypelleas und Melisande ". Dieses Mustkdrama, in Berlin fett zwanzig Jahren nicht mehr gegeben, fand in der gestrigen Neuaufführung der Städtischen Oper lebhasten Beifall, der sich am Schluß für alle Mitwirkenden zu stürmischer Begeisterung steigerte. Bruno Walter brachte in vollkommen harmonischer ZstsämmeNarbelt Mit Karl Heinz Martin die vielfältigen Reize de» bedeutenden Werke» zu unge- ohnter Mrkung. K.

Hochschule oder Hetzschule? Ein Berliner Professor, der Republik und Regierung verächilich machi.

Der Lehrer für Rechtsgeschichte an der Berliner Umoersität Prof. v. M o e l l e r mißbraucht sein Amt zu einer politischen Hetze gegen die preußische Regierung und gegen die Republik . Sein« Einstellung zu dem Staat, dessen Arbettnehmer er ist, kennzeichnet« er in einer seiner Vorlesungen selbst durch«in Zitat au« X. F. Meyers.Huttens letzte Tage": V «Und schmiede Du uns unsr« alle Kaiserkrone neu!" Noch deutlicher wurde er, als er während einer Vorlesung über Deutsche Rechtsgeschichte" einen Werbebogen der«Deutschen Repu- blik" nach spöttischen Bemerkungen über die Farben de« Reiches, Schwarzrotgold, vor de* Augen der Studenten mit den Worten herumdrehte: Jeder, der sehen kann, fleht, daß sich die Republik drehen kann. Mal steht sie rechts, mal steht sie sink», manchmal fleht sie auch aus dem Kops." Nach diesen Proben nimmt es nicht wunder, daß dieser preußische Hochschullehrer seinen Lehrauftrag auch zu einer nledertrSch- t i g« n Hetze gegen den preußischen Staat und gegen die preußische Stoatsregierung mißbraucht. Die nötige Hochachtung vor dem Staat glaubt er den Hörern, die auf den Staatsdienst vorzubereiten sein Austrag ist, dadurch beizubringen. indem er ihn alsMuseum GrzcsinskI" bezeichnete. Den Respekt vor der Staatsregierung, unter der die jungen Rechtsbefllssenen einmal arbeiten sollen, impft er seinen Hörern ein, indem er sie vom Katheder herab zum Kampf gegen den Kultus- minister auffordert: Meine Herren! Auf der einen Seile steht die deutsche Slu- denlenschasl und die gesamten deutschen Professoren, soweit sie Christen sind und auf der anderen Seile steht ein Mann. der auch kein Halbgott ist." lim diesenMann" näher zu charakterisieren, bespricht er«ine Stelle au» Kultusminister Becker» BuchThrtstentum und Islam " und nennt den darin vertretenen Standpunkt matt» herzig, schwach und elend. Daß dieser von Mocller waschechter Antisemit ist, versteht sich von selbst. Daß der von Moeller außerdem vi« Hochschule mit einer politischen Hetzanstatt zwecks Züchtung eine» Hemds- ärmeligen Schlagetot. Antisemitismus oerwechselt, sollte sich eigentlich nicht von selbst verstehen, läßt sich aber dokumentarisch belegen. Gleich zu Anfang des Semester«, da« er mit einer Bemer- kung über da»verjudete römische Recht"«ingeleitet hatte, zitiert« er mit bewußter Tendenz und berechnetem Patho» den Schlußsatz aus einer Rede des Theologen Paul Kleiner!: -Dos Ungeziefer, das aus der Wüste stammt, muß man unter den Füßen zertreten." Gekrönt wird die bisherige akademische Tätigkeit des oon Moeller durch dieMannestat", die er sich in seinem

Dienstag-Kolleg überpreußische Rechtsgeschichte" leistete. Er for- derte dt« Katholiken und Protestanten auf, sich zu- sammenzuschließen und alles aus dem valerlande zu entfertzen. was nlchl deutsch und nicht christlich sei. Als sich in den Beifall Protest- ruf« mischten, fuhr der von Moeller fort: Die Studenten, die sich hierzu in bewußten«Segensah stellen. haben nicht da» Rechk. hierzubleiben." Ostentativ o e r l i e ß e n einige Studenten den Saal. Der von Moeller rief Ihnen, indem er höhnisch zur Tür wies, nach: ..E» lst ulcht schade drum!" Es hat einen Fall L e s s i n g gegeben, well einem Rudel von Radauantisemiten die journalistische Tätlgkett dieses hannoverschen Hochschullehrers nicht gefiel..Das, was sich der Berliner Rechtslehrer von Moeller fortgesetzt geleistet hat, ist hundertmal schlimmer. Gtudententum und Sroßdeutfchland. In dem Kampfe, den dieDeutsche Studentenschaft " gegen den preußischen Kultusminister Becker führt, spielt seit einigen Wochen eine vertrauliche Unterredung eine Rolle, die der Minister kürzlich mit dem Vorstand derDeutschen Studen­ tenschaft " hatte. Der Vorstand hat von dieser Unterredung, in deren Verlauf von keiner Seite irgendwelche Notizen gemacht worden waren, eine sogenannt« Niederschrift veröffentlicht, die dem Minister überhaupt nicht vorgelegen hat. In einer Erwiderung stellt Kultusminister Dr. Becker jetzt fest. daß er mehrfach schriftlich und mündlich die g r o ß d e y t s ch c Koalition als wünschenswert bezeichnet habe, daß daran jedoch alle Ausländsdeutschen ohne Unterschied der Rasse und Kon- fession beteiligt werden müßten. Eine Koalition mit ausschließlich völkischen Gruppen könne dagegen nicht geduldet werden. Solange also die östorretchlschen und böhmischen Gruppen auf ihrem retn parteipolitisch gestimmten Standpunkte verharren, sei leider nur eine reichsdeutsch« Koalition möglich. Ferner betont der Minister gegenüber gehässigen Entstellungen derDeutsch »' Studentenschaft", daß die Berschörfung der Kontrollausgaben des Vermögenebeirot« durch das Staatsministerium wegen zahl- reicher Unregelmäßigkeiten i» der Kossenverwattung einzelner Studentenschaften notwendig geworden sei. Da« Recht des Ministerium«, bei der Prüfung de« Haushaltsplanes Ausgabe- posten zu streichen, habe auch nach dem alten Studentenrechte be- standen und sei auch mehrfach ausgeübt worden. Diese Aeußerung des Minister» bringt eine begrüßenswerte Klärung in den leidigen Konflikt der deutschvölkischen okademischen Jugend mit der staatlichen Hochschulbchörde. Sie wird hosfentlich dazu beitragen, eine reinliche Scheidun<s zwischen den agitatorisch oerhetzten und den anstöndigen Elementen innerhalb der Studentenschaft herbeizuführen.