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44. Jahrgang

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Borwärts" mit der illustrier ten Sonntagsbeilage, Volt und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wissen"," Aus der Filmwelt" Stadtbeilage", Frauenstimme", " Der Rinderfreund"," Jugend- Bor märts" Blick in die Bücherwelt", Rulturarbeit" und Technit" erscheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.

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enufots 190 Freitag 11. November 1927

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

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Wahlkampf für Angestellte. Kampf um die Gemeinschaftsschule

Sozialer Ausbau der Versicherung.

Bon Paul Lange.

Der verfaffungswidrige Paragraph 3.- Keudell bezeichnet Anträge der Deutschen Volkspartei   als verfassungswidrig!

Abg. Biefter( Soz.) fragt die Regierungsparteien, was sie fich eigentlich unter chriftlichem Geist vorstellen. Abg. Seydewih( Soz.) wendet sich gegen die Regierung, die auch bei der Debatte um diesen Paragraphen es noch nicht für notwendig gehalten hat, zu der Ver­fassungsmäßigkeit irgendein Wort zu sagen. Gegenüber den Angriffen des Abg. Runkel auf die sächsische Volksschule weist der Redner nach, daß die fächsische Gemeinschaftsschule durchaus mit der Reichsverfaffung übereinstimme,

Die Wahlen der Bertrauensmänner zur Angestelltenversicherung, die in Berlin   und in einem großen Teile des Reichs am 13. November, in anderen Der Bildungsausschuß des Reichstages feßte heute die Debatte Abg. Schred( Soz.) wandte sich ganz energisch gegen diese Be­Gegenden etwas später stattfinden, geben den Berufsver bänden der Angestellten Gelegenheit, ihr sozialpolitisches Pro- über den§ 3 des Schulgeleges fort, der den Charatter fräntung der Redefreiheit; er gab dabei der Meinung gramm zu entwickeln. Die freige wertschaftlichen der Gemeinschaftsschule beſtimmt. Von der Gestaltung Ausdruck, daß die Berhandlungen durch rechtzeitige und ein­AfA- Verbände( Zentralverband der Angestellten, dieses Paragraphen hängt im wesentlichen die Zukunft der Gemeindeutige Erklärungen der Regierung beffer gefördert worden wären, als durch fleinliche Beschränkungen der Redezeit. Deutscher   Wertmeisterverband, Bund der technischen Ange- fchaftsschule ab. ftellten und Beamten, Genossenschaft deutscher Bühnenange­Der Antrag der Regierungsparteien wird mit 15 gegen 12 Stimmen höriger, Allgemeiner Verband deutscher Bankangestellten, der Sozialdemokraten, Kommuniffen und Demokraten angenommen. Darauf ergreift endlich wieder einmal der Reichsinnenminister Internationale Artiſtenloge, Verband der Zuschneider, Bo­lier, Werk- und Schachtmeisterbund usw.) vertreten bei diesen Keudell das Wort zu einer seiner nichtssagenden Erklärungen. Mit Wahlen ihre freigewerkschaftlichen sozialpolitischen Grund­vielen Worten, aber ohne Beweise, wiederholt er die Behauptung, jähe und versprechen den Wählern, für einen zweckmäßigen daß sein Entwurf verfassungsmäßig sei und daß insbesondere der Ausbau der Angestelltenversicherung durch 83 der Berfassung entspreche. Erhöhung der Leistungen einzutreten. Die Reaktion in der Angestelltenbewegung läßt unter Führung des Deutschnatio­ nalen   Handlungsgehilfenverbandes thre eigenen Ziele mög­lichst im Hintergrunde verschwinden. Ihr Programm" be steht hauptsächlich in übler Nachrede gegen die Af- Berbände. Sie wirft ihnen vor, daß sie eine Berschmelzung der Ange­stelltenversicherung mit der Invalidenversicherung" herbei führen und auf diese Weise die pon den Angestellten Die Regierungsparteien, die am liebsten morgen schon die Be­angesammelten Reserven den Arbeitern zuführen mollten. Ziel der Af- Verbände sei es, so wird weiter beratung des Schufgefeßentwurfes beenden möchten, brachten einen Antrag ein, hauptet, den Angestellten nicht höhere Leistungen an Ruhe­geld, Witwen- und Waisenrenten zukommen zu lassen, als fie die Arbeiter in ihrer Invalidenversicherung haben. Drittens werden die Af- Verbände verdächtigt, sie stellten absichtlich viel zu hohe Leistungs forderungen an die Angestelltenversicherung, um sie zu ruinieren.

Selbstverständlich sind diese gegen die AfA- Verbände ge­richteten Borwürfe unlautere Wahlmanöver, deren Unwahrheit offen zutage liegt. Die von der Angestelltenver ficherung angesammelten Reserven seßen sich zusammen aus den Anwartschaften, die die einzelnen Versicherten durch ihre Beitragszahlung erworben haben. Wer wollte sie ihnen nehmen? Die Behauptung, daß die AfA- Verbände die Leistungen der Angestelltenversicherung auf die der Inva lidenversicherung herabschrauben wollen, ist ebenso offenfundig erlogen. Das ergibt sich schon aus der Tatsache, daß den Af- Berbänden zugleich nachgesagt wird, durch ihre zu hohen Leistungsforderungen wollten fie die An­gestelltenversicherung ruinierenle

Dagegen stehe der§ 3 in unbedingtem Widerspruch

zum Artikel 149 der Reichsverfassung,

der im Absatz 2 bestimmt, daß es von der Willenserklärung der Erziehungsberechtigten abhängt, ob ihr Kind am Religionsunterricht teilnimmt.

ber die Rebezeit bei den einzelnen Paragraphen be schränkt für den ersten auf zwanzig Minuten und auf zehn Minuten für jeden weiteren Redner.

Den Antrag des Abg. Runkel, der die Gemeinschafts­schule sogar auf christlicher Grundlage aufgebaut wissen will, bezeichnet der Reichsinnenminister im Auftrage der Regierung für verfassungswidrig, weil er im Widerspruch mit Abs. 1 des Artikels 146 steht.

Wenn aber das Verlangen Runfels nach der christlichen" Grundlage verfassungswürdig ist, dann ist es auch der Regierungs­entwurf, in dessen§ 3 es neben der religiös sittlichen Grundlage" heißt, daß in der Gemeinschaftsschule die aus dem Christentum erwachsenen Werte.... sind im Unterricht und in der Erziehung lebendig zu machen." Gerade die Erklärung des Herrn Reudell zum Antrag Runkel   beweist, daß auch der Entwurf der Regierung verfaffungswidrig ist. Die Beratungen werden fortgesetzt.

Reichswehrgeschäft mit Hugenberg

Neue Phöbus- Transaktion im Gange.

Wie wir zuverläffig erfahren, ift eine neue Phöbusfilm­Transaffion der Reichswehr   im Gange. Der Reichssparkommiffar Sämisch, der in das Filmgeschäft der Reichswehr   hineinleuchten soll, hat seine Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Das Reichs­mehrminifterium versucht nun unter der Hand die Aktien der höbus- Film A.-G. foleunigst abzuschieben Hugenberg

an

Die Affien der Phöbus- A.- G. find ziemlich werflos, das einzige wesentliche Attivum der Gesellschaft find die drei großen Filmtheater fapitol, Marmorhaus und Europahaus, die das Reichswehr­minifterium an Hugenberg verschieben will.

Das Memorandum Parker Gilberts hat eine erregte Debatte über die angebliche Verschwendung von Ländern und Gemeinden hervorgerufen- warum ist nicht mit einem Wort die Rede von der Berschwendung im Reichswehretat und den Machen­aften des Reichswehrminifteriums?

Dem Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband und feinen ihm nachlaufenden Hörigen( Gewerkschaftsbund der Angestellten, Frauenberufsverbände, Deutscher Bankbeamten­verein usw.) ist es in Wirklichkeit um etwas ganz an deres als um den Inhalt der Angestelltenversicherung zu tun. Gie verfolgen politische 3wede, und zwar im Sinne der in Unternehmerdiensten stehenden deutsch   nationalen Partei. Sie begeistern sich an Der Form der Sonderversicherung der Angestellten vor allem, weil sie darin ein äußeres Trennungsmittel der Angestellten gegen die Arbeiter erblicken. Darum hatte man die Angestelltenversicherung ursprünglich in ihrem inne ren Verwaltungsapparat ganz anders ausgestaltet, als es bei der Invalidenversicherung der Fall ist. Bei der lezte­ren gab es von jeher für jeden Bersicherten die Versicherungs farte, in die die Bersicherungsmarken eingeflebt werden. Bei Es ist bekannt, daß sich die Deutsch nationalen vor ben der Angestelltenversicherung aber hatte man ein zentrales nächsten Reichstagswahlen fürchten. Sie bereiten deshalb Buchführungssystem eingeführt und den Angestellten verfchon jetzt ihre Trid's vor, mit denen sie die Wählermassen fangen sprochen, er werde in jedem Jahre einen Auszug feines Ber wollen. Auf die Werbekraft der Partei und das Programm der ficherungstontos erhalten. Das Kontensystem erwies fich laffen fie fich dabei weniger als auf die Dummheit der anderen. binnen furzem als völlig undurchführbar, so daß an Stelle

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Hugenberg macht mobil.

dieser angeblich laufmännischen Buchführung" in ganz Furzem Zeitraum eine völlige mis- und Schandwirt. Diese Angleichungen der Angestelltenversicherung schaft getreten war. Das mußte der Reichsarbeits an die Invalidenversicherung sind höchst bedeutungs minister am 5. November im Reichstage zugeben. Inzwischen ist auch bei der Angestelltenversicherung diefe to stspielige Mißwirtschaft wieder beseitigt; man hat auch hier die Versicherungskarte und die Bersicherungsmarte ein­führen müssen.

Besonders rührig ist Hugenberg, über den die Bossische Beitung" berichtet:

,, Er geht mit einer für deutsche Verhältnisse unerhörten Groß­zügigkeit, dank der unbeschränkten Mittel, die aus den Inflations­gewinnen seiner Gruppe zugeflossen sind, daran, für den Wahlkampf

den Film nugbar zu machen. Seiner Gewohnheit entsprechend, pertappt er sich dabei. Er maskiert das Unternehmen als Deutsche Bolts lichtspiele", eine Gesellschaft, deren Sizz merkwürdigerweise Naumburg   a. d. Saale   ist. Dort war, wie man fich erinnert, der Kreis, aus dem der Kapp- Butsch seine gedankliche Fundierung erhielt. Der Rappist Schiele gehört mit zur Devoli", wie sich diese deutschen   Boltslichtspiele, nach Art der Ufa  , abkürzend nennen. Neben dem Grafen   v. d. Schulenburg gehört dann vor allem Hugenberg dazu.

Die Devoli hat bei Ford 400 Spezialkraftwagen bestellt, die mit den fertigen Apparaten, den nötigen Filmrollen, Projektionsflächen und übrigen Zutaten in Kolonnen zu je 20 von Raumburg über ganz Deutschland   ausstrahlen sollen. Die Finanzierung wird sehr geschickt dadurch erleichtert, daß ein Teil der Filme Reklamefilme find, zu dem die betreffenden Industrien Beihilfe zahlen. Andere Filme find Schul- und Lehrfilme, die als folche Steuerfreiheit genießen. Den Clou des Programms soll die entsprechend zurecht geftugte politische Wochenschau

bilden.

amangsweise umfaßt, tein privattapitalisti= fches Bersicherungsinstitut ist. Ein solches Institut polle Berbesserungen. Sie sind fämtlich durch muß auf streng versicherungstechnischer Basis beruhen. Es die Af Berbände erkämpft worden. Heute muß muß damit rechnen, daß der Neuzugang von Versicherten selbst der Deutschnationale Handlungsgehilfenverband aner ausbleibt und ihre Versicherten mit fortschreitendem Alter tennen, daß diese Neuerungen höchst wertvolle höchstwahrscheinlich immer mehr Anspruch an Renten usw. wirtschaftliche Vorteile für die Angestellten bieten. ftellen. Bei der Angestelltenversicherung ist das anders. Das Die ursprünglich bei der Sonderversicherung für Ange- Die Af- Verbände haben den Inhalt des Angestelltenversiche Gefeß garantiert ihr dauernd den Neuzugangan stellte vorgesehenen Rentenausschüsse. Schiedsgerichte und das rungsgefeges verbessert; die reaktionären Führer innerhalb Bersicherten, indem jeder, der Angestellter wird, der Bei­Oberschiedsgericht sind auf Betreiben der AF- Berbände der Angestelltenbewegung aber find voll verbiffener But, daß tragspflicht unterworfen ist. Das Versicherungs­glücklicherweise beseitigt worden. Dafür wurden bei den die ursprünglich organisatorische Kluft zwischen Angestellten- rifito wird also durchschnittlich nicht immer schlechter, wie Spruchbehörden der Invalidenversicherung, nam- und Invalidenversicherung nicht aufrechterhalten werden es bei einem privaten Versicherungsinstitut sein kann. Das lich dem Versicherungsamt, dem Oberversicherungsamt und tonnte. Bersicherungsrisito bleibt im großen und ganzen dasselbe. dem Reichsversicherungsamt besondere Abteilungen Daß die AfA- Verbände zu hohe Forderungen stellen, die Deswegen braucht eine solche 3wangsversicherung nicht ein für Angestellte eingeführt. Die ursprüngliche organi- geeignet wären, bie Angestelltenversicherung finanziell zu immer größer werdendes, bis ins Unendliche fatorisch vollständige Trennung der Angestelltenversiche- ruinieren, ist eine zu Bahltäuschungszwecken erfundene Un- wachsendes Vermögen anzufammeln. rung von der Invalidenversicherung hatte den Nach wahrheit. Die Af- Verbände wollen aber dafür sorgen, daß Das Geschrei, das die reaktionären Führer der Ange­teil, daß alle Arbeitnehmer, die aus der einen die Versicherten für die hohen Beiträge eine entstelltenversicherung über die zu hohen Forderungen" der Versicherungsart ausschieden und in die die andere ein fprechenbe Gegenleistung erhalten. Die Ange AfA- Berbände erheben, erklärt sich nur daraus, daß diese traten, ihre früher erworbenen Anwartschaften verloren. In- ftelltenversicherung muß ein gewiffes Vermögen anreaktionären Führer politisch mit den Unterneh gmischen ist eine Berbindung beider Versicherungen herbeige- ammeln, um die an sie später zu stellenden Leistungen zu mern verfippt sind und in derem Geiste arbeiten. führt worden, so daß im Falle eines solchen Berufsmechfels befriedigen. Das wiffen die Afa- Berbände ebensogut wie die Wer den sozialen Fortschritt erstrebt und den Kasten­ihm die Anwartschaft in feiner früheren Versicherung ange- Klopffechter des DHB.; aber sie wissen auch, daß die Ange- düntel ablehnt, arbeitet für die Listen der AfA- Ver­rechnet wird. stelltenversicherung, die alle Kreise der Angestellten bände!