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Freitag

11. November 1927

Kulturarbeit

Der Arbeiterstudent.

Bon stud. phil. Wilh. Tietgens  .

Man begegnet immer wieder der Auffassung, daß die Arbeiterstudenten von der Partei unterhalten werden und auf Rosten der Partei studieren. ,, Ein Studium fostet viele tausend Mart," heißt es gewöhnlich ,,, ich lönnte meinen Jungen oder mein Mädel nicht studieren lassen! Wer anders sollte denn das Geld hergeben, wenn nicht die Partei eingreift?" In dieser Meinung liegen zwei grundlegende Fehler. Einmal foftet ein Studium nicht ,, piele tausend Mart". Wenn ein Studium früher mit großen Geldausgaben verbunden war und es heute noch für viele ist, so braucht das nicht mehr zu sein. Das Freistudententum ist heute soweit vor gedrungen, daß es in fortschrittlichen Kreisen als lächerlich gilt, zu schlagenden oder nichtschlagenden Korporationen zu gehören. An Stelle dieser unnüßen Verbindungen haben sich heute

wirtschaftliche Selbsthilfeorganisationen gebildet. Diese bewirten eine Herabseßung der Lebenstosten des Studenten gegenüber der eines gleichaltrigen Nicht studenten um etwa 30 Proz. Das bedeutet für den Studenten einen durchschnittlichen Monatsbedarf von etwa 120 Mart in einer Großstadt. In dieser Summe ist enthalten: Zimmermiete, Beföſtigung, Kleidung und Sonstiges. Sie erhöht sich im Semester um etwa 30 Mart monatlich für Bücher und Lehrbedarf, so daß ein Semester mit vier Monaten etwa 600 Mark erfordert, zuzüglich der Studiengebühren von 100 bis 140 Mark pro Semester, sofern diese nicht erlassen, ermäßigt oder gestundet werden. Der andere Irrtum liegt in dem Wort studieren laffen". Dieses Wort ist für die Arbeiterstudenten ein völlig unzutreffender Begriff.

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Es ist niemand, der sie studieren läßt, feine reichen Eltern oder Angehörigen, und auch nicht Partei oder Gewerkschaft. Wie sollte die Partei alle unbemittelten Studenten, die sich Parteigenossen nennen denn sie alle hätten ein gleiches Anrecht- wirtschaftlich ausrüsten können? Wenn die Partei sich so der Kategorie der Studenten gegenüber einstellte, wäre fie auch gegenüber anderen Kategorien zu gleichem ver pflichtet. Aber die Partei fann feine Lebens- oder Berufs­versicherung werden.

Die Aufgabe der Partei in dieser Frage und ihr Verdienst auch um die Arbeiterstudenten liegen auf einem anderen, auf fulturellem und wirtschaftlichem Gebiet. Daß überhaupt jetzt die Möglichkeit besteht, daß Arbeiter studieren und in Berufe eindringen, die ihnen bisher verschloffen waren, das ist das

große Verdienst der Sozialdemokratie. Nie wäre ohne fie, nie wäre ohne den Umsturz 1918 diese Errungenschaft gekommen.

Wie aber ermöglichen denn die Arbeiterstudenten ihr Studium? Hierbei ist zu beachten, daß zu diesem Studium nicht allein die acht bis zehn Semester auf der Universität gehören, sondern, da die Arbeiterstudenten meist nur Bolts­schulbildung besaßen, auch die Borbereitung zum Abiturium oder zur Begabtenprüfung, die man mit zwei bis drei Jahren ansezen muß. Dazu tommt bei den meisten bis zum Antritt einer vollbezahlten Stellung zwei bis drei Jahre Assessor­oder Assistentenzeit mit geringem Verdienst. So vergehen acht bis elf Jahre, bis der Arbeiterstudent wirtschaftlich sicher steht.

Besonders schwer sind die zwei bis drei Jahre vor dem eigentlichen Studium, da die Abiturienten nicht die Bergünsti­gungen der Studentenorganisationen genießen. Deshalb haben hier zum Teil Partei- und Gewerkschaftsbetriebe oder einzelne Parteigenoffen eingegriffen und den jungen Leuten durch Halbtagsarbeit, die sie in bürgerlichen Betrieben natür­lich nicht finden, die Grundlage zur Eristenz gegeben. Für die Monate der Reifeprüfung, in denen selbst eine Halbtags: arbeit über die Kräfte des einzelnen ging, standen Beihilfen zur Verfügung, so von dem verstorbenen Genossen Heinrich Braun, von der Ebert Spende, von Kommunen und Provinzen. Mit dem bestandenen Eramen jedoch erloschen diese Beihilfen, und die Arbeiterstudenten waren wieder auf eigene Kraft angewiesen.

Freilich gehörten fie jezt zur Studentenschaft und ge­noffen die Bergünstigungen der Wirtschaftsbeihilfen, die- wie oben angeführt das Leben um 30 Broz verbilligen, und außerdem in eigenen Betrieben und durch das akademische Erwerbsvermittlungsamt Arbeit und Verdienstmöglichkeiten schaffen oder nachweisen. Ein fleiner Teil der Arbeiter studenten wurde durch die Studienstiftung des deutschen Volkes   sichergestellt, jener großen Organi fation, die, getragen durch Mittel des Reiches, der Länder, Industrie, Wirtschaft und Privater, besonders ausgewählten Studenten und Studentinnen ein völliges Frei­studium gewährt. Aber auch für diese und noch mehr für die anderen Arbeiterstudenten heißt es in den Ferien:

Arbeiten, um Geld zu verdienen! Für sie alle sind die Ferien nicht Wochen der Erholung, sondern Wochen beruflicher Arbeit, Wochen des Geldver dienens in der Fabrit, im Bureau oder durch andere Gelegen­heiten. Sie alle find, außerhalb des Besizes stehend, dem gleichen Zwang des Eristenzkampfes unterworfen wie ihre Kollegen überall in den Betrieben, für die die Partei durch Wirtschaftsbeihilfen ebenso wenig forgen fann. Sie alle find wie jene: Proletarier, Kämpfer. Aber sie sind auch wie jene: Aufsteigende, Gläubige an die Idee des Sozialismus, für die sie zusammen wirken und streben!

* 0* 0* 0* 0* 0* 0* 0* 0* 0000000000000000 Die Kunff fann niemand fördern als der Meiffer. Gönner fördern den Künstler, das ist recht und gut; aber dadurch wird nicht immer die Kunst gefördert. Goethe.

Beilage des Vorwärts

Arbeitersport Arbeiterbildung

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Körper- und Geistesbildung im Dienste der Partei.

Und

Zweifellos stehen nicht teine Streife der organisierten Arbeiter-| aufnahmefähig zu machen. Mehr als bisher ist aber von Sportler­schaft der Arbeiter- Turn- und Sportbewegung mit Vorurteil und Mißtrauen gegenüber. Es ist ebenso zweifellos, daß diese Einstellung nicht unbegründet ist und daß sie von Unzulänglichkeiten und Aus­wüchsen im Sportlager genährt wird. Man braucht nur an die Zu­stände zu denken, die sich in der Arbeitersportbewegung Berlins  , die in fommunistischem Fahrwasser segelt, heraus gebildet haben, und man wird die Abneigung vieler positiv am Aufstieg der Arbeiterklasse schaffender Genoffen gegen den. Arbeiterziehungsarbeit: tameradschaftlichen Gemeinschafts­sport verstehen, so wenig natürlich an fich die Berliner   Verhältnisse für das Reich maßgebend find.

Nun darf man andererseits zur Erklärung vieler Mängel der Arbeitersportbewegung fagen, daß sie nicht im vorhandenen Maße eingerissen wären, wenn Partei, Gewerkschaften und sozialistische Bildungsarbeit stärker im Arbeitersport gewirkt hätten. Gerade das Berliner   Beispiel zeigt, so bedauerlich es ist, daß die Maffen der freien Sportler für politische Ziele zu gewinnen find. Daß sie in diesem Falle nicht für uns gewonnen wurden, sondern für die Kom­munisten, liegt zwar zum Teil an deren skrupelloser Agitation, zum anderen aber auch sicherlich an der Partei, die viel mehr und mit anderen Mitteln eingreifen müßte. Denn an sich ist die Sport bewegung politisch gesund; und eine gut fundierte, energisch geführte und vor allem ständige sozialdemokratische Gegenwirtung fann sehr wohl der kommunistischen   Phrasenagitation ein Paroli bieten, zumal von den Spizzen der Arbeitersportbewegung im sozialdemo­fratischen Sinne gearbeitet wird.

Neuerdings scheint, im ganzen gesehen, die Zusammenarbeit von Bartei, Gewerkschaften, Arbeiterbildung und Arbeitersport enger zu werden. Gewerkschaften und Partei erkennen, was für ein großes Kräfiereservoir die proletarischen Leibesübungen treibenden Ber bände für sie fein fönnten, wenn man stärker in ihnen wirkte und die vorwiegend gefühls- und willensmäßigen Beeinflussungen, die vom Sport ausgehend das geistige Gesicht des jungen: Arbeiters mit gestalten, für die sozialistische Arbeiterbewegung nugbar machte.

Organisatorisch ist das Kulturtariell der geeignete Rahmen für die engere. Berbindung von Bartei, Gewerkschaften, Kultur- und Sportorganisationen. Ein Kulturfartell ohne ein Sport­fartell ist ein Unding. Der Einwand: Die Arbeitersportler haben aber fein Interesse für geistige Dinge" schlägt nicht durch Sie ar die Arbeitersportbewegung als fulturell grundsätzlich notwendigen beiten in der Regel gern mit. Bedingung ist allerdings, daß man Teil der Arbeiterbewegung anerkennt. Es muß versucht werden, sie unter der Formel Körper und Geistesbildung" als selbständigen Teil der sozialistischen   Bildungsarbeit organisch in die proletarische Kulturbewegung einzugliedernt. Das ist feine Ber. fündigung am Geiſle, denn Ste Gleichberechtigung von Rörper und Geistesbildung ist ein altes pädagogisches Ziel, wenn auch leider nur ein theoretisches. Außerdem muß in vielen Fällen einer geistigen Arbeit des Handarbeiters eine Auffrischung durch Sport und Spiel rorangehen, um ihn nach dem ermüdenden Trett der heutigen mechanisierten Betriebsweise überhaupt erst wieder geistig

Vom Arbeiterfängerbund.

Borbereitungen zum 1. deutschen   Arbeiterfängerfest

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feiten wegen um ein weiteres Jahr verschoben, findet vom 16. bis Seit zwei Jahren vorbereitet und der wirtschaftlichen Schwierig 18. Juni 1928 das erste deutsche Arbeiterfängerfeft in Hannover   statt. Und zwar in einem Ausmaß, mie es bisher noch nicht erlebt worden ist. Als vor mehr als Jahresfrist der bürgerliche Sängerbund feine Scharen nach Hannover   entbot, um dort Propaganda für seine Arbeit zu machen, geschah dieses vor allem in der Form von Männerchortonzerten. Auch der deutsche Arbeitersängerbund war ja ursprünglich auf das Männerchor ist es nun gelungen, durch die Volt schor bewegung allent wesen eingestellt. Aber in jahrzehntelanger fyftematischer Arbeit halben in Deutschland   große gemischte Chöre aufzustellen, die den Klaſſengenossen die großen Meisterwerke der Kunst vorführen. Hier hat also unsere Arbeiterfängerbewegung gerade auf dem wichtigsten Flügel den bürgerlichen Deutschen   Sängerbund, der immer noch die Frau von der Betätigung im Gesange ausschließt, weit überholt. Unsere Männerchortätigkeit hat sich in der Hauptsache all­mählich auf das Gebiet beschränkt, in dem diese Chorgattung die Hauptrolle spielt, den Stampf- und Tendenzchor.

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Beide Formen unserer gesanglichen Arbeitermusikbewegung wird bas hannoversche Musikfest bieten: einmal in Form von acht " Spigentonzerten", in denen Meisterwerfe non Bach, Beethoven  , Berlioz  , Brahms  , Händel, Haydn  , Verdi usw. aufge­führt werden. Daneben ein großes Männerchor- Orchestertonzert mit neuer Tendenzmusit". Die beiden großen nebeneinanderliegenden Konzerthallen in Hannover  ( der Kuppelsaal und die Ausstellungs­haile) bieten annähernd je 4000 Personen Platz. So müssen auch zahlreiche leistungsfähige Chorverbände mit großen Orchestern auf man möglichst gauweise oder bezirksweise die Arbeiterfänger zu bie Bodien geftellt werden. Dies ist in der Form geschehen, daß fammengestellt hat. Berlin   dürfte 600 bis 700 Gänger auf das Bodium stellen. Deffentliche BI a gtonzerte werden zu gleicher 3eit an verschiedenen Stellen der Stadt für unsere Bewegung mirfen. Nicht weniger als vier Orchester find für diese Konzerte gewonne.i. Zahlreiche Gesangstünstler von Weltruf übernehmen die Solopartien. Und damit die mehr als 50 000 Teil­nehmer, die ihr Erscheinen zugesagt haben, auch Gelegenheit finden, fich in einem Riefenchor zu betätigen, findet im Stadion am Sonntag, dem 17 Juni 1928, vormittags, eine Mafien demonstration statt, bei der jene Tausende gemeinsam Tendenzchöre, Volkslieder und volkstümliche Kunstlieder zum Vortrag bringen sollen. Neben diesen großen Konzerten find noch etwa zwei Duhend Kleinere ohne Auch vom Auslande erwarten wir den Besuch leistungsfähiger Chöre. Orchester in den anderen Konzertsälen der Stadt Hannover   geplant. Die fünstlerischen und organisatorischen Borarbeiten für alle diese Dinge stehen vor der Bollendung. Der große Mufitausschuß ist soeben mit der letzten Redaktion der gesamten Programme be schäftigt, die lokalen Unterausschüsse, die den Transport, die Ver­pilegung und Beherbergung der 50 000 Menschen zu bewältigen haben, sind ebenfalls mit ihren Arbeiten fast fertig. Es wäre sehr wünschenswert, daß die Stadtverwaltungen, deren Arbeiterchöre an so prominenter Stelle eingefegt werden. ebenfalls hierfür mit Rat und Tot mitarbeiten. Bon seiten einiger Stadtver waltungen find Zuschüsse bereits angesagt. In dantenswerter Weise

feite dafür zu sorgen, daß der auf der: Cportplat erwachte Betäti gungswille nicht in nur- sportlicher Leiftung verpufft, sondern wirt­lich geistiger Schulung nuhbar gemacht wird. fchließlich führen von der Charakter und Willensschulung der Sportler Brüden zu Gebieten, auf denen die Arbeiterbildner sich bemühen. Beim Kampf gegen ,, fapitalistische Charakterruinen" fann der Bildungsmann unmittelbar an die besten Erfolge sportlicher Er­finn und disziplinierten Massenmillen, anknüpfen. Praktisch ergeben sich hieraus folgende Pflichten:

Für die Sportler: Ueberwindung des Nursportlers", Ringen um den geistigen Inhalt der Sportbewegung, fyftematische körperliche Erziehung, Generalangriff gegen alle fulturschädigenden Auswüchse ( Rekordfimmel, Rauchen, Trinken usw.), Beredelung des Fest­gebankens.

Für Arbeiterbildung und Bartet: Beg mit allen Vorurteilen! Hinein in die Sportvereine! Achtung vor der förperlichen Leiſtung, pädagogische Ausnutzung der int Sport wirksamen willens- und charakterbildenden Kräfte, noch engere Zusammenarbeit der Bezirks­und Epitenorganisationen.

Was die Durchführung dieser Forderungen angeht, jo treffen sich die Bestrebungen der Bundesschule des Arbeiter­Turn- und Sportbundes mit dem Erstarten der Kultur­tartelle. Die Bundesschule leistet nicht nur in ihren zentralen Lehr­gängen Gutes, sondern richtet überall in Deutschland   Bezirksschulen ein. Dabei wird die Hilfe der Arbeiterbildner pankbar begrüßt. Die Bezirksschulen haben zwar in erster Linie die Aufgabe besserer tech­nischer Schulung der Turn- und Sportfunktionäre und Ausbildung in organisatorischen und agitatorischen Dingen; die geistige Fort­bildung des Funktionärtörpers kommt aber, häufig in nachahmens­werter Zusammenarbeit mit den Bildungsorganisationen der Partei,

zu ihrem Recht. Durch die Kulturkartelle andererseits müssen wir

die Sportler viel mehr als bisher organisatorisch an Partei und sozialistische Bildungsarbeit binden und fie allmählich geistig lockern und durchdringen. Das ist auch das beste Mittel gegen eine zwar flache, aber agitatorisch geschickte Agitation der Kommunisten, der wir das Wasser abgraben, wenn wir das Niveau heben.

fationen und proletarischen, Leibesübungen treibenden Berbände aller Die Zueinanderhinorientierung der sozialistischen   Kulturorgani­Sparten marschiert wird sie in der verstehend skizzierten Weise Tatjade, dann bekommt nicht nur die sozialistische Bildungsarbeit mehr Schwung, sondern audy die Partet durch sie neue Tausende von Mitgliedern. Auf der anderen Seite er­wächst ber Bartel die Berpflichtung, noch stärterer Unter­stügung der Arbeiter portorganisationen Parlamenten, Deffentlichkeit und Bresse, um diese so in die Lage zu versehen, ihre Werbetraft zu steigern. Das lohnt sich, denn Tausende junger Arbeiter werden in Butunft über die Arbeitersportorgani fationen zur Sozialdemokratie kommen. Herbert Frister.

int

gewährt die Stadt Hannover   jede Hilfe, auch alle Behörden haben fich unserer Sache angenommen.

ichaft weitesten Streisen in der Arbeiterbewegung die Augen öffnet, welche kulturelle Bedeutung der Gesang im Leben des werftätigen Boltes hat. Und die breite Deffentlichkeit wird im nächsten Sommer tennen lernen. die Macht und die Bedeutung volfsfultureller Arbeiterbewegungen Dr. Alfred Guttmann.

So dürfen wir hoffen, daß das große Musikfest der Arbeiter

Einiges vom Alkohol.

Wie lange wirft der Alkohol? Einige Vertreter der Arzneifunde haben die Ansicht vertreten,

daß der Alkohol mur so lange wirksam sei, wie er im Körper nach­weisbar wäre. Die berauschende und geistlähmende Wirkung eines Liter Bieres oder von ein bis zwei Gläschen Schnaps sei in vier Stunden vorüber, weil die darin enthaltene Menge Alkohol in dieser Zeit aus dem Blute verschwunden sei. Demgegenüber stelit ter befannte innere Mediziner Professor Dr. Rosenfeld in der ,, Medizinischen Klinif" fest, daß die Wirkung des Alkohols viel länger anhalte. So fei eine Schädigung des Herzens durch abendlich genossenen Alkohol noch nach 14 Stunden trog des Ausschlafens" nachweisbar. Ebenso zeigten Versuche von Hans Lehmann, daß eine einmalige Einspritzung von 0,1 bis 0,5 Kubitzentimetern Alkohol bei Meerschweinchen Blutveränderungen, und zwar bis zu 32 Tagen verursacht. Einige Zahlen zum Nachdenken.

Daß der Alkoholismus   in Deutschland   wieder bedrohlich anwächst, fann nicht bestritten werden. Wir haben zurzeit 23 Trinferheil­ſtätten und 720 Trinkerfürsorgestellen. Da aber die Zahl der be­handlungsbedürftigen Alkoholopfer bei uns zurzeit auf etwa 150 000 geschäßt wird, so ist eine Bermehrung der Einrichtungen für die

Behandlung der Alkoholkranten notwendig.

Im Jahre 1926 hat das deutsche Bolt für alfoholische Getränke über vier Milliarden Mart ausgegeben, fast dreimal soviel wie für Reparationszahlungen an unfere ehemaligen Kriegsgegner. Wenn man diese Lasten nicht abwerfen fann, sollte man doch von jener freiwillig übernommenen Bürde sich zu befreien versuchen. Was brauche ich mich um die anderen zu sorgen? Wie auf so vielen. Gebieten zeigt sich der Mangel an sozia­listischem Empfinden und Denken auch in der Behandlung der Alkoholfrage durch allzu viel Sozialisten und Kommunisten. Tausend­fach fann man von Sozialisten Einwände hören wie diese: Das Gläschen Bier oder Schnaps, das ich trinke, schadet mir nicht, und nicht zu fümmern. darum brauche ich mich um den Kampf gegen den Alkoholismus " Wer so redet, hat weder von dem Kern der Alkoholfrage noch von dem Wesen sozialistischer Gesinnung auch nur ein schwaches Ahnen. Was würden diefelben Sozialisten fagen, wenn Parteigenossen etwa die Wohnungsfrage wie folgt behan­delten: Ich habe eine mir genügende Wohnung. Mein ganzes Leben habe ich unter der Wohnungsnot nicht gelitten; und ich habe alle Aussicht, auch in Zukunft mit Wohnraum ausreichend versorgt zu sein. Was brauche ich mir also um eine Lösung der Wohnungs­frage Sorge zu machen?"( Aus der Schrift Sozialismus der Tat" Don Wilhelm Sollmann  , Verlag Deutscher Arbeiter- Abstinentenbund. Berlin   SO, Engelufer 29, Preis 20 Pf.)