Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Rr. 537

B 266

44. Jahrgang

Bentlich 70 Pfennig, monatlich S Reichsmart, voraus zahlbar. Unter Streifband in Jn un Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat.

Der Bormäris mit ber uftries fen Sonntagsbeilage Bolt und geit fonie den Beilagen Unterhaltung und Wissen", Aus ber Filmmelt Stadtbeilage Frauenftimmte"

Der Rinderfreund Jugend- Bor märts"," Blid in die Büchermelt Rulturarbeit unh Tednik erfcheint mohentäglich ameimal, Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Sonnabend 12. November 1927

10 Pfennig

Die einfpaltige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Retlamezeile 5.- Reichs­mart. Kleine Anzeigen" das fetage­brudte Bort 25 Biennig( zulässig zwei fettgebrudte Worte) jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche bas erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Bort 10 Biennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarit Beile 60 Pfennig Familienanzeigen ür Abonnentenzeile 40% fennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden Straße 3. wochentägl. von 8%, bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernspreder: Dönhoff 292-297. Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Postschecktonto: Berlin   37 536.

Banktonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft, Depositenkasse Lindenstr. 8

Aussperrung in der Zigarrenindustrie Danzig   am Scheidewege

Anweisung des Unternehmerverbandes.- Scharfmacherei im Großen!

Wie die Deutschnationalen für Polonisierung sorgten.

E. L. Danzig  , 11. November. Die Freie Stadt Danzig steht augenblid in heftigsten Wahlfieber. Am 13. November foll das Die Aussperrungsleitung des Reichsverbandes Deut.| Familie ausreicht, tönnte er feine Beigerung rechtfertigen, Barlament dieses fleinen Staatsgebildes, der Volkstag fcher Zigarrenhersteller hat am 3. November in Berlin   folgende Be- teinen Pfennig mehr zu zahlen. Die Berufung auf den neu gewählt werden. In der deutschen   Rechtspresse sind in schlüsse gefaßt: Tarifvertrag ist hinfällig geworden, nachdem der Reichs- den letzten Monaten häufig Artikel erschienen, in denen be verband selber den Tarifvertrag durch seine Aussperrung ge= verband selber. den Tarifvertrag durch seine Aussperrung gehauptet wird, daß Danzig   vor der Gefahr stände, bei einem brochen hat. Wahlsieg der Sozialdemokratie ,, an Bolen verfuppelt" zu werden. Schon diese Stimmungsmache ist tennzeichnend für die Angst der Deutschnationalen vor einem großen Wahlerfolg der Sozialdemokratie.

1. Um in feiner Weise eine etwaige Unflarheit bestehen zu faffen, wird folgende Anweisung erteilt: Ab Montag, dem 14 November, dürfen sich feine Arbeiter mehr in den Betrieben befinden. Die Bezirksgruppen und Ortsgruppen haben die Durchführung zu kontrollieren. Etwaige Berstöße find fofort der Zentrale des Reichsverbandes Deutscher Bigarrenhersteller zu melden.

2. Nach Abschluß der Aussperrung darf auf eine 3eit von at Wochen teine Mitgliedsfirma einen Ar beiter einstellen, der zur Zeit des Aussperrungsbeginns bet einer anderen Mitgliedsfirma beschäftigt, war, es sei denn, daß ein Einvernehmen zwischen den beiden Firmen herbeigeführt wird.

Der Reichsverband Deutscher Bigarrenhersteller wird die Ber bände des Rohtabafhandels und des Tabalwarenhandels über den ber Industrie aufgezmungenen Kampf auffären und sie ersuchen, den damit in den Geschäftsbeziehungen entstehenden Schwierigteiten verständnisvoll Rechnung zu tragen. Sollte feitens einzelner Ur beitsämter an ausgefperrte Arbeiter Erwerbstojen unterstützung bezahlt werden, fo ersuchen wir unsere Mit glieder, uns hiervon unverzüglich Mitteilung zu machen, damit wir ein derartiges gefezwidriges Verfahren abstellen tönnen." 126 sid

Die Hungerpeifsche der Aussperrung

foll ihre Wirkung nicht verfehlen. Deshalb bemüht sich der Reichsverband der Aussperrer, der Gefahr" vorzubeugen, daß etma einem ausgesperrten Sigarrenmacher Erwerbslofenunterstützung gezahlt werden Lönnte. Die Unterstellung gegen die Arbeitsämter, die in dieser Konftrutti- n der Scharfmacher liegt, richtet sich von felbst. Nun erst recht ausreichende Unterstügung der Ausgesperrten, um die Spefulation der Aussperrungs leitung zuschanden zu machen!

Bemerkenswert ist, daß diese Aussperrungsleitung ihre Auf­lärungs" Kampagne damit einleitet, zunächst den Zigarrenfabri fanten selber die Auffaffung zu suggerieren, der Bohntampf fei fhnen aufgezwungen. Diefe falsche Behauptung foll in der Deffentlichteit wiederholt merden, um bie öffentliche Mei­nung irrezuführen. Das mird den Herren nicht gelingen!

Sie fönnten jedoch zur Aufklärung wesentlich beitragen, menn fie die Deffentlichfeit darüber unterrichten wollten, welche Löhne fie bisher gezahlt haben, wie hoch das Wochen einfommen eines 3igarrenmachers ist. Denn nur dann, wenn der Reichsverband den Nachweis liefert, daß dieses Wocheneinkommen wenigfiens zur notdürftigen Ernährung einer

the

Zur Generalaussperrung von weit über 100 000 3igarrenarbeitern wurde der Reichsverband nicht durch ein Bäderdugend von Streifenden, sondern durch seine Scharf macher gezwungen. Jeder Bersuch, den Spieß umzudrehen, zu jammern, daß durch einige Werkstattstreits der Reichsverband zur Aussperrung aller Zigarrenarbeiter und arbeiterinnen gezwungen" worden sei, verfällt von vornherein der Lächerlichkeit.

Bon Montag ab liegen alle Zigarrenarbeiter ausgesperrt auf der Straße, mit alleiniger Ausnahme der Arbeiter in den dret Bigarrenfabriten der GEG.

Die GEG. fperrt nicht aus.

X

Sie wird sich sicherlich nicht dem Dittat untermerfen, feine ausgesperrten Arbeiter einzustellen, falls die infolge der Aus fperrung verstärkte Nachfrage nach GEG. Bigarren eine Ber mehrung ihrer Broduktion erfordert. Bei größerem genoffenfchaft lichen Intereffe tönnte die GEG. anstatt drei Fabriken heute deren etma 20 haben. Sie hätte damit einen weit größeren Einfluß auf die Zigarrenfabrikation und so auch auf eine bessere Gestaltung der Lohn und Arbeitsbedingungen diefer bisherigen Glendsindustrie.

Schiedsspruch für die Textilindustrie.

3m rechtsrheinischen Aussperrungsbezirk. Jin Lohntampf der Tertilarbeiter im rechtsrheinischen Bezirt hat die unter Borsiz des Schlichters in Dortmund   am 11. November tagende Schlichterkammer einen Schiedsspruch gefällt. Danach wird der Höchftarbeiteripigenlohn von 57 auf 65 Bf erhöht, das find 14 Proz Die Aftorblöhne erhöhen sich in Auswirkung des Spruches von 4 bis 20 Proz., der Attord. zuidhlag wird von 12% auf 15 Broz. erhöht. Die zu läffige Mehrarbeit wird von bisher sechs Stunden auf drei Stunden pro Woche beschräntt.

Morgen, Sonntag, tritt in Barmen eine große Funktio. nartonferenz ber Tertilarbeiter zusammen, um zum Schiebs. spruch Stellung zu nehmen.

Die Erklärungsfrist läuft bis Sonntag nachmittag 4 Uhr. Sollte einer der beiden Barteien den Schiedsspruch ablehnen, so finden ver­einbarungsgemäß am Sonntagnachmittag im Rathause Barmen weitere Berhandlungen über die Berbindlichfeitsertla rung des Schiedsspruches unter dem Vorsitz des Schlichters statt.

" Im Rahmen des Völkerbundes."

Die Fragen der Danziger Außenpolitit stehen im Mittelpunkt des Wahlkampfes. Danzig   wurde durch den Frieden von Versailles   zu einer Freien Stadt gemacht, die mit der Republit Polen ein gemeinsames 3011. gebiet bildet. Seine frühere Bedeutung als Handelsstadt hatte Danzig   vor dem Kriege mehr und mehr eingebüßt und mar mit seinen Werften, seiner Artilleriewerkstatt und Ge­wehrfabrik zu einem Hauptplatz der deutschen Kriegsindustrie geworden. Mit Kriegsende stand Danzig   vor der Frage der euorientierung seiner Wirtschaft. Als natürliches interland für seine Friedensindustrie und seinen Handel fam nach Lage der Dinge nur die Republik   Polen in Frage, und die Danziger   Sozialdemokratie forderte des halb immer wieder, daß Danzig   mit Polen   ein friedliches Berhältnis fuchen möchte.

Solche Verständigungspolitik wurde aber jahrelang da durch erschwert, daß in Polen   nationalistische Regierungen früher bestrebt waren. den Einfluß Bolens in Danzig   über die vertraglichen Rechte hinaus auszudehnen. Anderseits wollten auch die seit 1920 im Danziger Senat herrschenden Deutschnationalen von einer Berständi­gungspolitik nichts wissen. Ihr Ziel war vielmehr, Danzig  Alle Differenzen mit Bolen wurden daher nicht durch direkte als blutende unde im Osten offen zu halten. Berhandlungen mit Warschau   erledigt, sondern man brachte fie immer wieder vor den Bölkerbund in Genf   zur Entschei­dung. troßdem die Danziger Deutschnationalen diesen völker­bundlichen Schiedsrichter bei jeder möglichen Gelegenheit Bölferbund offen eine Spottgeburt von Dreck und Schmus". beschimpften. Ihr Parteiführer nannte im Boltstag den Kein Wunder, daß bei einer solchen Einstellung der mak gebendsten Regierungspartei Danzigs   Erfolge in Genf   mei st negativ maren. Die hauptsächlichsten Ergebnisse dieser deutschnationalen Außenpolitik waren für Danzig   die, daß ihm das beliebte Seebad Westerplatte   genommen und zu einem polnischen Munitionshafen umgebaut wurde, daß Danzig   neben der eigenen Bost auch noch eine polnische Post betam und daß die Danziger   Zollverwaltung Polen   unter­ftellt wurde. Angesichts solcher offensichtlichen Mißerfolge der bisherigen Danziger Außenpolitik wagen es aber die Deutschnationalen troßdem, sich in der deutschnationalen Reichspresse als die einzigen Hüter der Unabhängigkeit Danzigs   hinzustellen, befonders aber die Sozialdemokratie des Berrats am deutschen   Danzig   zu beschimpfen.

Die Danziger Sozialdemokratie hat sich stets dafür eingesetzt, daß Danzigs   de utfche Kulturaufrecht

Der südslawische Bertrag hat keine Spitze gegen irgendjemand- erklärt Briand  . erhalten bleibt. Eine Selbstverständlichkeit, wenn man

Paris  , 12. November.

Der gestern von Briand   und Marinkowitsch unter zeichnete Vertrag wird amtlich freundschafts. und Schiedsgerichtsvertrag" genannt. Bei der Unterzeichnung haben die beiden Minister, so wird amt­lich erklärt, Gelegenheit gehabt, die vollkommen übereinstimmenden Ansichten der französischen  und der jugoslawischen Regierung über alle die beiden Länder betreffenden Fragen festzustellen sowie den festen Entschluß, in vollkommenem Einvernehmen mit dem durch den Völkerbund verfolgten Werk alle ihre Be mühungen für die Konsolidierung des Friedens auf der Grundlage der bestehenden Verträge fortzusehen". In einem von beiden Ministern gemeinschaftlich ver anstalteten Breffeempfang erklärte Briand   ,,, der Ver­trag enthält selbstverständlich keine Spike gegen irgend jemand". Allen, die guten Willens find. steht der Beitritt offen. Er kann der Keim für ein neues Locarno   sein. Er entspricht vollkommen den Grundsägen des Völkerbundes".

Ein südslawisch- französischer Handelsvertrag wird dem­nächst unterzeichnet. Südflawlen hat sich bereit erklärt, über die Forderungen französischer Inhaber von serbisch- füdslawischen Anteilen- fle verlangen Zinszahlung nicht in entwerteten, fondern Anteilen fie verlangen Zinszahlung nicht in entwerteten, fondern in Goldfranten einen Schiedsspruch anzunehmen.

Zustimmung links-

schweigende Kühle rechts. Baris, 12. November.  ( Clgenbericht.) Die Sints preffe bezeichnet den Vertrag als eine deutliche Barnung an Italien  , um den Faschismus zu metteren Brovo­

fationen im Westen und Often des Mittelmeeres abzuschrecken. Die Rechtspreffe äußert teinerlei Befriedigung, aus Sorge davor, den Faschismus zu verstimmen.

Antiitalienischer Beifall in Südslawien.

Belgrad  , 12. November.

Bur felben Stunde, in der der französisch- südslawische Pakt in Paris   unterschrieben wurde, fand in Laibach, das reichen Flaggen mud angelegt hatte, eine Demonstration vor dem franzo fischen Ronsulat statt. Mehrere Redner zollten Frankreich  Lob und Anerkennung für seine Haltung.

Eine scharfe englische   Kritif.

Condon, 12. November.

Der Manchester Guardian" schreibt: Der franzöfifch- jugofla wische Vertrag bezweckt, wie alle von Frankreich   seit Ende des Krieges abgeschlossenen entsprechenden Verträge, hauptsächlich die durch den Versailler Vertrag und andere Friedensverträge neu ge durch den Versailler   Bertrag und andere Friedensverträge neu ge­schaffene Bandtarte Europas   zu verewigen, wenn nötig mit affengewalt. In Paris   wird der Einfluß dieses Vertrages sowie des gesamten Nezwerkes einkreisender Bündnisse, von denen er das letzte Glied ist, auf Locarno   vollkommen übersehen.

Times" erklärt, der Bertrag gehe nicht über den französisch Die Verschiebung der Unterzeichnung um mehr als 18 Monate habe rumänischen und den französische  - tschechoslowakischen Vertrag hinaus. ihren Grund nur darin gehabt, daß Frankreich   eine Beunruhi gung Italiens   vermeiden wollte. Die Meinung, daß der Bertrag militärische Berpflichtungen Frankreichs   ent halte, sei nicht ernst zu nehmen, da heute jeder französische   Staats­mann die liebernahme militärischer Verpflichtungen auf der Balkan  halbinsel ebenso entschieden ablehne wie England.

bedenkt, daß Danzig   in der Hauptsache eine deutsche Stadt ift. Wie gering der polnische Bevölkerungsanteil in Danzig  ist, zeigt am besten das Wahlergebnis von 1923. Damals wurden insgesamt 164 000 Stimmen abgegeben, wovon die Bolen 7200 erhielten. Inzwischen ist es gerade das deutsch­nationale Großagrariertum und das deutsch  = nationale Unternehmertum gewesen. das dauernd aus niedrigster Profitfucht heraus für eine Polonisie= für Jahr werden etwa 10 000 Saisonarbeiter nach Danzig  rung der Danziger Bevölkerung wirkt. Jahr hereingeholt, trotzdem eine große Anzahl von Danziger Land arbeitern arbeitslos ist. Bon diesen Bolen bleiben jährlich eine ganze Anzahl in Danzig   zurück und verstärken so das polnische Bevölkerungselement. Dafür werden Danziger Landarbeiter zur Auswanderung gezwungen; find doch im vorigen Jahr annähernd tausend Danziger Industriearbeiter durch den deutschnationalen Senat nach Argentinien   geschickt worden, während man Danziger Land­arbeiter zwang, auf den Gütern der oftpreußischen Groß­agrarier zu arbeiten. Ebenfalls war es der deutschnationale Senat, der für die polnischen Industriearbeiter schon nor Jahren die Demobilmachungsbestimmungen außer Kraft letzte und es dadurch ermöglichte, daß in den letzten Jahren über 8000 Industriearbeiter aus Polen   nach Danzig   zu­gewandert sind, die einen Teil Danziger Arbeiter aus ihren Deutschnationalen, die in Wirklichkeit Danzig   mehr und mehr Arbeitsstellen verdrängten! Es sind also gerade die polonisieren, weil ihnen die polnischen Proletarier willigere Ausbeutungsobjekte find, als der fulturell höher stehende Danziger Arbeiter.

Ein weiteres Kampfobjekt der Parteien bei dieser Wahl bildet die von der Sozialdemokratie geforderte Berfas­sungs und Verwaltungsreform. Danzig  , ein