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�r. 535* 44. Jahrgang

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es Vorwärts

Sonntag, 13. November 192?

..Vom zur Deltstadt�, so lciitets der Titel des ge- tesei�tm und dekonnlesten Berliner Geschichtswerks, und wir olle sind gewohnt, die Fischer sozusagen als unsere ältesten und erlauch- »esten Ahnen zu betrachten, sozusagen als die eigentlichen Urberliner. .Um so mehr ist man erstaunt, bei einer Nachfrage zu erfahren, daß frie Fischerei von der chaitdwerkskammer nicht als chandwerk an- erkannt wird und daß die Fischerinnung sozusagen wie ein Deilchen im Verborgenen blüht, daß keine Magistratsstelle mit ihr so recht vSescheid weiß. Das liegt einfach an der Entwicklung Berlins und daran, daß es seit dem Aufblühen der jungen Weltstadt gar keine eigentlichen Berliner Fischer mehr gibt, weil es auch keine sozusagen «.-«geborenen Fische mehr gibt. Ja, früher... Aus alten Zeiten. Früher war die Spree wirklich ein Fischerparadie», und die Berliner Fischer waren große Leute, von deren Taten und mehr noch von deren Sünden alle alten Urkunden voll sind. Sa bezeugt doch schon im Jahre 1407 Petze DinesDat die Berlinsche und Eöllnsche vischer unrechte Pischerci dreven in der niederen Sprewcn", und l480 muß eine markgräslich« Verordnung festsetzen, daß die Berliner Fischer die Unterspree nur mit sechs 5lähnen befahren dürfen imd nichtpulserei und Rapennetze" gebrauchen dürfen, d. h., daß ihnen noch einmal alle Raubfischerci auf Kosien der Spandauer Fischer ernstlich untersagt wird. Wo sind die guten Zeiten hin! Nim ist dem johrhundertlangen Streit zwischen den Berlinern und den Ticswerderschen einfach dadurch ein Ende gemacht, daß es in der Unterspree kein« Fische inehr gibt.

-Zement. ZKoman von Fjodor Gladkow . Genosse Tschibis, ich weiß nicht, was du darüber denkst. ober dieses Gesindel im Volkswirlschaftsrat, das gehört an die Wand gestellt." Ja. ja, und die Forstverwaltung und das Komiaissanat für Außenhandel. Und noch und noch..." Kann man nicht das ganze Exekutivkomitee an die Wand stellen?" Ja. Der Volkswirtschaftsrat. das ist ein Nest, das man nicht so leicht mit nackten Händen packen kann. Du wirst dich bis zum Bersten anstrengen müssen, mit deinem Werke und deinem Bremsberge. Hier muß man fest und sicher drauf- losgehen.". Was sagst du zum Vorsitzenden des Volkswirtschafts- rates, Genosse Tschibis. Ich habe ihn beim Vorsitzenden des Exekutivkomitees fest aufs Korn genoinmen, habe aber durch diese Zielscheibe ins Industriebureau hineingstroffen." Tschibis sah wieder lang auf das Meer, auf die Berge und Wolken, die wie Schneehaufen in der tiefen Bläue schwammen, und in seinem Gesichte tauchte auf und ver- schwand immer wieder, wie ein Spinngewebe, ein kindliches Lächeln. Tschumalow, hast du einmal Menschen gesehen, die er- schössen werden sollen?" Ja. im Krieg. Zuerst schüttelte es mich, wenn ich daran dachte, wie ihre Augen hüpften, und innen, bei mir, da heulte es gang hundemähig..." Ja, wirklich, ihre Augen hüpfen, und ihr Körper ist tot und sehr schmutzig. Solche sterben schweigend, noch während ihres Lebens. Wen schlägst du vor als Jäger auf den Volks- wirtschaftsrat und die Forstoerwaltung? Du mutzt daran denken, daß die klügsten und pflichttreuesten Arbeiter Dummköpfe sind. Sie können sehen und nehmen.. Der Uniformrock war Gljeb über der Brust eng gewor- den und störte seinen Atem. Er stand auf und verschluckte sich vor Lachen. Setzte sich wieder und legte seine Faust vor Tschibis auf den Tisch. Du bist unbezahlbar. Genosse Tschibis." Und Tschibis sah ihn wieder durch das Netz seiner Wim- pern an und wurde verschlossen und fern. Schramm ist ein fester Kommunist und würde für seinen

Die heute verödete Spree. Man kann«s den Fischern wirklich nicht verdenken, wenn sie auswandern, denn ein frisches und wohlriechendes Wasser ist unsere alt« Spree wirklich nicht niehr, davon können wir uns an heißen Sommertagen schon im Vorübergehen überzeugen, und Untersuchun- gen des Spreewassers, die im Auftrage der Fischerinnung ange- stellt wurden, ergaben auch, daß dieses Wasser in den Sommer- monaten so wenig Sauersloss enthält, daß nicht einmal der be- scheidenste llklei davon leben kann. Daran ist. neben den Ab- wässern der Fabriken, vor ollem Sie Berliner Kanalisation schuld, deren Notauslässe in die Spree münden. Die Sinkstosse der Kana­lisation können von der langsam fließenden Spree nicht so schnell wegtransporkierl werden und bilden auf dem Grunde des Fluß- bettes einen faulenden, gärenden Schlamm; eine Selbstreinigung des Wassers kann auch nicht erfolgen, weil in dem steinernen Bett der Spree alle Wasserpslanzen sehten, und so Hot jeder Fisch, der mal bis unterhalb Treptow schwimmt, balddie Nase voll von Berlin ". Ein« Ausnahme Inacht allein der Aal, der sich bei seinen geheimnis- vollen Wanderungen zum Meer auch von dem dreckigen Schlamm Berlins nicht aufhalten läßt. Darum ist die Aalsischerei auch die einzige Fischerei im eigentlichen Berlin , die noch wirklich ausgeübt wird, und verwundert sehen die Verliner am Mühlendamm immer dem Herausheben der-Aalreusen zu. Wer würde es glauben, daß der Fischer hier bis zu öll Zentner Aale pro Jahr fängt! Für die anderen Fische aber sind die Abwässer der Berliner Kanalisalion glattweg Gift, und so passiert es mehr als einmal, daß die Berliner Fischer, wenn ein großer Regenguß droht, die Motorboote eilig vor ihre Fischkästen spannen und so schnell wie möglich mit ihren Fischen .Landpartie" machen, bis sie oberhalb Treptows vor den Notaus- lässen der Kanalisation in Sicherheit sind. Tun sie dos nicht, so

Die aarauf Widerruf gestatteten Fischkästen bei Neu- Kölln am M asser.

Apparat sterben wie ein Holzklotz. Das ist ein Kommunist, den man ausgeweidet und aus dessen Hülle man eine Vogel- scheuche gemacht hat, vor der die Spatzen keine Angst haben. Eine Vogelscheuche ist ein Ideal, aber in den Fetzen sind alle möglichen Schweinereien versteckt. Dummtöpfe sind besser, weil sie verstehen, klares Wasser zu trüben... Weißt du, was Notwendigkeit ist, Tschumalow? Die Notwendigkeit fühlen, ist eines, und sie kennen, ist etwas anderes. Laß es nicht zu, daß sie sich in einen Götzen verwandelt, sonst wirst du einsam sein in der Welt, und sie wird auf deine Schultern niedcrrasseln. Die Welt ist dadurch unbequem, daß die Nächte über sie immerzu kriechen. Du mußt es verstehen, die Notwendigkeit in eigene Gedanken zu verwandeln, und die Nächte werden dich nicht durch Gespenster erschrecken.. Gljeb sah Tschibis mit unruhiger' Besorgnis an, und es kam ihm vor, als ob Tschibis' Kopf wachse und in den Knochen krache unter dem Drucke des Hirnes, und als ob die Hände nicht genug Platz fänden auf dem Tische und sich wie Schlangen hin und her wänden. Genosse Tschibis, was hast du gegen Schuk zu sagen? Ist er deiner Meinung nach ein schlechter Dummkopf?" So! Wollen wir jetzt aber Schluß machen. Schick ihn mir morgen, wir werden ihn als Laufburschen in den Volkswirt- schaftsrat und in die Forstoerwaltung schicken. Nun geht jetzt... Nimm dir einen ständigen Passierschein zu mir." Er wandte sich weg, ohne ihm die Hand zu geben. Drückte auf eine elektrische Glocke am Türpfosten. Bor der Tür drehte Gljeb sich noch einmal um und sah wieder ein fremdes Gesicht. Er wollte noch irgend etwas sehr Wichtiges sagen und tonnte sich nicht erinnern, was. Genosse Tschibis, hast du Lenin gesehen?" Das ist ganz egal...gesehen.. nicht gesehen.. Gljeb lächelte und zog ungläubig an seinem Helm. Lügst, Genosse Tschibis, du hast Lenin gesehen..." Heiße Tage. 1. Arbeiterblut. Die Tage brannten nicht in der Sonne: der Himmel war mit kleinen, weißen Wolken bedeckt, es gab zu wenig Luft für die Lunge, und die Stadt und die Berge und die Menschen und die Häfen wurden vom Winde gepeitscht und schlugen Purzelbäume in diesem steinernen Wirbel. Gljeb lief der Helm war ihm auf den Hintertopf ge- rutscht in den Gewerkschaftsrat, in das Parteikomilee (sofort eine allgemeine Versammlung der Partei einberufen!), in den Gewsrtschaftsrat der Eisenbahner(Genossen, beschleu-

können sie sich daraus gesaßt machen, in ihren Kästen eine groß« PortionSchlafburschen" vorzufinden und damit einen empfindlichen geschäftlichen Berlust zu erleiden, denn bekanntlich hat der Berliner »och von der guten cilten Zeit her eine große Abneigung gegen den Kauf toter Fische. In der Havel steht es besser. Biel besser steht es mit der vom preußischen Staat verpachteten Havel , deren Pächter allein schon aus den Angelkarten eine E'n- nähme von 12 000 Mark hat; diese Einnahme wird nun gedrittelt: Ein Drittel erhält der Staat, ein Drittel der Pächter als Gewinn- anteil, und für das letzte Drittel muß er für Ergänzung des Fisch- bestandes sorgen. Außer diesen selbstversorgenden Angelbrüder», sind die Berliner fast durchweg auf fremde Fische augewiesen, die zum Teil recht weit herkommen. Die Neujahrskarpfen, die ach den Berliner Tisch kommen, sind oft recht weit gereiste Leute. Em kleiner Teil kommt aus der Lausitz und aus Schlesien , der überwiegende Teil aber aus Ungarn , aus Jugoslawien und aus Südfrankreich oder aus Norditalien , und so lebenszähe Fische, wie Aal«, hat man sogar schon aus Nordafrika nach Berlin importiert. Die Heimatlosen. So spannt der Bertiner Fischhandcl das Netz seiner Bezugs- quellen viel weiter, als der Laie anzunehmen geneigt ist, und dem- gemäß sind auch die durch ihn umgesetzten Summen recht erheblich. Alan rechnet mit einem Durchschnittskonsum von 4% Pfund Süß­wasserfisch pro Sopf der Bevölkerung, und es lagern jährlich ollein in der Fischkastenanlog« der Berliner Fifcherinnung bei Neu-Kölln am Wasser für 3 Millionen Mark Karpfen und für S Millionen Mark andere Fische. Dazu kommt noch«in Import von lebenden und toten Fischen in Körben, SpezialWaggons und Tronsportfässern im Werte von 10 Millionen Mark, so daß im Fischhandel schon allein für Süßwasserfisch« doch erhebliche Summen umgesetzt werden. Trotzdem scheint es. als ob die undankbare Weltstadt gar keinen Platz für die Nachkommen ihrer Begründer mehr hat. Di« Berliner Fischer sollen schon wieder mit ihren Fischkästen ziehen, zum 1. April 1928 sind sie gekündigt. Zwar will man ihnen die Benutzung des Platzes bei Neukölln am Wassergunstweise" noch etwas länger gestatten, ober nur aus Widerruf mit sofortiger Wirkung. Nun ist es sidjer richtig: wenn der Mittellandkanal vollendet ist und der ganze Mühlendamm entsprechend dem dann zu erwartenden starken Schiffsverkehr umgestaltet werden muß, dann ist für die Fischkästen der Berliner Fischer hier nicht mehr der richtige Platz. Aber der neue ihnen zum Ersatz angeboten« Platz in dem Graben an der Unterwosserstraße wird von ihnen wegen des mangelnden Stromes und der Enge des Gewässers als durchaus ungeeignet bezeichnet: dazu kommt, daß in zwei Iahren die neue Großmarkthalle in der Beufstl- straß« fertiggestellt sein soll, und daß dann wieder ein neuer Platz für die Fifchkästeu notwendig wäre. Die Anlage kostet ober unae- fähr Z0 00V Mark. Dos ist eine Summe, die sich auch von einer wohlhabenden Innung nicht leicht in so kurzer Zeit zweimal auf- bringen ließe, und die Fischerinnung hat in der Inflation auch den größten Teil ihres Vermögens verloren. Aufgunstweise Ge­stattung" und auf Widerruf mit sofortiger Wirkung aber kann man wenig Vertrauen setzen, wenn die Entzichung dieser Gunst für viele der Fischhändler mit der Vernichtung ihrer Existenz gleichbedeutend wäre. * Es wäre dringend zu wünschen, daß die maßgebenden Stellen sich in der jetzt einsetzenden Saison einmal vom Nutzen und von der Notwendigkeit der Fischkastenanlage bei Neu-Kölln am Wasser über zeugten, sie würden dann, besonders wenn sie sich in den frühen Morgenstunden hinbemühen würden, wohl ein zutreffenderes Bild von der Bedeutung dieser Anlage bekommen, als in der Mittags- stunde eines toten Sommertages. Und dann läßt sich wo?)l trotz der Kündigung noch«ine Regelung finden, die sowohl den Fischern und der Berliner Bevölkerung, wie den Interessen des Wasserbau- omts gerecht wiich, denn es ist eine schlimme Geschichte, wenn man sozusagen nur gunstwcise und auf Widerruf existieren darf.

nigt den Abtransport der Zisternen zu den Raffinerien!), in die Fabriksleitung, in die Majchinengebäude dort ist Brynsa, sind die Dieselmotor« zur Arbeit bereit. Schidkij schnappte mit seinen Nasenflügeln nach Luft und schlug ihm mit aller Wucht auf den Rücken. Tschumalytsch, hol dich der Teufel!... Spann deine Kräfte statt der Maschine ins Werk, du wirst es um hundert Prozent rascher in Bewegung bringen. Man müßte dich nach Europa kommandieren, damit dort ein ordentlicher Wirbel entsteht." Machen wir! Wir gehen nach Europa und machen dort einen Wirbel..." Die Hauptsache ist, Tschumalytsch, vergiß nicht, daß du ein Kommunist bist... Alles muh bis zum Weißglühen mit Revolution durchtränkt werden. Das ist die Hauptsache. Unser ganzer Aufbau ist keinen Pfifferling wert, wenn kein rotes Schmiederfeuer in ihm sein wird. Denk daran und schau ohne Schwanken in die Zukunft." Ja, wir gehen fest drauf los, Genosse Schidkij... Die Hexerei besteht darin... alles in Schwung zu bringen, es nicht stehenbleiben lassen aber es auch nicht zu über­drehen." Ich liebe dich, Tschumalytsch..." Und auch bei Gljeb blähten sich die Nasenflügel vor Er­regung auf. Er lief zu Luchawa. Aber Luchawa war wie gewöhnlich nicht im Gewerkschoftsrat, er konnte nicht zwischen den Wän- den der Zimmer des Gewerkschaftsrates sitzen bleiben. Jeden Tag. von früh bis abends, lief er in die Verbände, in die Unternehmungen und ging an Ort und Stelle in die klein- sten Details der Produktion und des Lebens der Arbeiter ein, er berief Extraversammlungen, schlichtete Konflikte, deckte Müßiggänger auf und schrieb auf der roten Tafel die Heiden der Arbeit ein. Er jagte selber in die Fabriken und Werke, in die Wirtschaftsorganisationen, Ernährungsorganisationen. Wirbelte die Papiere wie Federn auf, befahl, verlangte, zün- dete, jagte Angst ein, rief Stürme der Begeisterung hervor. Und war nie gequält, kannte keine Uebermüdung nur in seinen Augen brannte»nauslöschbar ein fieberhaftes Feuer. So war er in die Seele der Arbeiter gedrungen. Gljeb hinterließ ihm Zettelchen: Eisenbahnerkomitee einen Stoß geben. Den Dolkswirtschaftsrat wegen seiner Sabotage und Schlamperei in die Zange nehmen. Dem Betriebsrat der Naphtharaffindrien über de» Schädel hauen. "(Fortsetzung folgl.)