Herr Schiele als Zahlenjongleur.
Der Sachverstand des Landbundministers.
Herr Schiele hat in seiner Reichstagsrede zur Maiszollfrage einige Bersuche gemacht, fein persönliches Interesse an der Maiszollerhöhung abzustreilen. Gelungen ist es ihm nicht; im Gegenteil, aus seinen Ausführungen murde es ganz klar, daß er lediglich der Kartoffelstärkeindustrie, an der er selbst beteiligt ist.. zu noch höheren Preisen, als wir sie jetzt schon haben, verhelfen mill. Er scheint jedoch seinen Argumenten selbst wenig Ueberzeugungstraft beizumessen, tenn er hat es für nötig gehalten, zur Unterstreidung seiner Borte so falsche 3ahlen heranzuziehen, mie man sie selbst aus dem Munde des Herrn Schiele, der sich übrigens felbft auf dem Gebiete der Stärfeindustrie als Gadverständigen mit 25jähriger Erfahrung bezeichnete, faum erwarten sollte. So hat er die Maisstärkeerzeugung mit 720 000 Tonnen angegeben, während sie tatsächlich nicht einmal 100 000 Tonnen crreicht. Bermutlich befürchtete er wohl, daß man ihn ab seiner Furcht vor der Konkurrenz austachen würde, wenn et die richtigen Zahlen genannt hätte. Auch den Umfang der deutschen Kartoffelftärkeerzeugung hat er auf ein Vielfaches vergrößert, oder sollte der Sachverständige Schiele vielleicht Zentner, Doppelzeniner und Zonren noch nicht unterscheiten können?
Kurze Wochenchronif.
ભા
PISCATOR- BÜHNE
Einstweilige Verfügung
Das Landgericht Berlin I stellte die Figur Wilhelms II. unter
Ein nationalistischer Amerikafahrer teilte einem ausfragenden Journalisten mit, daß der Zwed seiner Reise die Hebung des deutschen Ansehens in USA . fel.
Difenbar hat Herr Stiele geglaubt, selbst mit diesen unsinnigen falschen Zahlen, deren sich noch eine ganze Reihe anführen ließe, noch nicht den gewünschten Erfolg zu erzielen. Er spricht ummer wieder von der Konkurrenz der Maisitärte gegen. über der Kartoffelstärfe und damit der Kartoffel bauenden Landwirtschaft. Von Konkurrenz hat Herr Schiele allerdings etwas merkwürdige Vorstellungen. Man sollte annehmen, daß sich die Konkurrenz dadurch bemerkbar macht, daß sich die Kartoffelstärte nicht in vollem limfang und nicht zu angemessenen Preisen abjezzen läßt. Es ist aber allgemein bekannt, daß die deutsche Kar toffelstärkeindustrie in diesem Jahr bei meitem nicht flarke Bedeckung. den inländischen Bedarf an Kartoffelitärte zu decken vermag. Es mußten vielmehr 250 000 Doppelzentner Kartoffelstärke aus Holland eingeführt werden. Gegenwärtig, also furz nach der Ernte, arbeitet die Kartoffelitärkeindustrie, da deutsche Kartoffeln nicht zu haben sind, fast ausschließlich mit tschechischen, und, trotz des Kampfzolles von 2 M., mit polnischen Kartoffeln, und die Preise für Kartoffelstärke stehen seit einem Jahr auf Refordhöbel Angesichts dieser Tatsachen wagt Herr Schiele zu behaupten, daß die Maisstärkeindustrie 1 Million Tonnen deutsche Kartoffeln von der Verarbeitung zu Stärte verdrängt hat, ja, daß sie, die überhaupt nicht exportiert, die Kartoffelstärkeindustrie, deren Produktion night mal zur Deckung des Inlandsbedarfs ausreicht, vom Auslandsmarit verdrängt!
Glückliche deutsche Wirtschaft, daß solche Sachverständige an deiner Spitze stehen!
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Kieps Entschuldigung.
Die Kaiserfahnen beim New- forter Mar Reinhardt- Fest. Der Leiter der deutschen Botschaft in Washington , Botschaftsrat Dr. Kiep, hat dem Reichsaußenministerium seine Aeußerung zu. dem triumphierenden Bericht der Hugenbergpreffe zugesandt; fie hatte freudeftrahlend gemeldet, daß in Gegenwart Kieps- der als chemaliger Leiter der Pressestelle der Reidsregierung in Berlin genau über den jezigen Charakter der schwarzweißroten Flaage als Rampffahne der Monarchisten gegen die deutsche Republik Bescheid weiß bei einer New- Yorker Feier Schwarzweißrot dominierte. Die Feier galt Mag Reinhardt, der durch seine Herkunft auch nicht geradezu vorbestimmt ist, mit der Antisemitenfahne geehrt zu werden. Anderes gilt für den offiziellen Bertreter der Republik Deutsch land . Dessen ist auch er sich bewußt und darum berichtet er: Das Deutsche Generalfonfulat hatte zu dieser Feier der Stadt New York zwet schwarzrotgoldene Fahnen beigeftellt; aber diese wurden irgend wo anders angebracht an der Bühne prangte die Fahne der Monarchie, und sie war so fest angemacht, daß ihre Entfernung nicht unbemerkt vom Bublifum hätte vor sich gehen können, wie es denn auch peinlich gewirkt hätte, menn der stellvertretende deutsche Botschafter deshalb weggegangen wäre. Und so blieb Kiep.
Gewissermaßen zur Entschuldigung führt er noch an, daß man auch die schwarzgelbe Habsburgerjahne bevorzugt angebracht hatte, wohl um an Mar Reinhardts Heimat zu erinnern, die nach heftigem tschechisch- polnischem Stampf um dieses Stud Altösterreich schließlich Polen anheimgefallen ist.
Man hat die Journalisten noch an Drt und Stelle gebeten, nicht über diesen Flaggenschmuck zu berichten; aber der Hugenberger durfte doch sowas nicht verschweigen!
Ein Antrag der Bürgerblodparteien zum Schulgesetz verlangt, daß weltliche Schulen, die man nach der Verfassung leider zulaffen muß, aus hygienischen Gründen nur auf den Gipfeln hoher Berge errichtet werden dürfen.
Strenge Sicherheitsmaßnahmen.
Genf , 26. November( Eigenbericht.) Die ruffische Delegation zur Vorbereitenden Abrüstungstom mission ist am Sonnabend abend hier angekommen. Der Bahnhof war für das Publikum streng abgesperrt, und von zahl reichen Polizisten bewacht. Die Fahrt der Delegationsmitglieder in das Hotel de la Paig erfolgte ohne Aufsehen. Der Bewachungsdienst in und um das Hotel wurde diesmal im Gegensag zur Weltwirt.
Tscherwonetfälscher und Freiheitstampf fchaftstonferenz völlig unsichtbar organisiert. Erklärung der vormaligen georgischen Regierung. Genoffe Noe Jordania schreibt aus Baris:
In den letzten Tagen haben Berliner Telegraphen- Agenturen in der ganzen Welt die Nachricht verbreitet, daß die Nationalregie rung Georgiens mit einer Organisation zur Verfertigung falschen russischen Bapiergeldes in Berbindung stehe, die in Deutschland entbeckt wurde.
Es gibt mur eine Nationalreglerung Georgiens , deren Borfiz ich führe, die während der ganzen Periode der Unabhängigkeit( drei Jahre ungefähr) das Land regierte und nach dem Ueberfall der Sowjettruppen gezwungen wurde, die Heimat zu verlassen, um im Auslande Schuß zu suchen. Hier führt sie ihre Tätigkeit zur Befreiung ihres Boltes, gemäß der bestimmten Vollmacht, die sie vor ihrer Abreise von der konstituierenden Versammlung erhalten hatte, weiter fort.
Die Beschuldigung, die die deutsche Breffe vor der ganzen Welt erhebt, und die geeignet ist, unserer Freiheitsbewegung den schwerften Schaden zuzufügen, gründet sich lediglich auf die Behauptung des Angeklagten Sabathierafchwili. Es ist erstaunlich, daß niemand sich die Frage gestellt hat, in welchem Maße diese Quelle Vertrauen verdient und ob es zulässig ist, auf Gründe unbewiesener Behauptungen eines Verbrechers die öffentliche Meinung gegen unfere Bewegung aufzuheben. Sadathieraschwili ist nie an einer politischen Partei Georgiens oder an ihrem Kampf beteiligt gewesen: er ist nie im Dienste der nationalen Körperschaften im Lande oder im Auslande gewesen; es ist nicht lange her, daß er Don Georgien nach Deutschland legal angekommen ist, wo er sich von der georgischen Kolonie fernhielt. Auf das bloße Zeugnis dieses zweifelhaften Menschen geht man gegen uns mit einer jo ungeheuerlichen Beschuldigung vor. Er tann entweder ein Agent unferer Feinde oder ein gewöhnlicher Verbrecher sein, der seine Missetat mit der Autorität einer guten Sache zu deden sucht. Es ist nicht zu verstehen, daß sich die deutsche Bresse einer so trüben Quelle bedienen tonnte. Das georgische Bolt hat es nicht verdient, auf solche Art behandelt gu merden!
Die Neugierde der Journalisten wurde sehr knapp mit der Erflärung befriedigt, daß die russische Delegation zum ersten Male in der Kommission mitwirke und deren frühere Arbeiten in ihren Details noch hier studieren wolle. Weitere Erklärungen gab die Delegation nicht ab und wird es vermutlich unter Hinweis auf die ausführlichen Darlegungen Litwinows vor der Bresse in Moskau bis zum Beginn der Kommissionsfigungen nicht tun.
Die Ankunft der deutschen Delegation wird für Montag
angekündigt.
Litauische Beschwerde über die polnische Preffe. Genf , 26. November.
Boldemaras hat an den Generalsekretär des Bölkerbundes ein längeres Schreiben gerichtet, in dem er Beschwerde gegen die von der polnischen Regierung gegen Litauen eingeleitete Breffe tampagne erhebt. Das Memorandum enthält eine größere Anzahl Daten und nähere Angaben über die polnische Preffelampagne gegen Litauen .
Polen und die Pleschfaitis- Gruppe. Angaben eines litauischen Sozialisten.
Riga , 26. November.( Eigenbericht.) Auf dem litauischen Flüchtlingstongreß hatte, der Sejmabgeord. nete Wntonis( S03.) behauptet, daß sein Fraktionskollege Bleschtaitis und die zu ihm stehende Wiinaer Flüchtlingsmilde ausgedrüdt gruppe von Bolen beeinflußt feien. Die polnische Gesandtschaft in Riga , auf die Wykonis besonders hinge: wiesen, hafte seine Behauptungen dementiert. Darauf antwortet ylonis in der hiesigen deutschen Zeitung:
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1. Um 22. Oktober d. 3. erhielt das Mitglied des Komitees fitauischen politischen Emigranten Mistus gine Aufforderung bes polnischen Gesandten in Riga , Lukasiewicz, in der Gesandt schaft vorzusprechen. Als Miztus die Gesandtschaft aufsuchte, begann Butasiewicz mit ihm ein Gespräch über die litauisch- polnischen Beziehungen und erklärte, daß die litauischen Emigranten
H. ABEKING 27
In Rußland macht die Freiheit immer größere Fortschritte. Bon der Sowjetregierung foll der Opposition sogar ein Ber sammlungslokal gratis zur Verfügung gestellt werden.
bei Erfüllung gemisier Forderungen von Bolen Hilfe zum Sturz der Regierung Woldemaras erhalten könnten.
2. 2m 25. Oftober fanden sich die Abg. Mizkus und Wytonis auf eine Aufforderung hin im Hotel Rom ein, wo der aus Warschau zugereifte Freund Pilsuditis, Abg. Dr. Po= late wica, Wohnung genommen hatte. Es tam zu einem politischen Gespräch in derselben Angelegenheit. Da verschiedene Unflarheiten entstanden, wurde die Fortsetzung des Gesprächs auf den nächsten Tag verschoben, nachdem Polakiewicz versprochen hatte, zur Unterredung auch den polnischen Gesandten Lukasiewicz und den polnischen Militärattaché in Riga hinzuzuziehen.
3. Am 27. Oftober trafen wir am selben Ort Polatiewicz, ben Gesandten Lukasiewicz und den Militärvertreter Tomczut. In dieser Unterredung wurden zunächst dieselben Angebote Bolens besprochen wie vorher. Außerdem versprach Butaste. wicz die Nachricht zu widerrufen, als ob Bolen mit dem jetzigen litauischen Generalstab in Unterhandlungen stehe. Er hat diesen Widerruf aber, offenbar um sich mit dem erwähnten Generalstab nicht zu verfeinden, nicht ausgesprochen. Dr. Bolatiewicz, der in der ersten Unterredung uns überzeugen wollte, daß keinerlei Verhand
lungen mit dem litauischen Generalstab geführt würden, versprach mitzuteilen, in welchen polnischen Truppenteilen und wann die Obersten Dautantas( der jetzige litauische Kriegsminister), Blechamitfchius, General Schutaustas und verschiedene andere gedien haben. Es wurde uns im Beisein des polnischen Sefandten mitgeteilt, daß die polnischen Vertreter uns diese Auskunft geben tönnen, doch riet man uns, vorläufig den Berrat der führenden litauischen Militärgruppe nicht aufzubeden, da man diese im Bedarfsfalle zur Durchführung eines UmSturzes benußen tönne, während sich Polen nach dem Umsturz um ihr Schicksal nicht weiter fümmern würde. Außerdem erklärten die polnischen Vertreter, daß der mitur noch por Neujahr erfolgen müsse, und sie beteuerten, daß der Umsturz gelingen würde.
Hofnachrichten.
S. M. Kaiser Wilhelm von und zu Doorn haben geruht, ben Oberforstmeister Frhn. v. Marenbach und den Geheimen Hoffammerrat Rocca anläßlich der erfolgreich zu Ende geführten Aus einandersetzung zwischen Staat und Krone durch hohe Orden aus.
zuzeichnen.
Aus dem gleichen Grunde wurde dem Geheimen HostammerOberhofkammerrat verliehen. rat Eismann mit rüdwirtender Kraft vom 1. Januar der Titel
Hoffammer. und Dekonomierat Hoedel und Hofkammer- und Baurat Holland wurden wegen ihrer Berdienste um die S. M.
zugefallenen Güter zu Geheimräten, die beiden Adminiftratoren ber Hofkammer zu Oberamtmännern ernannt.
Hoftammerpräsident v. Keil murde wegen feiner qußerorher lichen Berdienste der Titel Erzellenz zugesprochen. Berlin , 27. November 1927.