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Morgenausgabe

Nr. 563 A 286

44. Jahrgang

Böchentlich 70 Bfennig, monatlich 3, Reichsmart, voraus sahlbar. Unter Streifband im In- und Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat.

Der Bormärts" mit der illustrier. ten Sonntagsbeilage.Bolt und Reit fomie, den Beilagen Unterhaltung und Wiffen"" Aus der Filmwelt". ,, Stadtbeilage", Frauenstimme", Der Rinderfreund" Jugend- Bor mätts", Blid in die Büchermelt ,, Kulturarbeit" und Technik erscheint wochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag 29. November 1927

Groß- Berlin 10 Pt. Auswärts 15 Pf.

Die ein paltige Ronpareillezeile 80 Pfennig. Retlamezeile 5- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwet fettgebrudte Worte) jedes weitere Wort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnentenzeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden. ftraße 3. mochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Die Entente Paris  - Belgrad  .

Gemeinsame Prüfung" aller Kriegsgefahren.

Baris, 28. November.( Eigenbericht.) Am Sonntag abend wurde der französisch- südslamische Vertrag, der nun in Kraft getreten ist, veröffentlicht. Sein Tert entspricht Wort für Wort bem mit Rumänien   abgeschloffenen Freund schafts- und Schiedsgerichtsvertrag. Sämtliche Pariser Blätter be dauern, daß der Vertrag vierzehn Tage lang geheim gehalten worden ist. Diese Berzögerung habe der faschistischen Breffe gestattet, eine Reihe von Unwahrheiten und Mißdeutungen in die Welt zu sehen.

Der Bertrag hat folgende Einleitung( Bräambel"):

3

Die beiden Barteien haben den gleichen Wunsch nach Aufrecht. erhaltung des Friedens zustandes in Europa   und der politis fchen Stabilität, die für den sozialen Fortschritt ebenso not­mendig ist wie für das wirtschaftliche Gedeihen Frankreichs   und Jugoslawiens  . Sie sind entschlossene Anhänger des Grundsages der Refpeftierung ber internationalen Berpflichtun. gen, die durch das Bollerbundsstatut feierlich bestätigt merben. Sie wünschen im Rahmen dieses Abkommens von vornherein die Gemeinsamkeit ihrer Ansichten zu gewährleisten für den Fall, daß an der Ordnung gerührt werden sollte, die von den Verträgen her gestellt ist, deren Signatare fie find. Sie find überzeugt von der Pflicht der modernen Regierung, die Wiederkehr der Kriege zu vermeiden

durch friedliche Regelung von Streitigteiten, die zwischen ihnen ents stehen fönnten. Zu diesem 3med haben sie befchloffen, fich gegen.

eitig neue Friebens, Berständigungs- und Freund schaftspfänder zu geben, und folgende Abmachung unterzeichnet: Die ersten drei Artitel des Vertrages führen die Verpflichtung zum Nichtfriegführen gegeneinander und zur friedlichen Lösung aller wischenstaatlichen Fragen näher aus. Die weiteren Artikel be­fagen u. a.:

effen und im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der burch bie Ber­träge hergestellten Ordnung.

Artikel 5. Die beiben vertragschließenden Parteien werden sich untereinander verständigen, falls eine Abänderung oder der Versuch einer Abänderung des politischen Statuts der Länder einem derartigen Fall vom Bölferbundsrat oder der Völferbunds Europas   in Frage kommt, und vorbehaltlich der Beschlüsse, die in versammlung gefaßt werden würden, werden fie fich verständigen über die in einem derartigen Fall von beiden einzunehmende Haltung.

Artifel 7. Nichts in dem gegenwärtigen Vertrag wird derart ausgelegt oder ausgelegt werden können, daß die Rechte und Bflichten der vertragschließenden Parteien auf Grund des Bölfer tundsstatuts verletzt werden.

Der Wortlaut des franzöfifo- jugloflawischen Vertrages bestätigt wider Erwarten die von den beteiligten Regierungen wiederholt gegebenen Bersicherungen, daß darin feinerlei gegen eine britte macht gerichtete Spize enthalten ist. Er unterscheidet sich darin nicht nur non dem non Italien   geschlossenen neuen Tiraner Abkommen, das ein aus­gesprochenes Militärbündnis ist und Abanien vollständig zum Basallen des römischen Imperialismus macht, sondern auch von den von Frankreich   selbst in den Nachkriegsjahren abgeschlossenen Berträgen, die die Eintreifung Deutschlands   zum unzwei­deufigen Ziele

hatten. Mis ein erfreuliches Novum darf darüber hinaus festgestellt merben, daß die gegenseitigen Berpflichtungen, die der Bertrag den beiden Regierungen auferlegt, ausnahmslos von dem Bor. behalt abhängig gemacht werden, daß diese in feiner Weise gegen die für beide Länder aus der Mitgliedschaft beim Rölkerbund resultierenden Pflichten verstoßen. Während die Verträge mit resultierenden Pflichten verstoßen. Während die Verträge mit Warschau   und Prag   für den Fall einer Bedrohung der politischen Neuordnung Europas   eine gemeinsame Affion vorfehen, ist in dem Abkommen mit Jugoslawien   nur von einer gemeinsamen Prüfung der Situation im Rahmen der dem Bölkerbund zustehenden Ent­

Artikel 4. Wenn troß der aufrichtig friedfertigen Absichten der beiden Regierungen Frankreich   und Jugoslawien   fich ohne selbst. verübte Brovozierung angegriffen fehen, würden beide Re­gierungen fich unverzüglich über ihre im Rahmen des Bölferbunds ftatuts durchzuführende Affion verständigen im Hinblick auf die Sicherung ihrer berechtigten nationalen 3nterscheidungen die Rede,

Klagen um Braunschweig  .

Nicht einmal mehr auf die Kommunisten Berlaß! Die Wahlergebnisse des letzten Sonntags, vor allem die in Braunschweig  , haben auf der Rechten wie eine Bombe eingeschlagen. Man sieht ein, daß jedes Sichhinwegtäuschen über die Schwere der Niederlage und die trüben Aussichten für das große Wahljahr 1928 vergeblich wäre. Diese Stim­mung zeigt sich in allen Blättern der Rechten höchstens mit Ausnahme der Täglichen Rundschau", die stolz darüber ist, daß die Bolkspartei in Braunschweig   meniger Prügel bezogen hat als die Deutschnationalen:

Die Sozialdemokraten haben fünf Mandate gewonnen, die Deutschnationalen die Hälfte ihrer Mandate verloren. Daß die Deutsche   Boltspartei nur ein Mandat verloren hat, tann beinahe als ein Erfolg angesehen

werden. Zweifellos tragen Wahlmüdigkeit und Zersplitterung im bürgerlichen Lager wieder die Schuld an diefer Niederlage.

An was soll man noch glauben, wenn man nicht mehr an den Stahlhelm glauben fann, flagt die Deutsche All­gemeine Zeitung":

-

Daß gerade der Stahlhelm seine bis dahin so günftige Bo sition nicht halten fonnte, beweist mie auch die bisherigen Wahlen Daß die Jugend, die zum ersten Male zur Urne geht, der Demagogie der Linten zu verfallen droht. Man unter­schäße es nicht: Jebe diefer Einzelmahlen ist ein Bor. bote der Auseinandersegung, die im nächsten Jahre im Reich und in Preußen bevorsteht. Je mehr Boden den bürgerlichen Parteien vorher verloren geht, desto schwerer wird dieser Kampf sein.

Im Hause Hugenberg ist man der Meinung, daß die Rechtsparteien bisher noch immer nicht genug Demagogie getrieben haben und man verspricht, sich in dieser Richtung fünftig noch mehr zu bemühen:

Immerhin werden sie( die Rechtsparteien) nach diesen neuesten Erfahrungen ihre politische Taftit den Notwendigkeiten der be mo tratis en Staatsverfassung, mit der wir in Deutschland   nun einmal gefegnet find, in höherem Grade anzupassen haben, als sie es bisher mit ihrer Gesinnung für sereinbar hielten.

Gäbe es noch ein Geldfadwahlrecht, wie in der guten alten Zeit, so würden die um Hugenberg das als echten Segen empfinden. Die Kreuz- Zettung" hatte sich bisher noch immer damit getröstet, daß bei den früheren Wahlen neben den Sozial demokraten auch die Kommunisten etwas gewonnen hatten, hen Sieg der bemährten Bundesgenoffen empfand sie

eben auch als ihren. In Braunschweig   aber haben die Kom­muniften nichts geerbt. So ist auch dieser letzte Troft dahin, und das Organ für Gott, König und Vaterland zeigt sich ganz faffungslos:

Es wird allerhöchste Zeit, sich den Ernst der Lage, wie er aus allen bisher vor sich gegangenen Wahlen erkennbar, ohne Ber. schleierung vor Augen zu führen. Die Deutschnationalen haben 50 v. H. ihrer Stimmen und genau soviel von ihren Mandaten ein Wir warnen eindringlichst davor, den Kopf in den gebüßt.... Sand zu stecken und sich mit billiger Vertröstung zufriedenzugeben. Möge fich die Partei über die Ursachen des überall zutage tretenden Stimmenrüdganges flar werden und daraus früh zeitig ihre Entschlüsse ziehen. Es steht, wie auf der anderen Seite das ständige Anwachsen der Sozialdemokratie zeigt, die in Braun­ schweig   feine fommunistischen Stimmen darunter zu verbuchen hat, viel auf dem Spiel!

Ja, ja! Wenn es nun gar auch mit den Kommunisten nichts mehr ist, dann ist für die armen Deutschnationalen Mathäi am legen!

Um die Lohnsteuersenkung! Sofortige Einberufung des Steuerausschusses gefordert.

Im Auftrage der sozialdemokratischen Mitglieder des Steuer ausschusses des Reichstages hat der Genoffe Dr. Paul Hers an den Borsitzenden des Ausschusses folgendes Schreiben gerichtet:

Heydebrands set. Erben.

Bon Hermann Wendel  .

Preußischer Konservativismus, zu dem wir uns bekennen.. Breußisch- konservative Staatsauffassung

leitet uns in der politischen Arbeit.

Graf eft arp auf dem deutschnationalen Parteitag in Königsberg  .

Als am 9. November 1918 die Kreuz- Zeitung  " mit einem großen Radiergummi aus ihrem Wappenspruch: Mit auch die Triarier Seiner Majestät", als die sich, versteht sich, Gott für König und Baterland den König auswischte, holten in gefahrlosen Tagen, die Konservativen gern aufgespielt hatten, ihr Firmenschild herunter, und als sie ihren Laden wieder aufmachten, hießen sie Deutsch nationale Boltspartei. Daß es die gleichen Brüder unter neuen Kappen find, verriet vor allem unlängst das Gehäkel in den Reihen der Partei nach ihrer Königsberger   Tagung. Die westlicheren und bürgerlicheren Elemente um den Reichs­verfehrsminister Koch und den Staatssekretär a. D. Wall­raf permahrten sich dagegen, daß die Deutschnationalen   ge­misfermaßen der Wurmfortsat der Konservativen seien, aber unwirsch rieb ihnen die Kreuz- Zeitung  " die Entstehungs­geschichte der Partei unter die Nase, und man erfuhr bei dieser Gelegenheit auch, daß die alten Konservativen, die als Sonderorganisation weiter bestehen, nicht nur durch die Verson des Parteivorfizenden Graf Westarp richtung­gebenden Einfluß auf die Deutschnationalen ausüben, und unter Drohungen verlangen, daß bei den Wahlen des nächsten Jahres Persönlichkeiten ausgesprochen fonservativer Ge­finnung in ausreichender Zahl auf den Kandidatenlisten

"

erscheinen.

Nun ist es den gescheiteren Röpfen nicht von ungefähr peinlich, vor der Deffentlichkeit mit der politischen Erbschaft Heydebrands belastet zu werden, denn schon die eigenen Sünden der Deutschnationalen   in den letzten neun Jahren, Sabotierung der Erfüllungspolitik, Mordheze gegen Erz­ berger   und Rathenau  , Provokation des Ruhrkrieges, gebrochene Aufwertungsversprechen, Raubzölle und der ganze Rest, reichen hin, einer Partei jeden Kredit bei den Wählern zu nehmen. Aber wie erst, wenn ihnen rechtens auch die Taten und Untaten der verflossenen Konservativen auf die Rechnung gesetzt werden! Zwar sträubten sich die Konser­vativen, genau wie heute die Deutschnationalen, dagegen, die Interessen einer engbegrenzten Schicht zu vertreten, aber sie tonnten nun einmal nicht verhehlen, daß fie der politische Ausdruck des ostelbischen adligen Großgrund­besizes waren. Das Rittergut war ihre Welt, und so sal auch ihre Weltanschauung aus. Wenn sie sie gern christlich verbrämten, so nur, um die ,, gottgewollten Abhängigkeiten zu betonen, um darzutun, daß die Unterschiede von arm und reich im göttlichen Schöpfungsplan liegen; Christi Lehre war für sie nur das Eiapopeia vom Himmel, womit man einfullt, wenn es greint, das Bolt, den großen Lümmel". Sonst aber hatte die Politik der Junker mit der Religion der Nächstenliebe nichts zu schaffen, sondern war eine fon­zentrierte Säure von Selbstfucht.

Ein Blick auf die konservativen Ahnen genügt, um zu wissen, daß im Grunde ihres Wesens die Deutschnationale Bolkspartei meder deutsch   noch national ist, noch mit dem Bolt das geringste zu tun hat. Statt deutsch   waren die Konservativen stur und eng stirnig preußisch. Wie sie den schwarzrotgoldenen Einheitsbestrebungen von 1848 mit ihrem Truglied begegneten:

Wir wollen Preußen bleiben! Der Teufel hol das Treiben, Das Deutschland   fabriziert Und Preußen ruiniert!,

so empfing noch ein halbes Jahrhundert später der Reichs­tangler Hohenlohe von den preußischen Exzellenzen" den niederschmetternden Eindruck: Alle diese Herren pfeifen auf das Reich und würden es lieber heute als morgen aufgeben."

,, Am 21. Oktober ist dem 6. Ausschuß vom Plenum der sozial­Auch national waren die Konservativen niemals in dem demokratische Antrag auf Sentung der Lohnsteuern einzig gültigen Sinn, daß sie Staatsgefühl= Gemeinschafts­( Nr. 3649 der Drucksachen) zur Beratung überwiesen worden. Der gefühl besessen hätten. Einer der ihren, Ludwig v. Ger­wiederholt vom Herrn Reichsfinanzminister Dr. Röhler angelach, lernte sie fennen, wie sie mit der Fronf zum heimat­fündigte Gesezentwurf der Reichsregierung über den gleichen lichen Mifthaufen und mit dem Rüden gegen den Ansprüche Gegenstand aber ist bisher noch nicht einmal vom Reichs. ftellenden Staat standen, und so blieb ihre Haltung bis ins Tagen geschehen sollte, würde also immer noch geraume Zeit ver- zahlen ließen. Daher die Leidenschaft für indirekte tabinett verabschiedet worden. Selbst wenn das in den nächsten zwanzigste Jahrhundert. Ihre nationale Ehre erschöpfte sich darin, daß sie die ärmeren Schichten des Volkes für fich gehen, ehe er an den Reichstag   gelangt, da seine Beratung im Steuern, daher die Auswucherung der Massen durch Agrarzölle, und in aufsehenerregenden Artikeln der Reichsrat sicherlich erhebliche Zeit erfordern wird. Preußischen Jahrbücher" wies Professor Delbrüd nach, daß der Staat jährlich Hunderte von Millionen Mart ein­büßte, weil die schwerreichen Junker eine schamlose Steuer­drückebergerei größten Stils betrieben.

Die Sentung der Lohnsteuer aber soll am 1. Januar 1928 in Kraft treten. Wenn diese Absicht nicht gefährdet werden foll, so muß die Beratung des sozialdemokratischen Antrages im Steuer­ausschuß unverzüglich beginnen. Im Auftrage der sozial­demokratischen Mitglieder des Steuerausschusses bitte ich Sie des halb, zum nächstmöglichen Termin eine Sigung des 6. A usichusses einzuberufen und den sozialdemokratischen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen."

Das Bolt aber galt dieser Boltspartei" nur als un mündiger Haufe, der von den geborenen Herren in Schach  gehalten werden mußte, als eine Herde, die nach Belieben zu scheren oder auf die Schlachtbant zu treiben war. Für die Konservativen mar das Volk nur Objekt der Geseze