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Morgenausgabe

Nr. 569

A 289

44. Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Freitag 2. Dezember 1927

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Sozialdemokratie gegen Bürgerblock!

Genosse Aufhäuser begründet die Wirtschaftsinterpellation.- Curtius gegen Schacht. - Die Sprache der Scharfmacher.

Sozialdemokratische Wirtschaftsinterpellation im Reichs-| die Bundesgenoffen beisammen. Herr Schacht, dem die Ehrenmitgliedschaft in der Deutschnationalen Partei an­getragen wird, weil er nach Kräften den Kredit der deutschen Gemeinden im Ausland schädigt, die deutsch natio nalen Scharfmacher, die ihre lückenlose Herrschaft über das Volf errichten wollen und den Dames- Plan zu neuer Ausbeutung der Arbeiterschaft ausnutzen wollen.

tag. Anflage gegen den Bürgerblod. Bier Tage find vor­gesehen. Ein großes geistiges Ringen im Parlament um die Grundprobleme der deutschen Wirtschaftsführung das Lönnten diese vier Lage sein.

Sie werden es nicht sein- denn in diesem Reichstag ist feine Regierung mehr, die wahrhaft führend sein tönnte, auf dem Gebiete der Politit mie der Wirtschaft. Die Zügel find der Regierung des Bürgerblods längst aus der Hand ge­glitten. Die Interessenten regieren, und die Regierung des Bürgerblods erfüllt die Funktion, für sie die Mauer zu. machen. Das ist das Ergebnis des ersten Tages dieser Aus­einandersetzung.

Und der Bürgerblod? Er ist die Regierung, in der diese Kräfte führend sind!

Die Sigung wird um 15 Uhr vom Präsidenten Löbe eröffnet. Haus und Tribünen find gut besucht, am Regierungstisch fizen der Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius, Reichsarbeitsminister Dr. Brauns, Reichsfinanzminister Dr. Köhler.

Ein kommunistischer Antrag auf Auslegung des Strafverfahrens gegen die Mitglieder der früheren Zentrale der RPD. wegen Bor bereitung zum Hochverrat bis zum Ende der Wahlperiode wird dem Geschäftsordnungsausschuß überwiesen.

Auf der Tagesordnung steht die sozialdemokratische Interpellation über die Wirtschaftspolitik der Reichsregierung.

zeigen, die sie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu gehen hat. Das Reichswirtschaftsministerium hat behauptet, daß es sich bei der gegenwärtigen Konjunktur um eine Mengentonjunttur und nicht um eine Breistonjunktur handle. Tatsächlich ist der Aufschwung der Ronjunttur mit einer wesentlichen Erhöhung der Preise verbunden.

Der Großhandelsindex der Fertigwaren ist von 154,1 auf 173, also um mehr als 10 Proz., gestiegen, zu derselben Zeit, wo auf dem Weltmarkt die Preise gesunken sind.

Das zeigt, daß unsere Wirtschaftspolitik falsche Wege geht. Das Wirtschafts- und Arbeitsministerium sind der Meinung, daß Lohn­steigerungen die Konjunktur gefährden würden. Demgegenüber find wir der Auffassung, daß die Konjunttur nur dann erhalten und erhöht werden fann, wenn Produktion und Absah in Uebereinstimmung gebracht und die Kapitalbeschaffung ge­regelt werden kann.

Die Erhöhung der Reallöhne sichert geradezu die Konjunktur.

Auf der einen Seite die Sozialdemokratie. Ein flar um­rissenes volkswirtschaftliches Programm mit dem Ziele der Bolkswohlfahrt. Eine wuchtige Anflagerede des Genoffen Aufhäufer: Bersagen der Regierung in der Frage der Gen fung der Preise und in der Kartellpolitit. Bersagen in der Zollpolitik: Erhöhung von Lebensmittelzöllen, feine Senfung von Industriezöllen. Schwäche gegenüber den Scharfmachern, Abg. Müller- Franken wendet sich dagegen, daß mit dieser großen die sich anschiden, die Dreischichtenverordnung für die Schwer- Aussprache noch mehrere Interpellationen über die Notlage im industrie zu fabotieren. Schwäche gegenüber den Versuchen, Aachener Gebiet, im Rheinland und in der Pfalz sowie über die durch Erschütterung des deutschen Kredits im Ausland die Verkehrspolitik im Osten verbunden werden. Das Haus schließt sichforschung auf die Gefahr hin, daß der Reallohn fintt, während zu Bersorgungsbefriebe der Gemeinden den privaten Groß­tonzernen in die Hand zu spielen.

Die andere Seite: die Scharfmacher der Schwerindustrie, die Großagrarier, die Hugenberg und Silverberg, die Thyssen und Klöckner, die Schieles, dazu der Reichsbankpräsident Schacht, der Sachwalter privatkapitalistischer Anschläge gegen die deutschen Gemeinden. Das sind die realen Kräfte, ihr Ziel ist es, die Arbeiterschaft niederzuhalten, eine lüden lose Konzernherrschaft über das deutsche Bolk aufzurichten. Und die Regierung? Herr Curtius, der Reichswirt schaftsminister, sprach von vielem, nur nicht davon, was die Regierung wolle. Sie deckt Schachts Angriffe gegen die Ge­meinden nicht aber was wird sie gegen die von Schacht vertretenen Tendenzen tun? Herr Brauns, der Arbeits­minister, feierte die Erfolge der deutschen Sozialpolitik aber er schwieg über die Frage, ob die Regierung die Durch führung des Dreischichtensystems in der Schwerindustrie er zwingen werde. In dieser Regierung bestimmen die Deutsch­nationalen, und deutschnationale Politik heißt Interessenten­politit. Wo die Absicht besteht, Interessentenwünsche brutal gegen das Bolt durchzusehen, hört der Geist auf. Die Minister des Bürgerblods dürfen Reden halten aber sie fönnen fich nicht geistig auseinandersetzen.

Sonnabend zu behandeln. Das Wort zur Begründung der sozial.

demokratischen Interpellation erhält dann

Abg. Aufhäuser( Soz.):

Die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Konjunktur wird durch verschiedene Maßnahmen der Wirtschaftspolitik der Reichs regierung ernstlich bedroht. Neue Erschütterungen der Erschwerung der Lebenshaltung aller Konjumneten und Steigerung Wirtschaft und weitere Teuerung durch Sentung der Reallöhne, der Not der Rentner find unausbleiblich, wenn nicht unverzüglich alles geschieht, um ein weiteres Ansteigen der Preise zu verhindern und die Erhöhung der Einkommen der werttätigen Bevölkerung zu fördern.

Die Regierung hat die Beratung der sozialdemokratischen Inter­pellation in der Zwischentagung des Reichstags verhindert, es be durfte erst der Unterhaltung mit dem Reparationsagenten und des Auftretens des Reichsbantpräsidenten Schacht, um die Regierung zu veranlaffen, uns Rede und Antwort zu stehen. Auch jest ist es noch nicht zu spät, um diese Beratung ernstlich zu führen, ber Reichstag muß den Willen haben, der Regierung die Wege zu

Was wir bei den Lohnbewegungen der letzten Wochen erlebt haben, bedeutete nicht nur die Anpassung der Reallöhne an die Steigerung der Preise, sondern auch den Versuch, den Arbeitern den ihnen ge­bührenden Anteil an der Rationalisierung zu verschaffen. Das Er­gebnis der Rationalisierung ist bisher restlos den Unternehmern zugute gekommen, sie fonnten es in Konjunkturgewinne ummünzen. Wir weisen in Uebereinstimmung mit dem Institut für Konjunktur­

gleicher Zeit die Produttivitat steigt.

Mit Entschiedenheit wenden wir uns gegen die Be­hauptung, daß jede Lohnsteigerung auch eine Preis­steigerung zur Folge haben müsse.

Die Gegenwartsfrage des deutschen Volkes ist die, ob Preis- und Lohnsteigerung diefelbe Wirkung erzeugen. Jede Preiser­höhung bedeutet, daß die Ausbreitung des Konjums ver­hindert wird, jede Lohnerhöhung bedeutet, daß sich der Maffenverbrauchs, Unterstützung der rüdständigen Betriebe, Cohn­Konsum vermehrt. Preiserhöhung bedeutet Hemmung des erhöhung bedeutet den Zwang zur Produktionsfteigerung und zur Entwicklung der Betriebe und der gesamten Produktion. Deshalb bekämpfen wir die Parole des Wirtschaftsministeriums, das stabile Preise und stabile Löhne erhalten bleiben müßten.

Wir verlangen im Interesse der Arbeiterklasse, im Interesse der Erhaltung und Steigerung der Kon­junktur den Kampf gegen die Steigerung der Preise und für die Erhöhung der Löhne. Wenn freilich die Regierung gewillt wäre, fonjunkturfördernd zu wirken, dann hätte sie schon längst in ihren eigenen Betrieben

Die Reichsbahn als Scharfmacher

Dresden , 1. Dezember. ( Eigenbericht.)

Nach den Ministern sprach der deutschnationale Abgeord: Der fächsische Landtag über den Dresdener Konflikt. Der Güterverkehr um Dresden stockt. nete Rademacher. Da sprach der Bürgerblod. Herr Rade­macher, Bergwerksdirektor in Borna bei Leipzig , Bertreter jener Unternehmergruppe, gegen deren Hungerlöhne sich der mitteldeutsche Braunkohlenstreik wandte. Agrarzölle müffen hochgehalten werden, Handelsvertrag mit Bolen darf teine Herabfegung bringen, Dreischichtensystem wird nicht durch geführt, Dawes- Plan ist nicht erfüllbar.

In der heutigen Sigung des Sächsischen Landtags lagen nicht nur je ein sozialdemokratischer und ein tommunistischer Antrag vor, die ein bermittelndes Eingreifen der fächsischen Regierung in dem Konflikt zwischen den Dresdener Eisenbahnern und der Reichsbahndireftion forderten, Bebend vor sittlicher Empörung forderte Herr Rade fondern auch ein Antrag der Deutschen Boltspartei gleichen macher die sozialdemokratischen Abgeordneten auf, ihre Inhalts, in dem gefagt wird, daß der Arbeitstonflitt Wähler doch endlich dazu zu erziehen, daß sie den Wahl- in unberechtigten Arbeiter entlassungen seinen Grund habe. Bettel nicht zur Erlangung wirtschaftlicher Bor. fetle mißbrauchen. In der Tat, ein unerhörter Materialis mus dieser Invaliden und Altersrentner, dieser Erwerbs losen und Kriegsopfer, dieser fürstlich entlohnten Arbeiter, die durch Sozialdemokraten ständig Forderungen an den Reichstag zu stellen wagen. Sie sollen sich am Idealismus dieser Bergwertsdirektoren Rademacher und Leopold, der Hugenberg, Reichert und Schiele ein Beispiel nehmen.

Dieser Bergwertsdirektor aus Bornadas ist der Bürgerblock wie er leibt und lebt. Von volkswirtschaftlicher Zielsetzung, von Geift teine Spur um so mehr scharfmache rischer Wille.

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Mit einem Sage enthüllte Herr Rademacher die Siele der Unternehmer, für die der Bürgerblod die Mauer macht; er beglückwünschte Herrn Schacht zu feinem Kampf gegen die Städte und deren Sozialisie rungsbestrebungen von hinten herum. Da sind

Im Auftrage unferer Partei begründete Genosse Kautsch den Fraktionsantrag, wobei er ausführte, er sei von der Organisation zu der Erflärung ermächtigt, daß sie durchaus am Tarif festhalte und nir Notmaßnahmen gegen die Tarifbrüche der Reichsbahn ergriffen habe.

Auch der Redner der Deutschen Bolfspartei, der Abgeordnete Boigt, wandte sich entschieden gegen die Reichsbahnver­waltung, die Methoden angewandt habe, wie sie sonst nur vor zwanzig Jahren üblich gewesen seien. Er warf der die den konflikt erträglich regeln wollten, in brüster Weise Direktion vor, daß fie Borschläge der Gewerkschaften, zurüdgewiefen habe, w

Die Regierung gab eine Erklärung ab, in der gesagt murde, daß der Landesschlichter sich bereit erklärt habe, einen Einigungsversuch zu unternehmen. Dieser Borschlag fei aber zunächst von der Reichsbahn mit dem Hinweis ab gelehnt worden, daß noch unmittelbare Verhandlungen zwischen den Parteien im Gange feien.

Die Regierung werde auch weiterhin von allen Möglichkeiten Gebrauch machen, die sich für eine gütliche Beilegung des Streits ergeben. Die drei vorliegenden Anträge wurden gegen die Stimmen der Deutschnationalen angenommen. Die Wirtschaftsparteiler ent­hielten sich der Stimme.

Im übrigen hat heute vormittag die Reichsbahnbireftion Dresden eine Besprechung mit den Vertretern der Bresse abge halten. In dieser Besprechung wurden von den Breffevertretern an die Reichsbahndirektion verschiedene Fragen gerichtet, die aber ent­Breffe hat heute abend zum Ausdrud gebracht, daß die Reichs­weder gar nicht oder unbefriedigend beantwortet wurden. Die bahnbirektion in der heutigen Besprechung nicht in der Lage gewesen ist, die von den Mitgliedern vorgebrachten Tat­fachenbehauptungen zu entfräften.

Gegenwärtig befinden sich nunmehr außer den 1300 Wertstättenarbeitern in Dresden

1400 Betriebsarbeiter im Streif, Streckenarbeiter und sonstige Bahnhofsbetriebsarbeiter. Dadurch ift und zwar fommen in Frage: Güterbodenarbeiter, Rangierarbeiter, der gesamte Güterverfehr stillgelegt. Die Reichsbahn trägt sich schon mit dem Gedanken, die Annahme von weiteren Gütern zu sperren.

Gegenwärtig werden schon die für Dresden bestimmten Güter­auge in den vorhergehenden Stationen aufgelöst, weil der größte Rangierbahnhof Dresdens , der zugleich der größte Rangierbahnhof Sachsens ist, vollständig verstopft ist.