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Morgenausgabe

Nr. 573

A 291

44. Jahrgang

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Der

Borwärts" mit der tllustrier ten Sonntagsbeilage Bolt und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wiffen. Aus der Filmwelt", Stadtbeilage", Frauenstimme", " Der Kinderfreund", Jugend- Bor wärts". Blid in die Bücherwelt", Kulturarbeit" und Technit ericheint

wochentäglich zweimal,

Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

pund

Sonntag 4. Dezember 1927

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die einipaltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Rieine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig zmet fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Bfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jebes meitere Bort 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmartt Beile 60 Pfennig. Familianzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

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Generalstreif der Industriekapitäne!

Die deutsche   Großeisenindustrie soll stillgelegt werden.- Gabotage der Dreischichtenverordnung. Unternehmeranschlag auf Deutschlands   Wirtschaft.

Dreischichtenverordnung nicht durchführen!

Vom Verein Deutscher   Eisen- und Stahlindustrien| die deutsche   Wirtschaft aus. Am 1. Januar 1928 sollen die nicht getroffen, zu denen sie verpflichtet sind. Sie wollen die wird mitgeteilt: Werte der westlichen Großeisenindustrie, mit ihnen sämtliche Hüttenwerte Deutschlands  , still gelegt werden!

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Stillegung der deutschen   Schlüsselindustrie das ist ein Schlag nicht nur gegen die Arbeiterschaft, sondern gegen das ganze deutsche   Bolt, seine Arbeit, seine Wirt­schaft, seinen Wiederaufbau. Es ist ein Sabotageaft größten Stiles, geplant nicht aus Not, sondern aus Willkür!

Nachdem die Gewerkschaften auf ihren außerordent lich hohen Forderungen für Durchführung des schemati­schen Acht it undentages, strifter Durchführung der Verordnung vom 16. Juli 1927 bei vollem Lohnausgleich sowie außerdem einer allgemeinen sehr weitgehenden Lohnerhöhung verharrt, und die bisher geführten Verhandlungen aus diesem Grunde zu keinem Ergebnis geführt haben, haben sich die Werke der westlichen Großeisenindustrie gezwunschaftlichen Aderlasses der Ruhr befehung aus freiem

gen gesehen,

bei den zuständigen Behörden eine Betriebs­stillegungsanzeige zum 1. Januar 1928 einzus usreichen.

Diese Anzeige soll es den Werken ermöglichen, ihre Betriebe unter Vermeidung eines Arbeitskampfes zum 1. Januar 1928 aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen. Im Hinblick auf die mit Sicherheit zu erwartenden Rückwirkungen auf die anderen Bezirke haben sich die übrigen Süttenwerte Deutich Iands diesem Vorgehen angeschlossen.

Die Kampfanfage.

L

Es ist die Wiederholung des furchtbaren wirt­Willen des führenden deutschen   Unternehmertums. Warum dieser Anschlag?

Am 16. Juli 1927 erließ der Reichsarbeitsminister auf Grund von§ 7 Abs. 1 der Arbeitszeitverordnung die soge nannte Dreischichtenverordnung, die die Arbeits­zeit für Schwerarbeiter in den Hüttenwerfen auf acht Stunden täglich feftfeßzte. Am 1. Januar 1928 soll diese Verordnung in Kraft treten. Es wurde in dieser Berordnung den Unternehmern aufgegeben, die erfor derlichen Vorbereitungsarbeiten bis zum 1. Januar 1928 zu

treffen.

Damit sollte in der Hüttenindustrie eine Arbeitszeit eini­geführt werden, die in der englischen Schwerindustrie seit 25 Jahren besteht, die schon im Jahre 1907 ein Beschluß des Deutschen Reichstages forderte. Seit dem Washingtoner Ab­kommen, seit der Einbringung des Arbeitszeitgefeges wissen 1525 8-948* 8die Unternehmer der Großeifenindustrie, daß die ach.stündige Arbeitszeit kommt. Trozdem haben sie die Vorbereitungen

Im Namen der Werke der deutschen   Groß eisenindustrie hat Herr Ernst Poensgen   dem Herrn Reichsarbeitsminister   die Stillegungsdrohung mit nachstehendem Schreiben vom 2. Dezember 1927 bekannt gegeben:

,, Sehr verehrter Herr Minister!

Ich halte es für meine Pflicht, Sie davon in Kennt nis zu sehen, daß die Werke, welche Ihnen gemeinsam die Eingabe vom 26. Oktober 1927 überreicht haben, sich genötigt sehen, einen Schritt zu tun, der hoffentlich nur vorbeugend zu sein braucht, und den sie gern ver­mieden hätten.

Hilferding und die Hilflosen.

Eine Rede und feine Antwort.

Das sind die ,, außerordentlich hohen Forderungen" des Metallarbeiterverbandes, die angeblich der Großeisenindustrie die Fortführung der Werte unmöglich machen:

1. Wiedereinführung des achtstündigen Arbeits tages fowie die dreigeteilte achtstündige Wechsel schicht in den Hütten- und Balzwertbetrieben und entsprechender Lohnausgleich einschließlich der Arbeitszeitverkürzung vom 8. August 1927 mit Wirkung vom 1. Januar 1928.

2. Die

2. Die Löhne der Facharbeiter( Schlosser, Dreher) merden um 10 Pf. pro Stunde erhöht. Den im Lohn beschäf tigten Arbeitern wird ebenfalls der neu festzulegende Lohnzuschlag voll gewährt.

3. Die Löhne der Lehrlinge werden anderweitig geregelt und erhöht."

Die Großeisenindustrie hat günftige Konjunktur, die Auf­Beweis: sie zahlt 5 m. pro Kopf jedes beschäftigten Arbeiters tragsbestände sind günstig. Sie kann Lohnerhöhungen tragen. Beweis: fie zahlt 5 m. pro Kopf jedes beschäftigten Arbeiters Stampf gegen die Arbeiterforderungen finanziert werden soll. im Monat in eine Kriegstaffe der Unternehmer, aus der der

Die Unternehmer wollen feine Bereinbarung mit der Arbeiterschaft. Sie wollen sich nicht der Gesetzgebung fügen. GSie wollen diftieren. Was fie androhen, ist nicht nur Wirtschaftskampf, sondern ein Machtkampf. Sie wollen er­proben, was stärker ist ihr Wille oder der Staats­

wille.

Arbeitstampfes" dienen. Der Kampf, der mit dieser Maß­Die Schließung der Werke soll der Bermeidung eines nahme begonnen werden soll, wird in der Tat nicht nur ein Arbeitskampf sein, sondern ein politischer Kampf. Stillegung der Werke das bedeutet Aussperrung der Arbeiter in solchem Maße, daß die leßten frivolen Aus­sperrungen dagegen ein Kinderspiel sein werden!

Diese Kampfmaßnahme der Unternehmer ist dennoch in erster Linie nicht Aussperrung, sondern Streit. Es ist der Generalstreit der Industrieta pitäne!

überbies noch vom 1. Januar 1928 die Einführung des durch eine Rede Hilferdings auf die Höhe einer grund- und gegen die Gesetzgebung. Er foll die Regierung und den

Die Gewerkschaften bestehen nicht nur auf der Die Debatte über die sozialdemokratische Interpellation striften Durchführung der Verordnung vom 16. Juli bei vollem Lohnausgleich sowie einer ganz ungewöhnlich zur Wirtschaftspolitik würde nicht verdienen, eine große ge hehen allgemeinen Lohnerhöhung, sie verlangen vielmehr nannt zu werden, wenn sie nicht. gestern noch zum Schluß Haus war freilich fast so leer wie sonst an Sonnabenden, aber fäglichen Auseinandersegung gehoben worden wäre. Das im Saal, und es war so still wie immer nur dann, wenn wirt das Biertel der Abgeordneten, das geblieben war, befand sich lich etwas Wichtiges und Bedeutendes gesagt wird.

schematischen Achtstundentages für die gesamte eisen schaffende und eisenverarbeitende Industrie.

Auf Grund dieser Sachlage sehen sich die Werke ge­zwungen, den zuständigen Regierungsstellen zum 3. De zember die gemäß der Stillegungsverordnung erforderlich liche Anzeige zugehen zu lassen, um in der Lage zu sein, ihre Betriebe am 1. Januar 1928 still. zulegen. Dieser Entschluß ist ein Art der wirtschaft. lichen Notivehr, den wir in vollem Bewußtsein der großen auf uns ruhenden Verantwortung und in der Hoffnung unternehmen, durch ihn einen Arbeitskampf mit seiner schweren Schädigung für Staat und Wirtschaft

zu vermeiden.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener gez.: Ernst Poensgen  ."

Den Führern der drei Gewerkschaftsrich tungen in Rheinland- Westfalen   ist Abschrift dieses Schreibens an den Herrn Reichsarbeitsminister   mit folgendem Anschreiben übersandt worden:

Nachdem zu unserem Bedauern auch die heutige Verhandlung keinerlei Klärung über die gemein same Stellungnahme der drei Gewerkschaften und keiner­lei Verminderung ihrer Forderungen gebracht hat und nachdem gemäß den Ihnen von uns vorgelegten Berech nungen auch in dem günstigsten Falle fich Belastungen für unsere Werke ergeben, die uns vor wirtschaftliche Unmöglichkeiten stellen, haben wir uns zu einem Schritte entschlichen müssen, über den Sie Näheres aus dem in Abschrift beigefügten Schreiben an ersehen wollen."

Hilferdings Rede war eine Anflagerede gegen den wirt. schaftlichen Landesverrat des Privatfapitalismus, es war die Rede eines deutschen   Sozialisten.

Dieser Unternehmerstreit richtet sich gegen den Staat, zuständigen Ressortminister zwingen, den Bollzug der Drei­schieben, bis die Unternehmer erflären werden, daß sie ge­schichtenverordnung einzustellen, ihr Infrafttreten hinauszu­neigt wären, sich dem Willen des Gesetzes zu unterwerfen. Er ist eine Probe auf die Macht im Staate.

,, Verteidigung der deutschen   Nationalwirtschaft gegen die Deutschnationalen und Herrn Schacht," so könnte man diese Bei dieser Machtprobe wollen die Industriekapitäne rüd­Rede überschreiben. Deutsche   Nationalwirtschaft, das ging fichtslos über das Lebensinteresse des deutschen   Volkes hin­aus den Ausführungen Hilferdings hervor, ist in ihrem besten wegschreiten. Sie wollen die Entwicklung der Kon­entwicklungsfähigsten Teil deutsche Gemein wirtschaft. Berjunktur so gut gefährden wie das Gleichgewicht des gegen das kämpft, was wir heute schon an Gemeinwirtschaft unttur so gut gefährden wie das Gleichgewicht des besitzen, der verjündigt sich damit an der ganzen Bolts- Staatshaushaltes, dem in dem kommenden Re­wirtschaft und dem deutschen   Volk selbst. parationsjahr erhöhte Bedeutung zukommt. Sie wollen das deutsche   Volk in seinem Mühen um Wiederaufstieg weit zurüdwerfen. Sie werden selbst nicht Not leiden, diese Führer" der Wirtschaft. Sie werden nicht an sich selbst empfinden, was ein Rückfall in eben erst notdürftig über­wundene Elendsjahre bedeutet, so wie sie es nie empfunden haben. Rücksichtslos, verantwortungslos, hemmungslos foll ihr Machtwille über Not und Opfer des Volkes hinweg­schreiten. denen die 700 millionen Mart Ruhrentschädi Diese Industriefapitäne das sind dieselben Männer, gungen aus den Steuergeldern des deutschen   Volkes zu­gefloffen find! Die Subventionen des Reiches aus Steuer­mitteln, der Fleiß und die Entbehrung der Arbeiterschaft das sind die Grundlagen der Macht, die sie jetzt gegen Volk und Staat auszuspielen gedenken!

Als Hilferding   geschlossen hatte, ereignete sich ein Standal. Ein Standal ganz ohne Lärm, ein Standal des Schweigens.

In feinem Lande der Welt, das parlamentarische Tra­ditionen besitzt, wäre es dentbar, daß die Regierung eine Interpellationsdebatte mit einer solchen Rede schließen läßt, ohne auch nur mit einem einzigen Wort zu

erwider11.

Der Reichskanzler war anderswo, der hart ange­griffene Reichsfinanzminister war auch nicht da, der einzige Minister auf der Regierungsband war der Reichs wirtschaftsminister Dr. Curtius. Und Herr Curtius schmieg.

Schweigen tann man aus verschiedenen Gründen. Man fann schmeigen aus Hochmut, aus dem Gefühl der Ueber den Herrn Reichsarbeitsminister vom heutigen Abend legenheit. Aber, weiß Gott  , ein solches Schweigen war das

Die nordwestliche Gruppe des Vereins deutscher Eisen­und Stahlindustrien, die Organisation der stärtften Unter­nehmerschicht in Deutschland  , holt zu einem Schlage gegen

nicht.

Man tann auch schweigen- aus dem Gefühl der Schwäche, aus hilfloligtelt, aus dem Bewußtsein, daß man nichts zu sagen hat. Das war's!

Hilferdings Rede war eine Antlage, Curtius' Schweigen war ein Geständnis.

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Es ist eine Handvoll Männer, die taltblütig dem Bolle mit der Erschütterung feiner Griftenzgrundlage droht. In größenwahnsinniger Ueberschäßung der eigenen Bedeutung fühlen sie sich als die Herren Deutschlands  , als die Herren feiner Wirtschaft und die Herren über feine Gefeß gebung. Die Antwort des Volles auf den Dittatwillen ber Industriefapitäne besteht in der Frage: sind diese Männer notwendig für die deutsche   Wirtschaft, darf die Zusammen.