Einzelbild herunterladen
 
  

Sonntag

4. Dezember 1927

Alus

Die Filme der Woche.

Bar und Dichter."

( Phoebus Palast.)

der Film- Welt

fondern sich auf die trauernde Witwe einstellen muß. Sie mill nämlich ihren Vater, einem vor dem Banfrott stehenden Versiche rungsagenten, eine einträgliche Police beschaffen und gibt sich zu diesem Zwecke als die Witwe eines Afritaforschers aus, der von den Kannibalen aufgefressen sein soll. Der reiche Freund des Verstor benen, eben der, den sie für die Versicherung gewinnen will, nimmt sich ihrer huldvollst an und bringt sie in der Wohnung unter, die er für den Zurückerwarteten eingerichtet hatte. Natürlich lebt der angeblich Gestorbene noch und siedelt sich in der gleichen Wohnung an. Da der Freund nur eine Treppe tiefer wohnt, ergibt sich ein ergößliches Durcheinander und Versteckspiel. Laura mimt abwech feind die trauernde Witwe und die von den Werbungen der beiden Männer Geschmeichelte. Das übliche Lurusleben in Restaurants und Tanzdielen nimmt einen breiten Raum ein, bis das Endziel er­reicht ist und Laura und der Afrikaner sich in den Armen liegen. Dem Regisseur M. Webb ist allerlei eingefallen, was den geraden auf der Handlung aufmunternd unterbricht. Laura im Bad wird im Spierel gezeigt und der Afrikaner ohne Hofen, was auf dem Treppenflur zu allerhand netten Szenen führt. Die Kameraleistung ist in diesem wie im vorhergehenden Film ausgezeichnet und auch die deutsche Bearbeitung in beiden recht gut.

,, Schwere Jungen

Leichte Mädchen."

( Primus- Palast.)

D.

Die wirtlichen Borgänge. denen der Film folgt, wirken, als ob fie Scribe   oder ein anderer Verfasser stereotyper Intrigenstücke er­funden hätte. Zar Nikolaus 1. und der große russische Dichter Buschkin find erbitterte Gegner, aber der allmächtige Zar wagt nichts gegen feinen Widersacher zu unternehmen, der in der Petersburger Gesell­chaft und beim Bolt allzu beliebt ist. Deshalb fommt er auf den Gedanken, die platonische Liebschaft zwischen Puschkins   Frau und dem Baron Dantes auf solidere Grundlage zu stellen. Höflinge ebnen den Weg und benachrichtigen dann durch anonyme Briefe den Dichter. Es folgt das Duell, bei dem Puschkin erschossen wird. Das geschah am 10. Februar 1837. Die drei mit dieser Tragödie verknüpften Per­fenen sind in psychologischer Beziehung interessant Baron Dantes, Gardeoffizier und Frauenjäger, war auch literarisch gebildet, ein reiner Geist, der Puschkin außerordentlich hoch schätzte, Die Frau liebte ihren Mann, den die Natur mit einer grotesken Häßlichkeit ausgestattet hatte, wie einen Bater. Davon weiß dieser russische Film nichts, er pereinfacht die Menschen. Dantes ist nur der schöne Mann, Fer aristokratische Frauenbezwinger, der Windhund, und die Wo­odtka bleibt derart starr im Ausdrud, daß der Zuschauer über­haupt keine Gefühlsregung an ihr bemerken fann, sie wirkt mie eine Sphing ohne Geheimnis Es fommt dem Russen allein darauf an, die Willkür, die Gemeinheit und feige Heuchelei des 3aren unter Scheinwerferbeleuchtung zu stellen. Aus diesem Grunde schickt der Sar dem sterbenden Puschkin seinen Leibarzt, der aber nur einen pon Riederträchtigkeiten strogenden Brief dem Dichter überreicht. Diesen Vorgang fennt feine Puschkin- Biographie. Es ist möglich, daß in Rußland   dieser Film stärker wirkt als bei uns, denn die Russen ver tnüpfen mit dem Namen Buschkin ganz andere Affoziationen, er ist dort ein strahlender Talisman. Wir stehen dieser Geschichte kritischer gegenüber. Für denjenigen, der Puschkins   Werte, etwa die Pique Dame  " oder den Eugen Onegin", nicht fennt, bleibt es unerfindlich, morin die Bedeutung des Mannes liegen foll. Man sieht den Schau­pieler Tscher wiatow finster bliden, mit wallendem Mantel und mit Napoleongeften spazieren gehen und fühlt sich erst in der Todes­zene erschüttert. Die Dichterpose im Lord Byronschen Stil macht den großen Dichter, das Genie noch nicht glaubhaft, diefes ist im Film berhaupt nicht ausdrüdbar. Es entsteht also eine im Grunde all­tägliche Geschichte, die vollkommen in den Traditionen ihrer Zeit ver­haftet bleibt, und die uns wenig erschüttert. Hinzukommt, daß der Regiffeur B. R. Gardin zu start das dekorative Moment betont, er belasttet die Handlung mit Milieuszenen, die allerdings von male­rischem Reiz sind, die Handlung jedoch unerträglich dehnen. Die Nei gung der Russen, ins Breite zu gehen, zeigt sich hier deutlich. Dabei fann der Film mit künstlerisch vollendeten Details aufwarten. Gut gesehen ist der Kontrast der schlittenfahrenden Hofgesellschaft mit dem Duell zwischen Puschkin und Dantes. Dort fällt ein höchst gleichheit den reichen Jungen zu einer sympathischen Figur. Renate gültiger Graf mit seiner Dame in den Schnee und hier bricht Ruß­ lands   größter Dichter tödlich getroffen zusammen Fabelhaft ist der Mastenball inszeniert. Aber das alles und auch Karenins Meisterleistung als 3ar fann die Enttäuschung über diesen Film nicht ausgleichen. F. S.

Laura La Plante  ."

( UT. Rurfürstendamm, Zauenhienpalaft.)

Baura Ba Plante ist im Gegensatz zu den meisten Lustspiel Darstellerinnen des amerikanischen Films nicht das süße Mädchen, das sich nur durch die Winzigkeit seines Mundes und die Größe der Gudäugelchen bemerkbar macht, sie charakterisiert wirklich und beherrscht eine ganze Stala der Mimit vom holdesten Lächeln bis zum bittersten Beinen mit ungezählten Zwischenstufen. Diese Woche hat man das Vergnügen, sie gleich in zmei Filmen zu sehen, in denen fie die ausschlaggebende Rolle spielt.

In den Seidenen Strümpfen" im UL. Kurfürstendamm  ist Laura die ewig unzufriedene junge Ehefrau, die dauernd mit threm Mann, einer wirklichen Seele von Menschen, im Streit ist. Is fie gar am Tage der Wiederkehr ihrer Hochzeit in seiner Tasche jeidene Strümpfe entdeckt, getragene seidene Strümpfe, die ihm ohne sein Wissen ein Spaßpogel von einem Mädchen dahinein prat­tiziert hat, da gibt es tein Halten mehr für fie, sie besteht auf Scheidung. Wunderbar ist mum die Szene vor dem Scheidungs­richter. Laura entfaltet hier eine Virtuosität, die kaum ihresaleichen tat. Sie schildert das arme Opfer ihrer Ehe in den düsterften sarbeit Sie behauptet nicht nur, daß er ein Spieler ist, sondern fie führt ihn als Spieler dem Richter in einer Weise vor, daß jeder ihr glauben muß. Ja, und ein Verschwender und ein Roh­ling ist er auch! Laura siegt auf der ganzen Linie, aber die Reue folat bald, und sie gibt nicht Ruhe, bis sie den lieben guten Kerl wieder eingefangen hat. Es gibt dabei sehr gehäufte Berwicklungen und ein namenloses Durcheinander in Hotelzimmern und Betten, aber sie weiß ihren Willen durchzusehen. Der Regisseur Ruggles hat das richtige Tempp für dies Lustspiel gefunden.

Im Tauenzienpalast gibt man Fräulein Laura, seine Bitwe". Auch in diesem Film gewinnt Laura das Treffen, wenn fie auch nicht so viel Gelegenhit hat, faure Gesichter zu machen,

GR

I

rich 3ille ist auf dem besten Wege, der Spaßmacher für Berlin   B Unzweifelhaft liegt eine große Gefahr in der Beliebtheit. Sein­zu werden. Diesmal nahm man einen Roman als Borlage, machte treffenden Titel. Der reiche Junge mit dem lauteren Charafter steht aus ihm einen Zille- Film und wählte für diesen einen völlig unzu­Frau oder jagen wir lieber in launenhafter Aufwallung, daß er sich im Bordergrund. Der verwöhnte Sprößling zeigt aus Liebe zur selbst sein Brot verdienen fann. So gerät er in das Bille- Milieu. Biele Frauenherzen fliegen ihm zu, weil sie es spüren, daß er etwas Besseres" ist. Doch er verlobt sich allen Filmregeln entgegen nicht, da ihm die Wahl zu schwer fällt. Und den ganzen Film hindurch wird das Thema von der rauhen Schale und dem guten Stern in fo und so vielen Abänderungen behandelt. Oftmals steigt bedenklicher­weise die Erinnerung an Wochenendzauber auf. Alles in allem wird jedes Geschehen zu solcher aaiglatten Angelegenheit, es flingt auch nicht einen Augenblid eine soziale Anflage heraus. Die Wohltätig teit der Reichen ist aller Weisheit A. und D. Zudem gehen auch noch neun Zehntel aller Heiterfeit des Films vom Tert aus.

Der Regisseur Karl Boese ist 3illes Illustrator, aber er illu­striert nicht Billes Zeichnungen, sondern den Tert, der unter diesen Zeichnungen steht. Das ist schade um Boese. Arbettet er so weiter, liegt bei ihm die Gefahr nahe, daß er vom filmischen Sehen zur aus schließlichen Kunst gewerblicher Ausmalung des Details gelangt. Gustav Fröhlich   machte in seiner fraftstrogenden Unbekümmert­Brausewetter und Lissi Arna   maren gut als zwei ganz verschieden geartete, aber in sich geschlossene Frauennaturen. Das Bremierenpublikum fargte mit dem Beifall nicht, der in erster Linie Bille galt.

Der falsche Prinz." ( Emelka- Palast.)

e. b.

Die Ueberschrift tönnte heißen: Mein Kind, fein Engel ift fo rein!" Der überaus fympathische Harry Domela   wird hier einer gründlichen, moralischen Reinigung unterzogen. Kein Teckchen bleibt auf seinem Ehrenschild. Hella Moja   und Heinz Paul  , der auch Regi führt, haben alles Anstößige aus dem prachtvallen Buch Domelas herausgefiebt. Ein aus seinem furländischen Erd­reich Entwurzelter sucht ehrlich in Deutschland   Arbeit, findet sie auch hin und wieder, aber immer vertreibt ihn die Bosheit der anderen. Auch in die Prinzengeschichte scyliddert er völlig unschuldig hinein. um ihn weht eben die Tragit. des Schlemihls. Und doch ist für die meisten Harry Domela   mehr. In ihm lebt etwas non dem schara manten Abenteurer aller Zeiten. Und immer stehen die Sympathien des Publikums auf feiten des Abenteurers, der aus eigener Kraft aufsteigt, der die Menschen bei ihren lächerlichen Schwächen anpact. Domela   verliert in dieser Filmbearbeitung an Format. Alle Ro­manfit wird aus seinem Leben forgfältig ausradiert. Der erste Teil des Films zeigt uns diese schwere Schule und erft bei der flein­städtischen Fürstengeschichte wird er leichter, graziöfer, wiziger. Schade, ein prachtvoller Groteststoff wird hier verschandelt. Eine Satire des Lebens wird mit Rücksicht auf den Kaffenerfolg die Spize abgebogen. Gerade auf die erbärmliche Dummheit der Speichellecker hätte der Hauptafzent gelegt werden müssen.

Nur Bendow zeigt, was aus diesem Stoff hätte gemacht werden können. Sonst rückt der Regisseur Heinz Paul   das Düftere, Lastende in den Vordergrund. Domela   selbst spielt den Domela, er ist etwas zu herb und verschlossen, zu verschüchtert; aber um feinen Muno spielt manchmal ein höhnisches Lächeln, nur diskret angedeutet: das beweist, wie dieser hoffnungsvolle junge Mann hätte verwendet werden müffen. Trog feiner Feigheit und Schwäche weist dieser deutsche Film Wege ins Neuland, denn er hat sich von einem Schema gelöst, das in banaler Liebesangelegenheit gewöhnlich ersticht. S.

REGIE: F. W. MURNAU

Manuskript: Carl Mayer  . Frei nach der Novelle ,, Die Reise nach Tilsit" von H. Sudermann  mit George O'Brien  - Janet Gaynor  Bauten: Rochus Gliese

ONNEN. AUFGANG

Lied von zwei Menfchen

titel

Gesetze der Liebe."

( Beba Palast.)

Beilage des Vorwärts

Dieser Film der Humboldt- Filmgesellschaft führt den Unter stammt von Dr. Magnus Hirschfeld   und Dr. H. Bed. Der erste Aus der Mappe eines Serualforschers". Das Manuskript Teil führt das Liebesleben in der Natur vor in mehreren Rapiteln, in denen das Suchen und Finden der Geschlechter, die innere und äußere Befructung, die Brutpflege und Mutterliebe geschildert merden. Daran schließt sich eine Darstellung des Zwischengeschlechts, und zum Schluß sollte die Tragödie eines Homosexuellen geboten werden. Aber die Zensur hat einen Strich durch die Rechnung gemacht, schon die sexuellen Zwischenstufen fonnten nur in Licht­bildern gezeigt werden und die Tragödie wurde total perboten. Da der Film die Bekämpfung des§ 175 bezmedt, mußte das er­läuternbe Bort an Stelle der unmittelbar dramatischen Wirkung treten. Die Vorführung flang aus in der Propaganda für die Eingabe des wissenschaftlich- humanitären Komitees, die bekannter­maßen von vielen Naturforschern, Juristen, Politikern und Künstlern unterzeichnet ist.

Obwohl der Film so einigermaßen verstümmelt ist, bleibt immer Die hin nody genug Gutes an ihm, das seinen Besuch lohnt. Geschlechts- und Mutterliebe als das Leite und Leidmotin aller Lebewesen wird durch ihn anschaulich vor Augen geführt. Ein reiches Material wird geboten, das sicher zum Teil nur mit großen Schwierigkeiten und großer Geduld der Natur abgelauscht werden tommte. Das Liebeswerben der Tiere wird an vielen Beispielen erörtert, man fieht den Frosch, der seine Schallblafe aufbläst pder das Eidechsemmännchen, das das Weibchen anbeißt, oder die rajende Tanzmaus. Die seltsamen Wege, die die Natur oft ein­schlägt, um die äußere oder innere Befruchtung zu erzielen, werden burch lehrreiche Beispiele illustriert. Die rührende Fürsorge für die Brut wird uns an dem Billendreher und den Ameisen, die ihre Larven an der Sonne trodnen. demonstriert Wunderbar war das Bild, wie die fleine Grasmüde das riesige Kududsjunge groß­füttert. Auch die Lichtbilder, die die mannigfachen wischenstufent zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht vorführten, find ficher in der großen Deffentlichkeit wenig bekannt. Und doch ver bienen fie allgemeines Intereffe, um Aufklärung in die weitesten Kreise zu tragen, damit falsche Vorurteile und törichte Gesekes­paragraphen aus der Welt geschafft werden.

Petronella." ( Beba Palast.)

,, Ein Film der wildromantischen alpinen Gletscherwelt nach dem gleichnamigen Roman von Joh. Jegerlehner, so lautete die Anfün­digung. Man erwartete sehr viele gute Landschaftsaufnahmen. Man bekommt auch einige wirklich schöne Landschaften zu sehen, denn an der Kamera ſtand Alfred Hansen und erfüllte mit wirklichem Ge­schid feine Aufgaben, doch bekommt man nicht genug pon der Land­schaft zu sehen. Soviel an landschaftlichen Reizen wie dieser Film bringt mancher mittlere Spielfilm, ohne deshalb gleich als alpine Sehenswürdigkeit hingestellt zu werden.

Das Manuskript belastet den Film start mit hochdramatischen Momenten. Es wird geschildert, wie die Schweizer   sich den napoleo­nischen Raubzügen mutvoll und erfolgreich widersetzten. Hernach fieht man dann, wie die Dorfeinwohner, die einig in der Abwehr maren, sich einander gar böse schifanieren. Es kommt viel Unglüc übers Dorf, verschuldetes und unverschuldetes. Und da man die Gründe nicht in menschlicher Unzulänglichkeit und in eigenen Fehlern fucht, muß es auf das Fehlen der Kirchengloce, mit Namen Betro­nella", zurüdzuführen sein. Vor den Franzosen sollte sie in Sicher heit gebracht werden und fand dabei mit ihren beiden Trägern ein Grab im ewigen Eise. Doch endlich wird Petronella gefunden, und das übliche Filmliebespaar bildet den Abschluß. Inzwischen wird noch manches Einzelschicksal breit, mit vielen hochdramatischen Atzenten erzählt. Manchmal ist ein starker Eindruck nicht zu leugnen, denn Hanns Schwarz   fonnte über die Darsteller wie Maly Del­ schaft  , Frida Richard  , Wilhelm Dieterle  , Oscar Ho molta, Theodor 200s, Georg John  , Rudolf Bettinger, Ume Jens Krafft   verfügen. Deren Können und Routine verhalf natürlich mandher Szene zur Geltung. Doch sind die Menschen non heute durch Krieg, Inflation und Arbeitslosigkeit durch Höllen gejagt, fie fennen den Kampf um die nächste Mahlzeit; für sie ist die Betrüb­nis um eine verschwundene Kirchenglode fein aufrüttelndes Er­lebnis. eb.

Aus der Heimat des Golfftroms."

Die Hamburg  - Amerita Linie veranstaltet neuerdings Propagandafilme, die mit den von ihren Dampfern berührten Ländern bekannt machen und gleichzeitig auf die Borzüge ihrer Schiffe und Routen hinweisen sollen. Der zweite der von ihr ver­anlaßten Filme gilt Mittelamerika   mit seinen Inseln und Festland­ftaaten, soweit sie vom Golfstrom befpült werden. Ausgiebig wird zunädyt Hamburg   und sein Hafen vorgeführt, dann geht die Reise, auf der wir in ungezwungener Weise mit dem Leben an Bord

Nollendorf 7098 Vorverkauf 12-2

CAPITOL

TÄGLICH 515, 715, 915 SONNTAGS 3, 5, 715, 915

3. Woche