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Nr. 573 44. Jahrgang

6. Beilage des Vorwärts

Heilanstalten oder Schwizzbuden?

Denkschrift der Gemeinde: und Staatsarbeiter.

Die Beschäftigung Geistestranter mit Arbeit, vor allem mit Arbeiten gewerblicher Art, hat sich in der jüngs ſten Zeit in vielen Anstalten derart ausgewachsen, daß sie nicht nur zu einer Gefahr für die Kranten und das Pflegeper sonal wurde, sondern auch zu einem wirtschaftlichen Miz= stand. Um die sogenannte erhöhte Arbeitstherapie an Ort und Stelle zu studieren. hat die Reichsfettion Gesundheitswesen" im Verband der Gemeinde und Staatsarbeiter vor einigen Monaten eine Studienkommission ausgerüstet, die eine Reihe von Heil- und Pflegeanstalten besichtigte.

Das Material diefer Studienkommission

ist nunmehr in einer Denkschrift zusammengefaßt worden, die in diesen Tagen den gefeßgebenden Körperschaften zugehen wird. Die Denkschrift lehnt die Arbeitstherapie nicht grundsäglich ab, fie mendet fich nur gegen die vielfach vorhandenen Auswüchse. Welchen Umfang die Beschäftigung Geistestranter mit Arbeiten aller Art angenommen hat, peigt sich besonders traß in der Heil- und Pflegeanstalt Bedburg- Hau  , die 2600 Krante umfaßt. In dieser An­stalt werden etwa 90 Broz. der Frauen und 85 Proz. der Männer beschäftigt, und zwar nicht nur mit Feld- und Gartenarbeiten, son­dern auch in der Schusterei, Schreinerei, Polsterei, Anstreicherei, Schmiede und Schlosserei, Bäderei, Korbflechterei, Mattenweberei Bürstenbinderei, Tütentleberei, Kartonnagenfabritation, Zementstein fabrikation, Buchdruckerei, Buchbinderei, Stuhlfizflechterei, im Korb weidenschälen und Tabakentrippen. Es handelt sich bei dieser Arbeit feineswegs nur um die Herstellung von Produkten: den Eigenbeda df der Anstalt. Eine in der Nähe der Anstalt befindliche Kartonnagenfabrik hat der Anstalt eine vollkommene, mit Dußenden von Maschinen ausgerüstete

Einrichtung einer Kartonnagenfabrit

zur Verfügung gestellt. Es werden pro Tag 7000 bis 10 0000 Schuh, Seifen- und Schokoladenfartons hergestellt. Die in den privaten Rartonnagenfabriten tätigen Arbeiter müssen wegen Man­gel an Arbeit vertürzt arbeiten oder Erwerbslosenunterstügung beziehen, während die Geistestranten, ohne dafür be zahlt zu werden, von morgens bis abends Kartons fabrizieren. Aehnlich liegen die Verhältnisse in der Buchdruckerei. Geistestrante. werben fogar an elettrisch betriebenen Buchdruck fcnettpreffen beschäftigt.

Ronflift im ,, Fürstenhof".

Wegen der Personalfontrolle.

Die meisten Anstalten, in denen die Arbeitstherapie in Fabrikation gewerblicher Produtte ausartete, bestehen fast ausnahmslos aus älteren Bauten und haben

teine ordentlichen Arbeitsräume.

Sonntag, 4. Dezember 1927

fahren. Die Eisenbahnergewerkschaften haben beschloffen, um 5 Uhr die gesamten Belegschaften aus den Betrieben der Saarbahn herauszuziehen. so daß sich der Ausstand von 6000 auf 9000 Arbeiter vergrößert. Obwohl die Eisen­bahndirektion durch Heranziehung aller Beamten bis zur fünften Gruppe den Betrieb aufrechtzuerhalten sucht, sind im Güterverkehr bereits Störungen eingetreten. Auch auf den Zollbahnhöfen ist eine verhängnisvolle Stodung des Verkehrs unvermeidbar geworden. | Die aus Frankreich   kommenden Güter werden bereits an der Grenze bei Forbach   abgeladen, um mit Lastwagen ins Saargebiet meiter­befördert zu werden. Die Eisenbahndirektion hat allen Arbeitern mit Entlassung gedroht, wenn sie nicht zur Arbeit zu­rüdfehren. Das Berhalten der Regierungskommiffion verursacht in der Deffentlichkeit allgemein schärfste Kritik. Die Gewerkschaften find entschlossen, am Montag die gesamten Belegschaften

aus den Betrieben zurüdzuziehen.

Dumpfe, feuchte und muffige Kellerräume find zu Mattenflech tereien, Korbwarenfabrifen usw. hergerichtet worden. In engen Bo­benräumen sitzen die Kranten aneinander gezwängt bei der gesund heitsschädlichen Arbeit des Tabalentrippens. Die privaten Lab at fabriten unterliegen den geseglichen Schußbestim= mungen und der Gemerbeaufsichtskontrolle, die Heil- und Pflege­anstalten nicht. Auch sind die Geistestranten, die an Maschinen aller Art arbeiten, nicht gegen Unfallversichert. Ebenso find die Krankenpflegepersonen reichsgefeßlich nicht gegen Unfall versichert. Geradezu grotest sind die Auswüchse der Arbeitstherapie dort, wo man die Kranten auch noch die Tätigkeit des Pfle geperfonals übernehmen läßt, wie zum Beispiel in der Seilbahnne herausgeriffen und auf selbständige Basis ge­und Pfegeanstalt Hildesheim  . Dort ist auf 15 Abteilungen mit etwa 300 Kranten nicht eine einzige Pflegeperson.

Die Geistestranten werden von Geiftestranten gepflegt. Geistestrante führen ärztliche Verordnungen aus, haben Lebens mittel und Meditamente zu verwalten. Schließlich hat die übertrie bene Beschäftigung Geiftestranter mit gewerblichen Arbeiten dazu geführt, daß Anstaltsinjassen, die entlassungsreif sind, zurückgehalten werden, um als fostenlose Arbeitskraft möglichst lange Verwendung zu finden.

Die Dentschrift fnüpft die Beschäftigung von Sei­ftestranten an folgende Bedingungen: Berbot der Herstellung industrieller Produkte, soweit sie nicht dem Eigenbedarf der Anstalten dienen; Gewährung bestimmter Garantien für Krante und Personal bei Betriebsunfällen im Mindestausmaß der reichs. gefeglichen Unfallversicherung; Unterlassung jeder Strafe für Krante, die nicht freiwillig an der Arbeit teilnehmen; Durchführung der staatlichen Ausbildung sowie Prüfung und Vermehrung des Per­fonals, um größere Sicherheit zu gewährleisten, feine Berwendung Don Kranten bei Bubereitung oder Herstellung von Lebensmitteln; Festsetzung einer Arbeitszeit, die den erhöhten Anforderungen, die an das Personal gestellt werden, Rechnung trägt und endlich Be. feitigung der pflegerlofen Abteilungen

befondere die Strafbestimmungen gegen Belästigung oder Be unruhigung des Bublifums durch ungebührliches Berhalten" feien geeignet, in der fünftigen Rechtsprechung das Streitposten. stehen ebenso zu bebin bern, wie in ber bisherigen Recht­sprechung der berüchtigte Grobe- Unfug- Paragraph.

den Arbeitern der sogenannten lebenswichtigen Betriebe da s Böllig unerträglich sei der vorgeschlagene§ 238, durch welchen Streifrecht geraubt werde. Der Entwurf enthalte auch eine große Anzahl von Strasbestimmungen, die vom politischen und fulturellen Standpunkt aus zu bekämpfen sind. Die unerhörte Ver schärfung der Strafbestimmungen gegen Landesverrat und Hoch­

Das ber Firma Aschinger A.-G. gehörende Hotel Der Fürstenhof hat feit einiger Zeit eine neue Perfonal. fontrolle eingeführt, die den 3wed zu verfolgen scheint, die Arbeitnehmerschaft dieses Betriebes zu provozieren. Der Ber  fonalportier weigert fidh  , fich die Kontrolle des Betriebsratsporfizenden gefallen zu lassen. Trog wieder holten Protestes verlangt die Kontrolleurin in die Aften der Schriftführerin des Betriebsrats bei der Kontrolle Einsicht zu nehmen. Dieses weibliche Betriebsratsmitglied wurde von dem Ber- errat, die Beibehaltung der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe, die drakonischen Bestimmungen gegen Bettler, Landstreicher und fonalportier nicht nur beleidigt, sondern auch geschlagen bzw. ge Prostituierte seien oft genug gebrandmarkt worden. Die stoßen und getreten. Kautschutbestimmungen des Entwurfs feien un an= nehmbar, da die Arbeiterschaft unseren Richtern nicht das Ver­trauen entgegenbringe, daß sie diese erweiterte Machtbefugnis nicht im Sinne der Klassenjustiz verwenden werde.

Neben diesen Vorkommnissen haben eine Reihe ähnlicher Vor­gänge nunmehr zu der Forderung des Verbandes der Ma­chinisten und heizer   und des Zentralverbandes der Hotel, Restaurant und Café- Angestellten geführt, diesen Mann ab Dienstag, ber E. De ember, mittags 12 Uhr, nicht mehr als Personalportier zu beschäftigen. Es darf er martet werden, daß die Firma Afdringer einfichtig genug ist, dieser Forderung stattzugeben und den Konflikt nicht auf die Spitze zu

treiben.

Der Strafgefeßentwurf und die Gewerkschaften.

Bor furzem referierte Rechtsanwalt Dr. Siegfried Weinberg über dieses altuelle Thema in einer Funktionärversammlung des Ortsausschusses des ADGB  . im Gewerkschaftshaus. Der Referent befaßte sich im ersten Teil seines Vortrages mit denjenigen Fragen, die ein spezielles gewertschaftliches Interesse erfordern. Er legte flar, daß der Entwurf nicht den in Artikel 157 der Reichsverfassung versprochenen Schutz der Arbeitskraft bringt, sondern daß es in Wirklichkeit an ausreichenden Bestimmungen zum Schuß der Arbeiter vor Auswucherung durch Hungerlöhne völlig fehlt. Die Dorgeschlagenen Bucherbestimmungen würden in der Bragis faum jemals zugunsten der Arbeiter angewandt. Es fehle auch an einem ausreichenden Schuh der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Gesundheit. In dem Entwurf feien eine ganze Reihe von Bestimmungen enthalten, die geeignet sind, den gewerkschaftlichen Kampf der Arbeiter zu verhindern. Ins.

Der Kampf der Gewerkschaften für eine men­schenwürdige Eristenz der Arbeitertiafie sei gleich zeitig auch die beste Kriminalpolitik. Wenn die bürgerlichen Barteien auch weiterhin die von unseren Genossen im Strafgeseßausschuß des Reichstags gestellten Berbefferungsanträge ablehnen, wie es bisher geschehen ist, so sei es am besten, die ganze Strafrechtsreform werde folange aufgeschoben, bis die Sozialdemokratie einen maß gebenden Einfluß auf die Gestaltung des neuen Strafrechts aus­üben fönne. Die Versammlung folgte dem Vortrag mit lebhaftem Interesse und bewies durch starken Beifall ihr Einverständnis mit dem Referenten.

Der Streit der Saareisenbahner.

Zweieinhalb oder fünf Pfennige Zulage?

Die Gewerkschaften der Saareisenbahnen haben eine Lohn zulage von 34 Centimes gefordert, die Bahnverwaltung will ihnen nur 16 Centimes zugestehen. Darum geht der Streit. Nachdem die Bermittlungsaktion des Landrats bei der Regierungskommission am Freitag ergebnislos verlaufen ist, hat der Streit der Saar­eisenbahnarbeiter am Sonnabend eine weitere Berschärfung er.

Diefer Konflitt, dessen Auswirkungen der Saarwirtschaft ge­rabe vor Weihnachten schweren Schaden zuzufügen droht, hat seine letzten Ursachen in der Un rentabilität der Saarbahnen. Diese Unrentabilität ist dadurch hervorgerufen, daß die Saar­bahnen entgegen wirtschaftlicher Bernunft durch den Versailler Bertrag aus dem leistungsfähigen deutschen   Reichseifen­stellt wurden. Trotzdem wäre die Regierungskommission in der Lage, dieses Defizit zu verhindern, wenn sie in vertragsmäßiger Weise die französischen   Gruben, die überdies be= deutende Frachtermäßigungen auf den Saarbahnen ge= nießen, zur Steuerleistung heranziehen würden.

Wahlschiebung von Christlichen  ".

Bei den Wahlen zu den Ausschüssen der Land­frantentassen betät gt sich auch der den christlichen Ge­wertschaften angeschlossene Reichsverband Deutscher Buts und Forstbeamten. Um Landarbeiterstimmen für feine Vorschlagsliste zu gewinnen, wendet der Verband folgenden Trid an, den wir einem Rundschreiben seines Bezirksvereins Sachsen- Anhalt   entnehmen:

Wo es wirklich zur Einreichung unserer Liste tommt und eine Wahl stattfinden muß, ist anzunehmen, daß auch ein großer Teil nichtorganisierter Landarbeiter unsere Liste wählt, wenn wir auch tattisch vorgehen und Aufseher, Flurschutzbeamte, Gärtner mit in unsere& ste aufnehmen. Damit die Wahl nicht durch diese Schiebung ungültig erklärt wird, müssen wir felbstverständlich die unteren Angestellten als Mitglieder aufnehmen, und wenn auch nur vorübergehend."

Das christliche Aushängeschild muß doch nur zur Deckung von allerlei höchst unchriftlichen Handlungen herhalten. Die Landarbeiter dürften den christlichen Schiebern" bald beweisen, daß ihre Stimmen nur den freigemertschaftlichen Listen bzw. dem Deut. fchen Landarbeiterverband gehören.

Rezept zur Streifeinschränkung. Berbessert die Lohn- und Arbeitsbedingungen.

IAA  . Auf Grund amerikanischer Statistiken wurde festgestellt, daß in den Bereinigten Staaten in den legten

3 wölf Jahren mehr als 28 000 Streits mit 15% Mil­lionen beteiligten Arbeitern und einem Verlust von mehr als 40 Milliarden Dollars stattgefunden haben. Bon den Streifs, die eine flare Entscheidung herbeiführten, fielen 34,5 Broz. zugunsten der Arbeiter aus, 34,5 Pro3. zugunsten der Arbeitgeber, während 31 Proz. durch einen kom= promiß endeten.

Die meisten gewerblichen Streitigkeiten fanden zwischen 1915 und 1919 statt. Seit 1919 hat ihre Zahl beträchtlich ab­genommen. Sie fiel von 3630 im Jahre 1919 auf 3411 im Jahre 1920, 2385 im Jahre 1921, 1112 im Jahre 1922 und betrug 1553 im Jahre 1923, 1249 im Jahre 1924, 1301 im Jahre 1925 und 1035 im Jahre 1926. Nach den Berichten aus Amerifa ist dieses Sinten der Streifziffern aufbie Berbeffe. rung der Arbeitsbedingungen, die Steigerung der Löhne und den technischen Fortschritt in der Produktion zu­rückzuführen.

Der Hafenarbeiterstreif in Australien  .

Der Streit in den australischen Häfen hat an Ausdehnung zu­genommen. Nach Berichten aus Endnen sind nunmehr etwa 20 000 Kohlenarbeiter entlassen worden, die wegen der stockenden Kohlenabnahme der stilliegenden Schiffe teine Beschäftigung finden fonnten. Insgesamt sind durch die Streitbewe­gung bis her 50 000 Mann arbeitslos. Wenn der Streit eine weitere Woche anhält, werden etwa 150 000 Mann betroffen werden. In Lonton rechnet man bereits mit möglichen Rückwir­tungen des Streifes in Form von Preiserhöhungen für Fleisch und eine Reihe wichtiger australister Einfuhrartikel.

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