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Albendausgabe

Rr. 574

B 284

44. Jahrgang

Böchentlich 70 Pfennig, monatlich 8- Reichsmart, im voraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus Land 5,50 Reichsmart pro Monat

Der Borwärts" mit ber illuftrier ten Sonntagsbeilage Bolt und Beit fomie den Beilagen Unterhaltung und Biffen. Aus der Filmmelt, Stadtbeilage", Frauenstimme", Der Kinderfreund", Jugenb- Bor maris". Blid in die Büchermelt Stulturarbeit und Techni erscheint mochentäglich zweimal Sonntags und Montags einmal

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Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Montag 5. Dezember 1927

10 Pfennig

Die etut palatge Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5.- Reichs mart. Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 Pfennig( zulässig zwel fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes meitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmorft. Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen annahme im Hauptgeschäft Linden ftraße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands  

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500000 Arbeiter brotlos!

Der staatsfeindliche Wirtschaftsputsch der Scharfmacher.- Die Kampfrüstungen.

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Die Drohung der Schwerindustrie, die Schlüsselindustrie| fonder damit gerechnet werden muß, daß diese Tatsache der Durch der deutschen   Wirtschaft lahmzulegen, aimet den Geist der Fronde gegen den Staat. Es ist eine Drohung mit dem politischen Streit gegen das geltende Ge­fet, eine staatsfeindliche Kundgebung. Die Dreischichtenvers ordnung ging auf ein ein mütiges Gutachten des Reichswirtschaftsrats zurüd, das mit den Unter nehmerstimmen beschlossen war. Sie wurde erlassen vom Reichsarbeitsminister des Bürgerblods. Aber die Schwerindustriellen pfeifen auf das Gefezz!

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Sie wollen einen legten großen Anfturm zur Errichtung der Wirtschaftsdiktatur über den Staat riskieren. Der Geist von Alfred Krupp   geht um! Der schrieb im Herbst 1871 in einem Briefe, den Morus in seinem Wert ,, Wie sie groß und reich wurden".( Ulstein- Berlag) zitiert, folgendes: Ohne Zweifel geht Deutschland   demselben Zustande entgegen, werin England fich befindet. Ich empfehle daher die äußerste Vor. ficht und Kontrolle des Verhaltens der Arbeiter und Meister und jeden jofort herauszuschmeißen, der Miene macht, sich zu beteiligen bei irgendeinem Verbande, der feindlich ist gegen Arbeitgeber und Kapital. Ferner redne ich darauf, daß jeder herausgeschmissen wird, der in Religionsintereffen zu mühlen versucht.

Wir wollen nur treue Arbeiter haben, die dankbar im Herzen und in der Tat dafür sind, daß wir ihnen das Brot bieten, wir wollen fie mit aller Menschenliebe behandeln und für sie wie für ihre Familien sorgen, sie sollen das Maximum bei uns verdienen, was eine Industrie bieten kann oder wir geben solche Industrie auf, bei der die Leute hungern müssen. Dagegen foll aber niemand. wagen, gegen ein wohlwollendes Regiment fich zu erheben, und eher ift alles in die Luft zu fprengen, alles zu opfern, als Arbeiterbegehr nachzugeben unter dem Drud von Streit."

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Das ist der Geift, der heute die Herren von Kohle, Stahl und Eisen treib.! Wie Krupp   jeden sozialpolitischen Eingriff des Staates ablehnte und nur seine eigene Macht anerkannte, so können die Vögler und Poensgen, der Thyssen und Kirdorf  feinen Staat, fein Gesez, feinen Boltsmillen nur den eigenen..

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führung der Stillegung in türzester Zeit die ernst est en Rüd wirtungen auf weitere Industrien mir nennen hier zunächst einmal nur die weiterverarbeitende Metall industrie und die Kohle haben muß, so muß man sich gegenüber dieser wirtschaftlichen Katastrophe und bei Beurteilung der Maßnahme der Stillegung jederzeit nor Augen halten, daß nur und ausschließlich das Bersagen des Reichs. arbeitsministeriums und die Haltung der Gewerf. schaften Veranlaffung für das der deutschen   Wirtschaft und damit dem deutschen   Bolle drohende Unglüd gewesen find."

Hugenberg hat die wirtschaftlichen Butschisten einge schworen auf den Kampf gegen das Bolt- jezt soll der Kampf beginnen!

Diese Diktatoren der Schwerindustrie sind Feinde des Boltes! Es ist widersinnig, daß sie unbeschränkte Verfügungsgemalt über e.nen so gewaltigen Teil des deut­ schen   Boltsvermögens haben. Der Anschlag muß niederge­halten, die Wirtschaftsmacht, die sie gegen das Volk brauchen, muß ihren Händen enirissen und ins Eigentum des Boltes übergeführt werden.

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Gegen den politischen Streich der Wirtschaftskapitäne den Sieg des Boltes über Deutschnationale und Bürgerblod, über die tap talistische Wirtschaftsdiktatur und die putschisti schen Tendenzen in der Republik  !

Erzlieferungen werden abbestellt.

Düsseldorf  , 5. Dezember, Große Hüttentonzerne haben die ausländischen Erz1iefe­rungen auf Grund der bestehenden Beitragsbestimmungen soeben erfuht, d'e Erzverschiffungen im laufenden Monat Dezember, soweit noch jetzt möglich, funlichst einzuschränken, und ab 1. Januar 1928 ganz einzustellen.

Die Metallverarbeitung schließt sich an. Düsseldorf  , 5. Dezember.

Zu der drohenden Stillegung in der Großeisenindustrie wird bekannt, daß auch zahlreiche weiterverarbeitende 3n­Im April dieses Jahres ließ Hugenberg bie duftriebetriebe des rheinisch- westfälischen Indust.lebezirks 300 Direttoren der Schwerindustrie, die sich aus freien Stüden ebenfalls Stillegungsanzeigen bei dem zum Fadelzug vor Kirdorf   versammelle, feierlich schwören, zusammenzustehen wie ein einig Bolt Don Brüdern!

Damals der Rütli- Schwur gegen das Bolf, dann die Kriegstaffen zum Kampf gegen den Staat, die jetzt schon mehr als 15 Millionen Marf umfaffen, und nun der Anschlag gegen Deutschlands   Geseze und Deutschlands   Wirtschaf.!

Lieber wollen die 300 Männer der Schwerindustrie alles in die Luft sprengen, als sich dem Gefeß unterwerfen! Lieber wollen sie Deutschland   in ein wirtschaftliches ChaoS stürzen! Die Schuldigen an der Inflation, die Nutznießer der Inflation drohen mit einem Wirtschaftsputsch, der wie jener wirtschaftliche Landesverrat wirkt, von dem der Wirtschaftsminister Curtius sprach.

Diese Männer sind die Repräsentanten des Kapitalismus, der plutakratischen und sozialreaftio nären Tendenzen in Deutschland  . Die prominentesten von ihnen sind: Albert Boegler, der Freund und Mit­arbeiter von S.innes, 1. Borsitzender des Stahltrusts; Herr Ernst Poensgen  , 1. stellvertretender Borfizender des Stahltrusts.

Die Aufsichtsratsm'tglieder des Stahltrusts: Friz Thyssen, Kirdorf  , Dr. v. Siemens, Paul Silver­ berg  . Otto Wolff  , Karl Fürstenberg( Berliner Han­delsgesellschaft), Jakob Goldschmidt  ( Danatbant), Henry Retten( Dresdner Bank), Ar.ur Salomonsohn ( Distontgesellschaft), Louis Schlitter( Deutsche Bank), Louis Hagen  ( Bankhaus Levy u. Co.).

Zu diesen Männern gehören die deutsch nationa Ien Reichstagsabgeordneten Reichert. Geschäfts führer des Vereins deutscher   E.fen- und Stahlindustrieller, Bergwertsdirettor Rademacher. der eben erst im Reichs­tag von der Begehrlichkeit der Arbei.er gesprochen hat; zu ihnen gehört der Zentrumsabgeordnete Klodner.

Das sind die wahren Staatsfeinde! Hinter ihnen steht die Deutsch nationale Partei, der Kern des Bürgerblods. Das Organ des Grafen West arp, die Kreuz- 3e tung", nimmt offen Partei für sie und für den von ihnen geplanten Wirtschaf.sputsch:

,, Wenn also heute die deutsche Deffentlichkeit vor dem Beginn einer in ihren Folgen unübersehbaren Ausein andersetzung in der deutschen   Eiſenindustrie steht, wenn insbe­

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zuständigen Regierungspräsidenten zum 1. Januar 1928 erftattet haben Als Grund geben auch diese Werte die Forderungen der Gewerkschaften an. Eine Berwirklichung diefer Forderungen würde angeblich den Betrieben ein wirtschaftliches Weiterarbeiten nicht mehr gestatten.

Der Mordanschlag auf die Wirtschaft.

Der Kampf der Schwerindustrie gegen das Gefeß und gegen die sozialen Rechte der Arbeiterschaft stellt eine so schwere Be drohung der gesamten Boltswirtschaft dar, daß es sich lohnt, die Folgen einer Stillegung der deutschen   Eiſenindustrie sich im einzelnen zu vergegenwärtigen.

Das Reichsarbeitsministerium rechnet damit, daß durch eine Stillegung der Schwerindustrie rund 250 000 Arbeiter arbeitslos werden würden.

Diefe Zahl ist viel zu niedrig gegriffen.

Da sich fämtliche Hüttenwerfe in ganz Deutschland   der weste deutschen   Industrie angeschloffen haben, der Kampf aber überhaupt

nur Aussicht auf Erfolg hat, wenn er bis aufs Messer, d. h. auf lange 3eit geführt wird, muß innerhalb verhältnismäßig furzer Frist bie gesamte Großeisenindustrie zum Erliegen tommen. Diese beschäftigt nach der letzten Berufszährung

annähernd eine halbe Million Arbeiter und Angestellte, die in ihrer großen Mehrzahl um Arbeit und Verdienst ges bracht werden würden. Betroffen würde von diefer Stillegung eine berufszugehörige Bevölkerung von ziemlich genau zwei Millionen Menschen! Sie alle fallen im Augenblick der Arbeitsruhe der öffent lichen Fürsorge anheim!

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machen, ist schwer. Der Vorsitzende des Vereins Deutscher Eisen­Von den ausfallenden Lohnfummen sich eine Vorstellung zu und Stahlindustrieller hat in der Presse mitgeteilt, der Durch schnittslohn betrage auf den meisten Hüttenwerfen unter Ein­rechnung von Lehrlingen und Hilfskräften 240 bis 250 M. Nach der Unternehmerrechnung würde sich also ein

Lohnausfall von monatlich 120 bis 125 millionen Mark ergeben.

Nun find die Lohnschäzungen der Unternehmer fraglos zu hoch. Immerhin dürfte allein der Lohnausfall der Großeisenindustrie

Begegnung Chamberlain- Litwinow.

Heute nachmittag britisch- russische Wiederanknüpfung?

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V. Sch, Genf  , 5. Dezember.  ( Eigenbericht.) Die Bölferbundsratstagung hat mit einer Sensation dings außerhalb des Böllerbunds hauses begonnen. Was noch dings außerhalb des Böllerbunds hauses vor drei Tagen unmöglich, mas noch am Sonntag höchst unwahr: scheinlich schien, ist zum Ereignis geworden: es ist eine Begeg= nung Chamberlain Litwinom für heute nach mittag 2% Uhr vereinbart. Die Russen sind inzwischen abgereift- bis auf Litwinom.

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Ein Plas von 60 Meter Breite trennt das Hotel Beau Rivage, Quartier genommen haben: aber aus Prestige- und Etikettegründen wo Chamberlain wohnt. vom Hotel de la Pair, wo die Ruffen wollte zunächst niemand den ersten Schritt tun. Und so schien es, als ob diese fostbare Gelegenheit, den diplomatischen Kriegszustand zwischen Lonton und Moskau   zu beenden, unbenugt verstreichen würde. Es spielte dabei nicht nur die Frage der Schuld" an der Arcoaffäre und am Krach der diplomatischen Beziehungen, sondern auch die andere Frage" eine Rolle, daß Chamberlain als Minister warten müsse, bis Litwinow  , der nur stellvertretender Bolkskommissar ist, sich an ihr wendet. In der Umgebung des englischen Staats fefretärs gab es überdies einige Fanatiker, die bis zuletzt eine Unter­redung um jeden Preis verhindern wollten, wie versichert wird, aus antisemitischen Gründen! Doch erwies fich Chamberlain als vernünftiger, denn am Sonntagnachmittag antwortete er englischen Brichterstattern auf die Frage, ob er Litwinow   fehen würde, mit den Borten: He did not ask to see me."( Er hat nicht den Wunsch geäußert, mich zu sehen.) Das mußte als eine indirefte Aufforderung unter Wahrung des Etiquettestandpunktes aufgefaßt werden. Litwinow   ließ darauf bei Chamberlain anfragen, ob eine Unter haltung erwünscht set. Chamberlain be jahte dies, und so blieb Litwinow   in Genf   zurüd.

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Die Russen versichern, daß die naheliegende Bermutung, Strefe mann und Briand   hätten am Zustandekommen der Unterredung mit gewirft, nicht zutreffe. Dennoch steht außer Zweifel, daß die beiden Außenminister, die beide hintereinander am Sonntag lange Unter­

redungen mit Litwinow   hatten, dazu beigetragen haben, die psycho­logischen Hindernisse bei Chamberlain und Litwinow   zu beseitigen.

Die Briten   versuchen noch, die Bedeutung dieser Zusammenkunft abzuschwächen oder zumindest über ihr Ergebnis eine steptische Stim­mung zu verbreiten. Man stellt den vermutlichen Verlauf so hin, als ob Chamberlain sogleich an Litwinow   die Frage richten werde, ob Sowjetrußland bereit sei, seine antibritische Propaganda in Asien   einzustellen und da Litwinow   darauf nur eine nega tipe Antwort erteilen fönnte, würden beide wieder sehr bald resul tatlos ausein undergehen.

So einfach dürften sich aber die Dinge nicht abspielen, denn Litwinow   wird ja naturgemäß mit dem alten Argument antworten, daß die Sowjetregierung ntemals eine Propaganda betrieben habe, sondern ausschließlich die dritte Internationale, die von der Sowjet­regierung unabhängig fei. Hinzu kommt ein neues Moment:

die Frage der bolichewistischen Propaganda, die in der Tat die Kernfrage der Wiederaufnahme der diploma­tischen Beziehungen bildet, stellt sich seit dem radikalen Vorgehen Stalins gegen die Opposition anders dar als bisher. Sino­bezug auf die meltrevolutionäre Propaganda waren, find aus miem und Rabet, die die Bertreter der radikalen Richtung in gefchieden. Litwinom   tann heute über diesen Punkt Erklärungen abgeben. die noch vor drei Monaten unmöglich gewesen wären. man erwartet daher von ihm eine zunächst private 3ufiche rung, die den Engländern genügen und die Grundlagen für eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen bilden würde.

Briand   hat Litwinow   gestern dringend nahegelegt, einen franzöfifch ruffifchen Sicherheitspaft( oder Nichtangriffspaft) abzuschließen Die Ruffen sind nicht abgeneigt, aber fie möchten sich dafür Zugeständnisse in der russisch  - französischen Schulden regierung sichern. Der Teil der Unterhaltung, der die Ab berufung Rafowitis betraf, trug einen sehr vorschauenden Charakter und war um so schmerzloser, als ja Ratowski inzwischen als Anhänger Trogkis völlig taltgestellt worden ist.