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Oiensiag &. Dezember 1921

Unterhaltung unö AAissen

Veilag« des Vorwärts

Madame opfert flch. Don Olaf Loulerweck. Herr Castell de la Crux hatte eine scharmante kleine Frau und es war eigentlich nicht recht einzusehen, warum er ihr untreu geworden war. Aber schließlich kann man das in keinem Falle recht einsehen(sagen die Ehefrauen). Dennoch: dieserFall" war ein zum Himmel stinkendes Verbrechen, war eine Ungeheuerlichkeit, wie sie nach Meinung der scharmanten kleinen Frau de la Crux in den Annalen der Ehcbrecherei noch nie vorgekommen war und auch nie mehr vorkommen wird: es war sozusagen ein Nonplusultra der Geschmacklosigkeit und der Gefühlsverwirrung. Denn, ob ihr es nun glaubt, meine Lieben, oder nicht: obwohl die kleine Frau de la Crux mit allen nur erdenklichen guten Eigen- schaften in reichstem Maße ausgestattet war sie war jung, schön, graziös, anmutig, ein wenig kokett, hatte die moderne schlanke Linie und jenen bezaubernden Esprit, der die Französin so sehr vor allen anderen Frauen der Welt auszeichnet, und besaß ferner einen ent- zückenden Bubikopf, und«in nicht unbeträchtliches Vermögen hatte ihr Gatte sie dennoch mit einem Weibe betrogen, das, nach Meinung der scharmanten Französin, eigentlich gar kein Weib, sondern eine schwarze Mißgeburt der Hölle war! Ihr werdet neugierig meine Lieben, nicht wahr? Nun gut, ich will euch die Geschichte erzählen: Zunächst eine Frage: Wißt ihr, wo Iryguako liegt! Nein, ihr wißt es nicht, nicht wahr? Kein Mensch weiß, wo Iryguako liegt. Ich selbst auch nicht. Aber da sich Herr Castell und seine Gattin dort befanden, muh dieses Land selbstverständlich auch existieren. Irgendwo da unten in der Südsee... Iryguako hat sogar einen König, Mulubuko mit Namen. Mulubukos Hautfarbe ist schwarz, gewiß, aber was wollt ihr: ein König ist eben ein König, daran kann weder eine schwarze Haut- färbe noch eine schwarze Seele etwas ändern. S. M. Mulubuko IV. hatte nun geruht, Herrn und Frau de la Crux zu sich zu Hofe zu bitten, welche Gelegenheit der König nicht vorübergehen ließ, ohne den weißen Fremdlingen den Glanz und die Pracht des iryguakoischen Hofes in seiner ganzen Herrlich- keit vor Augen zu führen. Als Herr und Frau Castell am Eingang des königlichen Hofes erschienen, stürzten ihnen plötzlich mit lautem Gebrüll etwa hundert schwarze Krieger entgegen. Alle waren schaurig schön bemall und bis an die Zähne bewaffnet. Madame kreischte entsetzt auf, denn sie glaubte nichts weniger. als daß ihre letzte Stunde gekommen sei, und daß man sie ermorden und vielleicht sogar auffressen würde. Wer es war ein Irrtum. Denn bald stellte sich heraus, daß Mulubuko diese hundert Krieger nur zum Empfang seiner Gäste herbeordert halle. Unter wildem Geheul führten sie einen Kriegstanz auf. Madame war von diesem Tanz ganz begeistert, und als gleich darauf Mulubuko IV. persönlich erschien, drückte sie ihm gerührt die Hand und versicherte, noch nie in ihrem Leben so schön Charleston tanzen gesehen zu haben. Mulubuko klopfte sich dreimal auf den wohlausgebildeten Bauch, was in Iryguako unter gebildeten Leuten ein Zeichen der Höflichkeit und der Dankbarkest ist. Dann nahni er Herrn und Frau de la Crux bei der Hand und führte sie in seinen Palast, wo die Festtasel bereits gedeckt war. Währenddessen spielle ein Gram- mophon die Iryguakoische Nationalhymne:Puppchen, du bist mein Augenstern!"(Mulubuko halle nämlich nur dies« eine Platte.) Es war sehr feierlich. Nach dem Essen erschienen die vier Frauen Mulubukos. Zu Ehren der Gäste waren sie in Wendtoilette: d. h., ihr Dctolletö war sozusagen vollständig, nur urn die Hüsten hallen sie ein entzückendes Compositum aus Strauß- und Marobufedcrn. Madame war hin- gerissen von diesem Kostüm. Und ihr Gatte na ja, ihr Gatte natürlich auch.(Dieser allerdings weniger wegen des Kostüms: dach das unter uns.) Ich will es kurz machen, ihr Lieben, und zwar um so mehr, als euch ja die erst vor kurzem beigelegten politischen Konflikte zwischen Iryguako und Frankreich vielleicht schon bekannt sein werben. Wie gesagt, Mulubuko halle vier Frauen, deren«ine noch dicker war als die andere und von denen keine unter zwei Zentner wog. Sei es nun,. daß Herr de la Crux während seiner zwei- jährigen Ehe die überschlante Linie satt und einen plötzlichen Heiß- Hunger aus viel Fleisch bekommen hatte(sogenannte Anti-Skorbut- Erotik), sei es. daß chn plötzlich dos Unbekannte einer anderen Rasse reizte, oder sei es, daß er nur Abwechslung schlechthin braucht«, kurz: er verstand es, sich mit einer» der Königsgattinen und zwar mit der dicksten! irgendwie in Verbindung zu setzen und mit chr in der darausfolgenden Nacht eine Handlung zu begehen, die rechllnäßig nur Mulubuko IV. zukam, und die in der Folge «inen C»svs belli in bedenkliche Nähe rücken sollte. Denn irgendwie wurde die Sache ruchbar und Herr Castell sühlle mit leisem Unbehagen am iryguakoischen Horizont eine schwere Wolke in Gestalt von Mulubukos Zorn herauskriechen, und er entsamm sich plötzlich, daß er eigens zu dem Zweck nach Iryguako gekommen war, um in den Dschungeln eine mehrtägige Tigcrjagd zu veranstalten. Schon am nächsten Tage zog er mll zwanzig Ein- geborenen los... Und als er nach drei Tagen zurückkehrte, hatte er zwar außer einigen Pumas nichts geschossen, ober er glaubte, Mulubuko habe die Angelegenhell vergessen und das berühmte Gras der Vergessen- heit sei inzwischen über die Geschichte jener Nacht gewachsen. Dem war aber leider nicht so. Denn kaum hatte Herr Castell seine scharmante kleine Frau begrüßt und sich den dreitägigen iryguakoischen Dschungelstaub ab­gewaschen, als sich auch schon Mulubuko in einer wichtigen An- gelegenhcll bei ihm melden ließ. lind alsbasd entspann sich folgen­der Dialog: Höre, weißer Fremdling," sagte der König,du hast mein Gastrecht insofern mißbraucht, als du dich meiner rechtmäßigen Gattin Mamaloia in unerlaubter Weise genähert hast! Bekennst du dich schuldig?" Herr Castell suchte dieser peinlichen Frage auszuweichen. �Hm" brummte er.schuldig ist wohl zuviel gesagt!... Ich war der Meinung, daß ich als d«n Gast von allen staatlichen Ein- richtungen Iryguako» Gebrauch machen dürste... Aber, wenn du willst, kaufe ich dir Mamaloia gegen eine angemessene Ent- schädigung ab.. Oouuah!" machte der König.Dos ist ein offenes Geständnis und es vereinfacht die Angelegenhell kolossal! Hier kommt nach iryguakoischem Recht nur§ 175 Abs. 2 in Frage: Medervergeltungl"

Nanu?" sagte Herr Castell verständnislos:Wiederver...? Wer wieso??" Nu, sehr einfach: ich Hab''ne Frau, die war eine Nacht bei dir! Du hast'ne Frau, die kommt eine Nacht zu mir!" Herr Castell wollte aufbrausen. Aber dann kam ihm plötzlich das Groteske der Situation zum Bewußtsein: seine scharmante kleine Frau und dieses fclle schwarze Ungeheuer... und er lochte, daß die Wände dröhnten. Mein liebes Mulubukochen," sagte er, als er sich einigermaßen beruhigt hatte,kommen wir zur Sache! Nenn' mir deine For- derung und du sollst die Summe sofort bar erhalten..." Mulubukochen" war plötzlich ganz Würde. Er reckte sich und sprach mit schorfer Betonung:Du vergißt, Fremdling, daß ich ein König bin! Wo bliebe meine Autorität, wenn ich selbst meine eigenen Gesetze umgehen würde? Dem Z 175 muß Genüg« ge­schehen... so oder so! Ich laß' dir drei Tage Bedenkzeit.,." Sprach's und verließ würdevoll und gemessenen Schrittes, so wie eben nur Könige zu schrellen vermögen, den vollständig verdaller- ten Europäer. Der trank einen großen Kognak und begab sich zu Madame. .Höre, Joanne," sagte er,ich habe ein dringendes Telegramm be- kommen, das mich sofort zu wichtigen politischen Besprechungen nach Baris zurückruft. Wir müssen heute abend noch abreisen!" Madame sah ihren Gatten mißttauisch an: ober sie sagte nichts: sie seufzte nur einmal ttef aus und begann die Koffer zu packen. _(Schluß folgt.) Was sind Meteore? Man hat rn den Meteoren bisher meist Bruchstücke von Planeten sehen wollen wobl auch Reste, die bei der Bilduna der Planeten übrig geblieben wären: jedenfalls hielt man die Meteorsteine für Teile von Körpern aus unserem Sonnensystem. In neuester Zell ober hat man erkannt, daß es sich dabei um Fremdlinge au» dem Weltraum handelt. Alle Meteoriten sind chemisch miteinander ganz nahe verwandt und bilden eine ähnlich« Gesamtheit wie die Massen- oesteine der Erde Aus dieser Tatsache schließt Prof. Schwinner. der sich in der ZeitschriftFortschungen und Fortschritte" mit der Her- kunft�er Meteore beschäftigt, daß alle Meteoriten, die zu uns kommen, Teile eines Himmelskörpers fein müssen, der sich einmal in feurig flüssigem Zustande befand. Die Strukturen der Meteore zeigen eine Entstehung aus seurigflüssigem Zustand, aber nach der Zer- reißung des Hauptkörpers. Es ist ebenso gut möglich, daß der

Körper noch flüssig war, wie daß er bei der Katastrophe wieder frisch aufgeschmolzen worden ist. Man hat bisher Meteore, die aus früheren Erdperivden stammen, noch nicht gesunden, was bei der Wühlarbeit der modernen Technik doch sicherlich geschehen wäre, wenn die Meteore in früheren geologischen Zeiten eben'? häufig ge- fallen wären wie heute. Daraus folgt, daß unser Sonnensvstem in die kosmische Staubwolke, der diese Steine entstammen, erst vor kurzem eingetreten ist. Die Fixstern-Astronomie gibt eine Schätzung für den Weg. den die Sonnen im Sternensystem in dieser Zeit zurückgelegt haben kann Aus der Masse von Meteoriten, deren Fall man jährlich beobachtet hat, läßt sich die Durchschnittsdichie der Wolke berechnen und die Gesamtmasse der fraglichen Wolke ungefähr abschätzen. Sie«rgab sich etwa der entsprechend, die ein kleinerer Fixstern aufweist. Diese Wolke muß in ihrem heutigen Bewegvngs- zustand ein ziemlich stabiles Gebilde fein. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Sonne ein solches Wölkchen auf ihrem Laufe trifft, ist nicht groß: gar unwahrscheinlich aber ist es, daß dies geschieht, wenn dos Wölkchen selbst«rst kurze Zeit existiert. Eine solche Stabilität, wie sie die Sternwolke aufweist, wird am ehesten durch eine Art gemein- samer Rotation des Haufens erzielt: diese Rotation läßt sich am besten aus einem exzentrischen Zusammenstoß zweier Himmelkörper ableiten, der auch die Zerstäubung verursacht hat. Danach sind also die Meteore eine Folgeerscheinung des Zusammenstoßes zweier Himmelspörper.__ B. Die Sartofsel der 3ofa. In Europa noch kaum dem Namen nach bekannt, ist in Peru und Chile ein von den Eingeborenen als Oka" bezeichnetes Knollengewächs eine ganz unentbehrliche Nutz- srucht. Die Pslanze(Oxelis tuberös»), eine amerikanische Art unseres Sauerklees, bildet längliche oder runde, knollige Wurzel- stocke von der Größe millelgroßer Kartoffeln, die weiß, gelb, rosa oder violett gefärbt sind und ihres ansehnlichen Stärkegehalts wegen viel gegessen werden. Der Anbau der Oka, auch Okapatat« oder wie in Chile Aracacha genannt, geht in alte Zelt zurück, da die Knollen schon im ehemaligen Inkareich das Hauptnahrung»- mittel des Volkes bildeten. Die Oka soll sogar ertragreicher fem als die Kortoffel, zumal, da man auch ihre Blätter und Schößling«, die einen schmackhaften Salat liefern, verwenden kann. Der anfangs etwas säuerliche Geschmack der Knollen wird leicht beseitigt, indem man sie einige Tage lang der Sonnenwärme aussetzt«. Die Perua- ner bereiten aus den Okaknollen auch Käse, den sie, wie diePhar- mazeutischc Centralhalle" mitteilt, Caya nennen, und dessen Ge- schmack, trotz seinem an saules Fleisch erinnernden Geruch, dem Volke sehr zusagt. Gegenwärtig werden Versuche angestellt, die Okaknolle auch in Europa , und zwar zunächst in Mittelfrankreich, bekanntzumachen, wo man den Anbau der' Knollen einführen will.

Landung in Rußland .

Von Robert Neumann.

Das Schiff dreht sich langsam um Kap Vaww in die Bucht und steuert die Reede an. Nordösllich. in sehr klarer Lust und greller Nachmillagssoim«, liegen bewaldete Bergkulisien, kahlere, seltsam regelmäßige.Kegel schauen dohimer hervor, und darüber, schon in bläuliche Fcrnennebel gebellet, ein Leuchten von Gletscher- eis. Das ist der Kaukasus . Südlich davon ein Sattel, Sumpf­land, Flußland: das griechische Kolchis . Und weiter südlich, an- steigend, das zerrissene Hochland von Lasistan Schauplatz jenes grauenhaften Hinschlachtens zahlloser armenischer Frauen. Kinder, Greis« durch die regulären Truppen der erwachten Türkei . Inzwischen ist die Mol« nähergeschwommen, sichtbar wird der Uferbouleoard einer russischen Prooinzstadt, sichtbar werden gerade Zeilen nüchterner Häuser, sichtbar wird eine häßliche Kirch«, ein Flaggenmost, die rot« Fahne mll dem Hammer und der goldenen Sichel, sichtbar werden gelbe Armenier, sonnenverbrannte griechische, dunkle türkische Lastträger mit nackten Oberkörpern, sollen unter ihnen ein hellhäutiger Russe. Dann klirrt die Ankerkette, Trossen fallen an Land und werden belegt, und die Brücke fällt hinaus aus die Steins des Kais der Stadt Batum . des großen Ausfuhrhafens für das russisch« Erdöl . Ueber die Brücke kommt ein englischer Gcnlleman: der Agent. Mit ihm ein freundlicher, beleibter Herr ohne Kragen: der Sauchen- irrzt. Dann ein Genosse, der zum Morconisten hinaufsteigt und den Radioapparat versiegcll: im Hafen von Batum darf nicht gesendet und nicht empfangen werden. Dann zwei umgängliche. Herren. Einer schlendert dos Schiff entlang, blickt in die Kojen, in die Kombüse: der Zollkontrolleur. Und der andere geht zum Kapitän, trinkt ortig ein Gläschen holländischen Genever und prä- sentiert dann die vorbereitet« Quittung über das Hafengeld: 4M eng- lisch« Pfund. Für ein Schisf mit 6500 Tonnen Laderaum. In englischer Originaloaluta: andere wird nicht in Zahlung genommen. Und dann kommen auch schon die ersten Moskitos herüber. Wir sind gelandet. i- Di« Benzintanks des Schiffes sind aufnahmebereil. Aber es Ist sieben Uhr geworden und zu spät, mit dem Pumpen heute noch zu beginnen. In den Matrosenkajütcn putzt man sich für den Landurlaub. Ein Herr ohne Hemdkrogen kommr vom Kai auf das Schisf»nd wendet sich noch dem Maschinenraum. Von der Brücke ruft der Kapitän ihn an und fragt, wo» er wolle. Er klettert herauf. Er heiße Bruckner, und er wolle die Matrosen besuchen. Sie einladen in sein Lokal. Für heute abend. Zu einem Vortrag. Worüber? Er sogt wörtlich und wendet sich dovet halb auch zu mir:Sie wissen, meine Herren, es gibt eine kapitalistische Welt- ordnung und es gibt die Sowjets" Der Kapitän sagt:Ich weih." Der Genosse:Gestatten Sie, daß die Leute zu mir kommen?" Der Kapitän, diplomatisch:Wie die Leute ihren Land- Urlaub verwenden, ist ihre Sache." Der andere, etwas zu rasch: So darf ich auch Sie einladen?" Der Kapitän muß leider an Bord bleiben. Aber der zweite Offizier wird kommen. Dielleicht. W?nn er frei ist. Der Genosse:Ich werde deutsch sprechen. Leider kann ich nicht holländisch." Ich:.Sic ssnd Deuischer?"Ich bin Ocstcrreicher. Aus Linz ." Herr Bruckner aus Linz , der Agitator der Vereinigten Sowjetrepubliken im Matroscnvierlcl des geor- gischen Hasens Batum , empfiehlt sich höflich und geht zur Mann« schast hinüber. Don den Matrosen sind Inzwischen drei, vier sichtbar geworden, steif im Sonntagsstaat, mit frischen Hemden, mit Koppen, die Jack« schön gefaltet über den Arm gelegt. Sie spreizen die Deine, sie lachen kindlich und ungelenk im Dorgenuß abendlicher Vergnügung. Zwei ruscn einen Gruß zum Kapitän heraus, gehen schwerschuhig über die Brücke, gehen an einem Genossen vorüber, der hier auf

Wache steht, und verschwinden drüben in eurerBar". Ein dritter geht, schlendert langsam über den Kai davon. Dann der vierte. Da ereignet sich ein peinlicher Zwischenfall, und der Zufall will es. daß ich ihn von Ansang an verfolge. Dieser' vierte also schien- dert eben an dem Manne vorüber, der auf Wach« steht da gleitet aus seinem rechten Hosenbein ein hellblaues Wäschestück vor und wickell sich ihm um den Schuh. Gleich mir hat auch der Russe den Lorfall bemerkt. Er bückt sich, er zieht nein, es ist nicht möglich, daß der Matrose ein hellblaues Trikothöschen trägt. Der Genosse pfeift um Sukkurs.. Der ander« Matrose, der schon glücklich drüben ain Kai geht, beginnt zu lausen, wird angehalten, ans Schiff gebrocht, visitiert. Ins Futter der Jacke, die er über dem Arm trägt, hat er sechs Paar Damenstrümpfe genäht. Und drei, vier Minuten später Ist die kleine Brücke an Bord gezogen, sechs Zivilisten, kleine Metollschilder links an der Brust und Gewehre mll ausgepflanzten Bajonelltn am Rücken, stehen am Kai das Schiff entlang, und vier andere energische Herren sind an Bord gekommen und sprechen recht laut Die Mannschaft hat sich am Bug zu oersammeln. Die Offizier« haben in der Kapitänskajüte zu bieiben. Einer darf mll den Herren gehen. Sie durchsuchen das Schiff. Sie durchsuchen dos Schisf von Bug zu Heck und vom Kiel bis buchstäblich zur Laterne am Toppmast. Sie kriechen in den Wasserbehälter, in die Maschine. Der sie begleitende zweite Steuer. mann macht sie ironisch aufmerksam aus die leeren Tanks, in denen Benzindompf steht. Und einer der vier Herren bindet sich«ine Gasmarke vor und steigt hinunter, steigt Ztzmal hinunter in 38 Benzintanks, um sie noch Seidenstrümpfen zu visitieren. Die Untersuchung dauert zweieinhalb Stunden. Indes zwei der russischen Herren noch rasch die Leitungsrohren abklopfen, ob dort nichts versteckt ist, bringen die beiden anderen die aufgebrachte Konterbande in die Kajüte. Es sind neun Paar halbseidene Strümps«: sie mögen in London Eastend jedes einen Schilling gekostet haben. Und sollen nun oersteuert werden, per Paar mll einem englischen Pfund.- Drei Paar logen im Maschinenraum, in ein Scheuertuch eingeschlagen, oben auf dem Kompressor. Zwei Paar waren im kleineren Rettungsboot. Vier Paar hinten im Reservckompaß, unter der Messinghülse. Und am Heck fand sich eine leere Pappschachtel für zwei Dutzend. Die mögen im Hafenwasser schwimmen, über Bord geworfen im letzten Augenblick. Der Kapitän geht nach vorn zu den Leuten.Wem gehören die Strümpfe?" Keiner meldet sich. Der Kapitän:Ich bezahl« jetzt und ziehe es dann allen zusammen von der Löhnung ab." Die Russen quittieren, nehmen die Konterbande mit sich. Wir haben wieder Bewegungsfreiheit. Eine Viertelstunde später kwpst es an der Kajütentür. Ein großer, schlanker Matrose mit gelbem Schopf.Kapitän, das mit den Strümpfen ist meine Sache."Esel. Kostet dich mehr als eine Monotslöhnung. Wozu?" Der Lang« sagt:Für die Mädel" und lächelt kindlich. Es ist eine einfach« und«inleuchtende Transaktion, die sich diese Matrosen erdacht haben: man kaust in London Strümpfe um einen Schilling und lebt dafür in Bakum in der Hafenkneipe für mehr al» ein Pfund.«Du kannst gehen." Der Blonde geht nicht. Der Blonde bittet für die Mannschaft um Bor- schuß. Für Landurlaub. Er sagt:Jetzt müssen wir Geld haben." Und mit drei Sttmdcn Verspätung tappen die sonntäglich ge- kleideten Jungen hinaus auf den Kai und in das wckcnd« Geheimnis der Hofengasscn, über denen nun schon die Nacht liegt. Von einem Kafsoehaus weht der Wind Musik herüber, spärliche Lichter wachen aus den spärlichen Schiffen und aus Kap Batum schwenkt der Leucht- türm flammend« Arme well hinaus in die Dunkelheit.