Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 576

B 285

44.Jahrgang

Böchentlich 70 Pfennig, nonatlich 3 Reichsmart, im voraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus land 5.50 Reichsmart pro Monat *

Der Barmärts mit der illustrier ten Sonntagsheilage Boll und Zeit" fowie den Beilagen Unterhaltung und Wiffen. Aus der Filmwelt". Stadtbeilage" Frauenstimme", Der Kinderfreund"," Jugend- Bor märts". Blid in die Bücherwelt", Kulturarbeit" unb Technif" erscheint mochentäglich zweimal,

Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Dienstag

6. Dezember 1927.

10 Pfennig

Ste etxfpatiige Ronparc! llezeile 80 Pfennig. Reflamezelle E.- Reichs mart Kleine Anzeigen" das festge brudte Bort 25 Pfennig( zulässig zwei fettgedruckte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Pfennig, jedes weitere Bort. 10 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarft Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen für Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigent annahme, im Hauptgeschäft. Linden­ftraße 3, wochentägl. von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Berlag: Berlin SW 68, Lindenstraße 3

Vorwärts Verlag G. m. b. H.

Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin

Bonschedkonto: Berlin 37536

-

Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten Wallstr. 65. Diskonto- Gesellschaft. Depofitenkaffe Lindenstr. 3

mlui mi ani C

Ein drohender Steuerbetrug.

Der Bürgerblock will die Lohnsteuerzahler preffen.- Schärffter Widerstand der Sozial

phuis

demokraten.

demokraten. Die Sitzung des Steuerausschusses gesprengt.

-

Seit Monaten steht die Senkung der Lohnsteuer zur Diskussion. Se muß nach dem Gesetz zur Beschränkung des Aufkommens der Lohnsteuer vom Jahre 1925 der soge­nannten Leg Brüning zum 1. Januar 1928 erfolgen, da der Ertrag der Lohnsteuer in dem letzten Halbjahr 600 mil lionen wesentlich überschritten hat. Seit dem 13. Oftober liegt der sozialdemokratische Antrag vor, der den Johnsteuerfreien Betrag um 40 m. monatlich erhöhen will Die Reichsregierung hat stets anerkannt, daß sie verpflichtet ist, einen Gesezentwurf zur Ausführung der Ler Brüning vorzulegen. Der Reichsfinanzminister Dr. Köhler hat fogar wiederholt erflärt, es sei für ihn selbstverständlich, daß die Regierung dem nachtomme und die Borlage rechtzeitig bringen werde. Dies Bersprechen ist aber nicht ausgeführt worden. Es bedurfie fogar erst einer offiziellen Mahnung der sozialdemokratischen Mit­glieder des Steuerausschusses, um zu erreichen, daß der Steuerausschuß endlich zum 6. Dezember einberufen wurde. Bei Beginn der heutigen Sigung, der der Reichsfinanzminister Dr. Köhler troß ihrer großen Bedeutung nicht beiwohnte, erhob

müsse deshalb auf ihrem parlamentarischen Recht der Beratung ihres Antrags bestehen.

Nachdem Abg. Brüning( 3.) in einer kurzen Erklärung ver­sichert hatte, daß er feine Gefährdung der rechtzeitigen Ausführung der Lohnsteuersenkung befürchtet und deshalb mit der Bertagung einverstanden fei, ergriff

Abg. Beil( Soz.) noch einmal das Bort. Es sei eine parla. mentarische Anstandspflicht. die Minderheit über die Abfichten der Reichsregierung zu unterrichten. Das könne die So­staldemokratie als start fte Partet des Reichstages mit Bug und Recht verlangen.

In der Verweigerung der Auskunft müsse man eine bewußte Brüstierung der Minderheit erblicken, die die stärkste Fraktion des Reichstags nicht widerstands Los hinnehmen werde.

den Unternehmern gegenüber nie angewendet und nur bei den Lohn- und Gehaltsempfängern als faden­scheiniger Vorwand benutzt werde.

Die Sozialdemokratie werde gegen diesen Versuch, das Barlament unter einen unsachlichen Druck zu setzen, den schärfsten Widerstand

leiften.

Bei der Abstimmung wird der fazialdemokratische Antrag, der Reichsfinanzminister Dr. Köhler möge sofort vor dem Aus­schuß erscheinen, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Demo­traten und Kommunisten abgelehnt und mit der gleichen Mehrheit die Bertagung der Beratung der Lohnsteuer beschlossen.

Abg. Acil( sz.) gibt darauf die Erklärung ab, dan der gefaßte Beschluß allen parlamentarischen Sitten widerspreche und die Sozialdemokratie deshalb an den weiteren Beratungen des Ausschusses nicht teilnehmen

werde.

Die sozialdemokratischen Mitglieder verlassen darauf Die Bertreter der Regierungsparteien blieben betroffen zurüd zuheben

Wenn die Beigerung des Staatssekretärs Bopik, feine nähere Aus­funft zu erteilen, auf dem fehlenden Auftrag beruhe, so müsse der Reichsfinanzminister Kohler persönlich im Ausschuß erscheinen. hin den Saal, bie Kommunisten schließen sich an. Er stelle einen dementsprechenden Antrag. Die folgende Bemerfung des Staatsjefretärs Dr. Popih, es Die folgende

fich der Staatsjefretar Dr. Popih, um im Ramen der Reichsregierung Frege boch eine Situation vor, die gang ffar ift, uft bei der und entschloffen sich nach furzer Ueberlegung, die Sigung auf.

um die

Bertagung der Beratung des sozialdemokratischen Antrages

zu bitten. Die Reichsregierung wolle einen eigenen Entwurf einbringen. Er sei gestern vom Kabinett verabschiedet worden und dem Reichsrat zugegangen. Die Beratung folle im Reichsrat am Freitag beendet werden, so daß der Entwurf in der nächsten Woche vorliegen könne. Es sei deshalb zmedmäßig, wenn der Steuerausschuß die Beratung der Lohnsteuer bis dahin ausfege

leber diesen Vorschlag entspann fich eine heftige Geschäfts­ordnungsdebatte. Als erster Redner erhob gegen das Berlangen der Reichsregierung der fozialdemokratische Abgeordnete Dr. Herh schärffien Proteft. Das Berlangen nach der Bertagung der Beratung fel fachlich in feiner Weise gerechtfertigt. Angesichts der Tatsache, daß die Reichsregierung die Einbringung einer eigenen Borlage feit Monaten verzögert habe, set scharfstes Mißtrauen angebracht. Man müsse fürchten, daß damit die recht. zeitige Senfung der Lohnsteuer gefährdet werde. Die Hinauszögerung der Beratung fei nur ein parteitaktisches Manöver der Regierungsparteien, die mit der Senkung der Lohn fteuer andere Pläne verfolgen, die die Kritik der Deffentlichkeit zu fcheuen haben. Man wolle

mit den Lohnpfennigen der Lohn- und Gehalts empfänger die Einkommensteuer und die Vermögens steuer abzubauen.

Daher suche man den Inhalt des neuen Gesezentwurfs zu verheim. lichen und habe nicht einmal die Berufsorganisatio= nen der Arbeiter, Angestellten und Beamten unterrichtet. Die Sozialdemokratie bestehe auf der fachlichen Beratung ihres Lohnsteuerantrages und könne teine Verantwortung für die Folgen übernehmen, die aus der Hinausschiebung der Beratung entstehen. Abg. Dr. Fischer( Dem.) schloß sich den Anschauungen der Sozialdemokraten an und verlangte von der Reichsregierung Mit­teilungen über den Inhalt ihres neuen Gesezentwurfs.

Staatssekretär Dr. Popik lehnte das schroff ab und versicherte, der Regierung sei es ernst mit der Lohnsteuersenkung, allerdings

Opposition große Heiterfeit herpor. In dunklen Andeutungen gibt Popizz dann zu verstehen, daß der Gelegentwurf der Reichsregierung

neben einer offen. sehr dürftigen Senkung der Lohnsteuer auch die Der Mißtrauensantrag im Reichstag. Senfung des Tarifs für die höheren Einkommen enthält. Irgend welche positiven Mitteilungen aber macht er nicht.

Abg. Dr. Hilferding( G03.) weist deshalb nochmals darauf hin, daß die Weigerung der Reichsregierung, Auskunft zu geben über einen Entwurf, der bereits dem Reichsrat zugegangen fel, in fchärfstem Widerspruch zu ihrem sonstigen Verhalten stehe,

Heute nachmittag, voraussichtlich um 6 Uhr, findet im Reichstag die Abstimmung über den sozialdemokratischen und den kommunistischen Mißtrauensantrag gegen die Reichsregierung statt. Die Demokraten haben be­schlossen, für die Mißtrauensanträge zu stimmen.

971005

911000

Marx antwortet Otto Braun .

Ausweichend wie immer.- Bürgerblock über alles!

Auf das Schreiben des preußischen Ministerpräsidenten des Herrn Staatsministers Dr. Beder oder gar eine Stränkung vom 30. November hat der Reichsfanzler folgende Antwort völlig ferngelegen hat. gegeben: Berlin , den 5. Dezember 1927. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom 30. v. M. bezüglich des Telegramms der Herrn Reichsministers des Innern Dr. Reudell an den Borstand der deutschen Stundentenschaft.

Zunächst weise ich gegenüber Ihrer Behauptung, daß es fich um eine starte Brüstierung" und einen ostentativen Angriff gehandelt habe, darauf hin, daß die Wortfassung des Telegramms in feiner Weise als agreffio bezeichnet werden kann und auch keinerlei amflichen Zufah und Charakter getragen hat Außerdem liegt mir daran, namens der Reichsregierung festzustellen, daß Herrn Minister v. Keudell ein Angriff gegen die Person

ſei thre Durchführung ſchwieriger, als die Sozialdemokraten fie fich Der Anschlag der Scharfmacher

vorstelle.

Entscheidende Verhandlungen.

Bochum , 6. Dezember,( Eigenbericht.) Unmittelbar nach den Parteiberhandlungen am Mitt woch in Essen über die Lohn- und Arbeitszeitregelung in der Metallindustrie, nordwestliche Gruppe, wird die Re­gierung zu Verhandlungen unter dem Vorsis des Reichsarbeitsministers nach Berlin laden.

Sie fangen schon an!

Abg. Keil( S03.) 30g aus dem bisherigen Berlauf der Ge schäftsordnungsdebatte die Schlußfolgerung, fie müffe das fozial­demokratische Mißtrauen gegen die Rechtsregierung aufs äußerste steigern. Das Vertrauen sei nie groß gewesen, aber das brüste Berhalten, das die Reichsregierung heute an. Sen Tag gelegt habe, sei dennoch nicht erwartet worden. Das Borgehen der Sozialdemo­traten, durch einen Initiativantrag die Sentung der Lohnsteuer durchzuführen, fei durchaus verfaffungsmäßig. Auch ohne vorherige Stellungnahme des Reichsrats fönne der Reichstag den Antrag beraten, ja, jogar beschließen. Der sozialdemokratische An­trag biete auch feine besonderen Schwierigkeiten. Wenn die & öln, 6. Dezember. ( Mtb.) Reichsregierung solche Schwierigkeiten erwartet, so fönnten sie nur Wie die ,, Kölnische Volkszeitung" meldet, beabsichtigt in der Regelung enthalten sein, die sie selbst plane. Die Sen der Adler Konzern die bisher in seinem Bestų be fung der Lohnsteuer allein bietet für solche Schwierigkeiten feinen findlichen 3echen Johann Deimelsberge" in Steele , Raum. Nur wenn man die Senkung des Tarifs damit verknüpfe. Adler" in Kupferdreh und Zentrum IV- VI" in Leithe fönnen sie entstehen. Unser Mißtrauen wird ferner gestärkt durch Kray stillzulegen und die Belegschaft, sofern sie sich Die Nichtvorlegung des für den Zusammentritt des Reichstags ver nicht damit einverstanden erklärt, daß die neun­sprochenen Gesezertwurfs zur Nach erhebung der im Ertündige Arbeitszeit eingeführt wird und gleich­gebnis von 1926 fehlenden 41 Millionen Berzeitig eine 2ohnkürzung von 5 bis 7 Bros. tatt mögenssteuer. Aus allen diesen Gründen gehe herpor, daß findet, zu entlassen. Von dieser Maßnahme würden bie Regierung gefährliche Abfichten habe, die Sozialdemokratie 3500 Bergarbetter betroffen werden.

Die Reichsregierung glaubt fich im übrigen mit Ihnen, Herr Ministerpräsident, darin einig zu miffen, daß Abgeordneten ledig­lich deshalb, weil sie gleichzeitig ein hohes Staatsamt befleiden, eine nach der Betfassung jedermann zustehende politische Mei­nungsäußerung, sofern sie fachlich gehalten ist, nicht ver wehrt werden könne. Hinzukommt, daß es sich bei dem Tele­gramm um eine Meinungsäußerung zu einer Frage handelt, die von der preußischen Staatsregierung selber nicht im Wege einer Entscheidung gelöst, sondern der Abstimmung und damit der Deffentlichkeit unterbreitet war.

ein persönlicher oder politischer Art beabsichtigt ist, oft schwierig sein.

Selbstverständlich fann in folchen Fällen die Entscheidung, ob

Schluß auf die Ansichten der Reichsregierung zuläßt, die zu den in

Die Reichsregierung erklärt deshalb, daß das Telegramm teinen

Frage stehenden studentischen Problemen überhaupt nicht Stellung genommen hat.

Sie fönnen, Herr Ministerpräsident, davon überzeugt sein, daß ich wie bisher alles daran jeßen werde, ein möglichst reibungslojes und vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Reich und Preußen zu ermöglichen. Gerade aus diesem Grunde bedauere ich aber die Beröffentlichung Ihres Briefes, die faum eine Stunde nach seiner Abgabe bei mir seitens der preußischen Staatsregierung erfolgt ist, so daß z. B. die übrigen Mitglieder des Reichskabinetts folche Veröffentlichung hat die Reichsregierung in Fällen, die ohne von ihm zunächst aus den Tageszeitungen Kenntnis befamen. Eine Sweifel viel fchwerwiegender lagen, stets vermieden. Aus den gleichen Motiven heraus sehe ich mich auch außerstande, auf den nach Form und Inhalt ungewöhnlichen Schlußfah Ihres Briefes ein­zugehen.

Angesichts der Veröffentlichung Ihres Briefes fehe ich mich selbst redend im vorliegenden Falle genötigt, auch das Schreiben de Reichsregierung der Deffentlichkeit zu übergeben. Mit dem Ausdrud meiner vorzüglichen Hochachtung

Ihr

Dr. Mart

Die Antwort des Reichskanzlers ist eine treue Wider­spiegelung der Haltung, die er zur Schau trägt, seitdem er der Reichsfangler des. Bürgerblods geworden ist. Um der Person des Herrn von Reudell und um der Zusammenarbeit