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Nr. 58744. Jahrgang

2. Beilage des Vorwärts

Die Eisenarbeiter im Abwehrkampf

Erklärungen des Vorsitzenden des Deutschen Metallarbeiter Verbandes  .

Man kann der Arbeiterschaft die Aufgabe eines Rechtstitels nicht zumuten, der ihnen durch die Ver­ordnung gegeben worden ist.

werten vorgelegten großen Zahlen, bie eine Mehrbelastung von Ich wende mich auch gegen die von den Bereinigten Stahl­109 Millionen Mart als Folge der Gewerkschaftsforderungen an. geben. Eine Nachprüfung hat ergeben, daß eine restlose Er. füllung der Forderungen des Deutschen Metallarbeiterverbandes einen

Im Gebäude des Allgemeinen Deutschen   Gewerkschafts-| Eine Sache einmal angefaßt, drängt mit innerer und bundes fand am Montag eine Pressebesprechung wachsender Gewalt zur Lösung statt, in der der Vorsitzende des Deutschen Metallarbeiter­verbandes, Reichel, den Standpunkt der freien Gemert­schaften im Eisenkonflikt begründete. Die Aussprache förderte eine Reihe von Tatsachen zutage, die von entscheidender Wich­tigkeit für die Beurteilung des Kampfes find. So hatten die Unternehmerverbände durch ihre Presse immer wieder er­klären lassen, daß die Einführung des Dreischichten in stems allein ein Kapital von 100 Millionen Mart für den Wohnungsbau erfordere. Eggert vom ADGB.   fonnte dazu feststellen, daß diese Behauptung in den Verhandlungen niemals aufgetaucht ist. Die Unternehmer nehmen sie also selbst nicht ernst genug, um sie vor den Gewerkschaften und vor Fachleuten vorzubringen. Auch die Besorgnis, daß nicht genügend Facharbeiter zur Berstärkung der Beleg schaften vorhanden seien, fonnte als unbegründet nachgewiesen werden. Einmal sind noch beträchtliche Mengen von gelernten Metallarbeitern erwerbslos; sie wohnen zum Teil noch in den wichtigsten Produktionsorten und stehen für die leichtere Dreischichtenarbeit zur Verfügung, auch wenn sie, was viel­fach geschehen ist, mittlerweile berufsfremad wurden, weil sie den Strapazen der Zwölfftundenschicht in der glühenden Temperatur nicht gewachsen waren.

In dem Hauptreferat führte Genosse Reichel etwa folgendes aus:

Die deutsche Eisenindustrie hat der Menge und dem Absatz nach nahezu die Stellung in der Weltwirtschaft von früher wieder er reicht. Entscheidend ist die Steigerung des Innenabsatzes.

Im alten Gebiet wurden 1913 an Rohstahl 18,9 Millionen Tonnen, 1927 im jezigen Gebiet 17 Millionen Tonnen produziert. Maßgebende Eisenindustrielle schätzen die Erzeugung im laufenden Jahre noch höher ein. Auf den jeßigen Gebietsumfang 1913 bezogen betrug die Produktion 12,2 Millionen Tonnen gleich einer Steige­rung von 41,32 Broz. 1927, im Vergleich zu 1925 mit 10,2 Millionen Tonnen beträgt die Steigerung 70 Proz. Infolge der Rationali. fierung fonnte diese außerordentliche Produktionssteigerung durchgeführt werden.

Nach den Absatzgebieten hat sich allerdings eine erheb. liche Verschiebung vollzogen. Die deutsche Schwereisenindustrie hat nicht mehr den Charakter einer starten Exportindustrie. 1913 betrug ihre Ausfuhr 786 Millionen Goldmart, 1926 651 Millionen Gold­mart gleich 17 Broz. Rückgang. Die Maschinenindustrie hatte dem gegenüber nur einen Rüdgang von 10 Proz.

Die Schwereisenindustrie weist also auf eine immer stärkere binnenwirtschaftliche Orientierung hin.

Es ist deshalb von diesem Gesichtspunkte aus nicht von entscheiden­Der Bedeutung, wenn einige westliche Ronkurrenzländer zurzeit etwas geringere Gestehungskosten haben. Dagegen fönnte der Eisenabsatz im Inland noch wesentlich gesteigert werden, wenn es z. B. durch eine vernünftige Anleihepolitik gelänge, die Bautätigkeit anzufurbeln.

Der Achtstunden tag wurde den Arbeitern nach Abschluß des Ruhrabwehrtampfes genommen. Das hat starte Erbitterung bei den Arbeitern ausgelöst. Nach alter Erfah­rung wirkt die Arbeitszeitverkürzung produktionssteigernd; fie reizt zu technischen Berbefferungen an. Bei der Hüttenindustrie muß dabei in Betracht gezogen werden, daß die Leute bisher die Hälfte, zufünftig ein Drittel ihres Lebens in Nachtarbeit zubringen müssen. In heißer Glut und qualmerfüllten Räumen, die kalte Zugluft im Rücken, müssen sie schwer schaffen. Die Ruhe am Tage ersetzt nicht den erquickenden Schlaf ber Nacht, dessen wir uns alle erfreuen. Vom schematischen Acht­stundentag fann angesichts der Arbeitsweise der Hüttenwerte nicht die Rede sein. Im übrigen mußte die Forderung auf Unterstellung aller Hüttenarbeiter unter den Achtstundentag jetzt angemeldet werden, weil die jetzt anzubahnende Veränderung die Durchorgani sation des ganzen Hüttenbetriebes in der Richtung der dreigeteilten Schicht bedingt.

Bon hon Lohnforderungen fann feine Rede sein. Der tarifliche Stundenlohn. beträgt 76 Pf.; er foll auf 86 Pf. die Stunde heraufgefeßt werden. Das Durchschnittsjahresein tommen der Hüttenleute beträgt 2563 M., der Inder 150,6. Der Schichtverdienst wird nur durch stärkste Anspannung der Körpertraft

und Gesundheit erreicht.

Daß die Lohnforderungen der Gewerkschaften mit dem Drei­schichtensystem zusammenfallen, ist nicht unsere Schuld. Wir haben rechtzeitig auf die innere Verbundenheit der Werke hin­gewiesen.. Nachdem die Unternehmer die Durchführung der zurzeit zur Debatte stehenden Verordnung sabotiert haben, dem Ar beitsministeirum und den Gewerkschaften schärfsten Stampf anfagten, haben sie das moralische Recht verwirft, sich über die jetzt auf ein. mal kommende höhere Belastung zu beklagen. Die Unternehmer haben den fozialen Rampf eröffnet.

Auch die sozialen Bewegungen haben ihre besonderen Gesetze.

um 22% Millionen Mark geringeren Aufwand bebingt, als ihn die Unternehmer berechneten; ungerechnet der zahllosen inneren Vorteile der Betriebe, die durch eine andere und wed mäßigere Verteilung der Arbeiter in betriebstechni­scher Hinsicht entstehen. Es müßten etwa 28 Proz. mehr Arbeiter eingestellt werden. Dazu tritt aber eine Probuftions: steigerung durch die anfallende größere Zahl von Produktions­stunden. Für die Besta" wiederum ergibt sich theoretisch eine

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Produktionssteigerung von 1,6 Millionen Tonnen Rohstahl pro Jahr.

Selbst wenn das mur in Verbindung weiterer technischer Berbeffe. rungen erreichbar sein sollte, so wird doch unverkennbar eine Leistungssteigerung für die Werke mit dem Uebergang vom ver alteten Zweischichten zum modernen Dreischichtenbetrieb verbunden sein. Ein Teil der Werte, namentlich Stahlwerte ohne Hochöfen, glauben überdies, das anfallende Quantum Stahleifen an den Walzenstraßen in zwei Schichten à 8 Stunden aufarbeiten zu können. Das Stahlwerk Riesa  , auch Ruhrwerte haben das erklärt.

Das Gesamtbild für die Eisenindustrie ändert sich meiner festen Ueberzeugung nach wesentlich, wenn man alle diese inneren Vorteile moderner Betriebsführungen berücksichtigt. Die dreigeteilte Achtstundenschicht ist nicht nur ein Gebot sozialen Entgegen. tommens an die Arbeiter, sondern sie bringt im Endeffett auch eine ebung der deutschen   Eisenerzeugung. Die Stillegungsanträge der Schwerindustrie haben die Cage ver­schärft. Sie find in erster Linie ein scharfer Drud auf den Staat; fie müffen fich aber auch gegen die Gewerkschaften aus­wirken. Redner erinnert daran, daß die Krupp- Werte ihre Ar beiter aufgefordert haben, einen Reper.s zu unterschreiben, in bem fie auf den Achtstundentag verzichten sollen. Ein in der Geschichte der deutschen   Wirtschaft beispiellofer Wirtschaftskampf muß entbrennen, wenn nicht in letzter Stunde eine auch für die Arbeiter tragbare Entscheidung fällt.

Die im Deutschen Metallarbeiterverband vereinigten Metall arbeiter sind zum Kampf feit langem gerüftet. Aber wir fämpfen nicht, wie das gelegentlich in der Presse unterftellt wird, um eine andere Gewerkschaftsrichtung totzuftreifen, sondern wir fämpfen um die technische und soziale Erneuerung der deutschen   Wirtschaft, um der Sache willen, um den fulturellen und wirt schaftlichen Aufstieg. In diesem Kampf hat der Deutsche  Metallarbeiterverband allein 65 bis 68 Proz. der gesamten deutschen   Hüttenarbeiter, die seiner Organisation ange hören, hinter sich. Der Kampf tann von uns mit gutem Gewiffen und mit Aussicht auf Erfolg aufgenommen werden.

In Beantwortung von Anfragen über die gewerkschaft liche Taktik erklärte Reichel, daß die Gewerkschaften nicht beabsichtigten, den Kampf gegen das Reichsarbeits ministerium zu führen, wenn dieses darauf beharrt, daß die Arbeitszeitverordnung loyal durchgeführt wird. In diesem Falle sind die Unternehmer nach Meinung der Ge­wertschaften auch zur Zurücknahme der Stillegungsanzeigen verpflichtet. Gerechnet werden muß allerdings damit, daß eine Anzahl von Werfen, die bisher noch mit durchgeschleppt wurden, aber seit langem unwirtschaftlich arbeiten, ihren Betrieb einstellen müssen. Reichel bestätigte, was die Leser des Vorwärts" bereits aus den Berichten aus dem Industrie revier wissen, daß Neuanmeldungen zum Metall arbeiterverband in einer solchen Menge erfolgen, wie es seit Jahrzehnten nicht zu verzeichnen gewesen ist. Umbreit vom ADGB  . stellte in den Bordergrund, daß sich der Kampf der Unternehmer gegen die Staats autorität richtet, die durch das Reichsarbeitsministerium verkörpert wird. Die Gewerkschaften tönnten in diesem Rampfe mit Gewehr bei Fuß bleiben, wenn sie nicht wüßten, daß für die Arbeiterschaft dabei viel auf dem Spiel steht und daß sie sich daher hinter die Staatsauto­rität stellen müßten.

Eggert wies in seinem Schlußwort noch darauf hin, daß ohne einen scharfen Druck der Produktivkräfte auf die deutsche   Wirtschaft das Ziel einer jozialen Besser stellung des ganzen Boltes nicht erreicht werden kann, und daß die Schwerstarbeiter der schweren Industrie in ganz besonderem Maße den Anspruch haben, der im Ausland und in anderen Berufen längst durchgeführten achtstündigen Arbeitszeit teilhaftig zu werden.

Dienstag, 13. Dezember 1927

Szenenwechsel bei der Ulfa  .

Nach Amerifa ein Großvertrag mit England.

Die Hugenbergsche Universum Film- A.- G. scheint die unter der früheren Leitung eingegangene enge Berbindung mit amerita. nischen Filmtonzernen endgültig lösen und ihr Ge­schäft mit einem englischen Großkonzern der Filmindustrie versuchen zu wollen. Die Londoner   Blätter bringen spaltenlange Berichte über einen Vertrag, wonach die englische Gaumont- Gesellschaft, die in England etwa dieselbe Rolle spielt wie die Ufa in Deutschland  , mit der Ufa   nicht nur die Produktion austauscht, sondern auchy Regisseure und Künstler. Die Londoner   Blätter ver­treten den Standpunft, daß durch die englisch  - deutsche   Transaktion die Stellung des europäischen   Films jedenfalls gegenüber Ame­Bekannt ist, daß die englischen Filmbühnen sehr stark von Amerika rifa auf dem Weltmartt ganz erheblich gestärft werden wird. beherrscht sind, und daß die englische Filmindustrie auf dem Welt­markt einen sehr schweren Stand hat, selbst in den eigenen Kolo­nien Englands.

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Bom deutschen   Standpunkt aus darf man deshalb in die Kom­

bination nicht allzuviel Bertrauen fezen. Offenbar ist aber, daß die Verbindung der Ufa   mit England sich gegen Ame. rita richtet, wobei es zweifelhaft bleibt, ob für die Ufa   dabei ein gutes Geschäft herauskommen tann. Jedenfalls wird sich die Ufa   bald darüber zu erklären haben, welche finanziellen Bedin­gungen an den Austauschvertrag geknüpft sind und ob Herr Hugen­berg jeßt seine Ufa schon mit englischem Kapital finanziert mit der lieblichen Folge, daß er seinen Wahltampf für das deutsche Nationalinteresse mit dem Gelde des Dawes Feindes ausfechten wird.

Eine gefährliche Zollnovelle.

Höhere Bölle für einzelne Automobilteile.

Die deutsche Automobilindustrie hat es mit sehr viel miß­gun ft gesehen, daß die großen amerikanischen   Automobilfirmen wegen der hohen deutschen   Automobilzölle in Deutschland Mon= tage wertstätten errichtet haben und dabei davon profitieren, daß die einzelnen Automobilteile so importiert wurden, daß sie nicht nach den Zollsägen für Automobile, sondern nach den niedrigeren Sätzen für Maschinenteile verzollt wurden. Offenbar will sie den gegenwärtigen, noch von der Rechtsblockregierung geführten Reichstag dazu benußen, diesen Dorn in ihrem Fleische wirkungslos zu machen. Sie hat in der Tat eine willfährige Regierung gefunden, die dem Reichstag einen Gefeßentwurf zur Abänderung des Zoll­gefeßes nach den Wünschen der Automobilindustrie zugeleitet hat. Automobilteile follen danach generell nicht mehr als Maschinenteile, sondern nach den Automobilsägen verzollt werden.

In doppelter Weise ist die Gesetzesvorlage ein gefährliches Unternehmen. Einmal schlägt sie der vom Reich laut proflamierten 3ollfenfungsattion ins Gesicht. Zum anderen aber wird hier ein Präzedenzfall geschaffen, der die schwersten Berwid tungen im internationalen Handelsverkehr mit fich bringen kann. Es war eine bisher von allen Ländern durchgeführte Uebung, daß man die Zölle, sei es durch Errichtung von eigenen Fabriken im Ausland, sei es durch Errichtung von Montagewerkstätten und Ein­fuhr der Einzelteile, zu überspringen verfuchte. Gerade die deutsche Industrie hat das nicht nur in der Vortriegszeit, sondern auch in den letzten Jahren besonders nachdrücklich und auch mit Er­folg durchgeführt. Es ist mit Sicherheit darauf zu rechnen, daß Amerika   ebenso vorgeht wie Deutschland  , wenn auch auf anderen Erzeugungsgebieten, und daß sich daraus die schwersten Kompli tationen für die Zukunft ergeben. Das geschieht in einer Zeit, in der fich die Wirtschaftsdiplomaten aller Länder wenigstens scheinbar die Beine ausreißen, um die Handelshemmnisse zwischen den Böltern zu verringern.

denz" meldet, daß der Verkauf der Holz- und Sägewerte der in Die Simmelsbach- Werte verkauft? Die Konjunktur- Korrespon­Konturs gegangenen Gebr. Himmelsbach A.-G. erfolgt fei. Als Käufer wird die Firma J. J. Bowindel, Berlin  - Charlotten burg, genannt, die zu den großen Firmen der Schwellen- und Mastenindustrie gehört. Die Verhandlungen mit den Rütgerswerken find also gescheitert. Ein Kaufpreis wird noch nicht genannt.

Zehn Millionen für den Frühgemüsebau werden demnächst zur Berteilung kommen, und zwar im Rahmen der für die Gärtnerei­betriebe bewilligten Kredite. Bereits im Juni v. 3. hat das Deutsche Reich 5 Millionen zur Förderung der Gärtnereibetriebe zur Ber­fügung gestellt unter der Bedingung, daß die Länder ebenfalls den gleichen Kreditbetrag bereithalten. Preußens Anteil beläuft fich dabei auf rund 3 Millionen Mart. Bei einer Besichtigungsreise des Reichsernährungsministers im Rheinland   hat diefer geäußert, daß die Verteilung der Kredite nunmehr erfolgen könne.

In die deutsche   Wirtschaft bedroht? Der erste kontradiktorische Aufbauabend der Gesellschaft der Freunde der Sozialistischen Monatshefte nimmt am 13. Dezember, 8 Uhr, im Reichswirtschafts­rat, Bellevueftr. 15, nach einem Referat Julius Kalistis zu dieser Frage Stellung. In der Rednerlifte find oorgemertt: Georg Bernhard  , M. d. R.- W, Arthur Feiler  , M. d. R.-W., Dr. Bernhard, M. d. R.- W, Arthur Feller, M. d. R.-W., Dr. Richard Lewinsohn  ( Morus), Walter Loeb, Staatsbanfe präsident a. D., Oskar Mulert  , Präsident des deutschen   Städte tages, Hermann Roßbeutscher, Mm. d. R.W., Otto Schweiger, M. d. R.-M. u. a.

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