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isms mi ni Dienstag 13. Dezember 1927
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Zwischenfall im Arensdorfer Prozeß.
Der Junker von Alvensleben weigert sich, den Gaal zu verlassen. Das Gericht duldet ihn. Die Verteidigung bringt ihn hinaus.
F. Kl. Franffurt a. d. D., 13. Dezember. Da fizt im Zuhörerraum des Frankfurter Schwurgerichts noch immer der Junker Udo von Alvensleben , Be herrscher des Stahlhelms und durch seine wirtschaftliche Bormachtstellung auch der Arbeiter und der fleinen Leute in Arensdorf. Er ist der Mann, der die faschistisch reattionare Stimmung unter den Landleuten seines Bezirks mit allen Mitteln der Beeinflussung zu vertiefen weiß.
Zu Beginn der Berhandlung liegt der Antrag vor, diefen Junter als Zeugen zu vernehmen; das Gericht stellt den Antrag immer mieder zurück. Heute wird er wiederholt und das Gericht aufgefordert, dem Junker wenigstens durch höfliches Erfuchen nahezulegen, den Saal zu verlassen. Das Gericht rafft sich endlich zu einer so harten Bitte auf. Aber der Junker erflärt taltschnäuzig: Einer solchen Bitte füge ich mich nicht, da sie darauf hinausläuft, mich aus der Sache auszuschalten." Er bleibt alfo im Saal, Er bleibt alfo im Saal, und gibt damit deutlich zu erkennen, daß er die Aussagen der Arensdorfer Zeugen, die heute in großer Zahl aufmarschieren, Dom Zuhörerraum aus persönlich tontrollieren will. Die Bitte des Gerichts ist für ihn Hetuba- er besteht auf dem Recht der Eintrittsfarte. Und das Schwurgericht schweigt vor dem selbstgefälligen Dünkel eines adligen Groß grundbesitzers.
Nach einer Weile aber verläßt der junge Mann doch den Saal. Man fragt, ob beffere Einficht seinen Sinn geändert habe. Indessen kommt bald die Mitteilung, daß dieser Herr v. Alvensleben durch die Bertreter der Nebenkläger direkt als 3euge geladen sei. Die Ladung ist ihm vorschriftsmäßig im Zuhörerraum zugestellt worden, er muß also ob obgleich der völkische Anwalt Paul Bloch sich wundert draußen warten.
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Inzwischen beginnt der Vernehmung der dörflichen Zeugen aus Arensdorf. Die Landwirtstochter Weinberg hat den Anfang des Konflikts an dem Unglücksabend von ihrem Fenster aus beobachtet. Sie sah, daß der fünfzehn jährige Wilhelm Hoffmann, der eine Werwolfmüße trug mit seinem Spazierstock auf den Reichsbanner mann zuging, den Stock erhob und rief: Bist du noch richt raus?" Sie sah meiter, wie der Werwolf: mann 3emte mit der Hakenkreuzbinde Hoffmann den Stod abnahm und von hinten auf den Reichsbannerradfahrer losschlug und wie Hoffmann und Zemke gemeinsam auf den Radler schlugen.
Für die Stimmung im Orte an dem fritischen Lage ist die Aussage des Reichsbannermitgliedes, Berwaltungsinjpet tors Münster aus Berlin fennzeichnend. Münster hatte die Fahrt nach Frankfurt allein in Reichsbannertracht mit Wimpel am Rade, gemacht. Er hatte nirgends eine unfreundliche Begegnung, aber in Arensdorf, das er etwa eine halbe Stunde vor dem Ertnerauto passierte, murde er von einem älteren Mann bedroht, der gleichzeitig junge Leute aufforderte, ihn vom Radezu holen. Schließlich hatte dieser Mann, der leider nicht festgestellt ist, auch noch einen Stein erhoben, um ihn auf Münster zu werfen.
Die Berhandlung schleppt sich, da jede Einzelheit zehnfach wiederholt wird, nur langsam hin. Sie wird sich heute bis in die Abendstunden ausdehnen.
an.
B. S. Franffurf a. d. D., 13. Dezember.
lafsen damit er nicht als eventueller späterer Zeuge der ganzen Berhandlung beiwohne
Gericht sich einen Beschluß über die Bernehmung des Herrn v. AivensNach furzer Beratung verkündete der Borsitzende, daß das leben vorbehalte, daß es ihn aber bitte, den Zuhörerraum zu verlassen, um etwaige Schwierigkeiten zu vermeiden.
Bors.: Ist Herr n. Alvensleben da?
B. Alvensleben( im Zuhörerraum aufstehend): Jawohl. Borf.: Also, Herr v. Alvensleben , feien Sie gut, fa? dem Saal sein, oder handelt es sich um eine Bitte des Gerichts? B. Alvensleben( scharf): Soll das eine Bermeifung aus Borf.: Ich habe ja fchon einmal gesagt, das Schwurgericht bittet Sie, den Saal zu verlassen.
B. Alvensleben: So, dann bleibe ich hier!( Bewegung.) Borf.: Aber Herr v. Alvensleben , warum wollen Sie denn nun einen Fall" schaffen?
Dr. Juliusberger: Herr Borsigender, diesen Fall werden wir Jehr schnell aus der Welt schaffen
R. 2. Faltenfeld: Wir werden Herrn v. Mvensleben binnen einer halben Stunde unmittelbar hier im Gerichtssaal als Zeugen
laden.
Borf.( noch einmal begütigend zu Herrn v. Alvensleben ): Es hat doch teinen 3wed, Herr v. Alvensleben . Gutsbefizer v. Aldensleben antwortet nicht und bleibt ruhig auf seinem Blog figen.
Die Beweisaufnahme.
Nach diesem Zwischenfall wurde in der Beweisaufnahme fortgefahren. Zunächst wurde ein weiterer der damals verlegten Reichsbannerleute namens Ihiele, der die Befundungen feiner Kameraden bestätigte und auch den Ruf: ,, Schieß doch!" gehört haben will, als fiebenter Nebenfläger zugelassen.
Reichsbannermann Winfier, der kurz vor dem Zusammenstoß allein mit seinem Rad durch Arensdorf gekommen war, befundete, daß ein junger Mann mit der Hitlermütze bei seinem Anblic zwei anderen zugerufen habe: Holt doch den runter!" Als er ihn zur Rede stellte, habe jener ein Stück Holz oder einen Stein aufgehoben und gerufen: Komm doch her, wenn du willst, du Laufejunge!" Da er sich aber schon auf einem Grundstüc befand, näherte sich der Reichsbannermann nicht, sondern fuhr weiter, ohne daß es zu Tätlichkeiten fam.
Auf verschiedene Borbehalte erklärte dann der Angeklagte August Schmelzer noch einmal, daß er die ersten Schüsse in die Luft abges feuert habe, und daß er nicht mehr als vier Batronen hatte. Dagegen befunbete er heute im Gegenfag zu gestern, daß beim Abfeuern der Schroffchüffe niemand von den Arenedorfern vor ihm gewesen sei. tochter Beinberg ous Arensdorf, ging unter allgemeiner Spannung Während der Vernehmung der folgenden Zeugin, der Landwirtsder diensttuende Justizwachtmeister in den Zuhörerraum und überreichte dem dort mit seinen Freunden sizzenden Gutsbefizer 11 do . Alvensleben die von den Vertretern der Nebenkläger bean tragte 3eugenladung. v. Aldensleben nahin das Schriftstüd an, prüfte es sorgfältig und verlies dann langfam den Saal. Justizrat Falkenfeld machte darauf dem Gericht von der Ladung und der Entfernung v. Alvenslebens offiziell Mitteilung. Rechtsanwalt Bloch: Herr Justizrat Falkenfeld hat also durch
diesen Schritt mit Gewalt erreicht( D), was das Gericht in die Form einer Bitte gekleidet hatte. Dazu sind doch schließlich Rechtsmaßnahmen nicht da.(!)
Borsitzender: Jedenfalls ist Herr v. Alvensleben jetzt als Zeuge geladen und fann natürlich nicht mehr im Zuhörerraum fein.
Fräulein Weinberg schilderte dann das Renkontre zwischen Hoffmann und Zemte einerseits und dem Reichsbannerradfahrer Klemowicz andererseits,
das damit begonnen habe, daß Hoffmann dem Reichsbannermann 3ugerufen habe: Bist du hier noch nicht raus!" und daß diefer antwortete: Was willst du denn, du Sröte, du Alas! Dann schlug ihn Hoffmann mit dem Stod nieder,
Alle drei prügelten sich, mobei das Rad beschädigt wurde, so baß die zu Hilfe eilenden Reichsbannerleute das Rad von Bemte als Pfand mitnehmen wollten.
Willi Hoffmann fagt aus.
Dann wurde der 15jährige Landarbeiter Willi Hoffmann felbft vernommen, ein kleines Kerlahen, der das Werwolf- Abzeichen trägt. Der Oberstaatsanwalt machte sofort darauf aufmerksam, daß gegen diesen Zeugen und gegen Zemfe am letzten Freitag die Antiage wegen gemeinschaftlicher Körperverlegung, begangen an dem Reichsbannermann Klemowicz, erhoben worden sei und das Verfahren vor dem Schöffengericht Fürstenwalde schwebe. Rechtsanwalt Dr. Bloch: Jft auch gegen die Reichsbannermit, glieder Anflage erhoben, die mit Trommelstöcken geschlagen haben? Oberstaatsan valt: Nein, nur gegen diese beiden.
fage verweigern dürfe und blieb auch unveretbigt. Nach seiner Hoffmann wurde darauf aufmerffam gemacht, daß er die AusDarstellung fing die Sache damit an, daß vom Reichsbannerauto dem Klemowicz zugerufen wurde:„ Sieh dir den Mann mit der Berwolfmüße mal genauer an." Darauf soll der Radfahrer angehalten und ihn aufgefordert haben: ,, Mach, daß du mit dieser Müße von der Straße fommit!", worauf er antwortete: Ich habe dasselbe Recht, auf der Straße zu sein, wie du!"
Dann sei Zemke dazugekommen, habe ihm, Hoffmann, den Stod, weggenommen und auf Klemowicz eingeschlagen.
Er selbst habe den Stod überhaupt nicht gebraucht und sich auch nicht an der Prügelei zwischen den beiden beteiligt, sondern nur, als die Reichsbannerleute tamen, feinen Stod wiederzuholen versucht und schließlich die Flucht ergriffen, während 3emte zu Boden geworfen mit dem Stod geschlagen und mit Füßen getreten worden sei. 5 bis 10 Reichsbannerleute hätten ihn verfolgt und einer, der etwas in der Hand gehalten habe, das wie ein Revolver aussah, habe ihm nachgerufen:„ Diesmal bist du uns noch entwischt!" Als ihm der Vorsitzende einen der abgebrochenen Trommelstöde der Reichsbannerleute vorhielt, gab Hoffmann zu, daß dies möglicherweise der Gegenstand gewesen sei, den er in der Hand seiner Verfolger gesehen habe. Die betreffenden Reichsbannerteute bestritten auf die Frage des Borsigenden energisch. überhaupt Revolver zu befizen oder damals bei sich geführt zu haben. Die Vernehmung dauert an.
Heute Schlichtungsverhandlungen
Vor der Entscheidung im Eisenfouflift.
Heute morgen 10 Uhr ist die Schlichterkammer für Das Interesse an dem Arensdorfer Brozeß hält unvermindert den Konflikt in der Eisenindustrie in Düsseldorf wieder In den Gängen brängten sich heute die Zeugen aus zusammengetreten. Die Verhandlungen gestalten sich Arensdorf, 25 an der Zahl, darunter die beiden Bermoffleute sehr schwierig, da die Unternehmer keine Konzessionen 3emte und Hoffmann. Da sich die Notwendigkeit von Gegenüberstellungen bei den zu erwartenden Widersprüchen zwischen den Befundungen der Dorfbewohner und der Reichsbannermitglieder ergeben wird, find auch die gestern vernommenen Reichsbannerleute für heute wieder bestellt worden.
Bor Eintritt in die Berhandlung bat R.-A. Bloch, dem Führer der Reichsbannerfamerabschaft, Schmidt, noch einmal Gelegen. heit zu geben, einen Teil seiner gestrigen Aussage zu berichtigen, nämlich die Behauptung, daß er vom Auto aus stehend über die Kurve der Dorfstraße fehen fonnte, wie der Radfahrer Klemowicz überfallen worden sei. Nach den an Ort und Stelle getroffenen Feststellungen sei eine derartige Beobachtung unmöglich.
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Alvensleben provoziert. Der Borsitzende fapituliert.
Im Anschluß daran fam es zu einem unerwarteten Zwischenfall. R... Dr. Juliusberger bat das Gericht, über den gestern gestellten Antrag auf Bernehmung des Herrn v. Aldensleben möglichst sofort zu entscheiden, für den Fall der Zurückstellung dieses Mintrages ihn jedoch zu veranlassen, den Zuhörerraumauver
machen wollen.
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Keine Lohnerhöhung.
Die Antwort des Unternehmertums.
Die Arbeiterschaft muß die Kosten tragen das ist der gemeinsame Inhalt der Kommentare der Unternehmerpreise zur Antwort des Reichsarbeitsministers an die Eisenindustriellen. Wird die Dreischichten verordnung prinzipiell aufrechterhalten, so gibt's feine Lohn erhöhungen. Einem Schiedsspruch mit Lohnerhöhungen wird fich die Industrie nicht fügen die erpresserische Drohung mit der Stillegung der Betriebe besteht fort.
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Das Blatt des Interessenten Hugenberg, der Berliner& otal- Anzeiger" schreibt furz und brutal:
Wenn die Regierung in der Arbeitszeitfrage feinerlei Konzeffion an die Arbeitgeber machen will oder madjen fonnte, sondern rudsigtslos die Durchführung der sozialen
Schußbestimmungen
in der Arbeitszeitver kürzung verlangt, so muß fie fich darüber flar sein und ist es auch nach ihrer eigenen Aeußerung, daß fie damit bis an die Grenze des Möglichen, wenn nicht schon darüber hinausgegangen ist. Die Durchführung des Arbeitzeitgefezes stellt an die Finanzen und die technischen Kräfte der Industrie so weitgehende Ansprüche, daß jede gleichzeitig eintretende weiter. gehende Belastung zur Katastrophe führen muß. Nachdem bie Arbeiterschaft diesen Erfolg errungen hat, wird von gleichzeitigen Cohnerhöhungen nicht die Rede sein können."
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,, Wird von gleichzeitigen Lohnerhöhungen nicht die Rede fein fönnen!" Das ist der Ton, in dem die Scharfmacher mit den Arbeitern reden. Ob die Arbeiterforderungen berechtigt sind oder nicht, ob sie aus Not gestellt sind oder nicht mit einer Handbewegung werden sie beiseite geschoben. Die Herren der Eisenindustrie sind auf Widerstand gestoßen, thre Wünsche gehen nicht restlos in Erfüllung, also müssen die Arbeiter es büßen.
Sie sind gut genug, daß die Scharfmacher ihren Zorn on ihnen austoben. Auf Arbeiterforderungen so ertlärt das Blatt des Herrn Hugenwird gepfiffen berg. Ein solches Blatt hat noch Massenauflage in Berlin !
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