Nr. 593 44. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts Breite 16. Desen
Bürgerblock und Wohnungsnot.
Eine Reichsdenfschrift gegen Wohnungsbau.
Es ist fest in app ein Jahr her, daß hintereinander der| der Arbeitsminister bisher schuldig geblieben, ist ihm der Abbau Reichsarbeitsminister ein fünfjähriges und der Reichswirtschafts- der Wohnungszwangswirtschaft, dessen wichtigste Voraus: minister ein dreijähriges Wohnungsbauprogramm fegung weitere Mietsteigerungen sind. Wörtlich heißt versprachen. Die deutsche Arbeiterschaft wartet auf die Einlösung es in seiner Denkschrift: dieser Versprechungen noch heute vergeblich. Aber beide Minister| benken jetzt nicht im mindesten mehr daran. Warum sollen sie sich auch um die Wohnungsnot fümmern? Ist es nicht üblicher, zur Linderung der„ Not" der Hausbefizer die Mieten zu steigern und die Hauszinssteuer abzubauen?
Aber ganz vergessen hat der Herr Reichsarbeitsminister sein Versprechen doch nicht. Er legt jetzt dem Reichstag eine Dent schrift über die Wohnungsnot und ihre Bekämpfung vor. Sie ist über 200 Seiten start. Wer aber in ihr das Wohnungsbauprogramm suchte, würde bitte enttäuscht werden. Er findet nur, ungeachtet des minifteriellen Versprechens, die Mitteilung, daß fein Wohnungsbauprogramm aufgestellt werden soll. Denn es heißt in dieser Denkschrift wörtlich:
Da die Entwicklung der Konjunktur nicht zu übersehen ist, empfieht es sich nicht, langfristige Baupro gramme aufzustellen. Richtig ist, im allgemeinen ledig fidh festzusehen, wieviel Wohnungen auch bei Beanspruchung von Kapital und Arbeitskräften durch die übrige Wirtschaft mit den bereitgestellten öffentlichen Mitteln, deren Höhe für einen beftimmten Zeitraum fich übersehen läßt, erreicht werden fönnen und diejenigen rechtlichen und wirtschaftlichen Borbereitun gen zu treffen, die es ermöglichen, bei flüssigerem Kapitalmarkt und größerem Angebot auf dem Arbeitsmarkt durch die stärkere Heranziehung privaten Kapitals den Wohnungsbau auszudehnen." Wenn diese Ausführungen besagen sollten, daß man nicht Wohnungsbauprogramme für einzelne Jahre aufstellen sollte, so mären sie vortrefflich. Da sie im Gegenteil gerade gegen ein lang. fristiges Wohnungsbauprogramm gerichtet sind, sind sie un sinnig. Innerhalb eines fünfjährigen Zeitraumes treten erfahrungsgemäß alle Phasen einer Konjunkturentwicklung auf. Firiert man z. B. die Zahl der in 5 Jahren zu bauenden Wohnungen auf eine Million, so ist es vernünftig, im Jahre guter Konjunktur vielleicht nicht 200 000 Wohnungen, wie dem Jahresdurchschnitt entsprechen würde, sondern nur 150 000 zu bauen, um im Jahre schlechter Konjunktur 250.000 Wohnungen zu errichten. Aber
ein solches Mindestbauprogramm für einen längeren Zeitraum aufzustellen, ist durchaus vernünftig und sogar notwendig, wenn man durch den Neubau von Wohnungen der Wohnungsnot ernsthaft begegnen will. Die Ausführungen der Denkschrift geben dem Reichsarbeitsminister feine Berechtigung, die Einlösung seines Bersprechens zu verweigern. Heraus mit dem fünfjährigen Mindest bauprogramm!
Aber meit wichtiger als das fünfjährige Bauprogramm, das
„ Es ist immer wieder die Frage aufzuwerfen, ob nicht eine weitere Erhöhung der gesehlichen Mieten nötig ist."
Wenngleich er fie auf absehbare Zeit für unmöglich hält, hält er grundsäglich an diesem Programm fest. Einen anderen Grund als seine Ablehnung einer staatlichen Regelung des Mietwesens führt er für seine Auffassung nicht an, und daran, daß in jedem Fall die Wiederkehr so unmöglicher Wohnungs verhältnisse, wie sie in der Vorfriegszeit bestanden, verhindert werden muß, denkt er anscheinend überhaupt nicht. Jeder rechtlich mögliche Mißbrauch der wirtschaftlichen Ueberlegenheit des Bermieters, wie er in der freien" Wohnungswirtschaft der Borkriegszeit üblich war, ist ihm lieber als eine Wohnungsregelung, die den Mieter in seinem Wohnrechte schützt. Der„ Abbau der Zwangswirtschaft" scheint ihm die wichtigste Aufgabe der Wohnungspolitik zu sein, als stellte nicht die heutige vielgelästerte 3wangswirtschaft auf dem Gebiete des Wohnungswesens in Wahrheit eine Befreiung des Mieters pon der unerträglichen 3wangswirtschaft dar, die für ihn die rechtliche und wirtfchaftliche Ueberlegenheit des Vermieters in der Vorfriegszeit bedeutete.
Um den Abbau der Zwangswirtschaft zu beschleunigen, um den Hauswirt möglichst bald wieder zum Haustyrannen zu machen, muß hier wie immer, wenn für falsche politische Biele Stimmung gemacht werden soll, die Statistit herhalten. Trog aller Gegen beweise hält der Reichsarbeitsminister daran fest, daß der in den vergangenen Kriegs- und Inflationsjahren nicht gedeckte Wohnungsfehlbedarf mit nur 600 000 Wohnungen anzusehen sei. Gleichzeitig gibt er aber seiner Denkschrift eine Statistik bei, die zu anderen Ergebnissen führt. Der Reichsarbeitsminister felbit nimmt an, daß der normale jährliche Neubedarf an Wohnungen 200 000 beträgt. Hinzukommt nach den von ihm selbst angeführten Vorkriegserfahrungen ein normaler Abgang an Wohnungen durch Abbruch und andere Ursachen von 50 000 Bohnungen, o deß der normale jährliche Neubedarf 250 000 Wohnungen brutto beträgt.
In den 8 Jahren von 1919 bis 1926 hätten also insgesamt 2 Millionen neue Wohnungen erstellt werden müssen. Tatsächlich wurden aber nur 1,1-1,2 millionen Wohnungen errichtet.
Allein in diesen acht Nachkriegsjahren ist also ein Fehlbetrag von über 800 000 Wohnungen nach den eigenen Rechnungsgrundlagen des Herrn Reichsarbeitsministers entstanden. Er ist in dieser Höhe nur darum nicht sichtbar geworden, weil eine Fülle von Wohnun gen, die in der Borkriegszeit längst abgetillen worden wären, bestehen geblieben sind, deren Abbruch und Erfag aber bringend notwendig wäre. Das weiß der Reichsarbeitsminister natürlich,
Freitag, Dezember 1927
aber er bezieht es nicht in seine Rechnung ein, um einen möglichst niedrigen Fehlbetrag an Wohnungen auszuweisen. Die Zahl der fehlenden Wohnungen beträgt tatsächlich nicht 600 000, wie er den Reichstag glauben lassen will, sondern mindestens das Doppelte davon. Aber der Zweck. der Abbau der Zwangspirtschaft, heiligt bekanntlich jedes Mittel, auch das der unrichtigen Auslegung der statistischen Zahlen, die in diesem Fall flar und wirklich unwiderlegbar sind.
"
Hinsichtlich der Bekämpfung der Wohnungsnot enthält diese Dentschrift, die sich mit allen Kräften bemüht, jedes Programm für die Zukunft zu vermeiden, kaum irgendwelche Hinweise. Angedeutet wird nur, daß man hoffe, durch Rationalisierung im Baugewerbe die Baukosten zu senten, eine Hoffnung, zu deren Erfüllung bisher nicht allzu viel geschehen ist. Außerdem wird mit Recht betont, daß grundsätzlich der Bau von Kleinwohnungen, die im Preise auch für die Masse der Bevölkerung erschwinglich sein sollen, zu fördern sei und daß bisher der Wohnungsneubau diesem Erfordernis keineswegs immer ge= recht wurde. Die Forderung aber, die in der Denkschrift daran geknüpft wird, ist unerträglich. Es heißt dort wörtlich:
„ Es werden die Ansprüche, die an eine neue Wohnung zu stellen find, gegenüber der Vorkriegszeit. um ein Maß ge= fenft werden müssen, das sich den gesteigerten Baukosten anpaẞt."
Bir glauben nicht, daß der Herr Reichsarbeitsminister diese Forderung ernsthaft vertreten will Nach der Berliner Wohnungszählung von 1910 gab es in dem fleineren Berlin rund 10 000 Wohnungen, die überhaupt kein heizbares 3 immer hatten. Nach den Ausführungen des Reichsarbeitsministers hätten wir die 3ahl dieser Wohnungen, die im Winter überhaupt teinen Schuß gegen Kälte gewähren, um min destens 7000 zu vermehren. In Groß- Berlin hätten wir die Zahl dieser Wohnungen wahrscheinlich auf mindestens 30 000 zu bringen. Damals gab es in Berlin rund 42 000 Wohnungen mit höchstens einem heizbaren Zimmer, die von 5 und mehr als 5( bis zu 13) Personen bewohnt wurden. In Groß- Berlin hätten wir also nach den Worten dieser Denkschrift dafür zu sorgen, daß etwa 80 000 Familien in derartig standalösen Wohnungen ihr Leben verbringen sollten.
Wir hoffen, daß der Herr Reichsarbeitsminister den miserablent deutschen Wohnungsstandard nicht noch tiefer berabe drücken will, und nehmen vorerst an, daß die zitierten Ausfüh rungen seiner Dentschrift nicht ernst gemeint sind. Wenn heute 40 Prozent der Berliner Bevölkerung in Wohnungen leben, dic eine Trennung der Familien nach Alter und Ge schlecht völlig ausschließen, so wird er doch kaum ernst. haft beabsichtigen, nun wirklich entsprechend den gesteigerten Baufoften 70 Prozent der Berliner Bevölkerung in folchen Wohnungen zusammenzupferchen? Wenn dies das Ziel seiner Wohnungspoliti ist, so mag er es in dürren Worten in seiner nächsten Reichstagsrede fagen Der Beifall aller Scharfmacher und Hausbefizer ist ihm dann sicher.
Wer solchen Zielen zuffrebt, tann in der Tat den Abbau der Zwangswirtschaft sofort vornehmen. Die wohnungspolififchen Ziele des Bürgerblod's haben in dieser Denkschrift ihren Ausdrud gefunden Sie übertreffen all das, was selbst die industriellen Spitzenverbände je an reaktionären und unfozialen Forderungen aufgestellt haben.
Über
3000
Arbeiter
und
Angeftellte
Stellen Greiling Ligaretten in höchfter Wettarbeit her
Letzter Teil unferes Heuboues
Greiling Sigaretten
Über
13 000 000
GreilingZigaretten werden täglich getaucht
Jn über
35000
befferen Tabakhandlungen find fie ftets zu haben. In etwa ebensoviel fonftigen Verkaufeftellen, wie Gaftftätten, Bahnhofs wirtschaften, Kolonialmarenhandlungen um. werden fie vorrätig gehalten. 46 eigene Fabriklager in allen größeren Stadten Deutschlands forgen für Janelle Verteilung, damit der Raucher die Ware frisch erhält. So wird ihre höchfte Qualitat anerkannt und beliebt, und fo fchätzt man ihre milde Gefchmacksrichtung
Grailing Auslofe 58