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Albendausgabe

Tr. 602

B 298

44. Jahrgang­

Böchentlich 70 Bfennig manatil

& Reichsmart, um voraus zahlbar. Unter Streifband im In- und Aus land 5.50 Reichsmart pre Flonal *

.

Der Borwärts mit der tiluftrier ten Sonntagsbellage Bolt und Beir fowie den Beilagen Unterhaltung und Wiffen Aus der Filmwelt", Stabtbeilage Brauenftimme

Der Rinberfreund Jugend- Bor warts Blid in bie Büchermelt, Kulturarbeit und Techni

ericheint wochentäglich weimal Sonntags und Montags einmal

Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Mittwoch

21. Dezember 1927

10 Pfennig

Ote etni palatge Ronpareillezetle 80 Pfennig Reklamezeile 5- Reichs mart Kleine Anzeigen" das fettge brudte Wort 25 fennig tautäffig zwei rettgebrudte Borte), jebes weitere Bort 12 Pfennig Stellengefüche bas erfte Bort 15 Brennig, jedes weitere Mort 10 Pfennig Borte über 15 Eachstaben zählen für zwer Worte Arbeissmart Zeile 60 Pfennig Familienanggen fün Abonnenten Zeile 40 Pfennig. Anzeigen. annahme tm Hauptgeschäft Linden. ftraße 3. wochentägl. von 8 bis 17 Uhr

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Aus der Hölle des Faschismus.

Mißtrauen der Faschisten untereinander.- Kinder von Sozialisten sind vogelfrei!

Rom , 21. Dezember.

Muffolini hat mit Turafl, dem Generalsekretär der Faschiften­partel, und Suardo, dem Unterstaatssekretär des Janern, in Gegea­mart des Faschistenführers von Cremona , Abg. Farinacci, die polfische, Lage in diefer Proving geprüft, die zu ernsten Auseinander­febungen Anlah gab. Der Regierungschef hat deshalb ein ihneidende Maßnahmen angeordnet. Zwei mifiz­Tommandanten der Provinz wurden abgefeht und ihnen jede politische Täfgfelt in der Partel auf unbestimmte Zelt verboten. Farinacci muzte der Partei aufs neve seinen Gehorsam und seine

Ergebenheit beteuern.

Ein Freispruch in Italien .

Ein Kind angeschossen. Der Vater Gozialist- Die fafchiffischen Täter frei!

Bon der italienischen Grenze wird uns geschrieben: 2m 15 Dezember ist von ben Mailänder Geschworenen ein Mahrspruch gefällt worden, der in furchtbarer Reise zeigt, in welche Hände Leben und Gesundheit der italienischen Bürger heute gegeben find. Die ganze Berhandlung hat uns einen Ausschnitt aus der Tagesgeschichte des Falchismus geliefert, die jeden Kulturhistorifer intereffieren sollte, als erschütternber Beweis dafür, wie leicht es tit, auch in einem alten Kulturvolt, durch neue Machtverhältnisse das normale Rechtsbewußtsein zu erstiden.

Am 3. Oftober des vorigen Jahres fuhr der Professor am Boly­technikum von Mailand, Graf Benino, in einem geschlossenen Auto mit seinen fünf fleinen Kindern durch den Ort Cologno bei Mailand, Benino war als Sozialist befannt, der bis zu ihrer Auflösung der Magimalistischen Bartei angehört hatte. Die Faschisten von Cologno organisierten daher, unter der Führung des totalen Barteisetretärs, eines. 51jährigen Apothekers D'Amico, Jagd auf das Auto mit dem Test kleiner Kinder,

eine

Es waren Jhon mehrere Schüffe abgegeben worden, aber das Gefährt hatte doch einen Vorsprung vor den Berfolgern. Da rief D'Amico: Rann denn niemand den Schuft anhalten?" Das gali bem 22jährigen faschistischen Tischler Ferruzzi als ein Befehl: er warf sich auf sein Zweirad, fuhr dicht an das Auto heron und loßzmeim at auf beffen Insassen. Dann tom er zum Auftrag geber zurüd, der ihn fragte: Haben Sie gefchoffen und zur Ant­wort bemerkte: Es sist gut fo." Das achtjährige Töchterchen Beninos war durch eine Revolverfugel ins Rüdgrat getroffen. Acht Tage hat es in Lebensgefahr gefchwebt, noch heute ist es bettlägerig und hat dauernden Schaden bapongetragen, da ein Bein gelähmt bleibt. Dies der Hergang, wie er aus dem Prozeß hervorging. Terruzzi gab alles zu. D'Amico leugnete den Auftrag zum Schießen: Er hätte nur befohlen, das Auto aufzuhalten. Wahrscheinlich wäre man bann mit Snippeln über alle fünf Kinder hergefallen! Best gestellt wurde weiter, daß D'Amico, gegen den Brozesse wegen anderer Gemalttaten schweben, am Tage der Tat auch einen zwölf jährigen Knaben geohrfeigt und mißhandelt hatte, weiter. baß er zwei Zeugen befohlen hatte, auszufagen, aus dem Auto wäre ge schoffen worden. Diefe Behauptung fonnte Benino Lügen strafen, da alle Fenster geschlossen waren. Der Hergang war entfeglich, aber der Prozeß war doch noch schlimmer. Der Bodestat des Ortes sagte

"

Ein Bürgerblockfireich. Die Kirche in der Karikatur" beschlagnahmt. Beamte der Berliner Kriminalpolizei beschlagnahmten heute in den Gefäftsräumen der Zentralverwaltung des Verbandes für Freidenfertum und Feuerbestattung" die noch vorhandenen Erem plare des Buches Die Kirche in der Karikatur" von Friedrich Wendel Gegen den Genossen Friedrich Wendel ist ein Er. mittlungsverfahren wegen Gatteslästerung und Beracht. Ilmagung firchlicher Einrichtungen( 8166 des StGB.) eingeleitet worden.

As ftrafbar wird erachtet, daß in dem Buche eine Anzahl anti­fatholischer Raritaturen aus der Reformationszeit gezeigt werden. Es handelt sich um Bildmaterial, das in Sammel. merten ähnlicher Art mehrfach gezeigt worden ist und bisher nie Gegenstand einer Beschlagnahme oder Strafverfolgung gewesen ist.

Die Kantoner Menschenschlächterei.

Wieder 350 Arbeiter hingerichtet!

Die Sowjefdepefchenagentur Taß meldet, daß la Kanton 350 Arbeiter, die in einem Theater gefangen gehalten wurden, fämt lich zum Tode verurteilt und hingerigtet worden find.

Was die Reichswehr liest.

Nur feine Erziehung zur Republik!

Bon Polizeioberst a. D. Hans E. Lange. Herr Geßler mie wäre es übrigens, wenn man ihn hat für zugunsten des Angeklagten D'Amico aus, er hätte nie aus per nach seinen Laten Tarnhorst" nennen würde fönlichem Intereffe gehandelt. Ein Bodeftat eines Nachbarortes ent feine Heeres und Marinefachschulen im Jahre 1927 ein laftete D'Amico noch weiter, indem er sagte, er wäre betrunken geesebu" zusammenstellen lassen. Es ist bei Mittler u. Sohn erschienen, als Herausgeber zeichnet ein Direktor wesen. Ein anderer sagt aus, daß ihm D'Amico nach der Tat fagte: Dr. B. Beyer, dem noch einige Studienräte und andere Bir haben's nicht schlau genug gemacht." Der Angeklagte über Dr. B. Beyer, dem noch einige Studienräte und andere schäzte seine Richter. Ein Centurione der Miliz sagte zugunsten Lehrer dabei geholfen haben. Nichts verrät in diesem Buche, das Mein Baterland" überschrieben ist, daß das Deutsche D'Amicos, daß er fogar seine eigenen Interessen aus Liebe zur Reich eine Republik ist, daß die Staatsgewalt pom Bolle Bartei vernachlässigte". Der Provinzialsekretär von Mailand fand ausgeht. nicht Worte genug, um den faschistischen Elfer und die Disziplin Karl Bröger , der republikanische Dichter aus dem Ar­D'Amicos zu verherrlichen, während er Benino als bekannten Um beiterstande, fingt in seiner hinreißenden Freiheitshymne: stürzler" darstellt. Nun wußten die Geschworenen, was sie zu tun, Baterland, ein hohes Licht", und fein Republikaner, der das hatten. Der Staatsanwalt beantragte zwar noch die Verurteilung nicht gelten lassen wollte. Wer aber das Baterland nur mit megen versuchten Totschlags und schmerer Kärperverlegung, die Ber rüdwärts gelenffem Blick sieht und die Gegenwart behandelt, treter des Privatflägers zogen fich zurüd( wie vorsichtig!) und als wäre sie gar nicht vorhanden, der ist nicht der rechte Er­bann tamen die Reden der Berteidiger. Für Terruzzi beantragte sicher für die republikanische Wehrmacht, die doch nicht nur her Rechtsanwalt den Freispruch, weil er dem Befehl eines Bor­im Geifte einer verschwommenen Baterlandsliebe, sondern gefeßten Folge geleistet hat; offenbar hätte man den Mann ner vor allen Dingen auch zur Staatsgesinnung erzogen urteilen müssen, wenn er das Kind nicht zum Krüppel gefchoffen werden muß. Davon ist aber in dem dickleibigen Buch auch hatte, wo D'Amico es so befahl Sein Uebermaß an Liebe darf nicht ein Hauch zu spüren. D'Amico nicht zur Schuld gerechnet werden", sagt der Berteidiger Gianturco, und fährt dann fort: Auf der einen Seite haben mir D'Amico, Korrespondenten des Popolo d'Italia seit 1920, mit einer Begitimation, um die ihn jeber beneiben tann le trägt ben Namen Benito Muffalini Seit 1920 Mitglied des Fafcio. Aus dem Gefängnis, wo er feit einem Jahre Gerechtigkeit erwartet, fchreibt er ergreifende Briefe, die immer mit dem Schrei enden:

lebenden keiner, der auch etwas über das Werk von Weimar Viele Männer der Bergangenheit tommen zu Wort, von genug geboten hätten, fehlt. Es fehlt auch Ebert, der erste zu sagen müßte. Rathenau , dessen Schriften Ausbeute Reichspräsident. Auch sein Bild ist richtigerweise müßte man mohl sagen: unterfchlagen. Dafür ist Tirpib. der olle ehrliche Ballenbieger, im Bilde zu sehen, und eigent lich wundere ich mich, daß nicht auch Geßlers Konterfei Auf­Traditionstendenz, das sollte ihn doch berechtigen, den Bala­nahme gefunden hat. Sieben Jahre Reichswehrminister mit dinen der Bergangenheit an die Seite gestellt zu werden!

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Es lebe der Duce! Es lebe der Faschismust" Auf der andern Seite der Graf Benino, der mit vornehmer Offenheit seiner sozialistischen Ueberzeugung geständig ist." Nach dieser Gegen überstellung jab jeder ein, daß der Sozialist Benino nur durch den Edelmut des Faschismus noch vier gefunde Kinder behalten durfte. Edelmut des Faschismus noch vier gefunde Kinder behalten durfte. meden wollen bei flüchtigem Durchblättern- als ob sie Ohne Zweifel haben die Herausgeber den Eindruck er­Die beiden Totschläger wurden freigesprochen; porurteilslos zu Werke gegangen wären. Unter den Dichtern die Geschworenen ertlärten fie für die materiellen Urheber der Bertauchen zum Beispiel auch eine und Dehmel auf und legung, aber ohne Absicht und ohne Fahrlässigkeit. Sie dachten, daß Revolverfugeln bei fozialistischen Kindern feinen Schaden an­richten! Wo solche Prozesse möglich sind, da sind die Grundlagen des auch, und welche Ehre für ihn, von Geßlers Soldaten gelesen gesellschaftlichen Zusammenlebens angefressen.

Sozialistischer Flüchtlingsfongreß in Paris .

Paris , 21. Dezember.( Eigenbericht.) Die italienische sozialistische Partei, deren Verwaltungsorgani­fation nach Baris flüchten mußte, hielt hier einen zweitägigen Songreß ab. Den Höhepunkt bildeten Reden des Porteivorsitzenden Iuratt und des Präsidenten der italienischen Liga für Menschen­rechte, Campoluoni. Lurati forderte auf, nicht an der Zu­funft Italiens zu verzweifeln, sonst würden sie ja ihre eigene Existenzberechtigung leugnen. Mit Gewalt sei gegen den Fa faismus nichts auszurichten, denn er verfüge über 250 000 Ge wehre. Der Faschismus wird aber mit dem Tage beseitigt sein, wo das Bolt in Italien begriffen haben wird, daß er nicht nur zur wirtschaftlichen Desorganisation, sondern auch zur geistigen und moralischen Erniedrigung Italiens führen muß; man fann den Untergang des Faschismus dadurch beschleunigen, daß man seine Isolierung durch die übrigen Länder propagiert.

Nachtwächterpflicht- oberstes Gesetz!

In Horthy - Ungarn .

Budapest , 20. Dezember.

Der Kleinlandwirt Sziji. Mitglied des Ober. hauses, war von dem Gemeindevorstand seines Heimatdorfes ländlichem Brauche gemäß zum Nachtwächterdienst einberufen worden. Szijj verweigerte die Uebernahme des Dienstes unter Berufung auf feine Oberhauswürde. Wegen llebertretung bes Ge­feges murde Anzeige gegen den Landwirt erstattet. Der Immun tätscusschuß verfügte die Aufhebung ber Jmmunität, ba ein Berstoß gegen das Gefeß vorliege. Auch bas Oberhaus hat in diesem Sinne entschieben.

Noch Lebende in S4! Man hofft noch.

Washington, 21. Dezember. Das Marineamt erhielt gestern abend die Nachricht, das neben dem Unterseeboot S 4 getauchte Unterseeboot Lebenszeichen in dem gesunkenen Schiff ge hört habe. Man hofft daher noch immer, wenigstens einige der Unglücklichen lebend zu retten.

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auf das Barteibuch ist mirklich nicht gesehen worden auch Otto Braun und Karl Brögel! Erst dachte ich schon: Mein Gott, dichtet der preußische Ministerpräsident

zu werden!" Aber es handelt sich nicht um ihn, sondern um Lily Brauns unvergeßlichen Sohn Otto.

Bon Karl Bröger ist ein neutrales Gedicht auf seine Baterstadt Nürnberg ausgewählt worden und eine Kriegs­sfizze: Das schweigende Regiment". Wie überhaupt das Kriegerische den breitesten Raum einnimmt. Dagegen wäre auch nichts zu sagen. Solange der Soldat nicht mit dem Palmwedel ausgebildet wird, fann man nicht erwarten, daß er sich der Pflege friegerischer Tradition begeben soll. Immer­hin müßte aber auch hierin das Bestreben zu erkennen sein, der Staatspolitik gerecht zu werden und eine Tendenz aus­zumerzen, die mit dem Geiste von Locarno nicht in Einklang zu bringen ist. Revanche ist ein Fremdwort. Mit Geist der Behrhaftigkeit" wollen wir es aber auch nicht übersetzen. Und den Erbfeind" überhaupt begraben sein laffen.

Aber auch ,, Das deutsche Volt bei der Arbeit"( man sieht, es ift an alles gedacht) wird den jungen Reichswehrangehöri­gen vor Augen geführt. Und von feinem Geringeren als Alfred Krupp , dem Stammherrn der Kanonendynastie. Also in dem richtigsten Geist. Ueberschrift: Unternehmer und Arbeiter eine Rede aus dem Jahre 1880". Nur zwei Stellen daraus:

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Es ist bisher feinem( von euch) eingefallen, nach Empfang des vereinbarten Lohnes noch einen Anspruch zu erheben auf Ge= winn. Für diesen Anspruch treten aber heutigentags gelehrte Bolts­beglücker mit den schönsten Redensarten auf. In seinem Lohn hat der Arbeiter den größten Anteil am Ertrage."

,, In den verschiedenen Klassen der Gesellschaft gibt es Leute, die

irrtümlich die Besserung ihrer Lage von der Aenderung der Ber­faffung, der Regierung und der Gefeße erwarten. Umwälzungen jeder Art sind ebenso verkehrte Mittel zur Besserung der Lage, als wenn man ein Haus wegen einzelner Fehler abbrechen wollte. Man verbeffert und erhält das Bestehende

Man stelle fich vor, mit welchen Kommentaren solche Auffäße von den Lehrern die doch alle stahlhelminifchen Geiftes find. sonst wären sie nicht in der Reichswehr ange­stellt in den Unterrichtsstunden durchgenommen werden!

Recht gut kommen durchweg die verfloffenen Potentaten fort. Daß sie Kriegshelden waren ist nur selbstverständlich. Aber gelegentlich blizzt auch auf, was sie friedensmäßig für ihr Bolt getan. und wie sie dafür fogar persönliche Opfer gebracht haben. So zum Beispiel der bayerische König Ludwig 1. Man erfährt. daß, als er gezwungen an Napoleons Seite tämpfte", er den Gedanken faßte gewissermaßen als Sühne also für Deutschlands Helden eine Ruhmeshalle zu erbauen Die Koften, gegen 4 000 000., beftritt der König aus der Zivilliste, ohne die Staatsmittel in Anspruch

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