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Nr. 606
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44. Jahrgang
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Vorwärts
Berliner Boltsblatt
Freitag 23. Dezember 1927
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500 Arbeiter auf die Straße gesetzt.
Unternehmerwillfür zu Weihnachten.
Hannover , 23. Dezember.( Eigenbericht.) Ein neues Beispiel brutalffer und rücksichtslosester Unternehmerwillfür bietet die Hannoversche Maschinenfabrit A- 6.( 5) anoma g). Diese dem Cothringen- konzern gehörige Firma bringt es fertig, am heutigen Tage, einen Tag vor Weihnachten, rund 500 Arbeiter zu entlassen, nachdem seit Ende Oktober schon 3700 Arbeiter entlaffen worden sind
Bei einigermaßen gutem Willen bestände die Möglichkeit, auf Borrat zu arbeiten. Aber um jetzt einige hundert Mart Jinfen zu sparen, wirft man die Proleten am Fest der Liebe aufs Straßenpflaster. Im Frühjahr, wenn die Konjunktur fich wieder hebt, verlangt man dann Ueberstunden ohne Zahl, nar um die Aufträge bewältigen zu fönnen!
Der gestrichene Kreuzer.
Wie hat Sachsen im Reichsrat gestimmt?
Dresden , 23. Dezember.( Eigenbericht.) Die sozialdemokratische Frafti on hat im Sächsi fchen Landtag eine Anfrage darüber eingebracht, ob der Bertreter Sachsens im Reichsrat im Auftrage der fächsischen Regie rung für die Bewilligung der ersten Rate für das neue Banzerschiff gestimmt habe. Falls das zutreffen follte, wird im Auskunft darüber ersucht, wie die sächsische Regierung diese Zustimmung mit den von allen Kreisen verlangten Sparmaßnahmen in Einflang bringen wolle.
Schwarzweißrote Reitervereine. Republiffeindlich aber das geniert die Reichswehr nicht. Aus Stendal wird uns geschrieben:
Dem aufmerksamen Beobachter der nur dem Pferdesport
Paris , 23. Dezember.( Eigenbericht.)
Das Bündnisangebot, das die faschistischen Blätter gleichzeitig mit ihren Forderungen an Frankreich gerichtet haben, und das Frankreich gegenüber Deutschland einen angeblich befferen Schulz gewährleisten wollte als die Locarno- Berträge, hat die franzöfifche Linkspreffe zu heftigem proteft auf den Plan gerufen. Das ,, Deuvre" bezeichnet es als vollfommen unannehmbar, daß 3talien als alleinige Gegenleistung für seine übertriebenen Forderungen einen„ netten fleinen Offensivvertrag gegen Deutschland anbiete. Darauf fönne Frankreich unter teinen Umständen eingehen, denn Italien sei ein viel zu unsicherer Kantonist, zumal es noch vor kurzem Deutschland ein Bündnis gegen Frankreich angeboten habe.
In der Debatte über das Einnahmebudget im Senat entwickelte sich eine Aussprache über die Entschädigung der ehemaligen fran 3ófifchen Kriegsgefangenen in Deutschland . Benfioneminifter Marin erflärte, beim Abschluß des Friedens Benfionsminister Marin erflärte, beim Abschluß des Friedens babe eine englische Note darauf hingewiesen, daß unter den von Deutschland wiedergutzumachenden Schäden auch diejenigen einDeutschland wiedergutzumachenden Schäden auch diejenigen einbegriffen sein müßten, die sich aus der mangelhaften Ernährung der Gefangenen in Deutschland ergeben hätten. Diese Forderung sei in
den Bersailler Vertrag aufgenommen und mit 1 milliarden von den Aulierten beziffert worden. Die Regierung schlage nun für dieses Budgetjahr die Auswerfung einer Summe von 5 Millionen vor, mobei eine Gesamtsumme von 50 Millionen, verteilt auf 7 bis 8 Jahre, im ganzen hierfür einzustellen wäre. Ministerpräsident Poincaré pflichtete der Summe von 5 Millionen für dieses Budgetjahr bei. Der Berichterstatter Senator Chéron widersprach) im Namen des Finanzausschusses unter dem Hinweis, daß die ehe
maligen Kriegsgefangenen eine volle Wiedergutmachung wünschten und mit dem Vorschlag nicht zufrieden sein würden. Eine volle Wiedergutmachung würde aber auf 600 bis 700 Millionen zu stehen kommen. Der betreffende Artikel wurde in der Abstummuna abgelehnt.
Zwei junge Tessiner , auf dem Wege, nach Locarno , be begannen in dem Glauben, bereits auf Schweizer Gebiet zu sein, ein revolutionäres Lied zu singen. Der Kapitän forderte sie auf, das Singen einzustellen. Da sie dieser Aufforderung nicht nachfamen, wurden sie verhaftet und nach Ganobbio in Italien ins Gefängnis abgeführt. Die Schweizer Behörden haben Schritte unternommen, um die Freilassung der beiden Verhafteten zu erreichen.
dienenden Reitervereine in der Altmart" war schon lange um die Revision der„ Kapitulation".
befannt, daß es sich um ausgesprochene fdmarzweißrofe, republiffeindliche Bereinigungen handelt. Beim alljährlichen Reitersport 3mischen Stendal unb lenglingen. an dem auch die republikanische Reichswehr " teilnimmt, find an den Ein- und Ausgängen immer große schwarzweißrote Fahnen angebracht.
Nun hatte nach einem Bericht des„ Debisfelder Generalanzeigers" der Reiterverein Debisfelde Kaltendorf und limgegend am vergangenen Sonntag seine Generalversammlung. Der Borsigende Götsche berichtete über das verfloffene Geschäftsjahr, und in bezug auf das neue Jahr sagte der Borsigenbe des dem Pferdesport dienenden Reitervereins" nach dem Zeitungsbericht mörtlich:
SLP
Beim Eintritt ins neue Jahr wünsche er fefte und treue Weiterpflege der bisherigen Kamerabschaft und auch ferner Erfolge im Reitsport Man solle nicht in der Ausbildung nachlassen, da niemand wiffe, wozu er fie noch einmal gebrauchen könne;
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England nicht grundsätzlich ablehnend.
London , 23. Dezember. | auf der Genfer Konferenz erneuten Ausdruck fand, ist sie zugleich Aegyptische Blätter haften gemeldet, daß die ägyptische Re- auf das Schlimmste gefaßt und wird nicht unvorbereitet. gierung beabsichtige, die kapitulationsmächte zu einer überrascht werden. Im Namen der Sowjetregierung protestiert internationalen Konferenz zur Neuregelung gewisser Beffim- das Bolfskommissariat für auswärtige Angelegenheiten vor der mungen der kapitulationen einzuladen. Halbamtlich wird ganzen Welt gegen die Ausschreitungen der chinesischen Konterdazu erklärt: Die britische Regierung weiß bereits seit einiger revolution. Die Sowjetregierung behält sich das Recht vor, alle Die Zeit, daß die ägyptische Regierung beabsichtigt, einen Maßnahmen zu treffen, die sie für notwendig erachten wird angefolchen Schrift zu tun. Es wird erwartet, daß die britische Re- fichts der blutigen Verbrechen, die in Südchina gegen die Sowjetgierung bereit fein werde, an einer solchen Konferenz teilzu- union verübt wurden. Diese bestialischen Akte tönnen nicht nehmen, wenn die Bedingungen der Einladung feststehen. ungestraft bleiben."
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„ Kapitulation" hat im Kriegsrecht den Sinn der Uebergabe. Hier ist er völkerrechtlich gebraucht. Rapitulationen find die von christlichen" Mächten, zum Teil bereits im Mittelalter, mit ortentalifajen Staaten abgeschlossenen Verträge, die dahin gingen und
denn einst würde der Tag fommen, an dem es gelte, alle seine gehen, daß die Untertanen der christlichen Mächte der Gerichtsbar ftchens gewissermaßen sich selbst ein Geburtstagsgeschenk
Kraft einzusehen für das Wohl und Behe des Baterlandes. Alle Anzelchen deuteten darauf hin, daß es so nicht lange mehr fortgehen könne, der Mittelstand freibe immer mehr der Bernichtung entgegen. Deshalb brauche man Männer, die dem Rufe folgen, menn er eines Tages an sie ergehe. Und zu solchen Männern wolle der Berein seine aktiven Reiter erziehen.
Das ist durchaus der Jargon der Ehrhardt 3ünger. Allerdings wird den Pferdesport treibenden Reitervereinen ihr Maulaufreißen nichts nügen. Die Republik steht und wird durch derartige Töne nicht ins Banten geraten. Die Reichswehr aber hat bei diesen Gegnern der bestehenden Ordnung nichts zu suchen.
Wallraf ade?
Deutschtonservative Zagung in Köln .
Die Konservativen in Köln haben am 19. Dezember eine Tagung abgehalten, die sich mit der deutschnationalen Bolitik und den fommenden Wohlen besch ftinte. Das Referat hatte der Land'agsabgeordnete Schwecht, der, Don den begangenen Fehlern nichts beschönigte"
In der Aussprache wurden die beiden Hauptfehler, Dawes Bertrag und Verlängerung des Republitsusgefeges, sehr eingehend behandelt. Man forderte bewußteres Eintreten für die monarchie, stärkere Betonung der völlischen Biele und energische Schritte zur Befeitigung des Dawes Blans. Dem Abgeordneten Schwecht sprach die Bersammlung ihr Vertrauen aus, betannte aber offen, daß sie den Ja: Sagern des Dawes Vertrags ihr Bertrauen nicht mehr schenken fönne."
Der Reichstagsabgeordnete der Deutschynationalen im Kreise KölnMachen ist Herr Wallraf Ja Sager bei der DamesAbstimmung. Ihm galt das Mißtrauensuotum. Die Deutschnationalen erzielten im Dezember 1924 bei der Reichstagswahl 64 000 Stimmen im Kreise Köln- Aachen. Es reichte fnapp zu einem Mandat. Mlfo: Wallraf obe?
feit der Drientalen nicht unterworfen waren, jondern vor ihren eigenen Ronsuln als Kläger, Angeflagte oder Beflogte erscheinen durften. Die Türkei hat sich von diesen Verträgen bei ihrem Eintritt in den Weltkrieg losgesagt. In früher türkischen Gebieten, wie egypten, gelten sie noch heute; ebenso zum Beilpiel in China . mo mur Deutschland und die Sowjetunion Serartige Vorrechte nicht mehr befizen.
Die oben wiedergegebene halbamtliche Reutermeldung zeigt deutlich, daß es sich jetzt bel Aegypten nicht etwa um die Abschaffung, sondern nur um eine Abänderung einzelner Teile des bestehenden Kapitulationssystems handelt. Darüber zu verhandeln, lehnt England natürlich nicht etwa grundsätzlich von pornherein ab. Um so geringer wird das prattische Ergeb: für Aegypten sein.
Moskau über Kanton. Erflärung gegen die Würger der nationalen Bewegung. Mostau, 23. Dezember.
Die Presse veröffentlicht eine von Ischitscherin unterzeichnete Er flärung des Bolfskommiffariats für auswärtige Angelegenheiten, in in der es heißt:„ Die Berttätigen der Sowjetunion betrauern tief den tragischen Tod der Genoffen, die von den Henfern und Bürgern ber südchinesischen Konterrevolution zu Tode gefoltert wurden, doch ist ihr Märtyrerblut nicht vergeblich gefloffen. Das 400- MillionenBolt tann auf seinem Wege zur Freiheit nicht aufgehalten werden, und jene militaristischen Cliouen, die sich aus Führern der Nationalbewegung in ihre Bürger verwandelten, werden restlos Das befreite chinesische Bolt wird die von hinweggefegt werden. seinen Unterdrückern hingemordeten Sowjetfreunde nicht vergessen, und ihr Andenken wird die mit Blut zusammengeschweißten Böller zweier großer Staaten noch fefter verknüpfen. Die Sowjetregierung erblickt in den unerhört barbarischen Akten der chinesischen Konterrevolution und der hinter ihr stehenden Kräfte den Ausdruck einer Offensive gegen die Sowjetunion . Indem die Sowjet union ihre Friedenspolitik fortfeßt, die in dem Abrüstungsvorschlag
Die GPU. hat anläßlich des zehnjährigen Jubiläums ihres Bedargebracht in Form einer aufgedeckten monarchistischen Organisation in Odessa . Es handelt sich dabei angeblich um Anhänger des Groß
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fürsten Nikolai Nikolaimitsch. Die Organisation soll die Sprengung von Eisenbahnbrüden und Attentate auf hohe Gout: tbeamte vorbereitet haben. Alle Mitglieder der Organisation 42 an der Zahi sind verhaftet, darunter auch einige Offiziere ber Roten Armee, Sowjetbeamte und mehrere Emigranten, die auf illegalem Bege über die rumänische Grenze nach Rußland gekommen sind. Das Zentrum dieser Organisation soll sich in Bufarest befinden.
Etwa zwei Dußend leltender Persönlichkeiten der GP11. ist der „ Orden der Roten Fahne" verliehen worden.
Dirschau als polnischer Holzhafen. Ein Druckmittel gegen Litauen und Danzig . Warschau , 23. Dezember.
Die polnische Regierung hat endgültig beschlossen. Di schau zu einem Seeholzhafen auszubauen. In dem Budget für 1927 23 ist schon die Summe von einer million 3lotn für dich 3wed vorgesehen.
Dirftau liegt 30 Kilometer füdöstlich von Danzig , am inten Ufer der Weichsel . Es ist eine uralte Stadt, schon um 1200 in einer polnischen Sdenfungsurkunde an den Johanniterorden genannt. Es fam bei der ersten Teilung Polens an Preußen, gehört jetzt wieder zu Polen .
Die polnische Regierung hat jetzt 470 000 3loty als erste Rate in den Staatshaushalt eingesetzt, um aus Dirschau einen„ Seeholzhafen" zu machen. Dieser Entschluß ist in einem Augenblick gefaßt, wo Verhandlungen mit Litauen beginnen sollen, um die Holz= ausfuhr durch, Litauen über Memel freizubekommen. Es ist also als diplomatisches Druckmittel gemeint. Aber man fann Holz aus der Wilna gebiet unmöglich über die Weichsel transportieren So wird von dem Plan nur übrig bleiben, daß er eine Konf renz gegen Danzig darstellt.